Konterrevolutionäre Organisationen in der DDR: Neues Forum

Das Neue Forum (Abkürzung: NF, Kurzbezeichnung: Forum) war eine der konterrevolutionären Organisationen, welche während der Konterrevolution in der DDR entstanden. Das Neue Forum prägte die Konterrevolution wesentlich mit. Ein Teil des Neuen Forums ging später im Bündnis 90 und schließlich in der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf. Ein anderer Teil blieb als eigenständige Organisation erhalten, die in den heutigen neuen Bundesländern heute als Kleinpartei aktiv ist.

Das Neue Forum wurde am 9./10. September 1989 bei Berlin im Grünheider Ortsteil Altbuchhorst, im Haus von Katja Havemann, der Witwe von Robert Havemann, gegründet. Am 10. September veröffentlichte die Gruppe den Aufruf „Die Zeit ist reif – Aufbruch 89“. Er war von 30 Erstunterzeichnern aus der gesamten DDR, die knappe Hälfte aus Berlin, unterschrieben worden. Unter ihnen befanden sich die Malerin Bärbel Bohley, der Physiker Martin Böttger, die Ärztin Erika Drees, die Heimerzieherin Katja Havemann, der Jurist Rolf Henrich, der Physiker Reinhard Meinel, der Physiker Sebastian Pflugbeil, der Arzt und Molekularbiologe Jens Reich, der Betonfacharbeiter Reinhard Schult, der Physiker Rudolf Tschäpe, der Student Michael Arnold sowie der Pfarrer und Direktor der Evangelischen Akademie Magdeburg Hans-Jochen Tschiche. Die genannten Personen sind Konterrevolutionäre. Der Aufruf begann mit dem Satz „In unserem Land ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört“ und beschrieb dann in einem längeren Absatz die Verhältnisse in der DDR. In der Tat lag da Einiges im Argen. Diesen Schwachpunkt haben die Konterrevolutionäre ausgenutzt und da eingehakt. Es wurden darin verschiedene Kritikpunkte aufgeführt, die mit Wünschen an die gesellschaftliche Entwicklung verbunden waren, ohne allerdings konkrete politische Forderungen zu stellen. Das Hauptanliegen des Aufrufs war das Einklagen eines „demokratischen Dialogs“. „In aller Öffentlichkeit, gemeinsam und im ganzen Land“ sollte über die wichtigen Fragen nachgedacht und gesprochen werden. Das Neue Forum wollte eine „politische Plattform“ für diesen als notwendig beschriebenen Dialog sein und rief alle Bürger der DDR auf, an der „Umgestaltung unserer Gesellschaft“ mitzuarbeiten und dem Neuen Forum beizutreten. Das sind alles schwammige Formulierungen. Doch es gibt Texte des Neuen Forums, die erkennen lassen, dass es in Richtung bürgerliche Gesellschaft gehen soll.

Am 19. September 1989 meldete das Neue Forum die Gründung der Vereinigung unter Berufung auf Artikel 29 der DDR-Verfassung in elf der 15 DDR-Bezirke an. Zwei Tage später wurde über die staatliche Nachrichtenagentur ADN das Neue Forum als verfassungs- und staatsfeindlich beschrieben. Es zeigt sich, dass es tatsächlich so war. Am 25. September 1989 wurde der Antrag auf Zulassung offiziell mit der Begründung abgelehnt, es bestehe keine gesellschaftliche Notwendigkeit für eine derartige Vereinigung. Die Staatsmacht der DDR war bereits zu schwach, um konsequent gegen das Neue Forum vorzugehen. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits 3.000 Menschen den Aufruf unterschrieben. Es ist fraglich, ob die Unterzeichner das wohlklingende „Bla Bla“ verstanden haben. Vermutlich nicht und sie sind darauf hereingefallen.

„Der Spiegel“ schrieb am 09.10.1989:

„Kein Mensch mehr, so scheint es, schert sich im 40. Jahr der Republik um Drohungen und Verbote der sozialistischen Obrigkeit. 900 Bürger schrieben sich bei einem Gottesdienst in Schwerin in die Mitgliederliste des Neuen Forums ein, obwohl Innenminister Friedrich Dickel die Vereinigung kurz zuvor zur staatsfeindlichen Organisation erklärt hatte.“

Der Aufruf vom Neuen Forum wurde vervielfältigt und weitergegeben. Das MfS beobachtete diese Tätigkeiten als staatsfeindlich. Es konnte aber nichts mehr dagegen ausrichten.

Wie alle Konterrevolutionäre, agierte das Neue Forum mit geschickter Massenpsychologie. Das hatte auch eine hohe Mobilisierungswirkung zur Folge. Die Proteste und Demonstrationen, wie die Montagsdemonstrationen wurden durch das Neue Forum getragen. Die Strukturen wuchsen und Kontaktadressen wurden verteilt. Zunächst erklärten die meisten Vertreter des Neuen Forums, dass sie die DDR erhalten wollten und kein kapitalistisches Gesellschaftssystem anstrebten. Nach dem konterrevolutionären Ereignis am 09.11.1989, als der Antifaschistische Schutzwall beseitigt wurde, verlor das Neue Forum mit diesen Positionen und den wenig konkreten Zielen des Gründungsaufrufs zunehmend an Einfluss auf die konterrevolutionäre Bewegung.

Von Dezember 1989 bis März 1990 arbeitete das Neue Forum mit Vertretern am Zentralen Runden Tisch und lokalen Runden Tischen, die mit einer Vielzahl von Forderungen an die (noch) bestehende DDR-Regierung und entsprechenden kommunalen Entscheidungsträgern herantraten. Sie bestimmten die politische Entwicklung der damaligen Zeit. Die Konterrevolution nahm ihren Lauf. Von Februar bis März 1990 stellte das Neue Forum mit Sebastian Pflugbeil einen Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung Modrow. Die Konterrevolution ergriff die Macht.

Die politische Ausrichtung des Neuen Forums war zunächst relativ unbestimmt. Im Neuen Forum organisierten sich Leute verschiedener politischer Auffassungen. Ob man eine Partei gründen wollte oder sich anders organisieren will, entschied sich Ende 1989. Am 27. und 28. Januar 1990 spalteten sich nach langen Debatten etwa ein Viertel der Anhänger, vor allem Mitglieder aus den Südbezirken der DDR, als Deutsche Forumpartei (DFP) vom Neuen Forum ab, deren Vorsitzender Jürgen Schmieder wurde. Die DFP ging mit der Annexion der DDR in der FDP auf.

Bei der offiziellen Gründungskonferenz im Januar 1990 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem linken und dem gemäßigten Flügel. Als Ergebnis behielt das Neue Forum seine basisdemokratischen Strukturen bei, strich aber das Bekenntnis zur eigenstaatlichen DDR aus dem Programm. Die Konterrevolution war ja nun soweit gediehen, dass man die Bevölkerung nicht mehr täuschen musste und die Annexion der DDR durch die BRD stand bevor. Am 6. Februar schloss sich das Neue Forum mit den konterrevolutionären Organisationen Demokratie Jetzt und Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) zum Wahlbündnis Bündnis 90 zusammen. Bei der Volkskammerwahl am 18. März erhielt das Bündnis 90 dann 2,9 % der Stimmen und stellte 12 Abgeordnete im Parlament. Gemeinsam mit den Abgeordneten der Grünen Partei in der DDR gründeten sie die Fraktion Bündnis 90/Grüne. In ihr saßen für das Neue Forum Joachim Gauck(späterer Bundespräsident), Gotthilf Matzat, Hans-Ulrich Meisel, Ilse Nierade-Koenig, Rainer Pietsch, Jens Reich, Werner Schulz und Hans-Jochen Tschiche. Die Fraktion sprach sich sehr vehement gegen die ihrer Meinung nach zu schnelle Einführung der DM und Annexion der DDR durch die BRD aus. Doch das war nicht mehr entscheidend.

Siehe Wikipedia

11 Kommentare zu “Konterrevolutionäre Organisationen in der DDR: Neues Forum

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