Russland in den Jahren der Reaktion und des neuen revolutionären Aufschwunges

Die Partei der Bolschewiki in der Periode der stolypinschen Reaktion

Die Revolution war unterdrückt worden, der Sieg des Zarismus aber nicht dauerhaft. Die zaristische Regierung rechnete grausam mit den revolutionären Arbeitern und Bauern ab. Die Gefängnisse waren überfüllt. Der zaristische Minister Stolypin bedeckte das Land mit Galgen. Jedoch stärkten die zaristischen Verfolgungen der Arbeiter und Bauern die Selbstherrschaft nicht. Um ihre Lage zu festigen, nahm die Regierung ihre Zuflucht zu einem großangelegten Manöver. Sie heckte den Plan aus, die Kulakenoberschicht des Dorfes zu einer festen Stütze der Selbstherrschaft zu machen durch Verwandlung der Kulaken in „kleine Gutsbesitzer“.

Früher hatten die Bauern das Land gemeinsam durch die gesamte Dorfgemeinschaft besessen. Das Land wurde von Zeit zu Zeit unter die Mitglieder der Dorfgemeinschaft nach Maßgabe der Zahl der männlichen Seelen aufgeteilt.

Am 09. November 1906 erließ Stolypin ein Gesetz, demzufolge jeder beliebige Bauer aus der Dorfgemeinschaft ausscheiden konnte. Die Dorfgemeinschaft war verpflichtet, dem Ausscheidenden seinen Landanteil als persönlichen Besitz auszusondern. Auf diesem Landteil konnten jedoch nur die wohlhabenden Bauern sich festsetzen. Im Verlaufe von 9 Jahren (von 1906 bist 1915) schieden insgesamt mehr als zwei Millionen Hofbesitzer aus der Dorfgemeinschaft aus. Die Armen, die aus der Dorfgemeinschaft ausschieden, konnten ihre Parzellen nicht bebauen und gingen zugrunde. Die reichen Bauern – die Kulaken – erhielten die Möglichkeit, zum niedrigem Preise das Land der ruinierten Dorfarmen aufzukaufen. Die Klassenschichtung des Dorfes verschärfte sich. Auf der einen Seite stieg die Zahl der landlosen Bauern an, auf der anderen Seite stieg die Anzahl der Kulakenwirtschaften. Stolypins Reform beließ in den in den Händen der Gutsbesitzer, der Zarenfamilie und der Klöster mehr als 150 Millionen Hektar besten Landes. Die stolypinische brachte der Bauernschaft Ruin, Armut und Hungersnot.

Im Dorfe verstärkte sich die Bewegung der Bauern gegen die Gutsbesitzer und die Kulaken. Die Bauern leisteten den Landmessern und anderen zaristischen Beamten, die die Reform durchführten, Widerstand. Bei der Aussonderung von Land aus der Dorfgemeinschaft an die Kulaken mussten die zaristischen Beamten nicht selten Gewalt anwenden.

Nur eine Revolution konnte die Lage im Lande ändern. Die Bolschewiki, mit Lenin und Stalin an der Spitze, wussten das und bereiteten die Arbeiter und Bauern auf die Fortsetzung des Kampfs gegen den Zarismus vor. Die Menschewiki glaubten nicht an die Möglichkeit eines neuen Aufschwunges der Revolution, sie verleugneten die revolutionären Forderungen des Parteiprogramms und die revolutionären Losungen der Partei. Die Menschewiki schlugen sogar vor, die proletarische Partei völlig zu liquidieren und sich dem stolypinschen Regime „anzupassen“. Lenin nannte die Menschewiki-Liquidatoren die „Stolypinsche Arbeiterpartei“ und rief die Arbeiter auf, ihre revolutionäre Partei zu hüten und zu festigen.

Die zaristische Regierung verfolgte die Partei der Bolschewiki und befahl, Lenin zu verhaften. Die zaristischen Spitzel suchten eifrig nach dem Führer der Revolution. Auf Vorschlag der Partei ging Lenin im Jahre 1907 ins Ausland. Im Dezember desselben Jahres fuhr er in die Schweiz und ließ sich in Genf nieder. Hier erneuerte er die Herausgabe des Zentralorgans der Partei: der Zeitung „Proletarij“ („Der Proletarier“). Auf geheimen Wegen schickte er von hier die bolschewistische Zeitung und Briefe mit Anweisungen, wie die Partei, die sich in der Illegalität befand, arbeiten sollte, nach Russland.

Vor der Polizei verborgen, schufen die Bolschewiki ihre Organisationen in den Betrieben, druckten und verbreiteten unter den Arbeitern Flugblätter und Zeitungen. Zur Verstärkung ihres Einflusses bei den Massen bedienten sie sich der Gewerkschaften, der Arbeiterklubs, der Sonntagsschulen und der Genossenschaften. In der Reichsduma, wohin die Arbeiter einige Bolschewiki hatten entsenden können, ertönten ihre kühnen Aufrufe zum Kampfe um die Freiheit.

Den revolutionären Kampf in Russland leitete J.W. Stalin. Nach der Niederlage der Revolution im Zentrum von Russland leitete er den revolutionären Kampf der Bakuer Arbeiter. Lenin schätzte den kämpferischen Charakter der Bakuer Streiks, die von Stalin geleitet waren, sehr hoch ein. Er schrieb: „Im Jahre 1908 steht Baku mit 47 000 Streikenden an der Spitze der Gouvernements, die eine beachtliche Zahl von Streikenden aufweisen. Die letzten Mohikaner des politischen Massenstreiks!“ 

Der Zarismus bemühte sich auf jegliche Weise, Stalin der Möglichkeit einer revolutionären Betätigung zu berauben. Von 1902 bis 1913 wurde Stalin achtmal verhaftet, siebenmal war er in der Verbannung. Ungeachtet der polizeilichen Verfolgungen fuhr er fort, selbstlos die revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse zu leiten.

Die Bolschewiki geben Beispiele einer grenzenlosen Hingabe an die Revolution, hohe Vorbilder von Mannhaftigkeit, Mut und unerschütterlichem glauben an den Sieg der Arbeiterklasse.

Ein unbeugsamer Revolutionär war Jakow Michajlowitsch Swerdlow, „der ausgeprägteste Typus eines Berufsrevolutionärs“, wie Lenin ihn charakterisierte. Vom 15. Lebensjahre an begann er seine Mehrmals von Verbannungen und Flucht unterbrochene revolutionäre Tätigkeit voller Anstrengungen und Gefahren. Nach der Niederlage der Revolution befand sich Swerdlow zwei Jahre auf Festung.

In den Jahren der Reaktion wurde er aus dem Kerker freigelassen, aber bald wieder verhaftet und in die Narymregieon verschickt. Fünfmal versuchte Swerdlow, aus dem abgelegenen Maximkin-Jar zu flüchten, wohin sogar die Post nur zweimal im Jahre kam. Im Herbst des Jahres 1912 versuchte er auf einem Boot den Jenissej zu überqueren, und wäre in dem reißenden Fluss beinahe umgekommen.

Ein unerschütterlicher bolschewistischer Kämpfer war auch Michail Wassiljewitsch Frunse. Im Jahre 1905 leitete er den Streik der Iwanowo-Wonsessensker Arbeiter. Im März 1907 wurde Frunse verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Die Todesstrafe drohte ihm. „Sagen Sie sich von Ihren Proletariern los“, rief ihm während der Gerichtsverhandlung der Rechtsanwalt zu, „Sie werden sehen, man wird Sie sofort begnadigen.“ Frunse erklärte dem Richter empört, dass er einen solchen Verteidiger ablehne.  Das zaristische Gericht verurteilte Frunse zu 10 Jahren Zwangsarbeit.

Furchtlos bekämpfte den Zarismus der junge Bolschewik Sergej Mironowitsch Kirow, der später ein feuriger Tribun der Revolution wurde. Wegen revolutionärer Arbeit im Jahre 1905 in Tomsk und wegen Organisierung einer Geheimdruckerei wurde er zur Einkerkerung in einer Festung verurteilt. Dies war schon seine dritte Verhaftung. Aber der stets muntere und lebensfrohe Kirow widmete sich aufs Neue der revolutionären Arbeit, sobald er aus dem Gefängnis wieder heraus war.

Ein ebensolcher unermüdlicher junger Revolutionär und Bolschewik war Grigorij Konstaninowitsch Ordshonikidse (Sergo).                                                                                                                                        Bei der Ausladung von Waffen, die auf dem Seeweg aus dem Ausland verschickt worden waren, wurde er im Dezember 1905 verhaftet. Es gelang ihm, über die Grenze zu flüchten, aber später kehrte er nach Baku zurück. Nach wiederholten Verhaftungen ging Ordshonikidse nach Paris und lernte in der von Lenin geschaffenen Parteischule. Nach Russland zurückgekehrt, leistete er eine energische bolschewistische Arbeit, die erst durch seine Einkerkerung in die Schlüsselberger Festung auf drei Jahre unterbrochen wurde.

Einer der hervorragendsten Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung Polens und Russlands in den Jahren der Reaktion war Felix Edmundowitsch Dzierzynski( Es gibt verschiedene Schreibweisen des Namens.). In den heißen Tagen der Revolution des Jahres 1905 entwickelte Dzierzynski, der bei den Warschauer Arbeitern unter dem Namen Jusef bekannt war, eine rastlose Tätigkeit.                                                                                                                                                      Er führte einen energischen Kampf gegen die Menschewiki und unterstützte die Linie Lenins. Während der illegalen Arbeit nach der Revolution wurde er mehrmals verhaftet. Als gefährlicher und unversöhnlicher bolschewistischer Revolutionär wurde Felix Dzierzynski in einem besonderen Pavillon der der Warschauer Zitadelle eingesperrt. Hier schrieb er das „Tagebuch eines Gefangenen“, in dem er von seinen Erlebnissen als standhafter revolutionärer Kämpfer, der bereit ist, sein Leben im Namen der Revolution hinzugeben, erzählte.

Viele Hunderte von tapferen Revolutionären waren in den Verhältnissen der Illegalität durch die bolschewistische Partei erzogen worden. Sie bildeten die eiserne Garde der Leninisten, die unter der Leitung Lenins und Stalins unerschütterlich eine neue Revolution vorbereiteten.

Der neue revolutionäre Aufschwung in Russland

Bald begann in der Arbeiterbewegung von neuem eine bemerkenswerte Belebung. Die Arbeiter fingen an, Kräfte zu sammeln. Die Zahl der Streiks stieg von neuem an. Bereits im Jahre 1911 überschritt die Anzahl der Streikenden im ganzen Lande hunderttausend. Ein besonders starker Aufschwung des revolutionären Kampfes des Proletariats war durch die Ereignisse in den fernen Goldgruben der Lenaer Goldminen-Gesellschaft in Sibirien bewirkt worden.

Die Goldminen befanden sich in der abgelegenen Tajga, 1700 km von der Eisenbahn entfernt. Man konnte nur dann von dort wegkommen, wenn di Lena schiffbar war. Die Arbeitsbedingungen waren durch einen ausbeuterischen Vertrag geregelt. Vor Beendigung der Anstellungsfrist durften die Arbeiter die Arbeit nicht aufgeben, doch konnten sie zu jeder beliebigen Frist entlassen werden. In Anrechnung auf den Arbeitslohn wurden den Arbeitern Lebensmittel schlechtester Qualität verabfolgt. Der Arbeitstag war laut Vertrag auf zehn bis elf Stunden festgesetzt, die Verwaltung verlängerte ihn jedoch häufig nach Willkür.

Die Goldminenbesitzer, die die Lenaer Gesellschaft leiteten, fühlten sich in der Tajga als richtige Herrscher. Den Leiter der Goldgruben, Belosjorow, nannte man den „ungekrönten König der Tajga“.

Die zuchthausähnlichen Arbeitsbedingungen, die Verzögerung der Auszahlung des Arbeitslohnes, der Verkauf von verfaulten Lebensmitteln zum dreifachen Preis, die Gewalttätigkeiten und das eigenmächtige Handeln der Verwaltung und der Polizei riefen häufige Unruhen unter den Arbeitern hervor.

Ende Februar 1912 brach auf einer der Gruben, wo die Lage der Arbeiter besonders schwer war, ein Streik aus. Als Anlass diente die Zuteilung von faulem Pferdefleisch an die Arbeiter. Die empörten Arbeiter traten in den Streik und schickten zu den anderen Gruben ihre Deputierten. Am 27. März wurde der Streik ein allgemeiner. Mehr als 6000 Arbeiter nahmen daran teil und führten ihn eindeutig und organisiert durch. Jedoch wurde ungeachtet seines friedlichen Charakters eine große Abteilung Soldaten zu den Gruben entsandt. Das Streikkomitee wurde wegen „Aufwiegelung“ der Arbeiter zum Streik verhaftet. Am 04.(17.) April 1912 unterschrieben 3000 Arbeiter eine Erklärung, dass sie von sich aus, ohne jede Aufwiegelung, gestreikt hätten. Mit dieser Erklärung begaben sie sich zum Staatsanwalt zur Nadeshdinsker Goldgrube, um die Befreiung ihrer Deputierten zu verlangen.

An einem kalten Morgen des 04. April zogen lange Reihen von Arbeitern zur Nadeshdinsker Goldgrube und vereinigten sich dort zu einem langen schwarzen Band, das sich auf drei bis vier Kilometer erstreckte. Sie zogen durch den Wald, zwischen Schneehaufen, auf einem schmalen Weg, der kein Ausweichen zuließ. Auf der einen Seite befand sich ein steiler Abhang zum Fluss Bodajbo, auf der anderen Seite lagen Stapel aufgeschichteten Holzes. Quer über den Weg waren die vorher herbeigerufenen Soldaten in voller Kampfbereitschaft aufgestellt. Den Arbeitern trat der Ingenieur Tultschinskij entgegen und versuchte sie zu überreden, auseinander zu gehen. Die vordersten Reihen hielten an. Aber die 3 000köpfige Menge, die sich auf dem engen Weg hinzog, bewegte sich weiter und stieß auf die vordersten Reihen. Da begannen Polizei und Militär auf die Arbeiter zu schießen; 250 wurden getötet und 270 verwundet.

Die neue blutige Gräueltat der zaristischen Selbstherrschaft rief einmütige Empörung unter den Arbeitern hervor. Im ganzen Lande brachen Proteststreiks aus. In den Städten fanden revolutionäre Demonstrationen statt. Die Dritte Reichsduma, die laut Gesetz vom 03. Juli 1907 gewählt worden war und deren Mehrheit aus Gutsbesitzern und Bourgeoisie bestand, war immerhin gezwungen, die Frage über die blutigen Ereignisse an der Lena zu diskutieren. Der Minister des Inneren, Makarow, erklärte: „So war es, so wird es sein.“                                                                                                                                       Die Ereignisse an der Lena fanden im ganzen Land Widerhall. Überall begannen Streiks. Ungefähr 300 000 Arbeiter streikten. Lenin wies darauf hin, dass die Arbeiter jetzt nicht für einzelne Rechte, sondern gegen die allgemeine Rechtlosigkeit des Volkes zum Kampf anträten.Gerade diese allgemeine Rechtlosigkeit im russischen Leben, gerade die Hoffnungslosigkeit und Unmöglichkeit des Kampfes für einzelne Rechte, gerade diese Unverbesserlichkeit der zaristischen Monarchie und ihres ganzen Regimes sind in den Ereignissen an der Lena so grell in Erscheinung getreten, dass sie in den Massen das revolutionäre Feuer entzündet haben“, schrieb Lenin.

J.W. Stalin schrieb in der bolschewistischen Zeitung „Swesda“ („Der Stern“), indem er die historische Bedeutung der Ereignisse an der Lena würdigte:                                                                                             „Die Schüsse an der Lena haben das Eis des Schweigens gebrochen und- der Strom der Volksbewegung ist in Bewegung geraten.                                                                                                           In Bewegung geraten!….                                                                                                                                      Alles, was es Böses und Unheilvolles im gegenwärtigen Regime gab, alles, woran das vielgeprüfte Russland krankte, all das hat sich in der einen Tatsache, in den Ereignissen an der Lena zusammengeballt.                                                                                                                                                   Das ist der Grund, warum gerade die Schüsse an der Lena zum Signal für Streiks und Demonstrationen wurden.“

Die Ereignisse an der Lena zeigten, dass sich in der Arbeiterklasse eine gewaltige revolutionäre Energie angehäuft hatte. Die Bewegung breitete sich aus, wobei sie die rückständigsten Schichten der Arbeiter ergriff. Streiks fanden in sämtlichen Gebieten des Landes statt. An der Spitze schritt das revolutionäre Petersburg, ihm folgten die Arbeiter Moskaus, des Baltikums, der Ukraine (heute führen die Ukraine und Russland gegeneinander Krieg {2022} Ein Ergebnis des Sieges des Kapitalismus als Weltsystem), des Kaukasus. Die wirtschaftlichen Streiks verflochten sich mit den politischen. Lenin nannte derartige Massenstreiks revolutionäre Streiks. Sie waren gegen die Selbstherrschaft gerichtet und hatten für das gesamte Volk Bedeutung als revolutionäres Kampfmittel. Die Streiks riefen Sympathie der übergroßen Mehrheit der Werktätigen hervor. Sie ermutigten die Bauernschaft zum Kampf gegen die Gutsbesitzer und den Zarismus. Die Zusammenstöße der Bauern mit den Kulaken häuften sich. In der Zeit von 1010 bis 1914 fanden mehr als 13 000 Bauernaktionen statt.

Die Streiks wurden unter den bolschewistischen Losungen: „Achtstunden-Arbeitstag“, „Konfiskation des Bodens der Gutsbesitzer“, „Demokratische Republik“ durchgeführt.

Unter den Verhältnissen des revolutionären Aufschwunges war eine geschlossene Kampfpartei besonders notwendig, die fähig wäre, die Arbeiterklasse auf die neue Revolution vorzubereiten. Aus diesem Grunde wurde im Januar 1912 in Prag (Tschechoslowakei; heute Tschechien) eine Parteikonferenz einberufen, auf der sich die Bolschewiki zu einer selbstständigen Partei formierten. Bis zu dieser Zeit waren sie mit den Menschewiki formal in einer Partei, der SDAPR, vereinigt. Von jetzt an nannte sich die Partei SDAPR (Bolschewiki). Die Prager Konferenz wählte ein bolschewistisches Zentralkomitee, mit Lenin an der Spitze. J.W. Stalin, der sich in der Verbannung befand, wurde in Abwesenheit zum Mitglied des Zentralkomitees der Partei gewählt. Auf Lenins Vorschlag wurde Stalin an die Spitze des Russischen Büros des Zentralkomitees gestellt, das zur unmittelbaren Leitung der Parteiarbeit in Russland geschaffen wurde.

Für die revolutionäre Erziehung der Massen brauchten die Bolschewiki eine kämpferische politische Tageszeitung, die eng mit den Massen verbunden wäre. Im Januar 1912 begannen die Arbeiter Beiträge für die Herausgabe ihrer Zeitung zu sammeln. Die erste Nummer der täglich erscheinenden Massenzeitung „Prawda“ („Die Wahrheit“) kam am 22. April (am 05. Mai neuen Stils) heraus. Der Tag des 05. Mai wurde daher in der Sowjetunion als Tag der Arbeiterpresse gefeiert. Die Arbeit der „Prawda“ leitete Lenin vom Ausland aus. Ihr erster Redakteur war Stalin. Viel Zeit und Kräfte widmete W.M. Molotow, der als Redaktionssekretär arbeitete, der „Prawda“. Maxim Gorki unterstützte die „Prawda“ in ihrer Arbeit.

Die Zeitung erschien täglich. Jeden Morgen fand der zaristische Zensor sie auf seinem Tisch und suchte, woran er Anstoß nehmen könnte, um ihr Erscheinen zu verbieten. Die Arbeiter versammelten sich bereits in der Nacht auf dem Hof der Druckerei, wo die „Prawda“ gedruckt wurde, ergriffen die neuen Nummern der Zeitung, sobald sie erschienen, und trugen sie in die Werke und Fabriken. 40mal im Verlaufe des ersten Jahres des Bestehens der „Prawda“ drang di Polizei in die Druckerei ein, um die gesamt Auflage zu vernichten, aber in der Regel war die Zeitung schon nicht mehr in der Druckerei vorhanden. Die Auflage war bereits unter die Arbeiter verteilt worden. Im Mai 1913 schloss die zaristische Regierung die „Prawda“, aber schon nach einigen Tagen erschien sie unter einem andren Titel. Die „Prawda“ wechselte oft ihren Namen: „Sa Prawdu“ („Für die Wahrheit“), „Proletarskaja Prawda“ („Die proletarische Wahrheit“), „Sewrenaja Prawda“ („Die nördliche Wahrheit“), „Putj Prawdy“ („Der Weg zur Wahrheit“) und andere.

Die Bolschewiki benutzten jede Möglichkeit, eine revolutionäre Arbeit unter den Massen zu leisten. Sie schufen illegale Zellen und Gruppen in den Gewerkschaften, in den Konsumgenossenschaften, in den Krankenkassen und anderen Arbeiterorganisationen. Selbst die reaktionäre Reichsduma wurde von den Bolschewiki für ihre Agitation benutzt. Bei den Wahlen im Jahre 1912 wählten die Arbeiter in die Vierte Reichsduma sechs bolschewistische Abgeordnete. Lenin und Stalin leiteten ihre Tätigkeit. Die Arbeiterabgeordneten traten in der Duma mit revolutionären Reden hervor, die in der „Prawda“ abgedruckt wurden. Die Schwarzhunderter empfingen jedes Auftreten der Arbeiter mit Geschrei, Lärm und Pfeifen. Der Vorsitzende der Duma, der Gutsbesitzer Rodsjanko, entzog den Bolschewiki das Wort, sobald sie zu sprechen anfingen. Jedoch setzten die bolschewistischen Abgeordneten hartnäckig ihre leidenschaftlichen revolutionären Reden fort.

Im Jahre 1913 gelang es der zaristischen Regierung, einige bolschewistische Organisationen zu zerstören. In Petersburg verhaftete die Polizei Stalin. Er wurde in die abgelegene Turuchansker Region, in die Sieglung Kurejka, verschickt. Molotow wurde verhaftet und nach Sibirien verschickt. Im Gefängnis befanden sich Sergo Ordshonikidse und andere Führer der bolschewistischen Partei. Im Juli 1914 demolierte die Polizei das Redaktionsbüro der „Prawda“ und verhaftete ihre Mitarbeiter.

Der revolutionäre Kampf des Proletariats erhielt in der ersten Hälfte des Jahres 1914 einen großen Schwung. Die Zahl der Streikenden umfasste im ersten Halbjahr ungefähr anderthalb Millionen Menschen. Die Streiks fanden unter den bolschewistischen Losungen statt. Der von den Bolschewiki geleitete Sommerstreik der Bakuer Arbeiter währte zwei Monate. Die Bakuer wurden von den Arbeitern des ganzen Landes unterstützt. In Petersburg und in anderen Städten fanden Meetings unter den Losungen statt: „Bakuer Genossen, wir sind mit Euch!“, „Der Sieg der Bakuer ist unser Sieg!“ Eine dieser revolutionären Demonstrationen endete mit Schüssen auf die Arbeiter der Pulitow-Werke. Als Antwort auf diese Schüsse der Polizei erhob sich die gesamte Arbeiterschaft von Petersburg. In den Straßen Petersburgs fanden Zusammenstöße der Arbeiter mit den Truppen statt, die in Barrikadenkämpfe übergingen- Die Hauptstadt wurde in ein Heerlager verwandelt.

Der weitere Aufschwung der Revolution wurde durch den Krieg unterbrochen.

Entnommen aus dem ersten Band „Das Sowjetland“, erschienen im Jahre 1947. Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa, bearbeitet von Petra Reichel

Anna Michailowna Pankratowa

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 aus dem Jahre 1947

„Das Sowjetland“

Buchreihe „Das Sowjetland“ von 1947

„Das Sowjetland“ ist eine Buchreihe aus dem Jahre 1947. Diese ist in Antiquariaten erhältlich.

Da nur die Anfangsbuchstaben der Namen der Autoren, bzw. Autorinnen draufstehen, ist nicht erkennbar, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Bei Band 1 kann man dem Internet entnehmen, z.B. Wikipedia, dass es sich um eine Frau handelt. Es gibt einen Wikipedia-Beitrag zu ihr. Ihr voller Name ist Anna Michailowna Pankratowa.

Bei den Autoren oder Autorinnen der anderen Bände findet man nur Buchangebote aus den Antiquariaten, aber nichts über ihre Person. Das ist schade.

Auf jeden Fall ist diese Buchreihe sehr wertvoll und leicht zu lesen.

Da diese Bücher zu Lebzeiten Stalins verfasst wurden, werden hier auch das Wirken und die Verdienste Stalins gewürdigt, die auch Ereignisse vor der Sowjetzeit beinhalten. Da später Stalin verdammt wurde, auch in der DDR wurde Stalin verdammt, sind diese Verdienste und sein Wirken weitestgehend verschwiegen worden, so auch in den Geschichtsbüchern der DDR für die Schule.

DIE TROMMLER wird sich nun gelegentlich auch mit dieser Literatur befassen.

Buchreihe „Das Sowjetland“ von 1947

Die bürgerlich-demokratische Revolution in Russland 1905 bis 1907. Ihre internationalen Auswirkungen und ihre Lehren

Die Verschärfung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten

Der Dreibund und die Bildung der Entente

 Der Kurs der imperialistischen Staaten auf eine gewaltsame Neuaufteilung der Welt führte zu einem starken Anwachsen der Kriegsrüstungen und zu zahlreichen Versuchen, mit Bündnisverträgen die Machtpositionen der verschiedenen Staaten zu stärken. 

Der bereits im 19. Jahrhundert entstandene aggressive Dreibund wurde zum Politischen und militärischen Instrument, die Forderungen des deutschen Imperialismus nach der Neuaufteilung der Welt durchzusetzen.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war besonders der Widerspruch zwischen dem deutschen und dem englischen Imperialismus in den Vordergrund getreten. Die ökonomischen Gegensätze wurden noch vertieft durch die politische und militärische Kriegsrüstung in Deutschland. Die englische Regierung suchte deshalb Verbündete. Sie fand sie in Frankreich und Russland, die bereits verbündet waren.

Nachdem Streitigkeiten zwischen England und Frankreich in Afrika beigelegt waren, schlossen beide Staaten 1904 ein Abkommen, genannt Entente Cordiale („herzliches Einvernehmen“).

Ein weiteres Abkommen vom August 1907 zwischen der englischen und russischen Regierung über die Abgrenzung der Einflussgebiete in Persien, Tibet und Afghanistan ermöglichte den Anschluss Englands an das Bündnis Russlands mit Frankreich.                                                                                                          Mit dem englisch-russischen Abkommen von 1907 war die Herausbildung der Triple-Entente abgeschlossen.

Zwei Kriegsbündnisse, der Dreibund und die Entente, bestanden jetzt in Europa, die der Erweiterung des Herrschaftsbereiches der beteiligten Länder dienen sollten. Die Gefahr eines Weltkrieges wurde immer größer. Ein sichtbarer Ausdruck der wachsenden Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten war der russisch-japanische Krieg 1904/05.

Der russisch-japanische Krieg 1904/05

Die gemeinsame Niederschlagung des Volksaufstandes im Jahre 1900 in China hatte die verschiedenen Konkurrenzinteressen der imperialistischen Staaten keineswegs befriedigt. Zwischen Japan und Russland entbrannte ein heftiger Kampf um den beherrschenden Einfluss in Ostasien, besonders in der Mandschurei. 1904 begann Japan den Krieg gegen Russland mit dem Überfall auf die russische Flotte in Port Arthur.

Obwohl sich Russland ebenfalls auf einen Eroberungskrieg vorbereitet hatte, war es dem japanischen Angriff nicht gewachsen. Die russische Landarmee wurde bei Mukden (März 1905) und die zur Unterstützung herangeführte Ostseeflotte bei Tscschima (Mai 1905) vernichtend geschlagen.

Die wirtschaftliche Schwäche Russlands, die Unterschätzung des japanischen Imperialismus, dazu die Bestechlichkeit der Offiziere, die Misswirtschaft im Nachschubwesen und vor allem die volksfeindlichen Ziele des Krieges verursachten die völlige Niederlage Russlands.

Der Untergang der russischen Flotte bei Tsuschima. (Zeitgenössische japanische Darstellung)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die russischen Truppen mussten auf einem Weg von über 10 000 Kilometern herangebracht werden. Nicht einmal genug Gewehre gab es in der russischen Armee. Hinzu kam, dass die transsibirische Eisenbahn noch nicht fertiggestellt war. Während die russischen Soldaten und Verwundeten nicht einmal mit dem Allernotwendigsten versorgt wurden, führte der russische Oberbefehlshaber in einem Waggon eine Kuh mit sich, damit er morgens frische Milch hatte.

Die meisten imperialistischen Staaten begrüßten den Krieg. Sie hofften, dadurch ihre Einflussgebiete in China erweitern zu können. England hatte 1902 einen Vertrag mit Japan abgeschlossen und war besonders an einer Zurückdrängung Russlands aus China interessiert. 1905 musste die zaristische Regierung einem Friedensvertrag zustimmen, der unter anderem Port Arthur und die Südmandschurei unter japanische Herrschaft stellte.

Die deutschen Militaristen betrachteten den russisch-japanischen Krieg als Vorgefecht des künftigen Krieges um die Neuaufteilung der Welt. Sie entsandten Beobachter auf beide Kriegführende Seiten, um die Anwendung und Wirkung neuer Waffen und Kriegsmanöver zu studieren. Gleichzeitig versuchten die deutschen Imperialisten, den Krieg in Ostasien für ihre Eroberungspläne auszunutzen. Sie wollten die französischen Konkurrenten aus Marokko verdrängen und verursachten damit im Jahre 1905 die erste Marokkokrise.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die internationale Marokkokonferenz in der südspanischen Stadt Algeciras, die im Jahre 1906 stattfand, enthüllte jedoch die Isolierung Deutschlands; England und Italien unterstützten die Ansprüche der französischen Imperialisten in Marokko.

Die Revolution in Russland von 1905 bis 1907

Die Ursachen der Revolution

Um 1900 brach in Europa eine Wirtschaftskrise aus, die bis 1903 andauerte und auch auf Russland übergriff. Durch die Wirtschaftskrise wurden die ohnehin erbärmlichen Lebensverhältnisse der russischen Werktätigen noch mehr verschlechtert.

Die ausländischen Monopolkapitalisten legten viele ihrer Fabriken in Russland still, dadurch verloren mehr als 100 000 Arbeiter ihren Arbeitsplatz. Insgesamt überstieg die Anzahl der Arbeitslosen 200 000.

Außerordentlich schwer war die Lage der werktätigen Bauern. Die kleinen und mittleren Bauern befanden sich in völliger wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit zu den Gutsbesitzern und Kulaken (Großbauern P.R.). Eine Missernte ließ Zehntausende von Menschen verhungern.

57 Prozent der Einwohner des Russischen Reiches gehörten nichtrussischen Völkern und Nationalitäten an. Die Ukrainer, Armenier, Turkmenen, Kirgisen, Kasachen, Georgier und viele andere waren völlig rechtlos. Ihre Nationalkultur, ihre Muttersprache wurden unterdrückt.

Der Ausbruch des russisch-japanischen Krieges verstärke die Leiden der russischen Werktätigen. Das Leben der russischen Soldaten wurde rücksichtslos und sinnlos geopfert. Die Erbitterung der Arbeiter und Bauern wuchs von Monat zu Monat. So hatten sich die imperialistischen Widersprüche in Russland aufs äußerste verschärft.

Der Ausbruch der Revolution

Am 4.(17.) Januar 1905 legten 12 000 Arbeiter der Putilow-Werke in Petersburg aus Protest gegen willkürliche Entlassungen die Arbeit nieder. Andere Betriebe schlossen sich an. Am 8. (21.) Januar streikten bereits 150 000 Arbeiter. Die zaristische Regierung fürchtete ein Übergreifen der revolutionären Bewegung auf andere Teile des Landes und plante die gewaltsame Unterdrückung des Streiks. Den Anlass dazu bot eine friedliche Massendemonstration. Der Pope Gapon, ein Spitzel der Geheimpolizei, knüpfte an den verbreiteten Irrtum an, der Zar sei ein Beschützer der Armen. Gapon forderte die Petersburger Arbeiter auf, dem Zaren am 9. (22.) Januar 1905 eine Bittschrift zu übergeben. Die Bolschewiki befürchteten einen militärischen Überfall auf die Demonstration und warnten die Arbeiter. Da sie den Bittgang aber nicht verhindern konnten, beteiligten sie sich an der Demonstration. Mehr als 140 000 Petersburger Arbeiter zogen mit Kirchenfahnen, Heiligen- und Zarenbildern zum Winterpalast.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Zar ließ auf die Demonstranten schießen. Etwa 1 000 Männer, Frauen und Kinder wurden dabei ermordet, mehr als 5 000 verwundet.

Der Blutsonntag 1905 in Petersburg (Fotografie)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Dieser 9. (22.) Januar wurde fortan Blutsonntag genannt. Die empörten Arbeiter begannen sich zu bewaffnen und stellten sich dem Militär entgegen. Ihrem Beispiel folgten die Arbeiter und Bauern in weiten Teilen des russischen Reiches. Das Petersburger Blutbad wurde zum Ausgangspunkt der Revolution.

Die Ausbreitung der Revolution

Den Gewaltakt des Zaren beantworteten die Arbeiter Russlands mit Streiks, so in Moskau, Riga, Warschau und Tiflis. Am 1. Mai streikten in nahezu 200 Städten die Arbeiter unter der politischen Losung: „Nieder mit der Selbstherrschaft des Zaren!“  Die Bauern schlossen sich dieser Bewegung an. Im Herbst 1905 erfasste die Bauernbewegung die Hälfte aller Landkreise. Die revolutionäre Bewegung griff schließlich auch auf die Armee über, in erster Linie auf die Flotte.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
An Deck des Panzerkreuzers „Potemkin“ während des Aufstandes der Matrosen. (Fotografie vom 5. Juli 1905)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Einen Höhepunkt erreichte die revolutionäre Bewegung im Oktober. Ausgehend von Moskau griff die Streikbewegung unter Leitung der Bolschewiki auf andere Industriezentren über. In diesen Kämpfen schufen sich die Arbeiter viele neue Leitungsorgane, Sowjets genannt. Lenin erkannte in diesen Sowjets die Keimform der künftigen Staatsmacht des Volkes.

Im Oktober 1905 kehrte Lenin aus seiner Emigration nach Russland zurück, um unmittelbar auf die Leitung des revolutionären Kampfes des russischen Proletariats Einfluss zunehmen.

Der Dezemberaufstand in Moskau

Am 07. (20.) Dezember 1905 proklamierten die Moskauer Bolschewiki den politischen Generalstreik. Schon in den ersten Tagen beteiligten sich über 150 000 Arbeiter. Am 10. Dezember wurde der Streik zum bewaffneten Aufstand.

Besonders heftige Kämpfe fanden im Stadtteil Presnja statt. In diesem Arbeiterbezirk beteiligten sich etwa 700 bis 800 Arbeiter am bewaffneten Straßenkampf. Sie wurden von allen Arbeitern des Bezirks unterstützt. Der militärische Stab tagte in der kleinen Küche einer Textilfabrik. Ihm war das revolutionäre Gericht angegliedert. Der Sowjet des Stadtbezirkes organisierte die Verpflegung und die finanzielle Unterstützung der Arbeiter. Zeitweilig befand sich Presnja in den Händen der Arbeiter. Die Polizei wurde gezwungen, den Bezirk zu verlassen.

Da es nicht gelungen war, die Eisenbahnbrücke auf der Strecke von Petersburg nach Moskau zu sprengen, konnte die zaristische Regierung Truppenverstärkungen nach Moskau befördern.

Barrikade der Moskauer Arbeiter während des Dezemberaufstands 1905. (Fotografie)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für 8. Klasse, Stand 1982
Der revolutionäre Kampf der Werktätigen Russlands 1905/06
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Neun Tage kämpften die Moskauer Arbeiter erbittert gegen die Armee und die Polizei. Da der Aufstand nicht zur gesamtrussichen Bewegung wurde, beschlossen die Führer der Bolschewiki in Moskau den Rückzug. Der Dezemberaufstand in Moskau war der Höhepunkt der Revolution.

Die Ergebnisse der Revolution

Die bürgerlich-demokratische Revolution in Russland 1905 bis 1907 war die erste Volksrevolution unter imperialistischen Herrschaftsbedingungen.  Sie hatte große Bedeutung für die russische und internationale Arbeiterbewegung. Der Zarismus konnte zwar seine Macht noch einmal retten und die Revolution unterdrücken, doch zum ersten Mal hatten die Volksmassen selbst erfahren, dass der Zarismus besiegbar ist. Zeitweilig konnten in der Revolution einige demokratische Grundrechte(Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit) durchgesetzt werden. Die zaristische Regierung musste eine Reichsduma (Parlament) wählen lassen. Obwohl diese Duma von den Gutsbesitzern und Bourgeois beherrscht wurde, bedeutete sie doch die Durchbrechung der bisherigen Alleinherrschaft des Zaren.

Bedeutsam für die Zukunft war vor allem, dass die revolutionäre Arbeiterbewegung in Russland unter der Führung der Partei der Bolschewiki Erfahrungen für den entscheidenden Kampf um die politische Macht gesammelt hatte.

Die Lehren der Revolution in Russland

Russland war endgültig zum Zentrum der revolutionären Bewegung geworden. Die Revolution bewies, dass die Arbeiterklasse fähig und berufen ist, alle demokratischen Kräfte gegen die imperialistische Klassenherrschaft zu sammeln und zu führen. Die Erfahrungen des heldenhaften Kampfes mussten verallgemeinert und die Schlussfolgerungen der gesamten revolutionären Arbeiterbewegung der Welt vermittelt werden. Diese Aufgabe löste Lenin mit seinen theoretischen Arbeiten. 1905 erschien Lenins Schrift „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“. In ihr rechnete Lenin mit den opportunistischen Auffassungen ab und entwickelte zugleich die marxistische Revolutionstheorie für die imperialistische Epoche weiter.

Lenin begründete, dass die Arbeiterklasse die Führung aller revolutionären Klassen und Schichten übernehmen muss und dazu eine Partei neuen Typus braucht. Er schlussfolgerte aus dem Verlaufe der Revolution, dass das nächste Ziel, der Sturz des Zarismus, zur Errichtung einer demokratischen Republik führen müsse, in der die Arbeiter und die mit ihnen verbündete Bauernschaft die politische Herrschaft ausüben. In der zweiten Etappe der Revolution hatte die Arbeiterklasse unter Führung der revolutionären Partei und im engen Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft die Aufgabe, die bürgerlich-demokratische Revolution in die sozialistische hinüberzuleiten.

Die russischen Arbeiter hatten neue Kampfmethoden entwickelt, die den Bedingungen des Klassenkampfes im Imperialismus entsprachen. So wurde erstmals in breitem Umfange der politische Massenstreik angewandt. Der bewaffnete Aufstand hatte sich in der damaligen Periode als wichtigstes Mittel für den Sturz der Zarenherrschaft erwiesen. Der Marxismus-Leninismus hatte in der Revolution 1905 bis 1907 seine erste Bewährungsprobe bestanden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die endgültige Formierung der Bolschewiki zur Partei neuen Typus

Nach der Niederlage der Revolution in Russland wurden die Teilnehmer an den Kämpfen, besonders aber die Bolschewiki, von der zaristischen Regierung verfolgt und ermordet oder verbannt. Um nicht erneut verhaftet zu werden, musste Lenin wieder ins Ausland gehen.

Verbannte werden in Ketten geschmiedet.(Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Trotzdem erlangten die Bolschewiki als die konsequentesten Revolutionäre immer größeren Einfluss in der Arbeiterklasse Russlands. Überall entstanden kleine zuverlässige Gruppen der Bolschewiki. Immer mehr kühne und erfahrene Kämpfer schlossen sich ihnen an. Die Menschewiki dagegen hatten seit der Revolution bedeutend an Einfluss verloren: Sie wichen dem Druck des Klassengegners zurück und verzichteten auf die Weiterführung des revolutionären Kampfes.

Auf der Parteikonferenz der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands in Prag 1912 wurden die Opportunisten aus der Partei ausgeschlossen. Mit der konsequenten Trennung von den Opportunisten hatte sich die Partei der Bolschewiki endgültig zu einer Partei neuen Typus entwickelt. Die Delegierten wählten ein Zentralkomitee, dem Lenin als Vorsitzender und eine Reihe erfahrener und bewährter Revolutionäre angehörten.

Die Auswirkungen und Bedeutung der Revolution

Die internationalen Auswirkungen der Revolution

Die Revolution in Russland übte auf die revolutionären Arbeiter auf der ganzen Welt einen nachhaltigen Eindruck aus. Mit machtvollen Kundgebungen protestierten die Werktätigen gegen das Blutbad von Petersburg. Während der Revolution versicherten sie dem russischen Proletariat Sympathie und Unterstützung für den revolutionären Kampf gegen die zaristische Gewaltherrschaft. In zahlreichen Ländern gab es eindrucksvolle Solidaritätsaktionen. Der englische Gewerkschaftskongress beschloss eine Geldsammlung. Die deutschen Arbeiter spendeten in kurzer Zeit 130 000 Mark.

Ausschnitte aus einem Plakat für Solidaritätskundgebungen in Berlin 1905
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Als die herrschenden Klassen Deutschlands Maßnahmen erwogen und vorbereiteten, dem Zarismus militärische Hilfe bei der Niederschlagung der Revolution zu leisten, gaben die deutschen sozialdemokratischen Arbeiter unmissverständlich zu verstehen, dass sie solche konterrevolutionären Hilfsmaßnahmen niemals dulden würden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Unter dem Eindruck der Revolution in Russland verstärkten die Arbeiter der westeuropäischen Länder ihren Kampf um soziale Verbesserungen und die demokratischen Rechte. Die bedeutenden ökonomischen und politischen Kämpfe in Deutschland wurden durch die Revolution stark beeinflusst; das Klassenbewusstsein und die Kampfentschlossenheit wuchsen.

Auswirkungen hatte die Revolution in Russland auch auf die Entwicklung der nationalen Befreiungsbewegung in den abhängigen und kolonial unterdrückten Ländern.

Im Dezember 1905 eröffneten Massenkundgebungen in Teheran die revolutionäre Erhebung gegen das reaktionäre Feudalregime des Schahs von Persien. Die revolutionär-demokratische Bewegung erzwang die Einführung einer Verfassung und andere demokratische Rechte, die erst durch das Eingreifen Russlands und Englands teilweise wieder aufgehoben wurden. In der Türkei musste der Sultan 1908 der Wiedereinführung einer Verfassung zustimmen.

In China mündeten die zahlreichen Aktionen des Volkes 1910 in die bürgerlich-demokratische Revolution. 1911 wurde die Chinesische Republik proklamiert. Die Konterrevolution konnte zwar 1912 die demokratische Bewegung unterdrücken, aber nicht gänzlich beseitigen.

Eine Gruppe bewaffneter Kämpfer der persischen Freiwilligenabteilungen, die während der revolutionär-demokratischen Bewegung gebildet wurden. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Sun Yat-sen (1866 bis 1925), Führer der revolutionären Kräfte in China und Präsident der provisorischen Regierung der Republik China von 1911 bis 1912. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die bürgerlich-demokratische Revolution in Russland von 1905 bis 1907 wurde so zum Ausgangspunkt einer weltweiten revolutionären Bewegung und förderte den Kampf der internationalen Arbeiterbewegung gegen Imperialismus und Kriegspolitik. 

Die Auseinandersetzungen um den politischen Massenstreik und die Herausbildung der deutschen Linken

In Auswirkung der Revolution in Russland kam es zu heftigen Auseinandersetzungen in der deutschen Arbeiterbewegung über neue Kampfmittel, besonders über den politischen Massenstreik.

Während der ökonomische Streik sich gegen einzelne Kapitalistengruppen richtet und um Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzung und Verbesserung der Arbeitsverhältnisse geführt wird, richtete sich der politische Massenstreik direkt gegen den imperialistischen Staat, um Anschläge auf demokratische Rechte abzuwehren oder neue zu erobern. Auch die ökomischen Streiks konnten im damaligen Zeitalter des Imperialismus politischen Charakter annehmen und politisch bedeutsam werden. Das zeigte sich beispielsweise schon beim Crimitschauer Textilarbeiterstreik. Heute sind politische Streiks in Deutschland verboten. Es gab zwar teilweise Vorstöße in den Gewerkschaften, die dies thematisiert haben und dagegen mobil machen wollten, doch wird dies von den Gewerkschaftsführungen unterbunden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In einer Resolution sprach sich der Parteitag von Jena 1905 für die Anwendung des politischen Massenstreiks aus, wenn es die Klassenkampfsituation erfordert. Die Arbeiter begrüßten begeistert diesen Beschluss, wandten dieses neue Kampfmittel auch an, so beispielsweise im Januar 1906 in Hamburg und im Februar 1910 in Frankfurt am Main. Der größte Widerstand gegen den politischen Massenstreik kam aus den reformistischen Gewerkschaftskreisen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Auseinandersetzungen um die Lehren der Revolution in Russland, insbesondere um den politischen Massenstreik, führten zu einer weiteren Differenzierung innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung. Schon in der Auseinandersetzung mit den Revisionisten und Reformisten seit Ende des 19. Jahrhunderts war ein Kreis revolutionärer Sozialdemokraten besonders hervorgetreten. Diese revolutionären Kräfte traten am entschiedensten für den politischen Massenstreik ein. Sie standen auch in vorderster Front des Kampfes gegen Militarismus und Imperialismus. Dabei entwickelten sie sich zu den aufrechtesten, mutigsten und selbstlosesten Führern der Arbeiterklasse. Sie verteidigten die marxistischen Lehren und trugen zu ihrer Weiterentwicklung bei. In bestimmten Fragen des revolutionären Klassenkampfes näherten sie sich den Auffassungen Lenins an. Diese revolutionären Sozialdemokraten bezeichnete man als deutsche Linke. (Hat mit der heutigen Partei DIE LINKE wahrlich nichts zu tun.) Ihre hervorragenden Führer waren Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Franz Mehring.

Der wachsende Einfluss des Opportunismus

Da keine entscheidenden Maßnahmen gegen den Opportunismus getroffen wurden, konnten die Revisionisten und Reformisten weiterhin ihre gefährlichen Auffassungen verbreiten, wichtige Funktionen in der Partei, in den Gewerkschaften und im Pressewesen erobern. Diese Entwicklung wurde durch das Bestreben einiger einflussreicher Sozialdemokraten noch begünstigt, die vorhandenen Gegensätze zwischen den revolutionären und den revisionistischen Kräften in Grundfragen und Strategie und Taktik der Arbeiterbewegung zu vertuschen und zu verschleiern. Nach deren Auffassung sollten die Arbeiterorganisationen hauptsächlich parlamentarische und gewerkschaftliche Mittel des Kampfes um ihre Forderungen anwenden, sollte der Klassengegner nicht entmachtet, sondern allmählich „ermattet“ und auf diese Weise zu Zugeständnissen an die Arbeiterklasse gezwungen werden. (Das hat sich bis heute nicht geändert {Ausnahme eine zeitweilige Unterbrechung auf dem Gebiet der heutigen Neu-Bundesländer und der osteuropäischen Länder.})  Damit verlegten sie die sozialistische Revolution in eine unbestimmt ferne Zukunft. Ihre dem Wesen nach opportunistische Politik und Haltung verbargen(verbergen) sie hinter marxistischen Begriffen und Wendungen. Diese opportunistische Strömung nennt man Zentrismus. Ihr einflussreichster Vertreter wurde Karl Kautsky.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Zentrismus trug wesentlich dazu bei, dass der Opportunismus sich immer stärker in der Sozialdemokratie ausbreiten konnte. Lenin bezeichnete den Zentrismus als die gefährlichste Abart des Opportunismus, weil es für die Massen der Parteimitglieder nicht leicht war, die opportunistische Grundhaltung der Zentristen zu erkennen.

Die deutschen Linken bekämpften beharrlich und prinzipiell jegliche Erscheinungen von Opportunismus. Doch wurde selbst von ihnen zunächst noch nicht erkannt, dass die Arbeiterklasse im Zeitalter des Imperialismus und der proletarischen Revolution eine Partei neuen Typus für die Verwirklichung ihrer Ziele- Demokratie, Frieden, Sozialismus– braucht.

Wie fast alle anderen sozialistischen Parteien der internationalen Arbeiterbewegung blieb auch die deutsche Sozialdemokratie vor 1914 im Wesentlichen bei den Organisationsformen und Kampfmethoden, die sich im 19. Jahrhundert glänzend bewährt hatten, für das revolutionäre Wirken unter veränderten Kampfbedingungen jedoch nicht mehr ausreichten. Mit dem anwachsenden Einfluss von Revisionisten und Zentristen auf die Führungsgreminen der Arbeiterbewegung, auf die Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen, auf die Parlamentsfraktionen im Reich, in den Ländern und in den Gemeinden verändert sich allmählich das Wesen der Sozialdemokratie: die Opportunisten verwandelten die Partei in eine reformistische Arbeiterpartei.

Bei Ausbruch des I. Weltkrieges trat dies Umwandlung als eine internationale Erscheinung offen zutage.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Originaltext aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die erste bürgerlich-demokratische Revolution in Russland

1. Vorabend der Revolution

Am Ende des 19. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat der Kapitalismus in eine neue, die höchste und letzte Etappe seiner Entwicklung: in den Imperialismus ein. In dieser Etappe konzentrierte sich die Industrie in den Händen der größten Kapitalisten oder Vereinigungen der Kapitalisten. Derartige Vereinigungen der größten Kapitalisten nennt man Monopole. Deshalb bezeichnete Lenin den Imperialismus als monopolistischen Kapitalismus. Eine große Rolle begannen die Banken zu spielen, bei denen die Kapitalisten ihre freien Kapitalien deponierten. Die monopolistischen Organisationen und Banken gaben den Industriellen Subsidien (Anleihen)( Kredite. P.R.)  und erlangten allmählich entscheidenden Einfluss auf das gesamte wirtschaftliche und politische Leben der kapitalistischen Länder.

Zwischen den kapitalistischen Staaten, aber auch zwischen den einzelnen Vereinigungen der Kapitalisten verschärfte sich der Kampf um die Märkte außerordentlich. Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, ihre freien Kapitalien vorteilhaft auszunutzen, führten die Kapitalisten diese in andere Länder aus. Eines von jenen Ländern, wohin die Kapitalisten ihre Kapitalien exportierten, war das zaristische Russland. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatten die ausländischen Kapitalisten in der russischen Industrie und bei den Banken ungefähr eine Milliarde Goldrubel investiert. Die russischen Banken ordneten sich allmählich der Führung der westeuropäischen Banken unter. So gründeten die französischen Banken im Jahre 1901 in Russland die „Nordbank“. Die größte Bank in Deutschland, die DEUTSCHE BANK, brachte die russische ASOW-DON-BANK unter ihren Einfluss. Viele russische Banken verwandelten sich in Filialen der der ausländischen Banken. Die ausländischen Kapitalisten errichteten in Russland neue Unternehmungen. Bald konzentrierten sich in ihren Händen solche entscheidenden Produktionszweige wie die Hüttenindustrie, die Brennstoffindustrie, die Chemische Industrie, aber auch einige Transportzweige. Die ausländischen Kapitalisten erzielten in Russland kolossale Profite, da sie sich hier der billigen Arbeitskraft bedienen und sie schrankenlos ausbeuten konnten. Die zaristische Regierung kam wie den einheimischen, so auch den ausländischen Kapitalisten in allem entgegen.

Von den ausländischen Staaten erhielt die zaristische Regierung, die ständigen Geldbedarf hatte, große Anleihen (Kredite P.R.). Russland hatte allein an Zinsen für diese Anleihen (Kredite P.R.) jedes Jahr 130 Millionen Goldrubel zu zahlen. Auf diese Weise gerieten der russische Zarismus und der russische Kapitalismus immer mehr in die Abhängigkeit von ausländischem Kapital.

Diese Abhängigkeit zeigte sich besonders während der Krise, die am Ende des 19. Und zu Beginn den 20. Jahrhunderts die Industrie einer Reihe von westeuropäischen Staaten erfasste. In Verbindung mit der Krise verminderte sich stark der Zustrom der ausländischen Kapitalien nach Russland. Mit besonderer Stärke traf die Krise jene neuen kapitalistischen Bezirke (Donezbecken, Baku), in denen die Investierungen der ausländischen Kapitalien groß waren. Die Kapitalisten schlossen die Unternehmungen, warfen Tausende von Arbeitern auf die Straße, den verbleibenden Arbeitern aber kürzten sie den Arbeitslohn.

Die Krise hielten nur die ausländischen Unternehmungen aus. Die ausländischen Banken kauften während der Krise die Unternehmungen der ruinierten russischen Kapitalisten auf und setzten sich auf diese Weise in deren Besitz. Dies verstärkte noch mehr die Rolle des ausländischen Kapitals im russischen Wirtschaftsleben.

Die fortschrittlichen Arbeiter, die unter der Krise und der Arbeitslosigkeit litten, begannen zu begreifen, dass die Selbstherrschaft der schlimmste Feind der Werktätigen ist, dass sie das Land zum völligen Verlust seiner Unabhängigkeit führt und die russischen Arbeiter und Bauern in Tributpflichtige der ausländischen Kapitalisten verwandelt. Der Kampf der Arbeiter verstärkte sich in den Krisenjahren und nahm immer häufiger revolutionären Charakter an. Von den ökonomischen Streiks begannen die Arbeiter zu politischen Streiks und später zu Straßendemonstrationen überzugehen. Während der Streiks und Demonstrationen forderten die Arbeiter nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sondern auch Redefreiheit, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit und andere demokratische Freiheiten. Dies alles gab es formal schon lange in den bürgerlichen Ländern Westeuropas Die russischen Arbeiter forderten ebenfalls die Schaffung demokratischer Zustände im Lande.

Dass die Arbeiterklasse in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon politisch erwacht war, war bereits zur Zeit der sogenannten „Obuchower Abwehr“ offenbar geworden. Im Jahre 1901 organisierten Arbeiter der Obuchow-Fabrik in Petersburg einen Streik zum 1. Mai. Es kam zu blutigen Zusammenstößen mit den zaristischen Truppen. Da die Arbeiter keine Waffen hatten, bewarfen sie die Gendarmen und Polizisten mit Steinen und Eisenteilen. Der Widerstand der Streikenden wurde gebrochen, aber in ganz Russland wurde die heroische Obuchower Abwehr weit bekannt und erregte die Sympathie sämtlicher Arbeiter.

Eine gewaltige Rolle bei dem politischen Erwachen der Arbeiterklasse und bei den Organisationen ihres Kampfes gegen die Selbstherrschaft, ebenso bei der Schaffung einer proletarischen Partei spielte die erste allgemein-russische Arbeiterzeitung „Iskra“ („Der Funke“). Den Plan ihrer Herausgabe hatte Lenin ausgearbeitet, als er sich noch in der Verbannung in Sibirien befand. Mit Hilfe einer solchen Zeitung hoffte er eine revolutionäre sozialdemokratische Partei zu schaffen. Lenin lehrte, dass die besten fortschrittlichen Arbeiter, die bereit waren ihr Leben dem Kampfe um die Sache der Arbeiterklasse zu weihen, die Partei organisieren sollten. Sie sollten Berufsrevolutionäre werden, d.h. Menschen, für die der revolutionäre Kampf gegen den Zaren und die Kapitalisten Hauptberuf war. Nach dem Ende der Verbannung fuhr Lenin ins Ausland und begann die Heerausgabe der Zeitung vorzubereiten. Im Dezember 1900 erschien die erste Nummer der Leninschen Zeitung „Iskra“. Unter dem Titel der Zeitung waren die Worte gedruckt: „Aus dem Funken wird die Flamme schlagen“.

Für die Verbreitung und Lektüre der „Iskra“ drohte den Arbeitern Gefängnis und Verbannung. Doch das schreckt sie nicht ab, jede Nummer der Zeitung erwarteten sie mit Ungeduld. Die Popularität des Blattes wuchs unter den Arbeitern. Ich habe vielen Genossen die ‚Iskra´ gezeigt“, schrieb ein Petersburger Arbeiter an die Redaktion, „und die Nummer ist schon ganz zerlesen; aber wie kostbar ist sie doch…Wenn man liest, dann begreift man, warum Gendarmerie und Polizei uns Arbeiter und die Intelligenzler, denen wir folgen, fürchten… Das werktätige Volk kann jetzt leicht in Brand geraten, unten glimmt schon alles, nur ein Funken ist nötig, und schon wird ein Brand entstehen. Ach wie ist das wahr gesagt, dass aus dem Funken die Flamme schlagen wird.“

Die „Iskra“ verbreiteten die treuen Mithelfer  Lenins, die Bevollmächtigten oder Agenten der „Iskra“. Bald entstanden in vielen Städten Organisationen der Anhänger der „Iskra“. Dies waren Leninsche Organisationen. In Transkaukasien schuf und leitete J.W. Stalin die „Iskra“-Organisation.

Zu Beginn des Jahres 1901 gelangte die erste Nummer der „Iskra“ nach Tiflis (Tblilissi). Auf Vorschlag J.W. Stalins erklärte das Tifliser Komitee sein volles Einverständnis mit der Leninschen „Iskra“. Im September des Jahres 1901 erschien unter der redaktionellen Leitung Stalins die erste Nummer der illegalen georgischen sozialdemokratischen Zeitung „Brdsola“ („Der Kampf“).

Die Leninsche „Iskra“ fand unter den Bakuer Arbeitern lebhaften und wohlwollenden Anklang. Die fortschrittlichen Vertreter des Proletariats von Baku schrieben an die „Iskra“: „Wir Bakuer Arbeiter haben uns, um den Arbeitern anderer Städte nicht nachzustehen, gemeinsam entschlossen, den ersten Schritt zu dem heiligen Werk zu tun. Wir erinnerten uns an die Antwort Puschkins an die Dekabristen: ‚Aus dem Funken wird die Flamme schlagen‘… Damit aber eine starke Flamme sich entzündet, ist es nötig, dass unsere Funken in der ganzen Stadt umherfliegen, damit auf einmal ein großes Feuer emporlodern kann.“

In Bantum, wohin Stalin im Auftrage des Tifliser Komitees übergesiedelt war, entstand gleichfalls eine sozialdemokratische Arbeiterorganisation der „Iskra“-Richtung. In der Nacht zum 1. Januar 1902 berief Stalin unter dem Deckmantel einer Neujahrsfeier die erste Konferenz der Sozialdemokratischen Zirkel ein. Auf dieser Versammlung wurde ein sozialdemokratisches Komitee geschaffen. Am Schlusse der Versammlung, als der Morgen graute und der erste Strahl der Sonne ins Zimmer drang, sagte Stalin: „Nun ist die Sonne schon aufgegangen. Diese Sonne wird uns bald leuchten. Glaubt daran, Genossen!“

Bald fand unter Stalins Leitung in Batum die erste revolutionäre Demonstration statt. Die Polizei verhaftete 450 Arbeiter und suchte mit allen Mitteln Stalin ausfindig zu machen, jedoch wurde er von den Arbeitern verborgen gehalten. Der Polizei gelang es dennoch, Stalin aufzuspüren und zu verhaften. Im November 1903 wurde er nach dem Dorfe Nowaja-Uda im Gouvernement Irkusk verschickt. Aber nach zwei Monaten flüchtete er aus der Verbannung und kehrte von neuem nach Tiflis zur revolutionären Arbeit zurück.

Der politische Kampf des Proletariats nahm in den Jahren 1902 bis 1903 große Ausmaße an. Eine besonders große Rolle in der politischen Erziehung der Arbeiterklasse spielte der erste Generalstreik in Russland in Rostow am Don im Jahre 1902. Unter der Führung des Donkomitees der Partei wurden außerhalb der Stadt Meetings abgehalten, auf denen zum ersten Mal in der Geschichte Russlands das freie Wort der Sozialdemokraten über die Aufgaben der Arbeiterklasse ertönte. Der Rostower Streik hatte gewaltige Bedeutung für die Hebung des Klassenbewusstseins der Arbeiter nicht nur in Rostow, sondern im ganzen Lande. „Das Proletariat“, schrieb Lenin, stellt sich zum ersten Male als Klasse allen übrigen Klassen und der zaristischen Regierung gegenüber.“

Im Sommer des Jahres 1903 wurde die mächtige Waffe des politischen Kampfes -der Generalstreik- von den Arbeitern Transkaukasien und der Ukraine angewendet. Lenin schrieb, indem er auf die charakteristischen Besonderheiten und die Bedeutung des Generalstreiks im Süden Russlands hinwies: „Die Streiks ergreifen einen ganzen Bezirk, an ihnen nehmen mehr als 100 000 Arbeiter teil, die politischen Massenversammlungen wiederholen sich während der Streiks in einer Reihe von Städten. Man fühlt, dass wir uns am Vorabend der Barrikaden befinden.“

Die Arbeiterbewegung ermunterte auch die anderen Schichten der Bevölkerung zum politischen Kampfe. In allen Städten fanden Studentendemonstrationen und Streiks statt. In den Dörfern gab es große Bauernunruhen. Besonders massenhaft war die Bauernbewegung in der Ukraine und im Gouvernement Saratow im Jahre 1902, sowie in Gurien (Transkaukasien) im Jahre 1903. Hier nahm sie unter dem Einfluss der transkaukasischen Bolschewiki einen revolutionären Charakter an. Aber im Ganzen genommen war die Bauernbewegung politisch noch nicht vorbereitet. Lenin bemerkte, dass der „Bauernaufstand unterdrückt wurde, weil die ländlichen Proletarier noch kein Bündnis mit den städtischen Proletariern hatten.“

Zu Beginn des Jahres 1903 scharte sich um die Zeitung „Iskra“ eine geschlossene Organisation proletarischer Revolutionäre. Sie bildeten das Rückgrat der revolutionären proletarischen Partei, die von Lenin und Stalin geschaffen wurde. Die „Iskra“-Organisation, die die Mehrheit der sozialdemokratischen Komitees Russlands vereinigt hatte, ging an die Vorbereitung des II. Parteitages, der im Ausland im Sommer 1903 stattfand.

Auf dem Parteitag wurde das von Lenin ausgearbeitete Programm angenommen. Das Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (oder abgekürzt SDAPR) setzte die Ziele fest, wofür die revolutionäre Partei des Proletariats Kämpft und die sie erreichen will. In ihr war gesagt worden, dass die SDAPR danach strebt, die Selbstherrschaft zu stürzen und dem Volke Freiheit zu geben. Das Programm wies darauf hin, dass die Arbeiterklasse die Diktatur des Proletariats (dieser Begriff wird heute missverstanden.P.R.) und dann die sozialistische Gesellschaft errichten muss.

Auf dem Kongress wurde auch das Parteistatut angenommen. Bei dieser wichtigsten Frage kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Martow, Trotzkij und ihre Anhänger schlugen vor, in die Partei all jene aufzunehmen, die ihr irgendwelchen Beistand geleistet hatten. Lenin dagegen bestand darauf, dass das Parteimitglied sich persönlich an der Arbeit der Parteiorganisation beteiligt. Auf dem Parteitag ging Martows Vorschlag über die Frage der Parteimitgliedschaft durch. Jedoch bei den Wahlen zu den zentralen Parteiinstitutionen siegten die Anhänger Lenins. Sie erhielten die Mehrheit der Stimmen (russisch „Bolschinstwo“) und wurden seit dieser Zeit Bolschewiki genannt. Die Anhänger von Martow erhielten die Minderheit der Stimmen (russisch: „Menschinstwo“), sie wurden Menschewiki genannt.

Auf dem II. Parteitag war J.W. Stalin nicht anwesend. Er befand sich im Gefängnis. Dort erfuhr er von der Spaltung; er erklärte sich unverzüglich für Lenin und schloss sich den Bolschewiki an.

Auf diese Weise wurde der Grundstein zur Partei der Bolschewiki gelegt. Sie gleich keiner der Parteien der II. Internationale. Es war eine kämpferische Partei der Arbeiterklasse, eine Partei von neuem Typus. Sie bereitete sich auf den revolutionären Kampf vor, zum Sturz des Zaren, der Gutsbesitzer und der Kapitalisten, für Errichtung der Diktatur des Proletariats und für den Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft, in der es keine Ausbeutung und Klassenunterdrückung geben würde.

2. Der russisch-Japanische Krieg und die erste russische Revolution

Der revolutionäre Kampf der Volksmassen gegen die Selbstherrschaft hatte das ganze Land ergriffen. Die Regierung bemühte sich nach allen Kräften, dem Ausbruch der schnell herannahenden Revolution zuvorzukommen. Sie rechnete darauf, dass sie diese durch den Krieg mit Japan aufhalten könnte. „Ein kleiner siegreicher Krieg“, sprach der zaristische Minister Plewe, „muss den revolutionären Qualm zerteilen.“ Aber der Krieg beschleunigte nur die Revolution.

Der russisch-japanische Krieg war seinem Charakter nach ein imperialistischer, ein Eroberungskrieg. Er wurde geführt wegen der Aufteilung Chinas und des ganzen Fernen Ostens unter den imperialistischen Staaten. Unter diesen Staaten tat sich durch seine Eroberungsbetrebungen besonderes Japan hervor. Zu jener Zeit wurde Japan von Amerika und England unterstützt. Diese Staaten rechneten darauf, mit Hilfe der Japaner das zaristische Russland zu zerschlagen und China unter sich aufzuteilen. Japan bereitete sich in verstärktem Maße auf einen Krieg mit dem zaristischen Russland vor. Es baute eine große Flotte, schuf eine große Armee und bewaffnete sie gut.

In einer dunklen Januarnacht des Jahres 1904 fiel Japan unerwartet und treubrüchig, ohne Kriegserklärung, über Russland her und griff das russische Geschwader in den Gewässern von Port Arthur an. Es gelang ihm, drei erstklassige russische Schiffe kampfunfähig zu machen und damit für seine eigene Flotte eine vorteilhafte Lage zu schaffen. Es erwies sich, dass das zaristische Russland auf den Krieg nicht vorbereitet war, obgleich zu Beginn die Generale dem Zaren versichert hatten, dass die Russen die Japaner „mit den Mützen zudecken“ würden. Der größere Teil der russischen Schiffe war älteren Typs und technisch schlecht ausgerüstet. Auf den Decks der Schiffe gab es eine Menge hölzerner Aufbauten, die schon bei den ersten japanischen Granaten Feuer fingen. Diese Schiffe nannten die russischen Matrosen „Selbstzünder“ und „Selbstversenker“, und Lenin bezeichnete sie als „alte Koffer“. An die Front wurden um Ersatz Soldaten geschickt, die schlecht ausgebildet waren. Selbst Offiziere verstanden nicht, mit den neuen Kanonen zu schießen. Es fehlte an Proviant, an Waffen, an Granaten, die für einen Krieg mit einem gut vorbereiteten Gegner notwendig waren. Diebische Beamte im Verein mit den Fabrikanten lieferten der Armee Stiefel mit Pappsohlen.

Bald war fast die gesamte südliche Mandschurei von den Japanern erobert. Im Gegensatz zu dem aktiven Angriffsplan der Japaner verhielt sich der Befehlshaber der russischen Armee in der Mandschurei, General Kuropatkin, defensiv.

Nach Norden vorrückend, belagerten die Japaner zugleich die Festung Port Arthur. Die Besatzung der Festung- die Soldaten, Matrosen, Offiziere- kämpften tapfer und schlugen zahlreiche Angriffe der Japaner ab. Zum Flottenbefehlshaber in Port Arthur war der talentierte Admiral Makarow ernannt worden. Sohn eines Seemannes, war er dank seiner hervorragenden militärischen Fähigkeiten emporgestiegen. Makarow war mit aller Macht um die Steigerung der Kampffähigkeit der Flotte bemüht, die sich in Port Arthur befand, und bereitete sich auf entscheidende Seegefechte mit den Japanern vor. Am 31. März 1904 kam er gleich am Anfang der Schlacht auf seinem Flaggschiff, dem Panzerkreuzer „Petropawlosk“, der auf eine Mine gestoßen war, um. Auch der talentierte General Kontratenko tat viel für die Verteidigung Port Arthurs. Jedoch infolge des Verrats des Festungskommandanten, des Generals Stössel, wurde Port Arthur im Dezember 1904 den Japanern übergeben, obwohl noch genügend Kräfte vorhanden waren, um Widerstand zu leisten. In dem Fall Port Arthurs sah Lenin ein Anzeichen für den Sturz des Zarismus selbst. In dem Artikel „Der Fall von Port Arthur“, der am 1. Januar 1905 im Ausland veröffentlicht wurde, enthüllte Lenin die politische Bedeutung der militärischen Niederlagen der Selbstherrschaft in Russland. „Die Verbindung zwischen der militärischen Organisation des Landes und ihrer gesamten wirtschaftlichen und kulturellen Struktur“, schrieb Lenin, „war noch niemals so eng als in der jetzigen Zeit.“

Nach Port Arthur erlitt die zaristische Armee eine schwere Niederlage bei Mukden. Dann wurde die zaristische Flotte in der Meerenge von Tsushima zerschlagen. Die Niederlage von Tsushima bedeutete die völlige Katastrophe.

Die Soldaten und Matrosen zeigten im Russisch-japanischen Krieg den Heldenmut, die Aufopferungsfähigkeit und die hohen kämpferischen Eigenschaften, die der russischen Armee eigen sind. Als die Japaner treuebrüchig das russische Geschwader an der Küste von Korea überfielen, nahmen zwei Schiffe, der Kreuzer „Warjag“ und das Kanonenboot „Korejez“, den ungleichen Kampf mit dem starken japanischen Geschwader auf und ergaben sich nicht, sondern kamen heldenmütig um. Im Februar des Jahres 1904 trat ebenso heldenmütig der russische Torpedobootzerstörer „Stereguschtschij“ zum Kampf mit vier japanischen Torpedobootzerstörern und Kreuzern an, die ihn umzingelt hatten. Als die Japaner der Schiffbesatzung das Ansinnen stellten, sich zu ergeben, antwortete diese, dass sich russische Seeleute nicht gefangen gäben. Der ungleiche Kampf wurde fortgesetzt. Die Japaner beschlossen, den Torpedobootzerstörer mit Gewalt zu nehmen. Als weiterer Widerstand unmöglich geworden war, begaben sich zwei Matrosen in den Kielraum und versenkten durch Öffnung der Ventile das Schiff. Diesen zwei heldenmütigen Matrosen, deren Namen unbekannt geblieben sind, wurde später in Leningrad (heute St. Petersburg P.R.) ein Denkmal errichtet.

Bei der Verteidigung von Port Arthur, ebenso in den Schlachten bei Ljaojan und Mukden vollbrachten die Soldaten und Matrosen viele Heldentaten. Aber das Oberkommando mit seiner talentlosen Leitung machte die heroischen Anstrengungen der Soldaten und Seeleute zunichte.

Die zaristische Regierung, die den Krieg verloren hatte, war gezwungen, mit Japan einen schmachvollen Frieden zu schließen. Japan, das die Schwachheit des zaristischen Russlands ausnutzte, riss das südliche Sachalin und die Kurilischen Inseln an sich, verschloss auf diese Weise für Russland im Osten den Ausgang zum Ozean und schnitt die Verbindungswege mit Kamtschatka und der Tschuktschen-Halbinsel ab.

Der Krieg führte zur Verschärfung der revolutionären Krise in Russland. Vom November des Jahres 1904 an fanden im ganzen Land Demonstrationen gegen den Krieg statt. Der erste Bote der herannahenden Revolution in Russland war der Streik in Baku im Dezember 1904, der von Stalin geführt wurde. „Der Bakuer Streik“, schrieb Stalin, „diente als Signal für die ruhmvollen Januar-Februar-Aktionen in ganz Russland.“

Die Regierung versuchte mit allen Mitteln, die Arbeiter von der Teilnahme am revolutionären Kampfe abzulenken. Die zaristische Ochrana (die geheime politische Polizei) beauftragte ihren Agenten, den Popen Gapon, in Petersburg eine besondere Organisation, den „Verein russischer Fabrik- und Betriebsarbeiter“ zu schaffen, der die Arbeiter vom revolutionären Kampfe ablenken sollte. Gapons Organisation eröffnete Lesehallen mit religiöser und moralsicher Literatur, veranstaltete Vorträge und Vorlesungen mit Lichtbildern über Themen, die von den zaristischen Behörden gebilligt wurden. Aber ungeachtet aller Versuche der Gapon-Leute, die Arbeiter von der Teilnahme an der revolutionären Bewegung abzulenken, setzten die Arbeiter den Kampf gegen die Unternehmer fort. Die Gapon-Anhänger unter den Arbeitern nahmen zusammen mit den anderen Arbeitern an den Streiks teil. Einer dieser Streiks fand in den Putilow-Werken statt. Dieser Streik war hervorgerufen worden durch die Entlassung von vier Arbeitern, die Gapon-Anhänger waren. Capon schlug einen provokatorischen Plan vor: eine Bittschrift an den Zaren zu verfassen und sich mit allen gemeinsam zum Zarenpalast zu begeben, um sie zu überreichen. Die zaristische Regierung hieß Gapons Plan gut, in der Absicht, ein Blutbad unter den Arbeitern anzurichten und die Arbeiterbewegung zu unterdrücken. Die Arbeitermassen hatten ihre Hoffnung auf die Hilfe des Zaren noch nicht aufgegeben. Sie hatten in den Versammlungen die Bittschrift lebhaft erörtert und darin ihre Forderungen und Wünsche zum Ausdruck gebracht.

Indem sie ihre rechtlose Lage schilderten, wandten sie sich in der Bittschrift an den Zaren: „Lehne es nicht ab, Deinem Volke zu Hilfe zu kommen, führe es aus dem Grab der Rechtlosigkeit, des Elends und der Unwissenheit, gib ihm die Möglichkeit, sein Schicksal selbst zu gestalten, befreie es von dem unerträglichen Druck der Beamten. Zerstöre die Mauer zwischen Dir und Deinem Volke, und lasse es mit Dir gemeinsam das Land regieren.“ Das Ende der Bittschrift klang wie eine dumpfe Drohung: „Wenn Du unser Flehen nicht erhörst, werden wir hier auf diesem Platze vor Deinem Palast sterben. Wir wissen nicht, wohin wir sonst gehen sollen und es wäre auch nutzlos. Wir haben nur zwei Wege, entweder in die Freiheit und das Glück, oder ins Grab.“

Die Bolschewiki warnten die Arbeiter, dass man auf sie schießen würde. Sie sagten, dass man die Freiheit nicht vom Zaren erwarten dürfe, sondern erobern müsse.

Am kalten Morgen des 09. Januar gingen mehr als 140 000 Arbeiter auf die Straße. Sie kamen mit Frauen und Kindern. Zu Kolonnen formiert, trugen sie Zaren- und Heiligenbilder und sangen Kirchenlieder. Die Bolschewiki, obgleich sie Gegner des Bittganges zum Zaren waren, ließen die Arbeiter nicht im Stich und gingen mit ihnen gemeinsam in den ersten Reihen.

Die zaristische Regierung hatte sich auf die Beschießung des friedlichen Zuges der Arbeiter nach allen Regeln der Kriegskunst vorbereitet. In der Hauptstadt waren Truppen zusammengezogen worden. Die Stadt war in acht Militärbezirke eingeteilt worden. Die Bezirkschefs und die Kommandeure der Truppenteile erhielten genaue Anweisungen, wo und wann sie auf die Versammelten schießen sollten. Die Arbeiter glaubten nicht an die Möglichkeit eines Blutbades. „Die Soldaten sind der Ordnung halber da“, sagten sie. Aber unerwartet für die Arbeiter, begannen die Truppen die friedliche Prozession zu beschießen. Das Gemetzel begann im Narwabezirk. Ein Augenzeuge beschreibt die blutigen Ereignisse, die sich am Narwator abspielten, folgendermaßen: „Vornweg trug man Kirchenfahnen, Heiligenbilder, ein Kreuz, Zarenbilder und eine weiße Fahne. In den ersten Reihen, fest untergehakt, schritten rings um Gapon die Kühnsten, die Begeistertsten. Die Prozession, welcher Polizei voranging, setzte sich in Marsch und zog sich auf der Chaussee fast auf einige Werst auseinander. Vom Himmel schien die Sonne herab. Man sang: ‚Rette, Herrgott, Dein Volk!‘ Alle sangen mit entblößten Köpfen. Die Polizeibeamten hatten beim Vorbeimarsch der Prozession die Mützen abgenommen. Als die Spitze des Zuges sich bereits dem Narwator näherte, jagte aus dem Tor eine Abteilung Kavallerie in voller Karriere direkt in die Menge. Sie durchbrach die ersten Reihen, machte aber schnell kehrt und schwenkte seitwärts ab, so dass die auf der kleinen Brücke quer und an den Seiten stehende Infanterie sichtbar wurde. Die Menge geriet in Verwirrung. Aber die ersten Reihen schlossen sich sofort wieder, fassten ich bei der Hand und schritten mutig auf die Brücke zu. Ein Hornsignal ertönte. Die Soldaten aus Pskow, die nichts begriffen und kopflos geworden waren, gaben eine Salve ab und ließen Schnellfeuer folgen. Eine unvorstellbare Verwirrung trat in dem Augenblicke ein, als die Leute in den ersten Reihen stürzten und die Heiligenbilder und Kirchenfahnen fallen ließen. Getötet wurden die Greise, die Zarenbilder trugen, und ein Knabe, der eine Kirchenlaterne trug. Fürchterliche Schreie ertönten aus der Menge. Ein Teil lief auseinander, versteckte sich in den benachbarten Höfen. Verirrte Kugeln erreichten sie auch dort. Der andere Teil, getreu dem Eide, nicht abzurücken, drängte in sinnlosem Ungestüm vorwärts. Die von Kugeln Hingemähten stießen im Fallen die anderen um. Gapon fiel gleichfalls hin, von einem der Getöteten aus der ersten Reihe umgerissen. Die ‚treue Wache‘ hob ihn inmitten der allgemeinen Verwirrung auf und warf ihn schnell über einen Zaun. Er verschwand, von keinem bemerkt. In der Menge verbreitete sich das Gerücht, dass er getötet worden sei. Vorn ritt jetzt Kavallerie gegen die Menge, zerstampfte Bilder und Kirchenfahnen und drängte die Menschen – Lebende, Verwundete und Tote – zurück. Hier fielen auf der Stelle einige Dutzend, mehr als hundert wurden verwundet.“

Die Truppen schossen auf die Arbeiter auch in den anderen Bezirken und ließen die Prozession nicht zum Winterpalast durch. Auf dem Platze vor dem Palast war in voller Gefechtsbereitschaft Infanterie aufgestellt. Die zu Bestien gewordenen zaristischen Henker schossen nicht nur auf die Arbeiter, die zum Palaste kamen, sondern sogar auf die Kinder, die aus Neugier auf die Bäume der nächstgelegenen Boulevards und Straßen geklettert waren.

An diesem „Blutigen Sonntag“ verloren die Arbeiter mehr als 3000 Tote und Verwundete. Der Zarismus jedoch hatte nicht nur die Arbeiter erschossen, sondern auch die Reste ihres naiven Glaubens an den Zaren. Am Morgen noch hatten sie gehofft, Hilfe vom Zaren zu erhalten, am Abend aber forderten sie Waffen gegen den Zaren und seine Polizei. „Wir haben keinen Zaren!“ sagten sie und vernichteten die Zarenbilder. Auf der Wassiljewinsel bauten die Arbeiter Barrikaden.

In dem Artikel „Der Beginn der Revolution in Russland“ schrieb Lenin über die Lehren des „Blutigen Sonntags“: Ja es war eine große Lehre! Das russische Proletariat wird diese Lehre nicht vergessen. Die unvorbereitetsten, die rückständigsten Schichten der Arbeiterklasse, die naiv an den Zaren glaubten und aufrichtig gewünscht hatten, dem Zaren selbst die Bitten des gequälten Volkes friedlich zu überreichen, ihnen wurde eine Lehre erteilt von der militärischen Macht, die unter Leitung des Zaren oder des Onkels des Zaren, des Großfürsten Wladimir stand. Die Arbeiterklasse erhielt eine große Lehre im Bürgerkrieg, die revolutionäre Erziehung des Proletariats schritt an einem Tage soweit voran, wie sie in Monaten und Jahren grauen, unterdrückten Alltagslebens nicht hätte voranschreiten können.“

Die Ereignisse des 09.(22.) Januars 1905 wurden der Anfang der ersten russischen Revolution. Auf die blutigen Gräuel des Zaren antworteten die Arbeiter des zaristischen Russlands mit Streiks, an denen sich 440 000 Arbeiter beteiligten, während in den zehn vergangenen Jahren nur 430 000 Arbeiter gestreikt hatten. Es war dies eine außerordentlich breite Entfaltung der Streikbewegung. Überall fanden Meetings und Demonstrationen statt, die von Zusammenstößen mit der Polizei und den Truppen begleitet waren. Bereits als Ergebnis der Januarstreiks erhob sich die Frage des Übergangs zur höchsten Form des Kampfes: zum bewaffneten Aufstand.

Im Frühling 1905 fand unter Lenins Leitung der III. Parteitag statt. Er arbeitete für die gesamte Partei eine allgemeine Taktik aus, stellte die Hauptlosungen der Revolution auf: demokratische Republik, Enteignung aller Ländereien der Gutsbesitzer und ihre Übergabe zur Nutzung an die Bauernschaft, Einführung des achtstündigen Arbeitstages. Der Parteitag wies darauf hin, dass ihrem Charakter nach in Russland eine bürgerlich-demokratische Revolution stattfände, dass sie sich aber grundlegend von allen früheren europäischen Revolutionen unterscheide.  In den bürgerlichen Revolutionen Englands und Frankreichs war die Bourgeoisie die führende Kraft gewesen. Dort hatte die Bauernschaft das Land aus der Hand der Bourgeoisie erhalten. Das Proletariat war noch schwach und unorganisiert gewesen.

Die bürgerliche Revolution in Russland erfolgte unter anderen Bedingungen. Das Proletariat war schon entwickelt, hatte eine Kampfpartei und führte seit langem einen entschlossenen Kampf gegen den Zarismus, gegen die Gutsbesitzer und Kapitalisten. Die Bourgeoisie fürchtete sich vor dem Proletariat und paktierte mit dem Zarismus gegen die revolutionären Arbeiter und Bauern. Auf diese Weise war das russische Proletariat die einzige Kraft, die die Revolution bis zum Ende führen, den Zarismus stürzen und dem Bauern Land geben konnte. Das Proletariat war der Leiter, der Führer der bürgerlich-demokratischen, der Volksrevolution in Russland und die Bauernschaft – sein natürlicher Verbündeter. Nur das Bündnis des Proletariats mit der Bauernschaft unter Führung des Proletariats konnte den völligen Sieg über den Zarismus und die weitere Entwicklung der Revolution sichern.

Ausgehend von einer solchen Auffassung des Charakters und der Treibkräfte der russischen Revolution fasste der Parteitag den Beschluss über die Zulässigkeit der Teilnahme von Bevollmächtigten der Partei an der provisorischen revolutionären Regierung, die berufen würde, die bürgerlich-demokratische Revolution in Russland zu Ende zu führen, eine grundlegende Umwandlung Russlands zu sichern und dem Proletariat den Übergang zu der sozialistischen Revolution zu erleichtern. Dieses Revolutionsprogramm ohne bewaffneten Aufstand zu verwirklichen, war unmöglich. Daher beauftragte der III. Parteitag der Bolschewiki sämtliche Parteiorganisationen, „die energischsten Maßnahmen zur Bewaffnung des Proletariats zu treffen, sowie einen Plan des bewaffneten Aufstandes und seiner unmittelbaren Leitung auszuarbeiten…“                                                                                                              Die Bolschewiki, die sich nach den Beschlüssen des III. Parteitages richteten, waren bestrebt, sich an die Spitze des revolutionären Kampfes der Massen zu stellen, um ihn auf das Gleis eines bewaffneten Aufstandes gegen den Zarismus, der im Kriege ein völliges Fiasko erlitten hatte.

Im Frühjahr und Sommer des Jahres 1905 erhob sich der revolutionäre Kampf der Arbeiter und Bauern auf eine noch höhere Stufe. Besonders kennzeichnend war der Streik der Textilarbeiter in Iwanowo-Wosnessensk. Der Streik begann am 12. Mai und führte 70 000 Arbeiter zum Kampf. Der Kampf war langwierig und verlief einmütig, geschlossen und organisiert. Im Verlaufe des Streiks schufen die Arbeiter einen Sowjet (Rat) der Vertrauensmänner, der faktisch einer der ersten Sowjets von Arbeiterdeputierten in Russland war. Im Sommer 1905 begann ein neuer Aufschwung der Bauernbewegung. Besonders bemerkenswert waren die revolutionären Aktionen im Zentrum Russlands, im Wolgagebiet, in der Ukraine und in Transkaukasien. Die Bauern nahmen das Land der Gutsbesitzer in Besitz und führten die Ernte der Gutsbesitzer weg.

Im Sommer 1905 begannen einzelne Teile der Armee auf die Seite der Revolution überzugehen. Am 14. Juni 1905 brach in der Schwarzmeerflotte, auf dem Panzerkreuzer „Potjomkin“, ein Aufstand aus.       Der aufständische Panzerkreuzer kam nach Odessa, wo zu jener Zeit ein Generalstreik der Arbeiter im Gange war. Aber die Menschewiki, die die Odessaer sozialdemokratische Organisation leitete, unterstützten die Matrosen nicht. Sie zögerten. In dieser Zeit wurden Truppen und Artillerie nach Odessa hinzugezogen. Gegen den revolutionären Panzerkreuzer schickte der Zar ein ganzes Geschwader, jedoch weigerten sich die Matrosen der Kriegsschiffe, auf ihre aufständischen Kameraden zu schießen.                                                                                                                                                        Das Panzerschiff „Georgij Pobedonossez“ schloss sich sogar den Aufständischen an. Doch bald darauf ergab sich dieses Panzerschiff, dessen Besatzung dem Einfluss ihrer Offiziere unterlag, den Behörden.       Der Aufstand auf dem Panzerkreuzer „Potjomkin“ erlitt eine Niederlage, da keine richtige, erfahrene, feste Leitung hatte und defensiven Charakter trug. Ungeachtet der Niederlage hatte der Aufstand auf dem Panzerkreuzer „Potjomkin“ gewaltige Bedeutung. Es war der erste Versuch, den Kern einer revolutionären Armee zu bilden.

Die revolutionäre Bewegung entfaltete sich im Oktober 1905 mit neuer Kraft. Anfang Oktober standen sämtliche Eisenbahnen still. Den Eisenbahnern schlossen sich die Arbeiter der Fabriken und Werke an. Post, Telegraf und Telefon stellten die Arbeit ein. Den Streik unterstützten die Vertreter der Intelligenz: Lehrer, Rechtsanwälte, Ingenieure, Studenten und Angestellte verschiedener Anstalten.

Am 11. Oktober weitete sich der Streik zu einem gesamtrussischen Generalstreik aus. An ihm nahmen ungefähr eine Million Arbeiter und einige hunderttausend Angestellte teil. Das gesamte Leben des Landes kam zum Stillstand. Züge und Dampfschiffe hörten auf zu fahren. Die Fabriken, die Post und der Telegraf arbeiteten nicht. Zeitungen und Zeitschriften erschienen nicht. Die Läden und Restaurants wurden geschlossen. Der Unterricht in den höheren und Mittelschulen hörte auf. Nur die Wasserleitung, Kanalisation und die Krankenhäuser setzten ihre Arbeit fort. Sie arbeiteten auf Befehl der Streikkomitees.                                                                                                                                                     Der Generalstreik wurde von der bolschewistischen Partei geleitet, die ihn als Vorspiel zum bewaffneten Aufstand betrachtete. Das Moskauer Komitee der bolschewistischen Partei veröffentlichte einen Aufruf an die Arbeiter, der mit folgendem Appell schloss: Vom Winterschlaf zum Streik, vom Streik zum bewaffneten Aufstand, vom Aufstand zum Sieg, so ist unser Weg, der Weg der Arbeiterklasse. Kühner, Genossen, vorwärts zum Kampf für die Volksbefreiung!“

Auf den Meetings und Versammlungen hielten die Arbeiter revolutionäre Reden und erhoben ihre dringenden Forderungen. Gemeinsam mit der gesamten Arbeiterklasse nahm an dem Oktoberstreik die arbeitende Jugend teil. Die Nöte der Arbeiterjugend fanden ihren Widerhall in den allgemeinen Forderungen der Arbeiter. Die Arbeiter bestanden darauf, dass in gesundheitsschädlichen Betrieben keine Kinderarbeit zugelassen werden dürfe, dass die Lehrzeit abgekürzt werden müsse und die Arbeitgeber nicht das Recht haben sollten, die Lehrlinge für persönliche Dienstleistungen und Nebenarbeiten zu verwenden, dass in den Fabriken Schulen und Abendkurse eingerichtet werden und der Unterricht für alle Arbeiterkinder unentgeltlich sein sollte.                                                                                         Die Arbeiterjugend half den fortschrittlichen Arbeitern, jene Fabriken und Werke stillzulegen, die sich nicht sofort den Streikenden anschlossen. Bei den revolutionären Demonstrationen schritten die jugendlichen Arbeiter in den ersten Reihen. Sie trugen rote Fahnen und sangen laut revolutionäre Lieder: die „Marseillaise“ und „Kühn, Genossen, haltet Schritt“.                                                                                 Die zaristische Regierung versuchte anfangs den Streik mit Waffengewalt zu unterdrücken. Aber sie hatte bereits nicht mehr die Kraft, die Bewegung zum Stehen zu bringen. Von dem Generalstreik eingeschüchtert, erließ der Zar am 17. Oktober ein Manifest, indem er dem Volke die demokratischen Freiheiten: Rede- und Pressefreiheit, Freiheit der Versammlungen und Koalition „schenkte“. Der Zar versprach, eine Reichsduma einzuberufen und ihr das Recht einzuräumen, Staatsgesetze auszuarbeiten.                                                                                                                                                          Die Bourgeoisie begrüßte den Erlass des Manifestes vom 17. Oktober mit Jubel. Sie hielt ihr Ziel für erreicht. Die kleinbürgerlichen Parteien: die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre (sozialrevolutionär hieß diejenige Partei, die die Interessen der Kulaken{Großbauern P.R}verteidigte) erklärten, dass der Zarismus vor dem Volk kapituliert habe. Nur die Bolschewiki warnten die Arbeiter: „Der Zar hat noch lange nicht kapituliert, die Selbstherrschaft hat durchaus noch nicht aufgehört zu existieren. Sie hat nur den Rückzug angetreten.“                                                                                                                                                               Das Manifest vom 17. Oktober war ein Betrug an den Volksmassen. Dieser Winkelzug war dem Zarismus nötig, um Kräfte zu sammeln und dann gegen die Revolution loszuschlagen. Verhaftungen, Erschießungen, bestialische Massenmorde, Pogrome- alles dies brachte das Manifest des Zaren vom 17. Oktober dem Volke in der Tat. Im Volke war über das Zarenmanifest das Liedchen im Umlauf:

„Der Zar in seinem Schrecken                                                                                                                             erließ ein Manifest:                                                                                                                                             Den Toten gab er Freiheit,                                                                                                                                  den Lebenden – Arrest!“

In den Tagen der sogenannten „Freiheiten“ waren dunkle Kräfte hemmungslos am Werk: die zum Schutze des Zarismus und zum Kampf gegen die Revolution geschaffenen Banditenabteilungen, die „Schwarzen Hundertschaften“. Am Tage nach dem Erlass des zaristischen Manifestes, am 18. Oktober 1905, begab sich eine große Menge Moskauer Arbeiter zum Tagankagefängnis, um aus ihm die politischen Gefangenen zu befreien. An ihrer Spitze schritt einer der angesehensten Moskauer Bolschewiki, ein Schüler und Waffengefährte Lenins, Nikolaj Bauman. Auf dem Wege schlug ihm ein Angehöriger der „Schwarzen Hundert“ mit dem Bruchstück einer Eisenröhre über den Kopf und verletzte ihn tödlich. Der Mord an Bauman löste größte Empörung unter den Werktätigen Moskaus und ganz Russlands aus. Baumans Leichenzug gestaltete sich zu einer grandiosen Demonstration.

In den stürmischen Tagen des politischen Generalstreiks schuf die Arbeiterklasse eine Organisation, die in der Revolution eine große Rolle spielen sollte: die Sowjets der Arbeiterdeputierten. Die entscheidende Rolle hätte in der Revolution des Jahres 1905 der Petersburger Sowjet der Arbeiterdeputierten spielen müssen. Jedoch im Petersburger Sowjet hatten die Menschewiki die Übermacht, die seine Umwandlung in ein Organ der revolutionären Gewalt und die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes in Petersburg verhinderten.

Eine ganz andere Rolle spielte in der Revolution der Moskauer Sowjet, der von den Bolschewiki geleitet wurde. Der Moskauer Sowjet war im November geschaffen worden. Damals entstanden auch einige Bezirkssowjets, mit denen der Moskauer Sowjet eng verbunden war. Er rief die Moskauer Arbeiter, die Bauern und Soldaten auf, ihre Kräfte zum „bevorstehenden Entscheidungskampf“ zu vereinigen, und begann unter der Leitung der Bolschewiki den bewaffneten Aufstand praktisch vorzubereiten.

Im November 1905 kehrte Wladimir Iljitsch Lenin nach Russland zurück. Er leitete die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes. Auf Lenins Anweisung verschafften sich die Parteiorganisationen Waffen, schufen Arbeiterkampfscharen, bewaffneten die Arbeiter und unterrichteten sie im Waffengebrauch. Im Dezember 1905 wurde zwecks Besprechung von Fragen, die mit dem Aufstand zusammenhingen, in Tammerfors (Finnland) eine Parteikonferenz einberufen. Auf dieser Konferenz begegneten sich Lenin und Stalin zum ersten Male persönlich. Während der Arbeiten der Konferenz traf die Nachricht ein, dass in Moskau der Aufstand begonnen habe. Lenin schlug den Delegierten vor, sofort zu ihren Ortsorganisationen zurückzukehren und die Leitung des Aufstandes zu übernehmen.

Am 07. Dezember früh begann in Moskau der Generalstreik. Die Arbeiter traten organisiert, geschlossen und einmütig auf. Ein lebendiges Bild von dem Beginn des Aufstandes zeichnen die „Nachrichten des Moskauer Sowjets“: „Noch niemals ist das Moskauer Proletariat in solcher Eintracht, als eine drohende und mächtige Armee aufgetreten. Auf Beschluss des Sowjets der Arbeiterdeputierten und der revolutionären Parteien standen um 12 Uhr mittags fast sämtliche wichtigen Fabriken und Werke Moskaus still. Sie standen von sich aus still, ohne Zwang, ohne Drohungen, nicht aus Furcht, sondern deshalb, weil die Stunde des Entscheidungskampfes gekommen war. Mit roten Fahnen, mit dem Gesang revolutionärer Lieder, mit dem Schwur, bis zum Ende zu kämpfen, gingen die Arbeiter auseinander.“

Die in Schrecken versetzte Regierung verhängte über Moskau den Ausnahmezustand. In der Nacht vom 06. Zum 07. Dezember wurde das Moskauer Komitee der bolschewistischen Partei, die die Vorbereitung des Aufstandes leitete, verhaftet. Die Leitung des Aufstandes ging auf die Bezirke über.

In den Tagen des Dezemberaufstandes war der Stadtbezirk Prensja am revolutionärsten. Am 09. Dezember bedeckte sich ganz Prensja mit Barrikaden. Eine große Rolle beim Aufstand in Prensja spielte die gut bewaffnete und gut ausgebildete Kampfschar der Fabrik Schmidt. Prensja befand sich faktisch in den Händen der Arbeiter. Die Polizei war aus dem Bezirk verjagt worden. Das ganze Leben des Bezirks leitete das Revolutionäre Komitee, das aus den Deputierten des Moskauer Sowjets gebildet worden war. Der Bezirkssowjet genoss außerordentlich große Autorität. Die Bevölkerung wandte sich an ihn in allen Arten von Eingaben, Bitten und Beschwerden.

Gemeinsam mit den erwachsenen Arbeitern nahm am bewaffneten Kampf auch die Arbeiterjugend teil. Folgendes erzählt darüber Litwin-Sedoj, einer der Teilnehmer und Organisatoren des Moskauer bewaffneten Aufstandes:  „Die Arbeiterinnen und die Jugend standen hinter den erwachsenen Arbeitern nicht zurück. Sie bauten Barrikaden, gingen auf Patrouille, verwahrten bei sich zu Hause Proklamationen und Waffen, besonders waren es die Schüler der Prochorow-Schule und der Komissarower Technischen Schule.“                                                                                                                                                                     Die Halbwüchsigen der Trjochgornaja-Fabrik halfen den Arbeitern Barrikaden bauen. Der eine schleppte einen Kübel heran, ein anderer Holzscheite und Steine, ein dritter zerrte in die Mitte der Straße allerlei Gerümpel, Laternenpfähle und Telefonmasten, Türen und eiserne Zäune. Die jungen Arbeiter beteiligten sich aktiv an der Entwaffnung der zaristischen Truppen, der Polizisten und Gendarmen.

In seinem Artikel „Die Lehren des Moskauer Aufstandes“ schildert Lenin, wie in Prensja zwei jugendliche Arbeiterinnen, die in der Menge von Zehntausenden die rote Fahne trugen, sich den Kosaken entgegengeworfen hätten mit dem Schrei: Schlagt uns tot! Wir werden die Fahne nicht lebend hergeben!“ Die Kosaken gerieten in Verwirrung und sprengten davon.

Einer der Augenzeugen und Teilnehmer des Aufstandes erzählt von einem ähnlichen Fall auf dem Strastnaja-Platz. Ein junger Arbeiter aus der Menge der Demonstranten wandte sich an die Kosaken mit einer Rede: „Brüder, Genossen, Kosaken!“ begann er.  Der Jüngling begann zusammenhanglos und erregt, aber mit großer Begeisterung und Freimütigkeit die Kosaken zu überreden, nicht zu schießen und auf die Seite des Volkes überzugehen.

Der einmütige Aufstand der Moskauer Arbeiter rief in den Regierungskreisen eine Panik hervor. Admiral Dubassow, der mit der Niederschlagung des Moskauer Aufstandes beauftragt worden war, überschüttete den Zaren mit Telegrammen, in denen er dringend um Herbeisendung von Verstärkungen bat. Die Nikolaj-Eisenbahn, die Petersburg mit Moskau verband, streikte nicht, und der Zar sandte Dubassow Unterstützung. In der Nacht zum 15. Dezember kamen in Moskau ungefähr 2000 Soldaten des Semjonower Garderegimentes an. Die Semjonower fingen an, Prensnja mit Artillerie zu beschießen. Die Fabriken Schmidt und Mamontow wurden in Brand gesetzt. Am 18. Dezember umzingelten die Truppen den gesamten Bezirk der Prochorower Manufaktur (später Krasnopresnjenskaja, Trjochgornaja). Der Sowjet, der den Mangel an Kräften für einen weiteren Widerstand in Betracht zog, beschloss am 19. Dezember, den Aufstand zu beendigen. Den Kampfschärlern war befohlen worden, einzeln oder in Gruppen Presnja zu verlassen. Der Lokomotivführer Uchtomskij führte unter Kugelhagel aufopferungsbereit die Kampfschärler aus Moskau fort. Uchtomskij wurde bald daraufhin von den zaristischen Behörden ergriffen und erschossen.

Die Prochorower Manufaktur wurde von Truppen besetzt. Über die Aufständischen wurde ein Feldgericht eingesetzt, das gleich hier, im Fabrikkontor tagte. Die Urteilssprüche wurden im Fabrikhofe vollstreckt. Viele Arbeiter wurden ohne jedwedes Gericht erschossen. Die zaristischen Gendarmen rechneten besonders grausam mit den jugendlichen Teilnehmern des Aufstandes ab.„Die zaristischen Behörden rächten sich für jenen Schrecken, die die Arbeiter ihnen eingeflößt hatten. Besonders grausam rächten sie sich an der Trjochgorka und an den Schülern der Prochorower Schule“, erinnert sich Litwin-Sedoj. An diesem Tage schrieb der Zar in sein Tagebuch: „In Moskau ist Gott sei Dank der Aufstand mit Waffengewalt unterdrückt worden.“ Die Bourgeoisie begrüßte die Unterdrückung des Aufstandes.

Die Moskauer Arbeiter hatten eine Niederlage deshalb erlitten, weil die Truppen noch nicht auf ihrer Seite standen. Die aufständischen Arbeiter hatten nicht mit jener Entschlossenheit um das Herüberziehen der Truppen auf ihre Seite gekämpft, die notwendig war, um den Sieg zu sichern. Sie hatten zu wenig Waffen gehabt und waren als Verteidiger, aber nicht als Angreifer aufgetreten.

Die Menschewiki und die Bolschewiki schätzten den bewaffneten Dezemberaufstand verschieden ein. Der Menschewik Plechanow war der Partei vor: „Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen!“ Lenin erwiderte: „Im Gegenteil, man hätte noch entschlossener, energischer und offensiver zu den Waffen greifen, hätte den Masen die Unmöglichkeit eines bloß friedlichen Streiks und die Notwendigkeit eines furchtlosen und rücksichtslosen bewaffneten Kampfes klarmachen müssen.“

Ein bewaffneter Aufstand fand nicht nur in Moskau statt. In einer Reihe von Städten Russland erhoben sich die Arbeiter ebenfalls, um die zaristische Macht zu stürzen. Unter der Bauernschaft kam es zu ununterbrochenen Unruhen. Es erhoben sich auch die unterdrückten Völker der Grenzgebiete des zaristischen Russlands. Aber alle dies Aufstände hatten keinen gemeinsamen Plan, kein führendes Zentrum. Der Moskauer Aufstand verwandelte sich nicht in einen einheitlichen allrussischen Ausbruch. „Der Dezemberaufstand war zersplittert und unorganisiert“, schrieb J.W. Stalin. Als Moskau auf den Barrikaden kämpfte, bewahrte Petersburg Schweigen; Tiflis und Kutais bereiteten sich zum Sturm vor, als Moskau bereits ‚unterworfen‘ war, Sibirien griff zur Waffe, als der Süden und Lettland ‚besiegt‘ waren – und das bedeutet, dass die Revolution das kämpfende Proletariat in Gruppen zersplittert fand, weshalb es der Regierung verhältnismäßig leicht war, ihm eine ‚Niederlage‘ beizubringen.“

Die Niederlage des Dezemberaufstandes gab dem Zarismus die Möglichkeit zum Angriff überzugehen Nach Sibirien, Polen, nach dem Baltikum, nach Transkaukasien wurden Strafexpeditionen geschickt. Dort, wo die Bauern an den Aufständen teilgenommen hatten, zündeten die Strafabteilungen die Dörfer an und prügelten die Einwohner. Besonders grausam war die Abrechnung mit dem Volke Lettlands, wo die Strafabteilungen von deutschen Baronen befehligt wurden. Bei dieser Abrechnung kamen mehr als 10 000 lettische Arbeiter und Bauern um. Als man dem Zaren meldete, dass einer der Offiziere die auf dem Schnee sich krümmenden verwundeten Letten erschossen habe, schrieb Nikolaj II. auf den Bericht: „Ein Prachtkerl!“

In einem Gouvernement nach dem anderen wurde der Kriegszustand oder der der Zustand des außerordentlichen Schutzes verhängt. Die Militärgerichte verschickten die einen zur Zwangsarbeit, über die anderen wurden Todesurteile gefällt. Neben den Truppen und der Polizei betätigten sich auch die von der Regierung aufgemunterten bewaffneten monarchistischen Organisationen: der „Bund des russischen Volkes“ und der „Bund des Erzengels Michael“.

Gemeinsam mit der zaristischen Regierung und den Schwarzhunderten war auch die Bourgeoisie am Werk. Sie rächte sich an den Arbeitern für die Revolution und gab sie der Arbeitslosigkeit und dem Hunger preis. Die Kapitalisten stellten „Schwarze Listen“ auf, in die die klassenbewusstesten und revolutionärsten Arbeiter eingetragen wurden, und vereinbarten, sie in keinem ihrer Unternehmen zu beschäftigen. (Das kennen wir ja heute auch noch. P.R.)

Aber ungeachtet des furchtbaren Terrors zogen sich die Arbeiter und Bauern nur langsam kämpfend zurück. Die Streiks dauerten an. Im Jahre 1905 nahmen am Kampf 2 863 000 Streikende teil, im Jahre 1906 1 108 000, im Jahre 1907 740 000. Diese Zahlen bezeugen, dass das Proletariat seinen heroischen Kampf um die Freiheit fortsetzte.                                                                                                                           Die Bauernbewegung dauerte in den Jahren 1906 bis 1907 ebenso an, stellenweise verstärkt sie sich sogar. Besonders häufig waren Streiks der landwirtschaftlichen Arbeiter. Aber die Bauernaufstände waren nach wie vor spontan und erlitten Niederlagen, da sie einer systematischen Führung durch die Arbeiter entbehrten.

Auch die nationale Befreiungsbewegung entfaltete sich in breitem Maße. Im Baltikum und in Transkaukasien fanden in den Jahren 1906 bis 1907 regelrechte Schlachten statt.                              Zugleich mit der Unterdrückung der Revolution durch Waffengewalt beschritt die zaristische Regierung den Weg der „Unterdrückung der Volksfreiheit mit Hilfe einer monarchistischen ‚Konstitution‘“ (Lenin).            Während des Dezemberaufstandes wurde das Gesetz über die Wahlen zur Reichsduma veröffentlicht. Dieses Gesetz war erlassen worden, um das Volk zu betrügen. Es gewährte das Wahlrecht in der Hauptsache den besitzenden Klassen, den Arbeitern und Bauern wurde es beschnitten.

Im April 1906 berief die zaristische Regierung die Erste Reichsduma ein. Die Mehrheit in ihr setzte sich aus Vertretern der Gutsbesitzer und Kapitalisten zusammen, die sich der bürgerlichen Partei der Konstutionellen Demokraten (der Kadetten) anschlossen. In der Duma wurde aber auch eine beträchtliche Anzahl von Bauern gewählt. Die Kadetten wollten die Bauern betrügen. Daher gaben sie sich den Anschein, als ob sie Anhänger einer Landverteilung an die Bauern „gemäß einer gerechten Einschätzung“ wären. Die Bauerndeputierten jedoch brachten ihren eigenen Entwurf eines Bodengesetzes ein, worin sie die Forderung aufstellten, das Grundeigentum der Gutsbesitzer abzuschaffen. Die zaristische Regierung erschrak vor dieser Forderung und beeilte sich, die Erste Duma aufzulösen. Aber die Zweite Reichsduma wies noch mehr Vertreter der Bauernschaft auf. Den Arbeitern gelang es, in die Duma 65 Sozialdemokraten zu schicken.

In der Duma wurden Reden gehalten, die dem Zaren und den Gutsbesitzern missfielen. Einmal hielt ein Vertreter der Gutsbesitzer eine Rede, in der er die Bauern überreden wollte, den Kampf um Grund und Boden aufzugeben. „Die graue, dunkle bäuerliche Masse ohne Gutsbesitzer“, sagte er, „das ist eine Herde ohne Hirten.“ „Genug ihr Herren Hirten“, antwortete ihm ein Bauerndeputierter. „Bis auf den heutigen Tag trauert ihr der Leibeigenschaft nach und wünscht sie euch zurück. 300 Jahre habt ihr uns für eine Herde gehalten, und wir haben eure Peitsche noch sehr wohl in Erinnerung.“                                  Ein anderer Bauer sagte einfach: „Man muss das Land sofort den Gutsbesitzern abnehmen!“ Solches Auftreten flößte den zaristischen Behörden Furcht und Schrecken ein.                                                         Und die Regierung, an deren Spitze der Großgrundbesitzer Stolypin stand, jagte am 03. Juni 1907 die Zweite Duma auseinander. Die zaristische Regierung veröffentlichte ein neues Wahlgesetz, das die Rechte der Arbeiter und Bauern noch mehr beschnitt und in Wirklichkeit eine Ablehnung des Manifestes vom 17. Oktober war. Den Tag des 03. Juni 1907 pflegt man als Tag des Staatsstreiches vom 03. Juni zu bezeichnen.

Der Staatsstreich vom 03. Juni bedeutete eine vorrübergehende Niederlage der Revolution. In der Revolution der Jahre 1905 bis 1907 hatte sich noch kein festes Bündnis der Arbeiter und Bauern gebildet, und dies war eine der Hauptursachen der Niederlage. Die Armee ging nicht auf die Seite der Arbeiter über und half der Regierung, die Revolution zu unterdrücken. Die Arbeiter handelten nicht einmütig und organisiert genug. Die Menschewiki-die Verräter der Arbeiterklasse-hatten noch auf einen bedeutenden Teil der Arbeiterklasse Einfluss, sie spalteten das Proletariat und hemmten die Revolution. Der zaristischen Regierung halfen auch die europäischen Kapitalisten, die um das Schicksal ihrer in der russischen Industrie investierten Kapitalien bangten. Sie gewährten dem Zaren Anleihen (Kredite P.R.).

Die erste russische Revolution stellt einen wichtigen Richtpunkt in der Geschichte Russlands dar. Während der Jahre 1905 bis 1907 machte die Arbeiterklasse und die Bauernschaft eine so erfahrungsreiche Schule der politischen Erziehung durch, wie sie sie im Verlaufe von Jahrzehnten gewöhnlicher friedlicher Entwicklung nicht hätte durchmachen können. Die Revolution hatte den Volksmassen gezeigt, dass der Zarismus der geschworene Feind des Volkes war, dass die liberale Bourgeoisie nicht das Volk, sondern die Selbstherrschaft unterstützt, und dass nur die Arbeiterklasse der wirkliche und konsequenteste Führer der Revolution ist. Die Revolution hat auch gelehrt, dass die werktätige Bauernschaft trotz ihrer Schwankungen dennoch die einzige ernsthafte Kraft darstellte, die fähig war, mit der Arbeiterklasse ein Bündnis einzugehen und dass von der Dauerhaftigkeit und der Stärke des Bündnisses der Arbeiter und Bauern der völlige und endgültige Sieg über den Zarismus abhängig war. Die Arbeiter und Bauern überzeugten sich auch, dass die bolschewistische Partei, die den Werktätigen den sicheren Weg des Kampfes gewiesen hat, ihr wirklicher Führer ist.                         Die Revolution von 1905 bis 1907 spielte eine gewaltige historische Rolle in der Vorbereitung der Großen Proletarischen Revolution. Lenin schrieb, dass „ohne die ‚Generalprobe‘ des Jahres 1905 der Sieg der Oktoberrevolution im Jahre 1917 nicht möglich gewesen wäre“.

Die erste russische Revolution hatte eine große internationale Bedeutung. Sie zeigte, dass der Schwerpunkt der internationalen revolutionären Bewegung sich endgültig nach Russland verlagert hatte. Das russische Proletariat gab das Beispiel eines entschlossenen und selbstlosen Kampfes um die Freiheit und begeisterte das internationale Proletariat zu einem neuen revolutionären Kampfe. Lenin sagte, dass die Arbeiter Europas unter dem Einfluss der russischen Revolution geistig erwacht seien. Bis zur Revolution des Jahres 1905 hatten die europäischen sozialistischen Parteien den Generalstreik abgelehnt und den bewaffneten Kampf des Proletariats in den modernen Städten für unmöglich gehalten. Nach der russischen Erfahrung überzeugten sich die fortschrittlichen Arbeiter Europas und der ganzen Welt von der Irrigkeit solcher Ansichten. In einer Reihe von Ländern, besonders in Österreich-Ungarn, begannen politische Streiks und Demonstrationen zum Schutze des allgemeinen Wahlrechtes. (In Deutschland ist heutzutage der politische Streik verboten. Es gab Vorstöße in den Gewerkschaften dies zu ändern, doch die Führung der Gewerkschaften hat dies sofort unterdrückt. Die Herrschenden haben anscheinend viel Angst davor, obwohl im heutigen Deutschland wahrlich weit und breit keine revolutionäre Situation akut ist. P.R.)

Einen noch unmittelbaren Einfluss übte die russische Revolution auf die Erweckung der Völker Asiens aus. Den Völkern Irans, der Türkei und Chinas, die den revolutionären Weg betraten, diente der entschiedene Kampf der russischen Arbeiter und Bauern gegen die Selbstherrschaft und Leibeigenschaft als Vorbild. (Im Iran und in der Türkei sind nun die Spuren der Revolution verwischt. In China ist es so ein Mittelding. Einerseits gab es zwar eine Revolution und eine kommunistische Partei ist formal an der Macht, doch sind viele kapitalistische Elemente vertreten und das ausländische Kapital bekommt viel Spielraum, wie z.B. mit billigen Arbeitskräften produzieren zu lassen. China ist einer ständigen Veränderung unterworfen und Außenstehende haben da keinen rechten Einblick. P.R.)

Entnommen aus dem ersten Band „Das Sowjetland“, erschienen im Jahre 1947. Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa, bearbeitet von Petra Reichel

Anna Michailowna Pankratowa 
Bildquelle: By Ministry of Communications of the Soviet Union – http://filpersona.ru/index.php/category/31, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=69863889

Original-Text aus „Das Sowjetland“ von 1947 

Die Gründung der Partei der Bolschewiki

Die soziale Lage der Arbeiterklasse in Russland am Ende des 19. Jahrhunderts

Unter den imperialistischen Staaten in Europa nahm das zaristische Russland eine besondere Stellung ein. Um die Jahrhundertwende gab es dort nur wenige Industriezentren. Dafür waren aber ungewöhnlich große Betriebe entstanden. Bereits 1890 lieferten nur sieben Prozent der Betriebe über die Hälfte der gesamten Industrieproduktion. In den Industriegebieten konzentrierten sich gewaltige Armeen von Lohnarbeitern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren über 50 Prozent aller Industriearbeiter Russlands in Großbetrieben mit über 500 Beschäftigten tätig.

Eine große Rolle in der industriellen Entwicklung Russlands spielten ausländische Monopolgruppen. Sie gewährten der zaristischen Regierung große Anleihen zu hohen Zinssätzen. Einige Monopolgruppen erhielten das Recht, in Russland Fabriken und Gruben zu betreiben.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Lage der Arbeiter in Russland war weit schlechter als in anderen europäischen Ländern. In vielen Fabriken herrschten noch halbfeudale Verhältnisse. Nirgendwo in den imperialistischen Staaten Europas wurden so niedrige Löhne gezahlt, mussten die Arbeiter so lange arbeiten und so schlecht wohnen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die politische Macht in Russland lag in den Händen der adligen Gutsbesitzer. Der größte und reichste Gutsbesitzer war der Zar. Die Arbeiter und andere Werktätige waren der Willkür der zaristischen Beamten und der Polizei ausgeliefert. Jede demokratische Regung wurde sofort mit Polizei- oder Militärgewalt verfolgt und unterdrückt. Mit der Arbeiterklasse entwickelte sich jedoch eine gesellschaftliche Kraft, die den Kampf des Volkes gegen imperialistische Ausbeutung und zaristische Unterdrückung organisierte. In Russland entwickelte sich seit der Jahrhundertwende eine revolutionäre Situation.

Unter unmenschlichen Bedingungen arbeiteten die Bergleute in den Kohlengruben Russlands. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Lenin wird zum Führer der russischen Arbeiterklasse

Die reaktionären Zustände im zaristischen Russland empörten die ausgebeuteten Massen immer mehr. Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu bedeutenden Streiks der Industriearbeiter für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse und für demokratische Rechte. In den Industriezentren entstanden – zunächst mit Hilfe demokratischer Intellektueller- geheime Zirkel. Ihre Teilnehmer studierten den Marxismus und bemühten sich um die Organisierung der Arbeiter. Zum bedeutendsten Führer der russischen Marxisten entwickelte sich entwickelte sich Wladimir Iljitsch Lenin.

W.I. Uljanow, später von seinen Freunden Lenin genannt, wurde am 22. April 1870 in Simbirsk, dem späteren Uljanowsk, geboren. Sein Vater war Schulinspektor. Lenins Geschwister beteiligten sich alle an der revolutionären Tätigkeit gegen den Zarismus. Besonders eng schloss Lenin sich seinem älteren Bruder Alexander an, der in Petersburg studierte und ihn mit revolutionären Schriften bekannt machte.

Mit 15 Jahren lernte Lenin Arbeiten von Marx und Engels kennen. Da er sich in der Schule gute Kenntnisse in der lateinischen, griechischen, französischen und deutschen Sprache angeeignet hatte, konnte er bereits damals die Schriften von Marx und Engels, die illegal aus dem Ausland bezogen wurden, in deutscher Sprache lesen.

1887 wurde Lenins Bruder Alexander hingerichtet. Er hatte gemeinsam mit anderen Revolutionären ein Attentat auf den Zaren vorbereitet. Der Tod des Bruders beeindruckte Lenin außerordentlich stark. Er hatte begriffen, dass mit Einzelaktionen die reaktionären Verhältnisse in Russland nicht geändert werden können.

Nach der Schulzeit studierte Lenin in Kasan Rechtswissenschaft. Er lernte gleichgesinnte Studenten kennen und traf sich heimlich mit ihnen, um die Werke von Marx und Engels zu studieren. Dieses Studium vermittelte ihm die Erkenntnis, dass der Kampf gegen die Grundlagen der gesellschaftlichen Zustände geführt werden musste.

Die Kasaner Polizei entdeckte den Zirkel und dessen Teilnehmer wurden zu Gefängnishaft verurteilt. Gleichzeitig wurde Lenin von der Universität ausgeschlossen. 1891 legte er jedoch das juristische Examen als Externer an der Universität in Petersburg als Bester von 33 Kandidaten ab. In nur einem Jahr hatte Lenin sich in hartem, regelmäßigem Selbststudium die Kenntnisse angeeignet, die andere in vier Studienjahren erwarben.

1893 übersiedelte Lenin nach Petersburg. Dort schloss er sich den vorhandenen illegalen Arbeiterzirkeln an.

W.I. Lenin während seines Aufenthaltes in Petersburg
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Unter Lenins Leitung vereinigten sich die Petersburger Zirkel 1895 zum Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse. Das war der erste Schritt zur Gründung einer sozialistischen Arbeiterpartei in Russland.

Lenins Bemühungen galten stets der engen Verbindung des Studiums marxistischer Werke mit der praktischen revolutionären Arbeit. Der Kampfbund wirkte unter seiner Leitung in den Petersburger Betrieben und half bei der Organisierung von Streiks. Im Dezember 1895 verhaftete die zaristische Polizei zahlreiche Mitglieder des Kampfbundes, unter anderem Lenin. Nach 14 Monaten Gefängnishaft wurde er für drei Jahre nach Ostsibirien verbannt. Vertreter der illegalen Organisationen trafen sich 1898 in Minsk und gründeten die Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Der 1. Parteitag hatte große Bedeutung für die Entwicklung der sozialistischen Bewegung in Russland. Er wählte ein Zentralkomitee und orientiert die Arbeiterklasse in einem Manifest auf die wichtigsten Aufgaben. Doch noch fehlte der Partei ein einheitliches Programm und ein gemeinsames Statut.

Lenins Kampf für die Schaffung einer marxistischen Partei in Russland

Im Jahre 1900 kehrte Lenin aus der Verbannung zurück. Weil ihm die zaristische Polizei jede revolutionäre Arbeit unmöglich machte, musste er Russland verlassen. Im Ausland gründete Lenin mit anderen Sozialisten eine revolutionäre Zeitung, die den symbolischen Namen „Iskra“ („Der Funke“) erhielt. Sie diente der Propagierung des Marxismus in Russland und bereitete die Gründung einer revolutionären Partei vor.

In der Druckerei der „Arbeiterzeitung“ in Leipzig-Probstheida, der späteren Iskra-Gedenkstätte, wurde die erste Nummer gedruckt. Die Iskra-Gedenkstätte existierte von 1956 bis 1993. Siehe z. B. Facebook „Altes Leipzig“, weiteres kann ergooglet werden.

Die „Iskra“ spielte in folgenden Monaten und Jahren eine wichtige Rolle. Durch sie kam eine engere Bindung zwischen den verschiedenen illegalen marxistischen Gruppen und Zirkeln in Russland zustande. Sie erzog die Arbeiter zum Klassenbewusstsein. Lenin nutzte die „Iskra“, um die vorhandenen opportunistischen Auffassungen zu kritisieren und die marxistischen Ideen zu verbreiten.

Die erste Nummer der illegal gedruckten „Iskra“ vom Dezember 1900. (Ausschnitt der Titelseite)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

1902 erschien die Schrift Lenins „Was tun?“ Lenin enthüllte darin die Wurzeln und Gefährlichkeit des Opportunismus; er begründete die Bedeutung der wissenschaftlichen Theorie für die revolutionäre Arbeiterbewegung.

Vorbereitet mit der „Iskra“, fand 1903 der II. Parteitag der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei statt. Die Beratungen wurden in Brüssel begonnen und in London fortgesetzt.

Bei der Wahl zur Parteiführung erhielten Lenin und seine Anhänger die Mehrheit der Stimmen. Sie wurden fortan Bolschewiki, die Opportunisten dagegen Menschewiki genannt.

Unter dem Einfluss der Bolschewiki stimmte der Parteitag einem revolutionären Programm zu, das im Unterschied zu den Programmen aller andren Parteien der II. Internationale die Diktatur des Proletariats als wichtigste Voraussetzung für die Umwandlung der kapitalistischen Gesellschaft in die sozialistische bezeichnete.

Das wichtigste Ergebnis des II. Parteitages war die Schaffung einer revolutionären marxistischen Partei der Bolschewiki. Eine solche Partei neuen Typus zeichnete sich aus durch festes Vertrauen zu den demokratisch gewählten Leitungen, eiserne revolutionäre Disziplin bei der Beschlusserfüllung, hohes Klassenbewusstsein aller Parteimitglieder, enge Verbindung der Parteimitglieder mit den Massen der Arbeiter und Bauern, unbedingte Treue zum wissenschaftlichen Kommunismus, Verwirklichung des proletarischen Internationalismus und Beseitigung jeglicher opportunistischer Einflüsse in der Partei.

Lenins theoretische und praktische Arbeit für die Gründung einer Partei neuen Typus bedeutet eine Weiterentwicklung des Marxismus unter den Bedingungen der imperialistischen Herrschaft. Der Marxismus wird zum Marxismus-Leninismus.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die Arbeiterklasse zu Beginn der imperialistischen Herrschaft

Die Auswirkungen der imperialistischen Herrschaft auf die soziale Lage der Arbeiterklasse

Die Herausbildung des Monopolkapitalismus brachte für alle Klassen und Schichten große Veränderungen.

Die Anzahl der Arbeiter wuchs. Sie waren vor allem in den Großbetrieben konzentriert. 1909 zählten nur 1,1 Prozent der der Betriebe in den USA zu den Großbetrieben. In diesen waren aber 30,5 Prozent aller Industriearbeiter beschäftigt.

Auch innerhalb der Arbeiterklasse kam es mit der Herausbildung des Imperialismus zu Veränderungen der sozialen Struktur. Die Anzahl der ungelernten Arbeiter stieg stark an. Gleichzeitig nahm die Anzahl der Vorarbeiter, Meister, Techniker und Spezialisten zu. Die Arbeitslosigkeit wurde eine ständige Begleiterscheinung des Kapitalismus, die dazu benutzt wurde, die Löhne zu drücken. Das hat sich bis heute nicht geändert. Frauen und Kinder erhielten zum Teil bevorzugt Arbeit in bestimmten Monopolbetrieben (vor allem in der Textilindustrie), weil sie schlechter bezahlt wurden. Die Intensität der Arbeit stieg. Ständig steigende Intensität der Arbeit ist uns auch heute wohlbekannt.

Ein trauriges Kapitel imperialistischer Ausbeutung war die Kinderarbeit. 1910 arbeiteten in den USA knapp 2 Millionen Kinder im Alter zwischen 10 und 15 Jahren. Das waren 5,2 Prozent der Beschäftigten und 10,8 Prozent aller Kinder. Es gibt auch heutzutage noch Länder, wo Kinderarbeit gang und gäbe ist.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse verschlechterten sich nach 1910 in Deutschland. Zölle und indirekte Steuern trieben die Preise der Lebensmittel und Kleidung in die Höhe. Etwa 25 Prozent ihres Lohnes mussten die Arbeiter in den Großstädten als Miete für eine vielfach ungesunde, lichtarme Wohnung bezahlen. Nun ja, die Mieten sind heute genauso ein Problem, auch wenn es die ungesunden Wohnungen in diesem Sinne nicht mehr gibt. Dafür müssen viele, die sich die Mieten in einer Großstadt nicht leisten können, lange Wege zur Arbeit in Kauf nehmen und pendeln.

Der Kampf gegen den vordringenden Opportunismus in der internationalen und deutschen Arbeiterbewegung

Durch die verschärfte Ausbeutung der Arbeiter, der Kolonialvölker und abhängigen Länder sowie durch die Monopolstellung auf den Märkten erzielten die Finanzkapitalisten hohe Profite. Zum Teil verwandten sie diese Geldmittel auch dazu, bestimmte Arbeiterschichten (Meister, Techniker, spezialisierte Facharbeiter usw.) bevorzugt zu behandeln. Mit Hilfe einer unterschiedlichen Entlohnung und Gewährung von Sonderrechten (Werkswohnungen, Beamtenpensionen usw.) sollten diese Arbeiterschichten, Arbeiteraristokratie genannt, bestochen werden. Das hat sich bis heute auch nicht geändert. Die mit der Großindustrie entstandene Differenzierung wurde (wird) so von den Monopolherren bewusst genutzt, um das einheitliche Handeln der Arbeiterklasse zu untergraben.

Die Arbeiteraristokratie und die kleinbürgerlichen Elemente bildeten die soziale Grundlage für die Herausbildung einer besonderen opportunistischen Strömung in der Arbeiterbewegung. Ihre Wortführer behaupten, dass unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen die Lehren von Marx und Engels nicht mehr voll gültig wären, sondern abgeändert, revidiert werden müssten. Diese Thesen kennen wir heute auch noch. Sie wurden (werden) deshalb Revisionisten genannt. Der Revisionismus lehnte (lehnt) den revolutionären Klassenkampf ab und trat (tritt) für die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Klassen ein. Die Revisionisten behaupteten (behaupten), es sei möglich, durch Reformen im Rahmen der bestehenden kapitalistischen Ausbeutergesellschaft allmählich und friedlich in den Sozialismus hineinzuwachsen. Sie verzichteten (verzichten) auf das revolutionäre Ziel der Arbeiterbewegung: die Eroberung der politischen Macht.

Entsprechend dieser theoretischen Grundlage entwickelten die Opportunisten eine reformistische Politik. Der Reformismus wollte die Arbeiterbewegung auf parlamentarisches und gewerkschaftliches Handeln beschränken.

Der Opportunismus konnte sich in der Arbeiterbewegung rasch ausbreiten, weil mit dem Imperialismus soziale Grundlagen (Arbeiteraristokratie, kleinbürgerliche Elemente in der Arbeiterbewegung) dafür entstanden waren. Die Gefährlichkeit des Opportunismus bestand (besteht) darin, dass er die ideologische Spaltung der Arbeiterklasse und damit die Schwächung der Arbeiterorganisationen in ihrem Kampf um Frieden, Demokratie und Sozialismus bewirkte.

Der Opportunismus fand (findet) Anhänger in der gesamten internationalen Arbeiterbewegung. Überall beherrschten (beherrschen) diese Kräfte (nach und nach) wichtige Schlüsselpositionen in den Arbeiterparteien und Gewerkschaften.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Das Auftreten der Revisionisten und Reformisten löste in der deutschen Arbeiterbewegung heftige Auseinandersetzungen über das Ziel, den Weg und die Mittel des Klassenkampfes aus. Diese Auseinandersetzungen wurden auf den Parteitagen, in der Presse sowie innerhalb der Mitgliedschaft der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften geführt. Auf dem Parteitag in Dresden im September 1903 rechnete der Führer der Sozialdemokratie, August Bebel, scharf mit den Opportunisten ab.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die überwiegende Mehrheit der sozialdemokratischen Parteimitglieder lehnte die opportunistischen Ansichten und Bestrebungen entschieden ab.

Die Arbeiter erlebten und erkannten, dass die Junker und Monopolisten ihre Macht allein für ihre Klasseninteressen einsetzten und nicht im Entferntesten daran dachten, dem werktätigen Volk freiwillig demokratische und politische Rechte zu gewähren. Alle Reformen, Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsverhältnisse und politischen Rechte hatte die Arbeiterklasse im harten Arbeitskampf, einschließlich ihres parlamentarischen Wirkens errungen. Das hat sich bis heute nicht geändert. 

Die Preisgabe des Klassenkampfes hätte die Entwaffnung der Arbeiterbewegung, ihre völlige Unterordnung unter die Politik der Imperialisten bedeutet. Heute ist der Klassenkampf preisgegeben worden. Insbesondere nach der großen Niederlage 1989/90. Die Arbeiterklasse spielt heute politisch nur noch eine untergeordnete Rolle. Sie hat sich spätestens 1989/90 der Politik der Imperialisten untergeordnet.

Der Dresdner Parteitag war ein Höhepunkt im Kampf der revolutionären Kräfte gegen Revisionismus und Reformismus. Mit nur wenigen Gegenstimmen wurde di Resolution angenommen, die die revisionistischen Bestrebungen entschieden verurteilt.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Trotz der entschiedenen Ablehnung und Verurteilung des Revisionismus konnte er seinen Einfluss in der Arbeiterbewegung verstärken, weil keine organisatorischen Konsequenzen – Ausschluss der Opportunisten– gezogen wurden.

Der Crimmitschauer Textilarbeiterstreik

Unter den vielen Klassenkämpfen in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ragt besonders der Crimmitschauer Textilarbeiterstreik hervor, der vom 22. August 1903 bis Ende Januar 1904 andauerte.

Bei unzureichendem Lohn mussten die Textilarbeiter 11 und mehr Stunden am Tag arbeiten, obwohl durch die Einführung schnelllaufender Spindeln die Intensität der Arbeit und die Gewinne der Textilfabrikanten gestiegen waren. Mit Recht forderten die Arbeiter Verkürzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden und Lohnerhöhung um 10 Prozent. Nachdem die Fabrikanten diese Forderungen abgelehnt hatten, legten am 22. August 1903 600 Textilarbeiter des sächsischen Städtchens Crimmitschau die Arbeit nieder. Die Drohung mit der Aussperrung seitens der Fabrikanten beantworteten andere Arbeiter mit Streik. Schließlich befanden sich Ende August 1903 sämtliche Textilarbeiter von Crimmitschau im Kampf; 9 000 Textil- und Heimarbeiter streikten oder waren ausgesperrt. Mit Bestechungsgeldern versuchten die Fabrikanten, die Einheitsfront der Arbeiter zu erschüttern. In allen Teilen Deutschlands und im Ausland versuchten sie darüber hinaus Streikbrecher zu werden, allerdings mit wenig Erfolg.

Flugblatt der Textilfabrikanten von Crimmitschau
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Flugblatt der streikenden Crimmitschauer Textilarbeiter
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Da die Kampffront der Textilarbeiter unerschüttert blieb, griff die staatliche Macht mit starken, schwerbewaffneten Polizeikräften ein. Jede Versammlung, jede Zusammenkunft der Arbeiter sowie das Streikpostenstehen wurden verboten. Doch die Arbeiter beharrten unbeirrt auf ihren Forderungen, die Frauen und Mädchen standen fest an ihrer Seite. Der Kampf förderte das Klassenbewusstsein der Arbeiter. Die Streikenden wurden von den Arbeitern ganz Deutschlands und dem Ausland wirksam unterstützt. Die deutschen Arbeiter brachten über 1 ¼ Millionen Mark zu Unterstützung ihrer kämpfenden Klassengenossen auf. Der Streik wurde erst im Januar 1904 von opportunistischen Gewerkschaftsführern gegen den Willen der streikenden Textilarbeiter von Crimmitschau abgebrochen.

Die Anfänge der Arbeiterjugendbewegung

Die jungen Arbeiter und Arbeiterinnen hatten es im damaligen Deutschland besonders schwer. Sie erhielten sehr geringen Lohn bei einer bis zu 12 Stunden ausgedehnten Arbeitszeit. Dazu waren sie der Willkür ihrer Arbeits- und Lehrherren recht- und schutzlos ausgesetzt. Schläge und Misshandlungen waren an der Tagesordnung.

Doch die Jugend war bereits von sozialistischen Ideen erfasst. Immer mehr junge Arbeiter erkannten, dass sie nur im gemeinsamen Kampf und in Verbindung mit der Arbeiterbewegung ihre Lage verbessern konnten.

Lehrling (zum Meister, der eben seinen Dreijährigen versohlt): „Meester, lernt der ooch schon Lehrling?“ Karikatur aus dem „Wahren Jacob“ zur Prügelstrafe gegen Lehrlinge
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Im Oktober 1904 entstanden gleichzeitig in Berlin und in Mannheim selbstständige proletarische Jugendvereine, die sich über Nord- und Süddeutschland ausbreiteten und Ende 1906 zur Gründung von zwei Arbeiterjugendorganisationen führten, dem Verband junger Arbeiter Deutschlands (Sitz Mannheim) und der Vereinigung der freien Jugendorganisationen (Sitz Berlin). Die norddeutsche Organisation gab seit 1905 die Monatszeitschrift „Die arbeitende Jugend“ und die süddeutsche Organisation seit 1906 „Die junge Garde“ heraus. Die revolutionären Kräfte der deutschen Arbeiterbewegung unterstützten die Arbeiterjugendorganisationen mit Rat und Tat. In Karl Liebknecht hatte die Arbeiterjugend einen bewährten Freund, ideologischen Führer und Förderer ihrer Organisation.  Durch die Jugendorganisationen im revolutionären Geist erzogen, beteiligten sich die jungen Proletarier aktiv am Kampf gegen Reaktion, Militarismus und Imperialismus.

Im August 1907 wurde die Sozialistische Jugendinternationale gegründet. Karl Liebknecht wurde zum Vorsitzenden des Büros gewählt.

Kopf der Zeitschrift „Die junge Garde“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Aufgrund des Reichsvereinsgesetzes siehe in Beitrag „Der beginnende Kampf um die Neuaufteilung der Welt….“ verfielen die Arbeiterjugendorganisationen der Auflösung. Ihre Zeitschriften mussten das Erscheinen einstellen. Doch der revolutionäre Geist unter der Arbeiterjugend konnte durch die Unterdrückungsversuche der herrschenden Klasse nicht mehr erstickt werden.

Die neuen Anforderungen an den Kampf der revolutionären Arbeiterbewegung

Mit dem Übergang zum Imperialismus hatte der Kapitalismus seine höchste Entwicklungsstufe erreicht. Der Widerspruch zwischen der reaktionären Politik der herrschenden Klassen im Innern und nach außen einerseits und den Lebensinteressen der Völker andererseits forderte gebieterisch die Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und den Übergang zum Sozialismus. Der Imperialismus war zugleich der Vorabend der proletarischen Revolution. Aus dieser neuen Situation ergaben sich für die Arbeiterbewegung neue Aufgaben.

Die antidemokratische Innen- und die aggressive Außenpolitik der imperialistischen Staaten erforderte die Zusammenfassung aller Kräfte, die für Demokratie und Frieden kämpften. Die Führung einer solchen antiimperialistischen Volksbewegung konnte nur die revolutionäre Arbeiterbewegung übernehmen, die weitergehende Ziele- die sozialistische Revolution- verfolgte und über eine revolutionäre Theorie sowie starke Organisation der Arbeiterklasse verfügte.

Für die sozialistische Bewegung ergab sich mit dem Beginn der imperialistischen Herrschaft die Notwendigkeit, wirksamere Mittel des Massenkampfes anzuwenden. Entscheidende Bedeutung erlangten die außerparlamentarischen Aktionen. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging die Arbeiterklasse dazu über, im ökonomischen und politischen Kampf den Massenstreik anzuwenden.  1902 streikten über 300 000 belgische Arbeiter für ein demokratisches Wahlrecht. 1903 fand ein Massenstreik in den Niederlanden, 1904 ein Massenstreik in Italien statt.

Die Herausbildung des Imperialismus erforderte von den Arbeiterparteien, sich für die neuen Bedingungen des Klassenkampfes organisatorisch und ideologisch zu wappnen. Notwendig war die Beseitigung des opportunistischen Einflusses auf die Partei; die Arbeiterpartei musste auf dem Boden des Marxismus stehen und ihn weiterentwickeln, den proletarischen Internationalismus festigen und eine straff organisierte revolutionäre Kampforganisation bilden. Eine solche revolutionäre Kampfpartei entstand zunächst in Russland.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel.

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Der beginnende Kampf um die Neuaufteilung der Welt und die aggressive Rolle des deutschen Imperialismus

Die unterschiedliche Entwicklung der kapitalistischen Länder

Die industrielle Entwicklung vollzog sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den einzelnen kapitalistischen Ländern sehr unterschiedlich.

Siehe: Die Entwicklung Deutschlands zu einer führenden Industriemacht

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Starke Unterschiede zwischen den kapitalistischen Ländern entstanden auch im Anteil an Kolonialbesitz und Einflussgebieten. (Karte „Die Welt im Jahre 1914“)

Die Welt im Jahre 1914
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Die traditionelle Vorherrschaft Englands auf dem Weltmarkt war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in wichtigen Bereichen beseitigt, in anderen ernsthaft gefährdet. Englands Hauptkonkurrent wurde der deutsche Imperialismus.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Die ungleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung hatte Widersprüche im Verhältnis der einzelnen imperialistischen Staaten untereinander zur Folge. Die wirtschaftlich erstarkten, aber bei der Aufteilung der Welt zu spät gekommenen imperialistischen Staaten forderten eine Neuaufteilung. Zu erreichen war dieses Ziel nur mit Gewalt, also mit Krieg. 

Geschützmontage in einem Werk von Schneider-Creuzot. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Der spanisch-amerikanische Krieg 1898

In den Annexionsplänen der USA-Regierung kam Kuba, das seit dem 16. Jahrhundert spanische Kolonie war, eine besondere Bedeutung als Rohstofflieferant (Zucker und Tabak), als günstiges Kapitalanlagegebiet und als wichtiger militärischer Stützpunkt (Zugang zur Panama-Landenge und Mexiko) zu.

Ein Aufstand der kubanischen Bevölkerung gegen die spanische Kolonialherrschaft, der im Jahre 1895 begann, lieferte den Vorwand für die Einmischung der USA. Die USA-Regierung erklärte, sie wolle den Befreiungskampf der Kubaner unterstützen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

1898 explodierte ein USA-Kriegsschiff im Hafen von Habana. Die Ursachen der Explosion sind bis heute nicht geklärt. Diesen Zwischenfall nahmen die USA zum Anlass, Spanien den Krieg zu erklären.  Die Spanier unterlagen. Im Friedensvertrag wurde Kuba formell die Unabhängigkeit zugestanden. Tatsächlich aber ging die Herrschaft an die USA-Monopole über.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Spanien verlor außerdem die Herrschaft über die Philippinen, Puerto Rico und Guam an die USA. Die deutschen Imperialisten nutzten die Situation und zwangen die Regierung Spaniens, ihnen die Karolinen-, die Marianen- und Palauinseln zu überlassen.

Der spanisch-amerikanische Krieg 1898 eröffnete die lange Kette imperialistischer Kriege um die Neuaufteilung der Welt.

Aufgabe aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Welt im Jahre 1870
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Die Welt im Jahre 1914
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Niederschlagung des chinesischen Volksaufstandes

In den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verstärkten die Imperialisten ihre Bemühungen, in China Fuß zu fassen. Zu den konkurrierenden Staaten Russland, England und Frankreich kamen die japanischen, nordamerikanischen und deutschen Imperialisten hinzu. Der Kampf um den beherrschenden Einfluss spielte sich auf Kosten des chinesischen Volkes ab. Im Jahre 1900 kam es zu einer bewaffneten Erhebung chinesischer Patrioten.

Auszug aus „Hunnenrede“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die imperialistischen Mächte organisierten einen gemeinsamen Feldzug zur Niederwerfung des chinesischen Volksaufstandes. 40 000 schwerbewaffnete Soldaten wurden nach China geschickt.

General von Moltke am 11. Juli 1900 in einer geheimen Tagebucheintragung:“…denn wenn wir ganz ehrlich sein wollen, so ist es Geldgier, die uns bewogen hat, den großen chinesischen Kuchen anzuschneiden. Wir wollen Geld verdienen, Eisenbahnen bauen, Bergwerke in Betrieb setzen, europäische Kultur bringen, das heißt in einem Wort ausgedrückt, Geld verdienen.“ Zitiert nach: G. Förster/H. Helmert/ H. Otto/H. Schirmer Der preußisch-deutsche Generalstab 1640 bis 1965. Berlin 1966, Seite 92. Die zeitgenössische französische Karikatur zeigt von links nach rechts die Kaiser, Könige und Präsidenten Deutschlands, Frankreichs, Russlands, Japans, der USA und Englands
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Kolonialtruppen begannen eine grausame Strafexpedition. Tausende unschuldiger chinesischer Männer, Frauen und Kinder wurden dabei ermordet.

Die Arbeiter Deutschlands protestierten gegen den Chinafeldzug. Im Reichstag forderten die sozialdemokratischen Abgeordneten unter Führung August Bebels die Anerkennung Chinas als gleichberechtigten Staat und den Rückzug der imperialistischen Truppen. Zur Entlarvung der militärischen Brutalität veröffentlichten sozialdemokratische Zeitungen Soldatenbriefe aus China, „Hunnenbriefe“ genannt.

Auszug aus einem der „Hunnenbriefe“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Aufgabe Vergleich „Hunnenrede“ und „Hunnenbriefe“
Vor der Hinrichtung von Teilnehmern des chinesischen Volksaufstandes durch imperialistische Kolonialtruppen. (Fotografie aus dem Jahre 1900)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Aufteilung Chinas in Einflussgebiete imperialistischer Mächte wurde fortgesetzt. Da nicht alle Beteiligten mit ihrem Anteil zufrieden waren, entstanden in diesem Raum immer neue Konflikte zwischen den imperialistischen Staaten.

Die aggressive Außenpolitik des deutschen Imperialismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Mit der ökonomischen Macht wuchs zugleich das Streben der Monopole – unterstützt von der imperialistischen kaiserlichen Regierung – versuchten auf fast allen Kontinenten, ihre Herrschaft zu errichten oder auszudehnen. Ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen, war der Kapitalexport. Wie die Monopolverbände oder die Regierungen der anderen Staaten, so legten auch die deutschen Imperialisten immer größere Mengen ihres Kapitals in wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern an, weil sie dort viel höhere Profite, sogenannte Extraprofite, erzielen konnten.

Neben der unmittelbaren Kapitalanlage (Errichtung von Fabriken und Tochtergesellschaften, Bau von Verkehrswegen, Gründung großer Plantagen) erfolgte der Kapitalexport auch in Form von Krediten, die den Regierungen dieser Länder gegen hohe Zinsen und nur unter bestimmten Bedingungen gewährt wurden. So konnten die Imperialisten mit dem Kapitalexport gleichzeitig ihre politischen Machtpositionen in den wirtschaftlich schwach entwickelten, darunter auch imperialistischen Ländern ausbauen. (Na ja, da hat sich bis heute nichts geändert.)

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Zusammenhang zwischen Kapitalexport und den Aggressionsplänen des deutschen Imperialismus kam besonders in der Türkei zum Ausdruck. Der türkischen Regierung wurden von der DEUTSCHEN BANK, in enger Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung, Kredite zum Bau der Bagdad-Bahngewährt. Der türkische Staat musste hohe Zinsen zahlen und sich dazu verpflichten, alle Bau- und Betriebsmaterialien aus Deutschland zu beziehen. Damit die Türkei die Zinsen bezahlen konnte, zwangen ihr die deutschen Imperialisten bestimmte Maßnahmen auf, zum Beispiel eine Verwaltungsreform. (Das kommt uns auch heute bekannt vor.)

Der Einfluss der deutschen Imperialisten auf die türkische Regierung wurde immer größer, die Türkei nach und nach in eine deutsche Halbkolonie verwandelt.

Die Beherrschung der Türkei bot den deutschen Imperialisten einen wichtigen Ausgangspunkt für weitergehende Expansionen und Aggressionen. Von hier aus konnten vor allem die englischen Kolonien und Verbindungswege bedroht und erobert werden. So verschärfte die Vorherrschaft des deutschen Imperialismus in der Türkei den deutsch-englischen Gegensatz.

Die Bagdad-Bahn
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die aggressiven Bestrebungen der deutschen Imperialisten zur Neuaufteilung der Welt verstärkten die Spannungen zwischen den imperialistischen Staaten außerordentlich. Der deutsche Imperialismus verursachte wiederholt internationale Konflikte und steigerte die Gefahr eines Kriegsausbruchs.

Die Verstärkung der Rüstungen und die Abwälzung der Lasten auf das Volk

Die gesamte Wirtschaft in Deutschland wurde in immer steigendem Maße den militärischen Belangen untergeordnet, so auch der Bau der Eisenbahnen, Straßen und Kanäle. Insbesondere erweiterte sich die Rüstungsindustrie. Wissenschaftliche Institutionen und spezielle Forschungseinrichtungen stellte man in den Dienst der Rüstungsindustrie. Die gesamte Rüstung wurde ständig verstärkt und modernisiert.

Montage schwerer Schiffsgeschütze in den Kruppwerken. In den vier Jahren von 1910 bis 1914 verdiente Krupp an der Rüstung 207 Millionen Mark.
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Vergleichsbild:

Geschützmontage in einem Werk von Schneider-Creuzot. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

1898 und 1900 wurden zwei Flottengesetze vom Reichstag angenommen, die eine gewaltige Vergrößerung der deutschen Kriegsflotte vorsahen. Sie sollte danach untern anderem 38 Linienschiffe, 14 große und 38 kleine Kreuzer umfassen. Ab 1906 wurden besonders große Schlachtschiffe gebaut. Diese Flottenrüstung verstärkte den Gegensatz zu England. Die englischen Imperialisten wollten ihre Seeherrschaft erhalten und zugleich die Verbindungswege zu ihren Kolonien sichern. Die deutsche Flottenausrüstung veranlasste sie zu eigenen umfangreichen Flottenbauten. Beide Staaten steigerten sich in ein Wettrüsten um die stärkste Kriegsflotte.

Dieses Wettrüsten brachte den Monopolkapitalisten ständig höhere Profite. Für die Werktätigen (arbeitenden Menschen) dagegen, die diese Rüstungslasten zu tragen hatten, verschlechterten sich zunehmend die Lebensverhältnisse.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Deutsche Kriegsschiffe in dem 1895 eröffneten, militärisch wichtigen Nord-Ostsee-Kanal. (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Am Wettrüsten beteiligten sich alle imperialistischen Staaten. Ganz Europa starrte bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Waffen. Ein Funke genügte, um das Pulverfass zur Explosion zu bringen.

Rüstungsausgaben einiger imperialistischer Länder vor 1914. (Angaben in Millionen Mark)

Was lässt diese Darstellung in bezug auf den deutschen Imperialismus erkennen?

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Größenwahn bringt man immer mit Adolf Hitler, den man spöttisch „Gröfaz“ nennt, in Verbindung. Doch schon lange zuvor, bereits im Kaiserreich, gab es solche größenwahnsinnigen Pläne.

Diese Karte zeigt als besonders weitgehendes Beispiel die Eroberungsabsichten des Alldeutschen Verbandes, der aggressivsten imperialistischen Organisation im Deutschen Reich
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die ideologische Kriegsvorbereitung

Die deutschen Imperialisten bereiteten die kriegerische Auseinandersetzung um die Neuaufteilung der Welt nicht nur wirtschaftlich und militärisch, sondern auch ideologisch vor. Sie versuchten, die Volksmassen durch Irreführung und Verhetzung für den imperialistischen Krieg zu gewinnen.

Der ideologischen Kriegsvorbereitung dienten auch die Schulen, Hochschulen, Theater, Kirchen und vor allem die Presse. Um die Werktätigen (arbeitenden Menschen) für einen Eroberungskrieg zu begeistern, war eine Reihe besonderer imperialistischer Organisationen gegründet worden. Die führende Organisation war dabei der Alldeutsche Verband. Von ihm beeinflusst wirkten außerdem die Deutsche Kolonialgesellschaft, der Ostmarkenverein, der Deutsche Flottenverein, der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie, der Jungdeutschland-Bund, der Deutsche Wehrverein und zahlreiche Kriegervereine.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Kaiser Wilhelm II. als Vertreter der deutschen Imperialisten und Militaristen spannt alle Mittel der Wirtschaft, Ideologie und Politik ein, um di aggressiven Ziele zu erreichen. (Zeitgenössische Karikatur aus den USA)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die deutschen Imperialisten behaupteten, Deutschland habe nicht genügend Raum und Möglichkeiten, seine Bewohner zu ernähren und seine Industrie zu entfalten. Deshalb müsse es sich neuen Lebensraum, „seinen Platz an der Sonne“, erkämpfen. Diese Propaganda griffen später die Faschisten wieder auf. („Fehlender Lebensraum“, „Lebensraum im Osten erobern.“ U.ä.) Mit solchen und anderen Theorien versuchten die Imperialisten, das deutsche Volk irrezuführen und die Aggressionspläne als nationale Politik auszugeben. Zum Großteil ist das ja gelungen, genauso wie später bei den Faschisten. (Genau das gleiche Prinzip, das später die Faschisten anwandten.)

Die deutschen Imperialisten versuchten den Werktätigen (arbeitenden Menschen) einzureden, dass das deutsche Volk berufen und berechtigt sei, über andere Völker zu herrschen. Mit dieser Propaganda wurde ein gefährlicher Chauvinismus gezüchtet und das Bewusstsein großer Teile des Volkes, insbesondere des Kleinbürgertums und der Jugend, systematisch vergiftet.

Teil der ideologischen Kriegsvorbereitungen war die Erziehung zum Untertanen. Das Volk sollte gehorsam und blind der imperialistischen Politik folgen. Es sollte über die Politik und die Maßnahmen der herrschenden Klassen nicht nachdenken oder sie gar kritisieren. Als „gottgewollt, weise und väterliche besorgt und um das Wohl des Volkes“ wurde die Regierung und Herrschaft der Imperialisten und Militaristen hingestellt. Schule und Kirche erzogen und beeinflussten in diesem Sinne, und durch militärischen Drill in der Kaserne sollte vollends jedes selbstständige Denken und Wollen abgetötet werden. Der Militarismus beherrschte weitgehend das gesellschaftliche Leben.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
„Die militärisch Rangordnung“. (Karikatur des „Simplizissismus“ aus dem Jahre 1919)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die politische Unterdrückung des Volkes

Mit ideologischen Mitteln allein vermochten die deutschen Imperialisten nicht, das Volk in ihre Aggressionspolitik einzuspannen, den Widerstand gegen Militarismus und Kriegsvorbereitung zu überwinden. Deshalb wurden von den herrschenden Klassen auch politische Mittel, einschließlich das der Gewalt, eingesetzt. Dieses Vorgehen richtete sich in erster Linie gegen die Arbeiterklasse und ihre Organisationen.

1899 wurde von der deutschen Regierung ein Gesetzentwurf „zum Schutz der gewerblichen Arbeit“ eingebracht. Nach Annahme dieses Gesetzes sollten die Vorbereitungen und die Durchführung von Streiks mit schweren Zuchthausstrafen geahndet werden. Die Arbeiter nannten deshalb diesen Gesetzentwurf Zuchthausvorlage.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Gegen diesen Anschlag auf die Rechte der Arbeiter entfaltete die Sozialdemokratie eine machtvolle Protestbewegung, der sich auch bürgerliche Kreise anschlossen. Unter dem Eindruck dieses Widerstandes wurde der Gesetzentwurf von der Mehrheit der Abgeordneten im Reichstag abgelehnt.

Doch immer wieder versuchten die herrschenden Klassen mit allen Mitteln, die Rechte der Arbeiter einzuschränken oder gar aufzuheben. Viele Kapitalisten verboten unter Androhung der sofortigen Entlassung den Arbeitern den Beitritt zu den Freien Gewerkschaften. Polizei und Militär wurden gegen streikende und demonstrierende Arbeiter eingesetzt.

Neben den Freien Gewerkschaften, die sich die Arbeiterklasse geschaffen hatte, bestanden auch noch Gewerkschaften unter der Kontrolle und dm Einfluss der Bourgeoisie
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Immunität=verfassungsrechtlich festgelegter Schutz von Parlamentsmitgliedern vor strafrechtlichen Maßnahmen
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

So wurde das Militär, das angeblich nur zum „Schutze des Vaterlandes“ da sein sollte, für den Einsatz gegen das eigene Volk gedrillt. Karl Liebknecht bezeichnete diese Erscheinung als „Militarismus nach innen“. Damit sollte das Hinterland für die geplanten Aggressionen für den „Militarismus nach außen“ gesichert werden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Im April 1908 wurde das Reichsvereinsgesetz vom Reichstag beschlossen. Es dienste der verstärkten Unterdrückung der nationalen Minderheiten. Das Gesetz forderte die deutsche Sprache in Schulde und Öffentlichkeit. Dadurch sollte die weitere Entwicklung einer eigenen Nationalkultur bei den polnischen, sorbischen und dänischen Minderheiten gehindert werden.

Das Reichsvereinsgesetz untersagte weiter den Jugendlichen unter 18 Jahren jegliche politische Tätigkeit. Sie durften an keinen Veranstaltungen der Arbeiterbewegung teilnehmen und sich nicht in politischen Vereinen zusammenschließen.

Selbst Sport und Spiel in den Arbeiter-Turn-und-Sportvereinen wurden als politische Betätigung ausgelegt und verboten.

Die Imperialisten versuchten dadurch, die Arbeiterjugend von der Arbeiterbewegung zu trennen und ihre sozialistische Beeinflussung zu verhindern, damit sie möglichst nur der imperialistischen Verhetzung ausgeliefert war. Mit Recht wurde das Reichsvereinsgesetz von der werktätigen(arbeiteten) Bevölkerung das „Sozialistengesetz für die Jugend“ genannt.

Durch einschränkende Bestimmungen im Wahlrecht versuchten die herrschenden Klassen, den Eintritt von Vertretern der Arbeiterklasse in die Parlamente zu verhindern oder wenigstens zu erschweren. Das kennen wir ja heute auch noch. Z.B. die Fünfprozentklausel.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Anmerkung: Manches kommt uns bekannt vor und hat sich bis heute nicht geändert. Allenfalls ist es abgemildert worden. (mit zeitweiligen Unterbrechungen auf dem Gebiet der DDR, bzw. der heutigen neuen Bundesländer)

In Koblenz gibt es das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das nach 1990, also nach der Annexion der DDR durch die BRD, wiederaufgebaut worden ist.

 In Bad Kreuznach sind zwei Straßen nach Kaiser Wilhelm benannt. Die Wilhelmstraße und die Kaiser-Wilhelm-Straße. Außerdem gibt es die Moltkestraße, nach dem unrühmlichen General benannt. Das muss zu denken geben.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR