Jährlich wurden zwischen etwa 1500 und 3700 Ermittlungsverfahren bearbeitet. Die BStU beziffert die Gesamtzahl der von 1952 bis 1988
bearbeiteten Ermittlungsverfahren mit etwa 89.000, was einem Jahresdurchschnitt von etwa 2400 entsprechen würde.
Die materiell-rechtlichen Gegenstände der Untersuchungsarbeit wurden
durch Folgendes mit bestimmt:
- In der Tätigkeit und in den Ergebnissen der Untersuchungsorgane widerspiegelten
sich die Hauptrichtungen der gegen die DDR vorgetragenen
Angriffe. Anfänglich stand die Verfolgung der zeitweise Massencharakter
annehmenden Spionage gegnerischer Geheimdienste sowie der von anderen
Zentren wie KgU, UfJ, diversen Ostbüros und ähnlichen Einrichtungen
organisierten subversiven Angriffe im Mittelpunkt. Nach dem 13. August
1961 verlagerte sich der Schwerpunkt u. a. auch auf Schleuser- und Menschenhändlerorganisationen, auf Terrorakte an der Staatsgrenze und andere
Straftaten gegen die politische und staatliche Ordnung in der DDR.
- Entwicklungstendenzen und -richtungen ergaben sich aus den Orientierungen
der Führungsorgane der SED und des Staates. Seit Ende der
1970er Jahre erfolgten zunehmend Ermittlungsverfahren gegen Personen,
die die DDR verlassen wollten und deshalb mit Vorsatz Gesetze brachen.
Seit den 1960er Jahren wurden die Möglichkeiten der Untersuchungsorgane
zunehmend damit aktiviert, um Havarien(Unfälle/Unglücke – dazu sagte man in der DDR „Havarie/Havarien) und Brände, Störungen volkswirtschaftlicher
Abläufe, aber auch Verluste geheimzuhaltender Dokumente,
Waffenverluste und ähnliches aufzuklären.
- Umfang und Richtung der Tätigkeit der Untersuchungsorgane wurden
nicht unwesentlich bestimmt durch zwischenstaatliche Vereinbarungen
mit anderen sozialistischen Staaten. Die Hauptabteilung IX arbeitete
mit Untersuchungsabteilungen der Sicherheitsorgane sozialistischer Länder
zusammen. Das betraf z. B. Bürger der DDR, die in einem anderen
sozialistischen Staat bei ungesetzlichem Grenzübertritt und auswärtige Bürger,
die bei einem Grenzdelikt in der DDR festgenommen wurden. In den
19
80er Jahren betrug der Anteil solcher Ermittlungsverfahren an der Gesamtzahl
der Bearbeitungsaufnahmen jährlich zwischen 25 und 30 Prozent.
Die beteiligten Sicherheitsorgane unterrichteten sich gegenseitig bei
Festnahmen von Bürgern des jeweils anderen Staates und über eingeleitete
Ermittlungen sowie deren Ergebnisse. Sie überstellten die betreffenden
Personen und übergaben Unterlagen und Beweismittel.
Zu allen Zeiten bestand ein entscheidender Beitrag der Untersuchungsorgane
zur Erfüllung der dem MfS übertragenen Gesamtaufgaben darin,
Voraussetzungen für den gerichtlichen Nachweis (für die Entlarvung mittels
Gerichtsverfahren) zu schaffen, welche Angriffe gegen die DDR und
ihre Verbündeten vorgetragen wurden, wer die Organisatoren, Hintermänner
und tragenden Kräfte dieser Angriffe waren, welche Ziele damit
verfolgt und welche Schäden und Gefahren damit hervorgerufen wurden.
Wenn in der Zeit des Kalten Krieges bundesrepublikanische und Westberliner
Medien auf Ergebnisse der in der DDR gegen Spione, Saboteure
und andere Agenten durchgeführten Strafverfahren und ergangene Urteile
der Gerichte der DDR reagierten, dann zumeist mit der verlogenen Behauptung,
dies sei alles nur Propaganda, die Prozesse seien Ausdruck einer Schein- und
Terrorjustiz, die gegen Unschuldige geführt wurden.
Seit dem Sieg der Konterrevolution und der Annexion der DDR durch die BRD nimmt allerdings die Zahl jener in der DDR rechtmäßig
Verurteilter zu, die sich ihrer Mittäterschaft am Untergang der DDR
rühmen und in die Reihen der Sieger drängen. Sie rühmen sich in den
Medien ihrer Verbrechen gegen die DDR. Einige wurden als Zeugen in
Verfahren gegen DDR-Richter, Staatsanwälte und Untersuchungsführer
aufgeboten. Sie bestätigten ihre gegen die DDR gerichtete Spionage- und
Agententätigkeit, bagatellisierten mitunter ihre Gesetzesbrüche oder/und
“entschuldigten“ ihre damaligen Einlassungen und Erklärungen vor DDR-Justizorganen,
dass sie angeblich keine andere Chance gehabt hätten, weil
“die ja sowieso schon alles wussten“.
Im Mittelpunkt der Tätigkeit des MfS insgesamt und im besonderen seiner
Untersuchungsorgane stand immer die Abwehr gegnerischer Geheimdienste.
Das ist nichts Besonderes und wird in jedem Land und in jedem System genauso gehandhabt.
Auf der Grundlage operativer Erkenntnisse der Spionageabwehr wurden
1954 über 350, im Jahr darauf 521 und 1956 noch einmal 130 Agenten verschiedener Geheimdienste festgenommen. Im Sommer 1954 wurde
bei Bandelow, einem Spion der „Organisation Gehlen“, eine Anweisung
an alle Agenten für die Periode der Vorbereitung eines Krieges beschlagnahmt,
der „Generelle Auftrag für Alle“. Bei dieser Verhaftungsaktion wurden
26 Agentenfunkgeräte sichergestellt. 36 weitere Funker hatten bereits
eine Agentenfunkausbildung erhalten. Die Auslieferung zugesicherter Funkausrüstungen konnte nicht mehr erfolgen.
In jener Zeit wie auch später richtete sich das Interesse der Geheimdienste
nicht nur auf militärische Informationen. Schwerpunkte der Erkundungstätigkeit bildeten ebenso wirtschaftliche wie außenwirtschaftliche Vorhaben
und Vorgänge. Sie interessierten sich für auftretende Schwierigkeiten
im Ablauf wirtschaftlicher Prozesse, für „Stimmungen“ in der Bevölkerung,
für oppositionelle Gruppierungen und „Dissidenten“.
Nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“, führte dies 1989 zum Erfolg. Das Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ hatte das MfS nicht, bzw. nicht genügend beherzigt.
Unter den in den 1950er Jahren verhafteten und entlarvten Spionen befand
sich auch Elli Barczatis, die Sekretärin des Ministerpräsidenten der DDR.
Die Festnahme von 521 Agenten verschiedener Geheimdienste im Jahre
1955 schloss auch erstmals eine Agentengruppe ein, die eine Funkverbindung
nach Kopenhagen aufgebaut hatte. Sie sollte für den erwarteten Kriegsfall
auf dem Territorium der DDR Funkmeldeköpfe einrichten (dafür waren
vorzugsweise kriegsunfähige Personen geworben, um die Weiterarbeit unter Kriegsbedingungen zu sichern). Sie erkundete auch militärische Objekte in
Polen und in der Tschechoslowakei. Ein Mitangeklagter – der US-Geheimdienstagent Szuminski – war an der Grenze zu Polen gestellt worden. Er führte
eine Pistole bei sich, Terpentin (zur Ablenkung von Hunden), Kartenmaterial,
Kompass und Fotoapparat. Er hatte im Gepäck Herren-Armbanduhren, Damenstrümpfe, Seidentücher und Geld. Er sollte eine Agentengruppe in der Volksrepublik
Polen aufbauen und einen Bekannten dazu bewegen, ein Militärflugzeug
IL-28 nach Westberlin zu entführen.
In Ermittlungsverfahren gegen Agenten des USA-Geheimdienstes Ende
der 1950er/Anfang der 1960er Jahre wurde deutlich, dass der Westen an Plänen
zur Kriegsvorbereitung festhielt. Es wurden Luftlandeplätze und Abwurfstellen
für den Einsatz und die Versorgung von Agenten im Hinterland der
Streitkräfte des Warschauer Vertrages erkundet.
Im Mai 1956 wurden, wie an anderer Stelle erwähnt, alle Unterlagen der USA-Geheimdienststelle des MID in Würzburg in die DDR verbracht und in
Folge über 130 Agenten inhaftiert. In zahlreichen vor Bezirksgerichten geführten Hauptverhandlungen wurden intensive Spionageaktivitäten dieser Dienststelle nachgewiesen. Zum anderen wurde festgestellt, dass dieser MID-Dienststelle
von westdeutschen Postämtern stapelweise Fotokopien von Briefen
sowie Streifen von Telegrammen aus der DDR an westdeutsche Bürger übergeben wurden, die sie als Informationen für Anwerbungsmaßnahmen nutzte.
(In der frühen Zeit der DDR sagte man noch „Westdeutschland“ und nicht „BRD“.)
Zeitweilig bildete die Massenwerbung von Jugendlichen der DDR als Spione
einen Schwerpunkt in der Untersuchungsarbeit.

Der Leiter der Westberliner
Dienststelle des MID rechnete mit einer „Laufzeit“ der Spione von vier Wochen.
Dazu fand im Ergebnis von vielen Befragungen eine Pressekonferenz am
12. Juli 1956 im Haus des Nationalrates der Nationalen Front statt. Dort
wurde nachgewiesen, dass der USA-Geheimdienst auf diese Weise von „Spitzenquellen“ ablenken, die Abwehrorgane des MfS desorientieren und regelrecht
zu Festnahmen provozieren und zugleich Unruhe unter Jugendlichen
der DDR erzeugen wollte.
Das kommt auch für spätere Zeiten bis zum bitteren Ende bekannt vor. Außerdem wurde in den Medien der BRD entsprechende Propaganda betrieben, die in der DDR aufgeschnappt wurde und die Menschen dort, insbesondere die Jugendlichen desorientierte. Warum nutzte das MfS diese Erfahrung später nicht? Möglicherweise war es Betriebsblindheit, dass die Staatsmacht der DDR, einschließlich des MfS, mit Hilflosigkeit und Fehleinschätzungen reagierte.

Als viele Jugendliche durch „Schwerter zu Pflugscharen“ in die falsche Richtung treiben ließen, reagierte die Staatsmacht der DDR mit Hilflosigkeit.
Was die Ostbüros anderer Parteien und des DGB nicht schafften, schaffte die Partei DIE GRÜNEN aus der BRD. Der Hoffnungsträgerin Petra Kelly gelang es Erich Honecker hereinzulegen. Die Staatsgäste von der BRD-Partei DIE GÜNEN konnte ungehindert ein Transparent „Schwerter zu Pflugscharen“ ausrollen. Die BRD-Partei DIE GRÜNEN leistete einen entscheidenden Beitrag zum Gelingen der Konterrevolution. Im Diplomatengepäck konnten Politikerinnen und Politiker der GRÜNEN logistische und finanzielle Hilfe für die Konterrevolutionäre ungehindert herbeischaffen. Die Staatsmacht der DDR konnte nur noch hilflos zugucken.
Die Volkspolizei jagte Leuten hinterher, die den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ auf ihrer Jacke hatten. Das brachte für die Volkspolizei einen gewaltigen Imageschaden mit sich. Außerdem war das „Wasser auf die Mühlen“ der westlichen Propaganda. Die „unabhängige Friedensbewegung“ in der DDR richtete sich nicht gegen die Amis und ihre Verbündeten, sondern gegen die Armeen der DDR und der anderen Warschauer Vertragsstaaten. Die Amis lachten „sich ins Fäustchen“ und konnten munter ihre Atomraketen aufstellen.
In der DDR und den anderen sozialistischen Ländern war unmerklich die Endzeit angebrochen.

Als 1989 die Jugend zur Kirche strömte und sich von reaktionären Kräften in die Irre führen ließ, reagierte die Staatsmacht ebenso mit Hilflosigkeit und Fehleinschätzung der Lage. Der Weg ins Aus folgte.

Im Januar 1956 fand gegen „Held und andere“ vor dem Obersten Gericht
der DDR ein Prozess statt, der das nachhaltige Interesse des US-amerikanischen Geheimdienstes an der Anwerbung von Spezialisten und Wissenschaftlern
bewies. Das Hauptaugenmerk richtete sich auf Wissenschaftler, die
aus der UdSSR zurückkehrten, von denen man sich Erkenntnisse über die
dortige Atomforschung versprach.
Mehrere Agenten US-amerikanischer und englischer Geheimdienste in
medizinischen Bereichen mussten inhaftiert werden, die interne Informationen über hochrangige Patienten aus dem Staatsapparat der DDR an westliche Auftraggeber übermittelt hatten.

Im Jahr 1960 wurden gleichzeitig 147 Spione inhaftiert, darunter waren viele USA-Geheimdienstagenten. Unter den Festgenommenen befand sich ein BND-Spion, der als Technischer Direktor des VEB Entwicklungsbau Pirna an der Entwicklung eines Verkehrsflugzeuges beteiligt gewesen war. Er hatte dessen Fertigstellung zu sabotieren versucht. Kurz nach seiner Rückkehr als Spezialist aus der Sowjetunion war er vom BND als Spion angeworben worden.
Mit Beginn der 1970er Jahre bis 1989 war die Verhaftung von Spionen und Agenten leicht rückläufig.
Die Störtätigkeit gegen die DDR nahm in der Zeit der offenen Grenzen Massencharakter an. Besonders die USA- und BRD-Geheimdienste nutzten nahezu alle Organisationen, Verbände, Vereine und Personengruppen,
die in unterschiedlicher Form gegen die DDR wirkten, für ihre Spionagetätigkeit aus. Hierbei spielten auch Glücksritter und Geldhaie eine Rolle. Verwandte und Bekannte aus der DDR lieferten solchen Elementen Informationen militärischen Inhalts, die verkauften sie dann „marktgerecht“
aufbereitet und „frisiert“ – zumeist an mehrere Geheimdienste. Zeitweilig
wurden sogar Kinder und Halbwüchsige zu begrenzten Spionagehandlungen missbraucht. Sie wurden von den Untersuchungsorganen nach Klärung
des Sachverhalts an ihre Eltern übergeben.
Darüber sollte man nachdenken, wenn in der heutigen Propaganda davon die Rede ist, dass das MfS angeblich Kinder und Jugendliche angeworben hätte.
Den Diensteinheiten der IX(Die Abteilungen des MfS waren mit römischen Zahlen gekennzeichnet. Dazu in einem späteren Beitrag mehr.) wurden mitunter auch Personen zugeführt, die durch Fotografieren von Militärobjekten, Bahnhöfen oder Brücken aufgefallen waren.

Zumeist konnte innerhalb kürzester Zeit festgestellt werden, ob es sich um Fotoamateure oder Spione handelte. Wie der „Modelleisenbahner“ in
der Ausgabe 4/1999 berichtete, gerieten damals solche „Eisenbahnfreaks“
auch in der BRD ins Fadenkreuz des BND. Er verdächtigte z. B. jene BRD-Bürger, die so oft auf Fotosafari in die DDR reisten, dass sie sich in Wirklichkeit
mit MfS Mitarbeitern treffen, also für das MfS arbeiten würden.

Text Karli Coburger und Dieter Skiba, bearbeitet, bzw. ergänzt von Petra Reichel
Entnommen aus dem Buch „Die Sicherheit“

Das gesamte Buch oder einzelne Kapitel können von der Website www.mfs-insider.de heruntergeladen werden.
Original-Text:
Schwerpunkte Arbeit Untersuchungsorgane
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