Die Untersuchungsorgane(in der DDR wurden Behörden und Institutionen als „Organe“ bezeichnet) des Ministeriums für Staatssicherheit waren-neben dem Ministerium des Inneren und der Zollverwaltung-durch die Strafprozessordnung der DDR(nachfolgend SPO/DDR) als staatliche Untersuchungsorgane(heute sagt man Strafverfolgungsbehörden oder Ermittlungsbehörden) der DDR bestimmt.
Mit dem Beginn der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung im Osten Deutschlands und nach Gründung der DDR galt die vom faschistischen Gedankengut bereinigte Reichsstrafprozessordnung. Ab 1952 galt dann die erste Strafprozessordnung der DDR. In dieser waren die damals bestehenden Untersuchungsorgane beim Chef der Deutschen Volkspolizei, der Zentralen Kommission für staatliche Kontrolle/Amt für Kontrolle des Warenverkehrs, der späteren Zollverwaltung der DDR, und beim MfS namentlich noch nicht angeführt. Das erfolgte erst mit der StPO der DDR im Jahre 1968. Die Zuordnung eigener Untersuchungsorgane zum Ministerium für Staatssicherheit fußte auf der Einheitlichkeit der Staatsgewalt und gewährleistete hohe Kompetenz, Effektivität und Qualität der Arbeit. Heute sind diese Behörden getrennt. Auf jeden Fall ermittelt heute, bzw. auch früher in anderen Ländern, nicht der Geheimdienst. Das machen in der (Groß-)BRD z. B. das BKA, in den USA z.B. das FBI etc.. Es wird gesagt, es sei undemokratisch und dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, wenn der Geheimdienst gleichzeitig Ermittlungsbehörde ist. So behaupten die Sieger der Geschichte, dass das MfS Missbrauch getrieben hätte. Dem war nicht so. Auch wenn der Geheimdienst gleichzeitig Ermittlungsbehörde war, wurden in der DDR rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten. Auch wenn die Sieger der Geschichte die DDR als „Unrechtsstaat“ bezeichnen.
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Die Rechte und Pflichten strafprozessualer Untersuchungsorgane des MfS wurden durch die Hauptabteilung IX(HA IX) im MfS und in den Bezirksverwaltungen(BV) von den dortigen Abteilungen wahrgenommen. Gemäß der StPO/DDR führten sie unter der Leitung des zuständigen Staatsanwaltes offiziell Ermittlungsverfahren in Strafsachen durch.
Als Untersuchungsorgane hatten sie straftatverdächtige Handlungen und Vorkommnisse zu untersuchen, Anzeigen und Hinweise auf Straftaten zu prüfen, Straftaten aufzuklären die Täter zu ermitteln sowie Ursachen und begünstigende Bedingungen für Straftaten aufzudecken und an ihrer Beseitigung, bzw. Zurückdrängung mitzuwirken. Bei Vorliegen der strafprozessualen Voraussetzungen wurden alle nach der Strafprozessordnung zulässigen Untersuchungshandlungen und –Maßnahmen vorgenommen.
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Im Ermittlungsverfahren hatten sie die gleichen Pflichten und Rechte wie andere Untersuchungsorgane der DDR. Selbst die BStU kann angesichts der klaren Rechtslage nichts anderes, als das Folgende feststellen: „ (Es) handelt sich bei der Untersuchungstätigkeit des Staatssicherheitsdienstes um eine durch die Strafprozessordnung der DDR geregelte offizielle Tätigkeit, die den gleichen formalen Regelungen unterworfen war, wie die Ermittlungstätigkeit der Polizeiorgane und der Zollverwaltung…“ Roger Engelmann: Zu Struktur, Charakter und Bedeutung des Ministeriums für Staatssicherheit. In: BStU, Abteilung Bildung und Forschung informiert, Heft 3/1994 S. 19/20
Die Untersuchungsorgane waren operative Struktureinheiten des MfS. Sie unterschieden sich aber von den anderen Diensteinheiten dadurch, dass ihnen als Rechtspflegeorgan Befugnisse, Rechte und Pflichten zur eigenverantwortlichen Einleitung und Bearbeitung sowie für den Abschluss von strafprozessualen Ermittlungsverfahren gemäß der Strafprozessordnung eingeräumt waren. Ihre Tätigkeit war also nicht nur durch die für das gesamte MfS verbindlichen Rechtsvorschriften, sondern in Bezug auf die Untersuchungstätigkeit(und damit auch für die untersuchungsführenden Mitarbeiter – die „Untersuchungsführer“) durch die dafür geltenden strafprozessualen und strafrechtlichen Normen bestimmt. In der Richtlinie Nr. 1/76 des Ministers für Staatssicherheit zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge hieß es dazu: „Die Durchführung von Ermittlungsverfahren obliegt der Untersuchungsabteilung und hat unter strikter Einhaltung der dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der StPO zu erfolgen.“
Es gab für die Untersuchungsorgane des MfS zu keiner Zeit interne Weisungen und Befehle, die im Widerspruch zu den geltenden Rechtsnormen gestanden hätten.
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Die Ergebnisse der Untersuchungsarbeit wurden gegenüber Außenstehenden nicht geheim gehalten. Sie waren zur Weitergabe an die Justizorgane(Justizbehörden)bestimmt und schufen die Voraussetzungen, damit diese ihre Verantwortung und Aufgaben wahrnehmen konnten.
Die Untersuchungstätigkeit wie auch ihre Ergebnisse widerspiegelten somit wesentliche Seiten der Arbeit des MfS. Gerade deshalb waren die Untersuchungsorgane im MfS Berlin ununterbrochen direkt dem Minister für Staatssicherheit und in den Bezirksverwaltungen deren Leitern unterstellt. Die Tätigkeit der Untersuchungsorgane unterlag damit der Kontrolle durch die zuständigen dienstlichen Vorgesetzten als auch der Aufsicht des Staatsanwaltes und der kritischen Prüfung durch Gericht, Verteidigung und Öffentlichkeit im Rahmen der Einleitung, Bearbeitung und des Abschlusses von Ermittlungsverfahren.
Sowohl der Minister als auch die Leiter der Bezirksverwaltungen haben nachhaltig die Verantwortung der Untersuchungsorgane für die Durchsetzung der Gesetzlichkeit in der eigenen Arbeit, für eine wissenschaftliche, von Objektivität und Unvoreingenommenheit geprägte Untersuchungstätigkeit gefordert: „Wer Recht anwendet, muss selbst sauber sein.“
Die Ermittlungshandlungen waren gesetzlich vorgeschrieben und zu dokumentieren. Die Schriftstücke hatten den beweisrechtlichen Anforderungen der Strafprozessordnung zu entsprechen und waren für Dritte(Staatsanwalt, Gericht, Verteidiger, Beschuldigter) nachkontrollierbar zu fertigen.
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Gemäß der StPO/DDR durften nur für das Strafverfahren zugelassene Beweise in das Ermittlungsverfahren eingeführt werden. Das hieß, dass durch Inoffizielle Mitarbeiter(IM)oder andere konspirative Quellen(Heute würde man sagen durch Undercover-Tätigkeit) erlangte Fakten keinen Beweiswert für das Ermittlungsverfahren besaßen. Folglich durften diese auch nicht verwendet werden. Daran wurde sich gehalten. Die heutige Geschichtsschreibung der Sieger verschweigt dies, ja behauptet sogar das Gegenteil.
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Als Leiter des Ermittlungsverfahrens konnte der Staatsanwalt jederzeit Einblick in die Ermittlungsakten nehmen. Schwere Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte (Haftbefehl, Durchsuchung, Beschlagnahme etc.) unterlagen der richterlichen Entscheidung bzw. Bestätigung. Die Sieger der Geschichte behaupten das Gegenteil. In der alten BRD wurde ebenfalls das Gegenteil behauptet.
Nach Abschluss des Verfahrens wurden die Ermittlungsakten mit einem Schlussbericht an den Staatsanwalt übergeben. Die Akten erhielten danach Gericht und Verteidiger – und soweit einbezogen- gesellschaftliche Ankläger und Verteidiger – (die es in der DDR gab). Ergebnisse der Untersuchungstätigkeit wurden der Öffentlichkeit bekannt durch die gerichtlichen Verfahren, insbesondere durch dazu erfolgte Veröffentlichungen in den Medien, oder durch andere Formen der öffentlichen Auswertung der Ergebnisse von Gerichtsverhandlungen. In der DDR gab es allerdings keine Veröffentlichungen im Stil der Sensationshascherei, wie wir es aus den heutigen Medien kennen. Darum behaupten die Sieger der Geschichte, dass z.B. Verbrechen in der DDR verheimlicht wurden.
Die zuständigen Diensteinheiten hatten zu gewährleisten, dass es nicht zur Weitergabe von Internas kam. Heutigen Strafverfolgungsbehörden gelingt dies nicht immer. So landet das Ein oder Andere in die Medien, das eigentlich intern ist.
Interne Schriftstücke bei Ermittlungsverfahren des MfS führten nicht zu Nachteilen des Beschuldigten. Diese internen Schriftstücke konnten nicht im Ermittlungsverfahren verwendet werden. Das schloss nicht aus, dass die Untersuchungsabteilungen gegenstandsbezogen mit den zuständigen operativen Diensteinheiten zusammenarbeiteten. Die Untersuchungsführer erhielten über diesen Weg konspirativ(z.b. durch Undercover-Tätigkeit)……
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……erarbeitete Verdachtshinweise, Angaben zu möglichen Tatumständen und –beteiligten bzw. andere operative(mit geheimdienstlichen Mitteln erlangte) Anregungen, die durch klärende Fragen an Beschuldigte oder Zeugen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüften und möglicherweise weitere be- und entlastende Fakten/Beweise zutage fördern konnten. Andererseits erhielten operative Diensteinheiten Erkenntnisse aus den Ermittlungsverfahren, die für ihre Arbeit hilfreich waren. Daraus ergab sich, dass bei den Untersuchungsführern eine getrennte Vorgangs- und damit Aktenführung existierte. Einerseits gab es den offiziellen Ermittlungsvorgang(üblicherweise „Ermittlungsakte“ oder „Gerichtsakte“ genannt), welcher alle durch strafprozessuale Entscheidungen und Maßnahmen erlangte Dokumente enthielt. Andererseits gab es den MfS-internen (und in der Abteilung XII nachweispflichtig registrierten) Untersuchungsvorgang, der –üblicherweise auch als „Handakte“ bezeichnet-neben Kopien der in der Ermittlungs- bzw. Gerichtsakte enthaltenen Dokumente alle internen Unterlagen(Untersuchungsplan, Kontrollvermerke Vorgesetzter, Schriftverkehr mit operativen Diensteinheiten sowie Mitteilungen operativer Diensteinheiten über durchgeführte Überprüfungen und Ermittlungen enthielt, die im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Sache entstanden waren.
In einem Untersuchungsvorgang konnten mehrere Personen als Beschuldigte registriert sein, so dass die Anzahl der Untersuchungsvorgänge nicht identisch war mit der Zahl der in Ermittlungsverfahren bearbeiteten Personen.
Neben ihrer Funktion als Untersuchungsorgane hatten die Diensteinheiten IX den zentralen MfS-Richtlinien und Weisungen entsprechende operative Aufgaben zu erfüllen, die ihrer Fachqualifikation entsprachen.
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So hatten die operativen Diensteinheiten bei der rechtlichen und kriminalistischen Bewertung dort erarbeiteter Verdachtsgründe zu unterstützen. Sie gaben Anregungen für weiteres Vorgehen bei der Suche und Sicherung von Beweisen. Ihre Bewertungen und Vorschläge zum vorgelegten operativen Material fanden in schriftlichen Einschätzungen ihren Niederschlag. Das war aber keinesfalls eine Entscheidung über die weitere Bearbeitung des betreffenden operativen Vorgangs. Diese Entscheidung oblag immer allein dem zuständigen Leiter der vorgangsführenden operativen Diensteinheit bzw. dessen Vorgesetzen.
Text von Karli Coburger und Dieter Skiba, bearbeitet von Petra Reichel
Entnommen aus dem Buch „Die Sicherheit“
Das Buch und einzelne Kapitel gibt es auch als Download auf der Website www.mfs-insider.de