Demo 04.11.1989 in Berlin Redner gegen die Staatsmacht der DDR

Redner gegen die Staatsmacht der DDR:

Gegen die Schutz- und Sicherheitsorgane(Sicherheitsbehörden) und gegen das Strafrecht der DDR gerichtete Angriffe und Forderungen auf der genehmigten Demonstration und dem anschließenden Meeting am 04.11.1989 in Berlin.

Kundgebung am 4. November 1989 in Berlin

Quelle: BStU, MfS, HAXX, Fo, Nr. 1021, Bild 4
Entnommen aus: https://www.bstu.de/geschichten/die-stasi-im-jahr-1989/november-1989/

 

 

Während der Demonstration mitgebrachte Transparente beinhalteten u. a. die Forderungen:

  • „Staatssicherheit in die Öffentlichkeit“
  • „Von Demagogie, Bespitzelung, Entmündigung und auch Verbrechen war und ist diese Gesellschaft gezeichnet“
  • „Rechtssicherheit statt Staatssicherheit“
  • „Wir fordern Kontrolle der Staatssicherheit“
  • „Besser dem Volk vertrauen, als dem Stasi trauen“
  • „Stasi an die Stange“
  • „Für ein Leben ohne Stasi-Terror“.

In den Ansprachen enthaltene Angriffe und Forderungen beinhalteten

Johanna Schall:

Zitat aus Verfassungsvorschlag für die französische Republik von 1793:

Jede Verfassung muss den Schutz der öffentlichen und der Individuellen Freiheit vor der Regierung selbst zum Ziel haben. Nur dies allein diene als Mittel „gegen öffentliche Gewalt der Regierenden als Geißel der Freiheit“.

Im Anschluss an die durch den Schauspieler Ulrich Mühe erfolgte Vorlesung der Artikel 27 und 28 der DDR von 1974 forderte Johanna Schall folgende, „diese Artike. einschränkende Paragraphen des Strafgesetzbuches zu streichen oder zu modifizieren“, die sie im Wortlauf vortrug: Die Paragraphen 99 „Landesverräterische Nachrichtenübermittlung“, 106 „Staatsfeindliche Hetze“, 107 „Verfassungsfeindlicher Zusammenschluss“ sowie 217 „Zusammenrottung“.

Der jetzt allseits bekannte damalige Rechtsanwalt und heutiger LINKEN-Politiker  Dr. Gregor Gysi erinnerte unter Hinweis auf die zitierten Paragraphen des Strafgesetzbuches, dass die Rechtsanwälte in ihrer, von ADN(Presseagentur der DDR)nicht vollständig aber in wesentlichen Teilen veröffentlichten Erklärung ein neues Strafrecht und die Überarbeitung von Kapiteln des Strafgesetzbuches gefordert hätten. Die Verfassung selbst sei „gut, obwohl auch sie entwickelt werden Kann.“ Gebraucht würden der Staat und Staatsautorität, ebenso aber auch die „Kontrolle des Volkes über den Staat und seine Sicherheitsbereiche“ wie auch ein „neues Verhältnis von Politik und Recht“. Ob Gregor Gysi mit der heutigen Gesetzgebung, die aus uralter Zeit stammt, zufrieden ist? Schließlich ist er ja gut in der heutigen (Groß-)BRD angekommen

Marianne Birthler, die spätere Chefin der BStU(Antikommunistische Institution und Verwaltungsbehörde der MfS-Akten)von der „Berliner Kontakt-Telefon-Gruppe“ (Wer hatte in der DDR Telefon? Welche Leute riefen dort an?)erklärte, sie habe Gelegenheit gehabt, in mehr als 200 Berichten zu lesen, wir Menschen gejagt, geschlagen, gedemütigt und verurteilt worden seien.(Mensch was für ein abstruser Zusammenhang. Die Berichte hatte sie wohl nicht geprüft.) Dabei habe es sich nicht um die Übergriffe Einzelner gehandelt. Dieses Unrecht sei geplant, vorbereitet und befohlen worden. Noch immer sei nicht geklärt, wer die Befehle gegeben und politische Verantwortung getragen habe, auch dafür, dass den Volkspolizisten gesagt worden sei, sie würden am Alex aufgehängt. Die Gründung einer zeitweisen Untersuchungskommission beim Berliner Magistrat, die weder nach der Zusammensetzung noch nach den Zielen wirklich unabhängig sei, befriedige sie nicht. Nach dem Untergang der DDR war Marianne Birthler Chefin der BStU, also der Verwaltungsbehörde der MfS-Akten. Sie hätte da die Möglichkeit zur Klärung dieser Dinge gehabt. Vermutlich ist zu diesem Zeitpunkt ihr Interesse erloschen

Nach Birthlers Vorstellungen sollten Vertreter von „demokratischen Initiativen“ (Was immer das sein mag.), der Kirche, von Ärzten, Anwälten und Psychologen gebildete Untersuchungskommission mit dem Magistrats-Ausschuss zusammenarbeiten.

Der Liedermacher Kurt Demmler sang gegen Bespitzelung und Überwachung das Lied von der „ganz leisen Polizei“, von der immer irgendwer dabei sei, und rezitierte daran anschließend, man braucht, um was zu schaffen Sicherheit, doch auch „Sicherheit vor der Sicherheit“.Nach der Annexion der DDR hatte Kurt Demmler nur wenig Erfolg. 2002 wurde er erstmals wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern strafrechtlich angeklagt und mittels Strafbefehl rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt.  Am 4. August 2008 kam Demmler erneut wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Untersuchungshaft.  Im November 2008 erhob die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage. Dem Musiker wurde vorgeworfen, zwischen August 1995 und November 1999 insgesamt sechs Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Insgesamt legte ihm die Staatsanwaltschaft 212 Einzelfälle zur Last. Demmler bestritt die Vorwürfe. Die Hauptverhandlung gegen Demmler begann am 22. Januar 2009 vor dem Landgericht Berlin. Dort äußerte sich der Angeklagte nicht zu den Vorwürfen.Im Rahmen der Ermittlungen meldeten sich auch mutmaßliche Opfer Demmlers aus den 1980er Jahren. Die Ermittlungen zu diesen Fällen wurden jedoch wegen Verjährung eingestellt. Am 4. August 2008 kam Demmler erneut wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Untersuchungshaft. Im November 2008 erhob die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage.  Dem Musiker wurde vorgeworfen, zwischen August 1995 und November 1999 insgesamt sechs Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Insgesamt legte ihm die Staatsanwaltschaft 212 Einzelfälle zur Last. Demmler bestritt die Vorwürfe. Die Hauptverhandlung gegen Demmler begann am 22. Januar 2009 vor dem Landgericht Berlin. Dort äußerte sich der Angeklagte nicht zu den Vorwürfen. Im Rahmen der Ermittlungen meldeten sich auch mutmaßliche Opfer Demmlers aus den 1980er Jahren. Die Ermittlungen zu diesen Fällen wurden jedoch wegen Verjährung eingestellt.  Am frühen Morgen des 3. Februar 2009 wurde Demmler erhängt in seiner Zelle in der Untersuchungshaftanstalt Moabit aufgefunden. Der Suizid erfolgte in der Nacht vor dem zweiten Verhandlungstag. Demmler hinterließ seine Frau und zwei erwachsene Kinder.

siehe Wikipedia

Prof. Jens Reich vom „Neuen Forum“ forderte, Verfassungsrecht müsse nicht nur auf dieser „Freiheitsdemonstration“, sondern überall wahrgenommen werden, und rief zur Solidarität auf mit den Bürgern und Verhafteten, mit den „Alten, die das Land aus den Trümmern geholt haben“, mit den Ossietzky-Schülern aus Pankow.

Stefan Heym verlangte: „Macht gehört nicht in die Hände eines einzelnen, einiger weniger, eines Apparates oder einer Partei“. Alle müssten teilhaben an dieser Macht, wer sie ausübe, müsse unterworfen sein der Kontrolle der Bürger. Denn Macht korrumpiere, und absolute Macht, das könne man heute(1889) noch sehen, korrumpiere absolut. Nun ja, heute hat das Großkapital die Macht und die die Vertreterinnen aus der Politik sind zum Großteil dessen Marionetten.

Der Schauspieler Ekkehard Schall erklärte, der danke „den mutigen und, ich betone, den friedlichen Demonstranten in vielen Städten der DDR“. Es hätte auch Rowdys auf beiden Seiten gegeben, die Brutalität von Sicherheitskräften wiegt allerdings schwerer und wecke schlimme Erinnerungen“.  Der hat doch gar nicht gewusst, was Brutalität seitens der Sicherheitskräfte bedeutet. Sie mit Rowdys und sogar den faschistischen Schergen gleichzustellen, verharmlost  den Faschismus und verhöhnt dessen Opfer

Pfarrer Schorlemmer aus Wittenberg erklärte: Die Regierung habe auf das Volk zu hören, nicht umgekehrt. Eine Atmosphäre des Vertrauens werde erst dann entstehen, wenn das „größte innenpolitische Sicherheitsrisiko, die Staatssicherheit, radikal abgebaut und vom Volke kontrolliert“ werde. Fehler müssten als Fehler zugegen werden. Aber es dürften keine neuen Gräben aufgerissen werden, Stimmen der Vergeltung aufkommen. Starke Worte. Was meint Pfarrer Schorlemmer zu den westlichen Geheimdiensten? Was meint er zu heutigen Geheimdiensten? Nirgends auf der Welt werden Geheimdienste vom Volk kontrolliert. Allenfalls gibt es eine parlamentarische Kontrolle und die hat auch nur Alibifunktion. Erst aufhetzen und im Schlusssatz beschwichtigen. Welch ein Widersinn

Thomas Langhoff sagte: Wären die Worte „frei“ und „öffentlich“ aus den beiden heute zur Diskussion stehenden Verfassungsartikel immer ernst genommen worden, gäbe es keine Notwendigkeit für die heutige(04.11.1989)Demonstration und die von ihm verlesene Erklärung. Darin fordert er zu Offenlegung der Biografie dieses Landes für die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission von Historikern, Rechtswissenschaftlern und interessierten Bürgern, die alle in der DDR eingeleiteten Verfahren wegen angeblicher Straftaten gegen Staat und öffentliche Ordnung prüfen sollten. Au weia, wieviel müsste in westlichen Ländern geprüft werden? Keine Rede davon. Sämtliche Akten seien einem Gremium zugänglich zu machen. Weiter forderte er, Wiedergutmachung an „Opfern des Stalinismus, an den Opfern politischer Prozesse u.a. ungerechtfertigter Zwangsmaßnahmen sowie vollständige Publizierung der Ergebnisse“. Auch hier werden politische Prozesse und Maßnahmen in westlichen Ländern ausgespart. „Stalinismus“ ist ohnehin ein antikommunistischer Hetzbegriff, der allerdings auch von kommunistischen und linken Parteien im Munde geführt wird

Die Schauspielerin Annekathrin Bürger trug daran anschließend das Lied „Worte eines politischen Gefangenen an Stalin“ für Walter Janka vor. Na ja, der Walter Janka, was wollte der denn? Auch einer der zahlreichen Gegner der DDR, bzw. des Sozialismus.

Der Dozent Konrad Helmer erklärte, „wir Sozialdemokraten werden jede künftige Regierung daran messen, ob sie hier zu einem wirklichen Schuldbekenntnis fähig ist“. Bei Markus Wolf habe er „das vermisst“

Übrigens hat Markus Wolf auch auf dieser Demo geredet. Was wollte der in diesem Kreis? Das ist in diesem Dokument nicht vermerkt. Für das MfS war undenkbar, dass so ein hoher Vertreter aus dem eigenen Lager zu misstrauen ist. Im Nachhinein muss man sagen, dass Markus Wolf eine undurchsichtige Gestalt war. Als großer Stratege kannte er die Welt. Wie konnte er da nicht wissen, dass die DDR auf dem Weg in den Untergang war?

Dokument vom 06.11.1989 entnommen aus der MfS-Mediathek,  wiedergegeben und bearbeitet von Petra Reichel, Anmerkungen zu Kurt Demmler aus der Zeit nach der Konterrevolution aus Wikipedia entnommen.

 

Dokument:

Redner gegen Staatsmacht

Siehe auch:

Aufruf „Für unser Land“- Was steckt dahinter?

 

 

Anweisung von Erich Mielke an die Leiter der Diensteinheiten bezüglich der Demo am 04.11.1989 in Berlin

Die Organisatoren der Demo waren die Gewerkschaftsvertrauensleute der Berliner Bühnen. Die Demo wurde für den 04.11.1989 mit anschließendem Meeting in der Hauptstadt der DDR beantragt

Die Demoroute  und der Beginn der Demo sind im Dokument vermerkt. Die Demo wurde durch den Präsidenten der Volkspolizei Berlin genehmigt

Die Absicht zur Durchführung wurde bereits republikweit insbesondere in Künstler-  und Kirchenkreisen, seit dem 29.10.1989 auch über die Medien der DDR, popularisiert.  In Aufrufen, Aushängen und Flugblättern wurden Forderungen nach Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit erhoben, verbunden mit der Aufforderung zum Mitbringen von Plakaten und Transparenten.

Kundgebung am 4. November 1989 in Berlin

Quelle: BStU, MfS, HAXX, Fo, Nr. 1021, Bild 4
Entnommen aus: https://www.bstu.de/geschichten/die-stasi-im-jahr-1989/november-1989/

 

Demonstrationszug am 4. November 1989

Demonstrationszug am 4. November 1989

 

Quelle: BStU, MfS, HAXX, Fo, Nr. 1021
Entnommen aus: https://www.bstu.de/geschichten/die-stasi-im-jahr-1989/november-1989/

 

Konterrevolutionäre Gruppierungen, im Amtsdeutsch als „Oppositionelle Gruppierungen“ verharmlost(Hatte die Staatsmacht der DDR einen Rückzieher gemacht?)und folglich so benannt, wie „Neues Forum“, „Demokratischer Aufbruch“, „SDP“ u.a., betrachteten die Demonstration als ihre Veranstaltung. So wird das ja heute in der Propaganda und offiziellen Geschichtsschreibung immer noch „verkauft“.

Es war davon auszugehen, dass feindlich-negative Kräfte, wie im Amtsdeutsch der DDR  Konterrevolutionäre u.a. Leute, die gegen den Staat agierten genannt wurden. Heute würde man sie als Gefährder bezeichnen. Es wurde damit gerechnet, dass konterrevolutionäre Kräfte aus den Bezirken der DDR dieses Vorhaben unterstützen und sich beteiligen wollen. Obwohl die Größenordnung der Teilnahme schwer kalkulierbar war, musste mit  300 000 bis 500 000 Teilnehmenden gerechnet werden.

Die ausgesprochene Genehmigung wurde mit der Erwartung verbunden, dass die Organisatoren Einfluss auf den ordentlichen organisatorischen, friedlichen und disziplinierten Verlauf der Demonstration und des Meetings nehmen und die Veranstaltung im Einklang mit den eingeleiteten Prozessen zu Veränderungen in der sozialistischen Gesellschaft auf der Grundlage der Erklärungen von Egon Krenz vom 18. und 24.10.1989 steht. (Veränderungen? Echte und notwendige Veränderungen blieben nach wie vor aus. Was tat den Egon Krenz, um die sozialistische Gesellschaft und die DDR zu retten?)Den Organisatoren wurden Auflagen erteilt, die dieser Erwartungshaltung entsprachen

Es wurde nicht ausgeschlossen, dass sozialismusfeindliche und militante Kräfte, Randalierer, Rowdys und andere Kriminelle, aufgeputscht durch Provokateure, den friedlichen Verlauf der Demonstration und des Meetings gezielt stören und insbesondere Konfrontationen mit den eingesetzten Sicherungskräften im Umfeld oder im Anschluss provozieren.

Vorgesehen war, dass alle politischen Einflussmöglichkeiten zur Herbeiführung eines friedlichen und disziplinierten Verlaufs der Demonstration und des Meetings genutzt werden. Es sollte durch Dialogangebote und andere gesellschaftliche Möglichkeiten in den Wohnorten, Arbeits- und Unterrichtsstätten gezielt einer Teilnahme von Personen, Arbeits- und Schulkollektiven an dieser Demonstration bzw. Meeting in der Hauptstadt entgegengewirkt werden.  (Solche Maßnahmen gingen zu diesem Zeitpunkt ins Leere. Es war bereits zu spät.)

Dann folgen in diesem Dokument: 

  • Die Informierung der 1. Sekretäre der Bezirksleitungen und Kreisleitungen der SED über bedeutsame Erkenntnisse als Grundlage für den wirkungsvollen Einsatz politischer Mittel und Methoden, insbesondere gesellschaftlicher Kräfte, zu Stabilisierung und Beruhigung der Lage und Herbeiführung eines friedlichen und disziplinierten Verlaufs der Demonstration und des Meetings.

 

  • Detaillierte Anweisungen an die Sicherheitskräfte

 

Als Anlage ist der Informationsbedarf für das MfS beigefügt.

 

Dokument entnommen aus der MfS-Mediathek, bearbeitet wiedergegeben von Petra Reichel

 

Dokument:

Anweisung von Mielke zur Vorbereitung auf die Demo in Berlin 04.11.1989

 

 

Führungsstab: Bericht zum Sicherungseinsatz an Demo am 04.11.1989 in Berlin

Im Dokument wurde zunächst auf die mitwirkenden Behörden und Institutionen eingegangen

Im Verlauf des Sicherungseinsatzes wurden folgende Feststellungen getroffen:

Bereits ab 6:30 Uhr kam es im gesamten Gebiet des Stadtzentrums zu geheimdienstlichen Handlungen(Aufklärungshandlungen)von Angehörigen der Militärinspektionen der USA, Frankreichs  und Großbritanniens.

Demonstrationszug am 4. November 1989

Quelle: BStU, MfS, HAXX, Fo, Nr. 1021, Bild 4
Entnommen aus: https://www.bstu.de/geschichten/die-stasi-im-jahr-1989/november-1989/

 

Gegen 8:30 Uhr begannen sich auf dem Alexanderplatz vor dem ADN(Presseagentur der DDR)-Gebäude und angrenzenden Straßen kleine Gruppierungen zu versammeln. Sie erhielten fortwährend Zulauf von Personen, die aus anderen Bezirken mit dem PKW oder der Eisenbahn angereist waren.

Die von der vielfältigen Propaganda in anderen Städten ausgehend eingeschätzte massenhafte Teilnahme aus anderen Bezirken blieb hinter den Erwartungen zurück. Es waren aber keine repräsentativen Angaben zum Anreiseverkehr möglich.

Bis etwa 9:30 Uhr hatten sich im Bereich Senefelder Platz, Leninplatz, Strausberger Platz bis zur Marienkirche schätzungsweise 250 000 Personen versammelt.

Auf hunderten mitgeführten Plakaten und Transparenten wurden teilweise massiv grundlegende Prinzipien und Verhältnisse der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung angegriffen sowie anderweitige Forderungen erhoben.

Die Losungen beinhalteten überwiegend ablehnende Standpunkte:

Ein Teil der Losungen bezog sich auf die angeblich dominierende und unrechtmäßige Rolle des MfS in der sozialistischen Gesellschaft. Weitere Losungen brachten Misstrauen und abwertende Haltungen gegenüber den unter Führung der SED eingeleiteten Erneuerungsprozess(?) zum Ausdruck. Vielfältig wurde die Zulassung des „Neuen Forums“, der „SDP“ und des „Demokratischen Aufbruchs“ gefordert. Die konkreten Losungen konnte man der Beilage entnehmen. Die ist aber hier im historischen Dokument nicht mehr vorhanden.

Gegen 9:30 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung.

An der Spitze wurden zwei sechs Meter lange Transparente mit den Aufschriften

  • „Protestdemonstration-Solidarität mit Vaclav Havel !“

und

  • „Freie Medien !“

sowie eine große Kabeltrommel mit der Beschriftung

  • „Volkswalze“ und „Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen !“

mitgeführt.

(Sehr sinnig, wurde doch das Zurückdrehen des Rades der Geschichte damals  angestoßen.

Vom überwiegenden Teil der Demonstrierenden war ein diszipliniertes, den Auflagen entsprechendes Verhalten zu verzeichnen.

Der bestätigte Marschweg, Karl-Liebknecht-Straße, Marx-Engels-Straße, Breite Straße, Molkenmarkt und Grunderstraße wurde von fast allen Teilnehmenden der Demonstration eingehalten. Lediglich zum Schluss kürzten ein Teil der Demonstrierenden den Weg über die Spandauer- sowie Rathausstraße ab.

Festgestellt wurde, dass versuchte provokatorische Handlungen von Anhängern der sogenannten „Skinhead- und Grufti-Bewegung“ von Teilnehmenden des Demonstrationszuges selbstständig unterbunden sowie ein Mitdemonstrieren solcher Personenkreise teilweise verhindert wurde.

Im Verlauf der Demonstration kam es zu kurzen Aufenthalten vor dem Eingang der Volkskammer sowie am Besuchereingang des Staatsrates, wo einige Plakate und Transparente angeklebt bzw. abgelegt wurden. (In der alten BRD sowie dem heutigen Deutschland gibt es eine Bannmeile. So darf nicht in der Nähe vom Parlament und Regierungsgebäuden demonstriert werden. Solche Handlungen, wie damals in der Endphase der DDR sind da unmöglich.

Gegen 10:45 Uhr erreichte der Demonstrationszug den Alexanderplatz, wo um 11:25 Uhr die genehmigte Kundgebung begann.

In deren Verlauf kam es zu keinen besonderen Vorkommnissen. Bei der weiteren Klärung von Sachverhalten besonders provokatorischen Verhaltens einiger Teilnehmer wurde die politisch-operative(Amtsdeutsch der DDR für mit geheimdienstlichen Mitteln)Bearbeitung fortgesetzt.

Die Kundgebung wurde um 14:20 Uhr von den Organisatoren beendet, nachdem bereits um 13:15 Uhr eine stärker werdende Personenabwanderung feststellbar war. (War manchen vielleicht schon zu langweilig, der Quatsch der da geredet wurde.) Auf den Ablauf und Inhalt des Meetings wird in diesem Dokument nicht weiter eingegangen.

Die akkreditierten 221 Korrespondenten und weitere Journalistenteams, die ohne spezielle Akkreditierung für die Demonstration wirksam wurden, traten mit einer Vielzahl journalistischer Aktionen in Erscheinung, ohne dass es dabei zu Vorkommnissen kam

Nach Abschluss der Kundgebung bildeten sich im Bereich des Alexanderplatzes fünf Diskussionsgruppen von durchschnittlich 50 Personen. Die Organisatoren versuchten darauf Einfluss zu nehmen, dass diese sich auflösten.

Das Zusammenwirken von Angehörigen der Volkspolizei mit den Ordnungskräften des Veranstalters hat sich bewährt und trug während der Demonstration und des Meetings zur Durchsetzung des ordnungsgemäßen Ablaufs bei.

Im Verlauf des Sicherungseinsatzes kam es im Bereich der Staatsgrenze sowie in deren westlichem Vorfeld zu mehreren provokatorischen Handlungen.

Darunter von 09:00 Uhr bis 10:00 Uhr eine Ansammlung von ca. 50 Personen mit gegen die DDR gerichteten Plakaten vor dem Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße sowie das Besteigen der Panzermauer durch eine männliche Person aus Westberlin im Bereich Brandenburger Tor.

Diese Person wurde ohne Anwendung von Zwangsmitteln festgenommen und zur weiteren Klärung der Abt. IX zugeführt.(zugeführt ist DDR-Amtsdeutsch für abgeführt) Die Festnahme wurde von Westberlin aus durch Kamerateams dokumentiert. (Na ja wenige Tage später wurde das obsolet, da die Grenzöffnung stattfand.)

Um 16:00 Uhr noch festzustellende Diskussionsgruppen unter anderem von Mitgliedern der CDU und LDPD mit Anhängern der sogenannten SDP auf dem Alexanderplatz sowie weiterer kleinere Personenansammlungen standen weiterhin unter operativer(geheimdienstlicher)Kontrolle.

Die im Rahmen des gesamten Sicherungseinsatzes angewiesenen politisch operativen Maßnahmen wurden planmäßig fortgesetzt. (Bis sie obsolet wurden.)

 

Entnommen aus der MfS-Mediathek,  wiedergeben und bearbeitet von Petra Reichel 

 

Dokument:

Führungsstab Sicherungseinsatz an Demo am 4.11.1989

 

 

Der Aufruf „Für unser Land“ Was steckt dahinter?

Während der Konterrevolution verfassten „Bürgerrechtler“ und Intellektuelle den Aufruf „Für unser Land“. Diesen Leuten ging es gut in der DDR. Die DDR hat ihnen Bildung, einschließlich Studium und Ausbildung kostenlos zur Verfügung gestellt. Sie mussten keine Studentenjobs annehmen, um ihr Studium zu finanzieren. Dann hatten sie gute Berufe. Teilweise verantwortliche Positionen. Aber sie waren nicht zufrieden.

Diejenigen, die unterzeichnet haben, aber mit Texten künstlerischen Umgang hatten und mit verklausulierten politischen/juristischen Texten nicht vertraut waren, sind von den Vorwürfen auszunehmen. Aber diejenigen, welche die Texte formulierten, hatten sehr wohl gewusst was sie taten.

Der Aufruf „Für unser Land“ plädiert für eine eigenständige DDR, aber ohne Sozialismus. Auch wenn vom Sozialismus geschwafelt wird. Es ist wohl der Sozialismus im Sinne von Sozialdemokratie gemeint.

Der antikommunistische Kampfbegriff „Stalinismus“ dient hier als Killerphrase. Ebenso dass die Führung einer Partei sich die Herrschaft über das Volk und seine Vertretungen anmaßen würde. Natürlich ist es strittig, ob die festgeschriebene führende Rolle der SED noch richtig war. Aber irgendwer muss doch die Führung übernehmen. Das war die SED als Partei der Arbeiterklasse. Da die SED nicht mehr in der Lage war die Arbeiterklasse zu vertreten und es keine anderen Vertretungsformen der Arbeiterklasse gab und sich auch niemand dafür einsetzte, war hier ein Vakuum geschaffen worden, wo die „Bürgerrechtler“ und Co. reinhauten und Erfolg hatten. Denn sie strebten zur Macht. Aber die Arbeiterklasse vertreten wollten sie nicht. Sie wollten einen bürgerlichen Staat.

„Eigenständigkeit der DDR, Zusammenarbeit mit denjenigen Staaten und Interessengruppen, die dazu bereit sind, in unserem Land eine solidarische Gesellschaft zu entwickeln, Frieden und soziale Gerechtigkeit“, klingt gut. Aber was bedeutet das? Mit wem wollte man zusammenarbeiten? Mit imperialistischen Staaten? Welche Interessengruppen? Mit Kapitalisten und deren Vertretungen? Klassenharmonie? Die Friedenpolitik wurde doch aufgegeben.   Die Worte „Frieden“ und „Sozialismus“ sind doch hier nur irreführendes Geschwafel. Dann wieder das Geschwafel von „Freiheit des Einzelnen“, „Freizügigkeit“ usw.- Das kann alles bedeuten, also auch Ellbogengesellschaft und im Widerspruch dazu das Geschwafel von der solidarischen Gesellschaft. Gut der Punkt mit der Umwelt ist berechtigt. Muss man, um da Verbesserungen zu fordern, die sozialistische Gesellschaftsordnung aufgeben?

Beim Punkt „Oder“ wird man ein Fünkchen ehrlicher und benennt die wahren Absichten des Kapitalismus, wie z. B. „Ausverkauf der DDR, starke ökonomische Zwänge, unzumutbare Bedingungen, an die einflussreiche Kräfte aus Wirtschaft und Politik der BRD an die Hilfe für die DDR knüpfen (siehe Griechenland heute), Ausverkauf der moralischen Werte, Vereinnahmung der DDR durch die BRD“.

Dann geht man zu Punkt „Entweder“ zurück, dessen Aussagen unverbindlich sind. Nun kommen wieder unverbindliche Aussagen, wie wieder die Rede von Sozialismus, aber „gleichberechtigte Nachbarschaft zu allen Staaten Europas“. Die Verfasser/innen des Aufrufs glaubten doch nicht im Ernst, dass imperialistische Staaten, welche bislang die sozialistischen Länder, einschließlich der DDR im Kalten Krieg bekämpft hatten, nun als gleichberechtigte Nachbarn einen ernsthaften sozialistischen Aufbau, bzw. Neuanfang dulden würden.

Dann ist vom Antifaschismus und Humanismus die Rede. Aber nicht unter Führung der Arbeiterklasse, bzw. deren Vertretung, sondern in Klassenharmonie. Menschheitsinteressen vor Klasseninteressen. Das war in schönen Worten verklausuliert worden.

Das 10 Punkte-Programm von Helmut Kohl wurde zwar kritisiert, doch das war nur noch ein Sturm im Wasserglas. Es folgten weitere Aufrufe. Der Aufruf „Für unser Land“ ist später nichtig geworden und der Weg zur Annexion der DDR wurde bereitet.

Da man den intelligenten Leuten, die diesen Aufruf verfassten, keine Naivität unterstellen kann, ist dieser Aufruf als Irreführung der Bevölkerung zu sehen.

Erstunterzeichner

•   Götz Berger

•   Wolfgang Berghofer

•   Frank Beyer

•   Volker Braun

•   Reinhard Brühl

•   Tamara Danz

•   Christoph Demke

•   Siegrid England

•   Bernd Gehrke

•   Sighard Gille

•   Stefan Heym

•   Uwe Jahn

•   Gerda Jun

•   Dieter Klein

•   Günter Krusche

•   Brigitte Lebentrau

•   Bernd Löwe

•   Thomas Montag

•   Andreas Pella

•   Sebastian Pflugbeil

•   Ulrike Poppe

•   Martin Schmidt

•   Friedrich Schorlemmer

•   Andree Türpe

•   Jutta Wachowiak

•   Heinz Warzecha

•   Konrad Weiß

•   Angela Wintgen

•   Christa Wolf

•   Ingeborg Graße

Walter Janka hatte dem Papier zugestimmt, es jedoch vor der Veröffentlichung nicht unterzeichnen können.

Links:

Haus der Demokratie

Wikipedia

Aufruf2

Originaldokument