Die faschistische Landwirtschaftspolitik und der II. Weltkrieg hatten zur Vernachlässigung der Felder, zur Verminderung der Hektarerträge und der tierischen Leistungen geführt. So waren gegenüber dem Vorkriegsstand die landwirtschaftliche Nutzfläche um 19 Prozent und die Hektarerträge um mehr als ein Viertel gesunken. Besonders stark hatte die sowjetische Besatzungszone unter den Kriegsfolgen zu leiden. In ihrem landwirtschaftlich wichtigsten Gebiet, in Mecklenburg-Vorpommern, betrug zum Beispiel der Rindviehbestand im Herbst 1945 nur 30 Prozent der Vorkriegszeit. Verschärft wurde das Ernährungsproblem durch Millionen Umsiedler aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Grenze, aus der Tschechoslowakei und aus Südosteuropa. Hinzu kam, dass zahlreiche Großgrundbesitzer bei ihrer Flucht vor der Sowjetarmee wertvolle Maschinen, Zug- und Nutzvieh sowie Vorräte in die westlichen Besatzungszonen verschleppt hatten.
Oftmals hatte sich auf dem Lande, stärker als in den Städten und Industriegebieten, die faschistische Ideologie ausbreiten können. Besonders in den landwirtschaftlichen Gebieten östlich der Elbe hatte der preußische Adel jede demokratische Bewegung unterdrückt und war zu einer Stütze des Militarismus und Faschismus geworden.
Die Einsicht und Bereitschaft, durch eine demokratische Bodenreform die Machtverhältnisse auf dem Lande gründlich zu verändern, entwickelten sich bis Ende August 1945 in der sowjetischen Besatzungszone zu einer Massenbewegung.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981
Die entschädigungslose Enteignung der Junker und Großgrundbesitzer sowie die Aufteilung ihres Bodens unter die landarmen Bauern und die Landarbeiter konnten beginnen. Am 2. September 1945 legte der Vorsitzende der KPD, Wilhelm Pieck, auf einer Kreisbauernversammlung in Kyritz (Mark Brandenburg) das Programm zur Durchführung der Bodenreform dar.
Die Teilnehmer forderten in einer Entschließung „..die Aufteilung des Bodens der Kriegsverbrecher und Kriegsschuldigen und des gesamten Großgrundbesitzes über 100 Hektar an die kleinen Bauern, Landarbeiter und Kriegsvertriebenen.“ 30 Bauernkonferenzen in der Provinz Sachsen und eine Landesbauernkonferenz in Thüringen, die zur gleichen Zeit tagten, unterstützten diese Forderung nach Durchführung einer Bodenreform.
Die von Wilhelm Pieck verkündete Losung „Junkerland in Bauernhand“ wurde von Landarbeitern, Kleinbauern und Umsiedlern freudig aufgegriffen. Verhandlungen im Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien hatten zu dem Ergebnis geführt, dass von allen Parteien die Notwendigkeit einer demokratischen Bodenreform anerkannt wurde.
Das entscheidende Instrument zur Durchführung der Bodenreform waren die neuen Machtorgane(neue Behörden und Institutionen), die sich das Volk geschaffen hatte. Im September 1945 erließen die Landes- und Provinzialverwaltungen auf der Grundlage der Vorschläge der KPD inhaltlich gleichlautende Verordnungen über die demokratische Bodenreform. Ihre Durchführung selbst lag in den Händen des werktätigen Volkes.
In allen Gemeinden wurden Bodenreformkommissionen gewählt. Sie beschlagnahmten den Großgrundbesitz über 100 Hektar, der entschädigungslos enteignet wurde. Kriegsschuldige, Kriegsverbrecher und Naziaktivisten wurden unabhängig von der Größe ihres Besitzes enteignet.
Von der Enteignung ausgenommen war der Boden landwirtschaftlicher und wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen, der zur Versorgung der Bevölkerung dienende, den Stadtverwaltungen gehörende Boden, das Gemeindeland, der Grundbesitz landwirtschaftlicher Genossenschaften und Schulen sowie der Grundbesitz der Klöster, Bistümer und Kirchen.
Der den Bewerbern zugeteilte Boden durfte fünf Hektar, bei schlechter Bodenqualität zehn Hektar nicht überschreiten.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981


Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981
Die durch die Bodenreform entstandenen Wirtschaften durften weder ganz noch teilweise verkauft, verpachtet, geteilt oder verpfändet werden. Die Bewerber erhielten den Boden schuldenfrei. Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen wurden den Komitees der gegenseitigen Bauernhilfe, einfaches Arbeitsgerät und Arbeitsvieh den bedürftigen Bauernwirtschaften zur individuellen Nutzung zur Verfügung gestellt. Ein Drittel des Bodenfonds verblieb in den Händen staatlicher und kommunaler Einrichtungen. Auf etwa drei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche entstanden in der Folgezeit Volkseigene Güter (VEG).
Die demokratische Bodenreform war die seit dem Deutschen Bauernkrieg im 16. Jahrhundert größte revolutionäre Massenaktion auf dem Lande. Die gewählten Bodenreformkommissionen als revolutionär-demokratische Organe der Arbeiter und Bauern beschlossen die Aufteilung des Großgrundbesitzes und setzten ihre Beschlüsse selbst um. Das wichtigste Ergebnis der Bodenreform, die ich unter der Führung der Arbeiterklasse vollzog, bestand darin, dass die ökonomische Macht der Großgrundbesitzer gebrochen und das Junkertum als Klasse beseitigt wurden.
Durch die demokratische Bodenreform erhielt das Bündnis zwischen Arbeiterklasse und werktätigen Bauern eine stabile politische und ökonomische Grundlage. Die Arbeiterklasse half den Bauern, den erbitterten Widerstand der Junker, Großgrundbesitzer und aktiven Nazis zu überwinden, die diese der Bodenreform entgegensetzten. Sie versuchten, der Enteignung durch die Aufteilung der Güter unter ihre Verwandten zu entgehen. Sie verschoben Vieh und Maschinen. Von den Junkern und ihren Inspektoren eingeschüchtert, wagte mancher Bauer und Landarbeiter nicht, sich um Boden zu bewerben. Faschistische Banden überfielen Arbeiterfunktionäre. Dieser Widerstand konnte erst durch die Ausweisung der enteigneten Junker und Großgrundbesitzer gebrochen werden.
Auch nach dem Abschluss der Bodenreform galt die Aufmerksamkeit der demokratischen Machtorgane der Festigung des Bündnisses und der Entwicklung der Neubauernwirtschaften. Aus den Ausschüssen der gegenseitigen Bauernhilfe entstand eine demokratische Massenorganisation, die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB). 1949 wurden die Maschinenausleihstationen (MAS) gegründet. Sie betrieben den Park für Maschinen und Traktoren und stellten diese den Klein- und Mittelbauern zu günstigen Tarifen zur Verfügung. Diese Bauern bleiben infolge der Hilfe durch die MAD wirtschaftlich und politisch von den ökonomisch stärkeren Großbauernbetrieben unabhängig. Die MAS verbanden die Produktionshilfe mit einer umfangreichen politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Unterstützung der Bauern. Als Zentren der Arbeiterklasse auf dem Lande trugen sie – gemeinsam mit den VEG – wesentlich dazu bei, den Boden für die sozialistische Umgestaltung des Dorfes vorzubereiten.
Die Sowjetunion unterstützte aktiv die antiimperialistisch-demokratische Umwälzung auf dem Lande. Die sowjetischen Besatzungsbehörden halfen mit Pferden, Saatgetreide und Saatkartoffeln. Im September 1947 ordnete die SMAD an, in der sowjetischen Besatzungszone in kurzer Zeit mindestens 37 000 Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf dem Lande zu errichten. Diese und andere Maßnahmen der SMAD erleichterten und beschleunigten die Durchführung der demokratischen Bodenreform und sicherten ihre Ergebnisse.
Auch in den westlichen Besatzungszonen forderten demokratische Kräfte die Aufteilung der Güter über 100 Hektar Nutzfläche und eine Neuaufteilung des Bodens. In Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wurden entsprechende Gesetze angenommen. Imperialistische Kreise und rechtssozialdemokratische Führer verhinderten aber, dass diese Gesetze umgesetzt werden konnten. Sie befürchteten nicht zu Unrecht, dass durch eine Bodenreform der Imperialismus auch in den Westzonen an Einfluss verlieren würde. So blieb- mit Unterstützung der westlichen Besatzungsmächte- der Großgrundbesitz in den westlichen Besatzungszonen unangetastet.
Am 11. Januar 1947 verzichtete die Regierung der Sowjetunion auf die Demontage von etwa 200 Großbetrieben, die in Übereinstimmung mit den Vier-Mächte-Vereinbarungen über die Wiedergutmachung eines Teiles der vom Hitlerfaschismus verursachten Schäden vorgesehen war. Die Regierung der UdSSR übernahm diese Betriebe in sowjetisches Eigentum und verwandelte sie in Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG). Ihr Wert wurde als Reparationsleistung anerkannt. Diese Entscheidung der UdSSR sicherte Tausenden Arbeitern und Angestellten ihre Arbeitsplätze und ermöglichte es, diese Betriebe für den demokratischen Neuaufbau zu erhalten.

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981, bearbeitet von Petra Reichel