Die Konterrevolution siegt

Als Ende Juni 1989 das 8. Plenum des ZK zusammentrat, erwarteten viele Parteimitglieder Impulse, wie die offensichtliche Krise zu bewältigen wäre. Aber es geschah nichts. Die politische und ökonomische Situation wurde schöngeredet und die aktuellen Probleme einfach ignoriert. Es machte sich eine Atmosphäre der Ausweglosigkeit und des Pessimismus breit. Die Mitglieder des SED Politbüros verkannten völlig, dass sie ihre letzte Chance verspielt hatten.

Bild: Netz-Fund

Was die Bewusstseinsentwicklung betrifft, hatten die Genossen offenbar nicht mitgekriegt, dass das Bewusstsein -wie alle Seiten des Lebens- in der DDR eine Aufstiegs- und eine Abstiegsphase durchlaufen hat. Die antifaschistische, antiimperialistische und sozialistische Erziehung hat bis Ende der 1960er Jahre hinein spürbare Erfolge gehabt und zur Entwicklung eines DDR-Selbstbewusstseins bei der Mehrheit der DDR-Bevölkerung geführt. Dann aber setzte -auch im Bewusstsein- eine Rückwärtsentwicklung ein, deren Hauptsache darin lag, dass, ausgehend vom XX. Parteitag der KPdSU die klaren Klassenpositionen verlassen wurden und zur Hauptgefahr für den Sozialismus nicht mehr der Imperialismus, und auf ideologischem Gebiet nicht mehr der Revisionismus, sondern der Dogmatismus und das Sektierertum erklärt wurden. Der Imperialismus avancierte vom Todfeind des Sozialismus zum angeblich unverzichtbaren Partner bei der Sicherung des Friedens! Mit Helsinki setzte der Imperialismus durch, dass im Bewusstsein der Menschen der Kampf um die soziale und politische Befreiung immer mehr zurückgedrängt wurde und dominierend in den Vordergrund gerückt wurde die „Sicherung der Menschenrechte“ in den sozialistischen Staaten. Egon Bahr hatte schon viele Male bestätigt, dass Helsinki ein großer Erfolg der Politik „Wandel durch Annäherung“gewesen ist, weil damit der Anfang vom Ende der Sowjetunion und der DDR eingeleitet wurde.

Bildquelle: Gute Zitate https://gutezitate.com/zitat/145554

Das größte Problem aber lag außerhalb der SED. Es war, was Alexander Sinowjew auf die Frage geantwortet hatte, womit er erkläre, dass die Sowjetordnung ohne einen einzigen Schuss gefallen ist: „Nicht wegen ihrer Lebensunfähigkeit brach sie zusammen, sondern wegen der Verräter, die mit einem mächtigen äußeren Feind gemeinsame Sache machten. Der Zusammenbruch ging ohne einen einzigen Mucks vonstatten, weil die KPdSU-Elite den systematischen Ausverkauf des Sozialismus betrieben hatten.“

Deshalb nun noch einmal ein Blick auf die Sowjetunion Ende der 1980er Jahre. Der Original-Autor dieses Beitrages hatte Herrn Gorbatschow davon reden hören, „wir“ müssten „gemeinsam mit den kapitalistischen Ländern“ das „Haus Europa“ errichten. Der Original-Autor dieses Beitrages fand damals, die Sache Gorbatschows wäre es eigentlich gewesen, sich Sorgen um den Zustand des Bündnisses der sozialistischen Staaten zu machen und Schritte zu dessen Festigung einzuleiten, aber gewundert hat es den Original-Autoren dieses Beitrages nicht, dass Gorbatschow genau das Gegenteil tat. Gorbatschow und sein Außenminister Schewardnadse hatten doch schon vor der UNO verkündet, die Politik der friedlichen Koexistenz sei keine Form des Klassenkampfes, und er benutzte doch die Autorität der Macht der Sowjetunion, um auch die Führungen der anderen kommunistischen Parteien und der sozialistischen Länder zur Zustimmung dieser revisionistischen, konterrevolutionären Politik zu drängen.

Der Original-Autor dieses Beitrages erinnert sich noch an Gorbatschows Herzensfreundschaft mit dem damaligen Bundeskanzler Kohl, offenbart bei dem Treffen der beiden im Kaukasus, an Gorbatschows emsige Reisetätigkeit in alle sozialistischen Länder, sogar bis nach China, um überall in seinen Reden die Notwendigkeit des Klassenkampfes zugunsten eines gemeinsamen Eintretens für die „allgemein menschlichen Interessen“ zu verkünden und zu fördern – und mit wem sollten wir gemeinsam für dies allgemein-menschlichen Interessen eintreten? Mit den USA!

Der Original-Autor dieses Beitrages erinnert sich noch sehr genau an Gorbatschows 13-Milliarden-Deal mit Kohl für die Preisgabe der DDR an die BRD und die NATO!

Die Gegner der DDR -außen und innen- erkannten die Situation „als strategische Orientierung“. Die stabsmäßig von der BRD organisierte „Massenflucht“ lief planmäßig ab. Die Konzeption ging auf, auch weil die politischen Zentren der DDR bis Ende September handlungsunfähig waren. Es herrschte politische Sprachlosigkeit.

„Gorbi“ hatte von 12. Juni bis zum 15. Juni die BRD besucht und war zweimal mit Kohl zu „Vier-Augen-Gesprächen“ zusammengetroffen. Die „Männerfreundschaft“ war längst entstanden und di Weichen waren gestellt. Die DDR war illegal „verkauft“ worden. Nicht umsonst schwärmte Gorbatschow noch Jahre danach von diesem Treffen am Rhein. Die Kräfte der inneren Konterrevolution, das zeigten die „Runden-Tisch-Gespräche“, dienten nur dazu, die neue DDR-Führung vor sich herzutreiben. Die innerparteiliche Opposition in der SED hatte ich formiert, wenn auch Krenz und Herger meinten, es habe sie nicht gegeben. Eine völlige Verkennung der realen Lage!

Bildquelle: „Runder Tisch“ von Ludacrizzz 18:43, 16 March 2007 (UTC) – Eigenes Werk. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Runder_tisch.png#/media/File:Runder_tisch.png

 

Der am 09. November 1989 verunglückte Versuch einer neuen Reiseverordnung wurde durch die bewusste Verratshandlung Schabowskis, die sofortige Grenzöffnung, zur Farce.  Er wollte nicht nur den „Ruhm“ der „Maueröffnung“ einheimsen, er hatte sich auf die Seite jener geschlagen, die darauf hinarbeitete, den neuen Generalsekretär zu destabilisieren. Die Versuche von Egon Krenz und teilweise Hans Modrow, die Lage zu stabilisieren, schlugen fehl, weil sie noch immer auf die „Schutzschild-Funktion“ der Sowjetunion und Gorbatschows bauten. Es fehlte an politischer Klarheit.

Pressekonferenz am 09. November 1989
Bildquelle: „Bundesarchiv Bild 183-1989-1109-030, Berlin, Schabowski auf Pressekonferenz“ von Bundesarchiv, Bild 183-1989-1109-030 / Lehmann, Thomas / CC-BY-SA 3.0. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 de über Wikimedia Commonshttps://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-1989-1109-030,_Berlin,_Schabowski_auf_Pressekonferenz.jpg#/media/File:Bundesarchiv_Bild_183-1989-1109-030,_Berlin,_Schabowski_auf_Pressekonferenz.jpg

 

 

Immerhin bestanden im westlichen Bündnis in der „Deutschen Frage“ noch erhebliche innerimperialistische Widersprüche. Es wurde nicht einmal versucht, sie geschickt zu nutzen. Hinzu kam, dass Egon Krenz glaubte, dass mit seiner Bereitschaft, den Führungsanspruch der SED in der Verfassung aufzugeben, innere Widerstandskräfte gegen den Ausverkauf der DDR mobilisieren könnte. Reine Illusion und purer Revisionismus! Der am 01.12.1989 auf Antrag der SED-Fraktion nach Begründung durch Hans Modrow beschlossene „Verzicht auf den Führungsanspruch der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“ gab jeden Spielraum auf und wurde zum politischen Suizid.

Hätte in dieser Situation noch etwas getan werden können zur Rettung der DDR? Bietet die Geschichte Beispiele dafür, dass es möglich ist, die Revolution gegen eine erdrückende Übermacht siegreich zu verteidigen? Ja, natürlich. Das klassische Beispiel hat die russische Revolution gleich zweimal geliefert -mit dem Sieg über die Intervention und die innere Konterrevolution 1917 bis 1920 und im Vaterländischen Krieg gegen faschistische Invasoren. Und Kuba ist das leuchtende Beispiel für den erfolgreichen Widerstand. Die kubanische Regierung unter der Führung von Fidel Castro hat bewiesen, dass eine Befolgung der Lehre Lenins eine Revolution selbst unter äußerst ungünstigen Verhältnissen unbesiegbar machen kann. Weil Fidel Castro die Schwierigkeiten und Mängel nie zu beschönigen suchte, sondern immer offen über sie sprach, auch nicht davor zurückschreckte, eigene Fehler zuzugeben, aber zugleich Wege zeigte, alle Schwierigkeiten zu überwinden, hat das kubanische Volk seine Revolution und seine Regierung selbst unter beispiellosen harten Lebensbedingungen verteidigt und jede Kapitulation von sich gewiesen. Voraussetzung dafür ist aber die Führung durch eine zielklare revolutionäre Partei und die feste Verbindung der Führung mit den Massen. Diese Voraussetzungen waren in der DDR 1989 nicht mehr gegeben.

Partei und Regierung hatten das Vertrauen und die Unterstützung großer Teile der Bevölkerung verloren. Unübersehbare Symptome dafür waren die Flucht von Tausenden Bürgerinnen und Bürgern der DDR über die BRD-Botschaften in der Tschechoslowakei und Ungarn in die BRD. (Viele Bürgerinnen und Bürger der DDR glaubten die BRD sei ein Wunderland.)

Aber die Parteiführung besaß auch nicht mehr das Vertrauen großer Teile der eigenen Partei! Was das im Hinblick auf die Fähigkeit zur Verteidigung der Republik schon schlimm, so war es noch schlimmer, ja das Schlimmste, dass -soweit es der Original-Autor in der Parteiorganisation seines Bereiches überblicken konnte, aber ganz bestimmt war es nicht nur dort so -der Hoffnungsträger und Vertrauensträger der Mehrheit der Parteimitglieder genau der Mann war, der das sozialistische Deutschland liquidieren und an die BRD ausliefern wollte- nämlich Gorbatschow.

Der Original-Autor dieses Beitrages erinnert sich auch an den Demonstrationszug der FDJ am 07.Oktober 1989 vorbei an der Tribüne mit Honecker und Gorbatschow, aus dem die begeisterten „Gorbi-Gorbi“!-Rufe die wenigen und schwachen „Honni“-Rufe laut überschallten. Er erinnert sich auch an die Diskussionen in den Jahren 1988/89, in denen von Genossen alle Hoffnungen daraufgesetzt wurden, dass Gorbatschow einen Führungswechsel in der DDR durchsetzt, um auch hier „Perestroika“ und „Glasnost“ einzuführen.

 

Auf der Parade schaut Gorbatschow bedeutungsvoll auf seine Uhr (Honecker lacht nicht mehr lange P.R.)
FOTO: IMAGO  Bildquelle: Der Tagesspiegel https://www.tagesspiegel.de/berlin/7-oktober-1989-der-letzte-tanz-der-totgesagten-beim-40-geburtstag-der-ddr/10800012.html

Außerdem erinnert er sich an die Kundgebung auf dem Alexanderplatz am 04. November 1989, einberufen von prominenten Künstlern und Kulturschaffenden der DDR, mit Rednern wie Heiner Müller, Lothar Bisky, Gregor Gysi, Stephan Heym, Christa Wolf, Markus Wolf, Käthe Reichel, Steffi Spira und anderen. Käthe Reichel hielt dort eine Rede, für sie sich heute schämt.

Demonstranten bekleben den Palast der Republik, den Sitz der Volkskammer, mit Losungen von „Demokratie Jetzt“ 

(Na, was ist, wenn heute jemand die Wand des Reichstagsgebäudes, den Sitz des Bundestages, beklebt? Ein Verfahren wegen Sachbeschädigung wäre da noch das Mindeste. P.R.)

Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-1989-1104-014 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5347548

Und als letztes erinnert er sich daran, dass auch die Parteiführung gespalten war in solche wie Honecker, die wussten, dass die Übertragung der Perestroika in die DDR das Ende der DDR bedeuten würde -sie waren bekanntlich in der Minderheit- und in Parteigänger Gorbatschows, die in konspirativer Absprache mit Moskau Honeckers Absetzung beschlossen und durchführten.

Es gibt Genossen die der Ansicht sind, die Ursache des Untergangs der DDR wäre gewesen das die Staatsmacht nicht zur Erhaltung der DDR eingesetzt wurde und dass im Herbst 1989 nicht zur militärischen Verteidigung aufgerufen wurde. Diese Genossen äußern ihre scharfe Missbilligung jenen „Genossen in unseren Reihen“ gegenüber, „die heute noch stolz darauf sind, die Staatsgewalt, über die wir damals verfügten, nicht eingesetzt zu haben“. Denn: Wer über den Partei- und Staatsapparat verfüge, ihn aber selbst im Augenblick höchster Bedrohung nicht einsetze, werde die Macht zwangsläufig verlieren.

Die Genossen sind anscheinend davon überzeugt, dass wir heute noch die DDR hätten, wenn „wir“damals „den Partei- und Staatsapparat eingesetzt“ hätten. Angesichts solcher Meinungen muss man sich fragen: Wo eigentlich, in welcher DDR, haben diese Genossen gelebt, dass sie so ein kenntnisloses Bild der Situation von 1988/89 haben? (Da war bereits alles zu spät.)

Wer hätte es tun sollen, auf welche Weise und gegen wen? Es wäre in jedem Falle ein Einsatz nicht gegen den Feind, sondern mehrheitlich gegen die eigenen -allerdings den raffiniert-demagogischen Parolen des Feindes folgenden- Leute gewesen, und ein Einsatz zudem, der nur eines zu Folge gehabt hätte: die völlige Diskreditierung der eigenen Regierung und der SED und damit die Beschleunigung des Endes der DDR.

Bei nüchterner Analyse der damaligen Situation -der Entschlossenheit der sowjetischen Führung zur Restauration kapitalistischer Verhältnisse nicht nur im eigenen Lande, sondern auch in allen unter ihrem Einfluss stehenden und von ihr abhängigen sozialistischen Staaten und bei dem inneren Zustand der DDR, der weitgehenden ideologischen Zersetzung und Spaltung der führenden Partei und deren Vertrauensverlust bei den Massen- konnte das Ende der DDR durch politische oder gar militärische Maßnahmen nicht mehr verhindert werden.

Wohl aber wäre als Mindestes zu verhindern gewesen, dass die DDR so schmählich unterging: Das war vor allem das Ergebnis dessen, dass über Jahre hinweg die Führung offenkundig wachsende Schwierigkeiten und Mängel nicht zur Sprache brachte, sondern stattdessen in den Medien die Wirklichkeit schönreden und Tag für Tag nur von Erfolgen berichten ließ, von denen die Menschen in ihrem Alltag schon längere Zeit nichts mehr zu verspürten und sich durch diese Medien-Berichterstattung nicht ernstgenommen, sondern verkohlt fühlten. Das war, wie schon gesagt, das Gegenteil einer Führung im Sinne Lenins, dessen Maxime war, Schwierigkeiten und Gegensätze nicht zu verschweigen und zu verkleistern, sondern offen auszusprechen. Nicht zu handeln hatte für die Führung der DDR spezielle Gründe, hatten doch viele Schwierigkeiten ihre Ursachen in der Gorbatschow-Politik gegenüber der DDR. Aber offen über diese Ursachen zu sprechen hätte bedeutet, offen Stellung zu nehmen gegen viele Aspekte der Gorbatschow-Politik. Was die Führung der DDR gehindert hat, einen solchen mutigen Schritt zu tun, darüber ist in Honeckers „Moabiter Notizen“ im Zusammenhang mit der Kritik an Gorbatschows Revision der Geschichte zu lesen:

„Ganze Generationen waren im Geiste des unerschütterlichen Vertrauens zur Sowjetunion erzogen. Sie mussten nun zum zweiten Mal -1956 und dann 1985-1990- verdauen, was nun nicht mehr vom Gegner kam. Alles wurde plötzlich umgewertet. Alles erfuhr eine Neubewertung. Es wurde alles in Frage gestellt, was bisher richtig schien, die Oktoberrevolution eingeschlossen. Wie konnte, wie musste sich unsere Partei dem stellen? Was hätte eine Konfrontation mit einer in der SU offen geduldeten Politik bewirkt? Hätten das die Menschen verstanden?“

Nein, sie hätten es zunächst nicht verstanden, wie ihre Reaktion auf das Verbot der konterrevolutionären, gorbatschowistischen Zeitschrift „Sputnik“ in der DDR zeigte. Aber es wäre wenigstens ein Zeichen des Widerstands gegen eine verderbliche Politik gewesen, die hinterher von vielen verstanden und gewürdigt worden wäre.

So aber inszenierte die innerparteiliche, revisionistischen Opposition ihren Partei-Putsch widerstandslos und voll auf der Linie Gorbatschows mit einer Stalinismus-Hetze sondergleichen, hervorragende  Genossen der SED wurden von den neuen Herren der SED/PDS ausgegrenzt, mit Parteistrafen belegt oder ganz aus der Partei ausgeschlossen und obendrein strafrechtlich verfolgt. Die SED gab es nicht mehr.

Und ein Hans Modrow als Ministerpräsident ließ Erich Honecker, Heinz Keßler und andere verhaften und einsperren. Mehr noch: als er von seinem Treffen mit Gorbatschow aus Moskau zurückkehrte, betätigt er sich als dessen Helfershelfer bei der Auslöschung der DDR, indem er den Anschluss an die BRD frivol und zynisch mit den Worten der DDR-Hymne „Deutschland, einig Vaterland“ ankündigte, damit die endgültige Kapitulation der DDR vollzog und sie an die alten Kräfte des deutschen Imperialismus, die 40 Jahre keine Gewalt mehr über das Gebiet der DDR hatten, verschenkte.

Er wurde dafür aber vom Volk der DDR nicht davongejagt, sondern er konnte sich sicher sein, dass sich dagegen kein Widerstand regen würde. Trotz ihrer großen Zahl und ihrer Schwere waren es nicht die eigenen Fehler, die zum Todesurteil der DDR führten. Die letztlich entscheidende Ursache dafür, dass die imperialistische Konzeption des „Roll Back“ (in der Form des „Wandels durch Annäherung“) doch siegreich war, war die Tatsache der Ausbreitung des Revisionismus, der zwar verbal in kollektiven Dokumenten der kommunistischen Weltbewegung noch unter Chruschtschow „als Hauptgefahr“ angeprangert, in der Praxis als solche aber nicht bekämpft, nicht entlarvt, ja nicht einmal thematisiert wurde. Er breitete sich nach dem XX. Parteitag der KPdSU von der Ära Chruschtschow bis zur Ära Gorbatschow in der KPdSU und in anderen kommunistischen Parteien des sozialistischen Lagers aus und zersetzte in ihnen das marxistisch-leninistische Parteibewusstsein.

Das Nachdenken über die Ursachen, über Art und Weise des Untergangs der DDR und des gesamten sozialistischen Lagers in Europa wird nicht nur in den eigenen Reihen, sondern auch unter den mit ihr verbundenen internationalen kommunistischen Parteien und Kräften lange anhalten.

Wahrscheinlich, bis sich in der kommunistischen Bewegung eine klare, einheitliche Bewertung der Rolle des XX. Parteitages der KPdSU als Ausgangspunkt des Revisionismus in den Parteien des sozialistischen Lagers durchgesetzt hat.

 

Original-Autor dieses Beitrages ist Dipl. Ing. ök Dieter Itzerott, Torgau, in Kooperation mit dem Historiker Dr. Kurt Gossweiler, Berlin

Entnommen aus „Unter Feuer – Die Konterrevolution in der DDR“, Herausgeber OFFENSIV, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Unter Feuer“

Probleme der SED vor allem in den 1980er Jahren

Alle mit marxistisch-leninistischer Weltanschauung stehen in der Pflicht, nach der Niederlage das ganze politische Rüstzeuge, über das die SED verfügte, auf den Prüfstand zu stellen. Aber es sei hier noch einmal deutlich gesagt: Die dabei nötige Benennung von Defiziten muss absolut ausschließen, dass der Sozialismus und die DDR als solche in Zweifel gezogen werden.

Die marxistische Analyse darf kein Spielmaterial für DDR-Delegimitierende und Kriminalisierende beliebiger Art liefern.

Wer Dinge untersucht, muss davon ausgehen, dass im Rückblick alles viel einfacher und überschaubarer erscheint, als es auf die damaligen Akteurinnen und Akteure in deren konkreter Situation wirkte. 

Und noch etwas ist zu beachten: Begangene Fehler dürfen nicht pauschal auf die gesamten 45 Jahre des Kampfes im Osten Deutschlands bezogen werden. Denn die einzelnen Entwicklungsetappen trugen durchaus unterschiedlichen Charakter und ihre jeweilige Spezifik. Was misslang, ging nicht wegen des Marxismus-Leninismus, sondern aufgrund der Abweichung von seinen Prinzipien schief.

Der Aufbau des Sozialismus in der DDR ging unter äußeren Bedingungen vor sich, die historisch einmalig waren (die Existenz eines potenten kapitalistischen Staates auf deutschem Boden, vorderste Frontlinie im Kalten Krieg, die Wirkung des XX. Parteitages der KPdSU und deren folgenden revisionistischen Erosion). Äußere Ursachen hatten also ein besonderes Gewicht. Die inneren Ursachen sind im dialektischen Zusammenhang damit sehr komplex und in den verschiedenen Entwicklungsetappen unterschiedlich wirksam geworden und schwer zu verallgemeinern.

Ein Kardinal-Fehler war die Vernachlässigung der ständigen Bewertung des tatsächlichen Bewusstseinstandes der Klassen und Schichten der DDR-Bevölkerung wie der eigenen Parteimitgliedschaft. Es gab die Neigung das Niveau des Bewusstseins zu überschätzen. Man hielt, wie Genosse Heinz Keßler bemerkte, an einer vereinfachten Sicht auf die Arbeiterklasse fest und beschränkte sich sogar auf die verbale Betonung ihrer Rolle als historisches Subjekt, ja man ging sogar zu einer Idealisierung über. Die Langzeitwirkung bürgerlicher Denk- und Verhaltensweisen wurde unterschätzt. Es gab Zeiten spürbarer Fortschritte bei der Bewusstseinsentwicklung in der zweiten Hälfte der 1950er in den 1960er Jahren. Doch Ende der 1970er Jahre und in den 1980er Jahren kam es aus den oben beschriebenen Gründen zu Erosionen im Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse, unter der Jugend und bei der Intelligenz.

Das hatte zur Folge, dass bei anstehenden, komplizierten Aufgaben das Tempo willkürlich forciert wurde ohne Rücksicht auf den wirklichen Reifegrad der Partei und der Massen zu nehmen.

Die Notwendigkeit der Verstärkung der politisch-ideologischen Arbeit wurde in Beschlüssen hervorgehoben. Die Ideologie wurde jedoch immer deutlicher zur Dienerin der aktuellen Politik und inhaltlich immer stärker auf kurzfristige Ziele und tagespolitische Probleme gerichtet. Statt Werke der Klassiker des Marxismus-Leninismus kamen immer mehr Reden der Mitglieder des Politbüros und Parteibeschlüsse auf die Liste der von Teilnehmenden am Parteilehrjahr zu lesenden „Pflichtliteratur“. Dies scheint überhaupt ein Wesenswerkmal  revisionistischer Aufweichungen zu sein: die Abkehr vom Grundlagenstudium und damit von Wissenschaftlichkeit der marxistisch-leninistischen Weltanschauung und Hinwendung zum Auswendiglernen aktueller (und natürlich opportunistischer und revisionistischer) strategischer Orientierungen der Führung. Das formell noch immer umfangreiche und differenzierte Instrumentarium der ideologischen Tätigkeit wurde im Formalismus erstickt, das Interesse der Parteimitglieder und der anderen Schichten der Teilnehmenden ließ nach, die Teilnahme zur Pflichtübung.

Während unter Walter Ulbricht die offene Diskussion und Polemik zu theoretischen Grundfragen geführt wurde, traten an deren Stelle abgelesene Monologe. Immer deutlicher wurde sichtbar, dass die erlebte Wirklichkeit im Gegensatz zu den ideologischen Thesen stand. Das führte zu nachlassender Glaubwürdigkeit der Partei unter den Mitgliedern und den parteilosen Massen.

Besonders die immer restriktiver werdende Informationspolitik der Medien stieß zu Recht auf Ablehnung. Schönfärberischer Aktionismus, dauernde Erfolgsmeldungen, Kampagnehaftigkeit und peinliche „Hofberichterstattung“ prägten zunehmend deren Bild.

Besonders verhängnisvoll war die defensive Reaktion auf die schon erwähnte, mit der Schlussakte von Helsinki ausgehende „Menschenrechtskampagne“ des Imperialismus. Dazu gehört auch das Dokument „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“, dass 1987 zwischen SED und SPD unterzeichnet wurde und das sich als ein Einfallstor der Konterrevolution erweisen sollte.

Bei der Bewertung des Wirkens einer marxistisch-leninistischen Partei ist die Frage nach Niveau und Verfasstheit ihrer theoretischen Arbeit von Bedeutung.  Die SED verfügte über leistungsfähige Theoriekapazitäten und besaß marxistisch gebildete Kader (Personal). Andererseits haben Erscheinungen wie die Leugnung und Unterschätzung von Widersprüchen im Sozialismus sowie der voluntarische Umgang mit der „Gesetzmäßigkeit“ eines Sieges (Unumkehrbarkeitsthese) fatale Wirkungen gehabt. Die parallel zum „Eurokommunismus“ anwachsende Tendenz revisionistischer Auffassungen in einige Theorie-Zentren wurden nicht erkannt oder nicht ernst genommen.

Der „Demokratische Zentralismus“ ist das von Lenin formulierte Organisationsprinzip einer marxistisch-leninistischen Partei. Als solche verstand sich die SED. Der schöpferische Umgang mit ihm war in ihrem Statut festgeschrieben. Ohne eine Praxis auf seiner Grundlage wären die Erfolge der SED bei der Führung der gesellschaftlichen Entwicklung nicht möglich gewesen. Aber der demokratische Zentralismus wurde im Kontext mit den konkreten Erscheinungen des Klassenkampfes und der Probleme mit dem von der KPdSU ausgehenden Revisionismus verzerrt angewandt. Die innerparteiliche Demokratie als entscheidende Voraussetzung wurde immer mehr eingeengt. Das führte zu einer unzulässigen Verschärfung bürokratisch-zentralistischer Tendenzen. Das Leninsche Vermächtnis von der Notwendigkeit des kompromisslosen Kampfes gegen diese Tendenzen blieb zunächst unbeachtet. Der Abbau der innerparteilichen Demokratie ging von oben aus und blieb zunächst an der Basis unbemerkt. Ein Kernproblem war dabei die Konzentration mannigfaltigen Wissens auf einen ausgewählten, begrenzten Kreis von Funktionären. Der Besitz dieser Informationen verlieh das Recht auf Entscheidungen und letztlich Macht. Das hatte Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Mitglieder und auf die Kollektivität in den Führungsorganen auf allen Ebenen.

Weitere Erscheinungen des Demokratieabbaus in der Partei:

-die Rechenschaftslegung des ZK an die Parteitage war unter Leitung von Walter Ulbricht garantiert; ab dem VIII. Parteitag gab es keine Rechenschaftslegung mehr;

-die zeitlichen Fristen zwischen den Tagungen des ZK wurden verlängert, die Sitzungsdauer verkürzt;

-die ZK-Sitzungen wurden immer mehr freigehalten von Auseinandersetzungen und Ringen um Entscheidungen, an deren Stelle traten „Zustimmungserklärungen“ und Bekenntnisse zur „Linie“;

-keine Rede auf Tagungen wurde gehalten, ohne dass sie der Führung bekannt war und durch sie „abgesegnet“ wurde;

-keine Berichterstattung einer Kreisleitung vor dem Politbüro, die nicht bis ins Detail vom Apparat des ZK kontrolliert wurde.

Verantwortliche, darunter die Original-Autoren dieses Beitrages wussten um diese Praktiken und ihren Widerspruch zum Statut. Warum haben sie nicht dagegen opponiert?  Die einzig wirksame Gegenstrategie wäre die Mobilisierung der Kontrolle durch die Basis gewesen. Doch die Verantwortlichen, darunter die Original-Autoren dieses Beitrages befanden sich im Konflikt zwischen ihrer Verantwortung für die Einheit der Partei und der Parteidisziplin.

Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielte die Kadernomenklatur des ZK (Verteilung von Posten). Sie uferte im Laufe der Jahre immer mehr aus. Der Apparat des ZK entschied über Einsatz und Abberufung. Eine solchen Nomenklatur hat durchaus ihre Berechtigung und in komplizierten Klassenkampfsituationen ist auch eine zeitweilige Ausdehnung berechtigt. Aber im Grunde wurde zusammen mit dem „Laufbahnmechanismus“ das im Statut festgeschriebene Prinzip der Wahl der Kader(Personalauswahl) von unten nach oben auf den Kopf gestellt. Folgen dieser und anderer Tendenzen waren eine Aufweichung des kommunistischen Parteibewusstseins und das verstärkte Hochkommen des Karrierismus.

Es bleibt festzustellen: die Rechte und Pflichten der Parteimitglieder waren beträchtlich, wurden aber durch stetige Einengungen konterkariert. War es bis zum VIII. Parteitag üblich, dass turnusmäßig Beratungen des Politbüros mit den Ersten Sekretären der Kreisleitungen durchgeführt wurden, verkam diese Form des demokratischen Meinungsaustausches der Führung mit diesem Kreis der Basis-Funktionäre in eine Form der Disziplinierung. An Stelle regen Erfahrungsaustausches trat ein 5-stündiges Referat des Generalsekretärs, das den Ersten Sekretären danach gedruckt ausgehändigt wurde mit der Verpflichtung, es wörtlich vor dem Kreisparteiaktiv zu verlesen. Diskussionen darüber gab es nicht mehr.

In Zusammenhang mit diesen Tendenzen steht die Frage nach der Mitgliederstärke der Partei. Und die Frage: Wer kann Mitglied der Partei sein? Aus der Geschichte der KPdSU ist die prinzipielle Auseinandersetzung zwischen Lenin und Markow zum Punkt I des Statuts (zur Parteimitgliedschaft) bekannt. Lenins Standpunkt war, dass das Statut als „Grundgesetz der Partei“ exakt formuliert, wodurch ein Mitglied der Partei sich auszeichnen muss. Er wandte sich dabei gegen die Definition der Partei als „Massenpartei“. Lenin vertrat den Standpunkt, dass eine strenge Auswahl die zahlenmäßige Stärke der Partei bestimmen muss. Zitat: „…es ist besser, zehn Arbeiter bezeichnen sich nicht als Parteimitglied als dass ein Schwätzer das Recht und die Möglichkeit hat, Parteimitglied zu sein.“ Die zahlenmäßige Stärke der Partei wurde von ihm stets mit dem Bewusstseinsstand der Mitglieder und dem Parteierziehungsprozess in unterschiedlichen konkret-historischen Situationen gesehen. Er verwies auf den Zusammenhang zwischen zahlenmäßiger Größe der Partei und damit verbundener „unvermeidlicher Tendenz der Zunahme des Zentralismus“ und „organisatorischer Verschwommenheit“. Und Lenin sah die reale Gefahr, „dass die Versuchung, in die Regierungspartei einzutreten, riesig groß ist und damit Karrieristen in die Partei kommen“. 1922 stellte Lenin fest, dass die KPdSU mit 300 000 Mitgliedern entschieden zu groß sei und er forderte eine Verringerung der Mitgliederzahl. Als Weg dazu schlug er eine Verlängerung der Kandidatenzeit vor, „man müsse sie zu einer ernsthaften Probezeit“ gestalten, und er forderte, konkret festzulegen, worin das wirkliche Durchmachen der Kandidatenzeit bestehen und wie die Kontrolle darüber ausgeübt werden soll. Dieses Leninsche Vermächtnis wurde in der SED vor allem ab der Mitte der 1950er Jahre nicht mehr beachtet.

Mitgliederentwicklung der SED:

1946: nach Vereinigungs-Parteitag   1 298 415

1949: nach Gründung der DDR          1 603 754

1970:                                                      1 904 026

1988:                                                      2 300 000

Die Schieflage der Mitgliederentwicklung wird auch an solchen Fakten sichtbar wie dem, dass der Grad der Organisiertheit in der SED unter Pädagoginnen und Pädagogen 70 % betrug. Ähnlich war das unter der Intelligenz in den Industriegroßbetrieben. Die Kandidatenzeit wurde mehr und mehr zur Formalität. In den 1970er Jahren wurde sogar den Kreisleitungen der FDJ das Recht zuerkannt, eine Bürgschaft zu übernehmen. Auch die mehrfach durchgeführten Parteiüberprüfungen bzw. Umtauschaktionen der Mitgliedsbücher wurden nicht zu einer Parteireinigung genutzt und waren keine Schritte, um die Rolle der Partei als Avantgarde damit immer neu zu erringen. Die Auswirkungen auf die politisch-ideologische Festigkeit und Kampfkraft der Partei wurden bald sichtbar. Die Losung: „Wo ein Genosse ist, da ist die Partei“ war zur reinen Agitationsphrase(Werbespruch)  geworden.

Das vom IX. Parteitag veränderte Programm war Ausdruck einer vom realen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung geprägten Realitätsferne und hatte mit einer wissenschaftlichen, marxistischen Gesellschaftsperspektive nichts gemein.

Blick in den großen Saal des Palastes Der Republik während der Beratungen dees IX. Parteitages der SED
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981
Annahme des Parteiprogramms der SED durch die Delegierten des Parteitages
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Entnommen aus „Unter Feuer – Die Konterrevolution in der DDR“ Herausgeber OFFENSIV, Original-Autor dieses Beitrages ist Dip. Ing. ök Dieter Itzerott, Torgau in Kooperation mit dem Historiker Dr. Kurt Gossweiler, Berlin

Bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Unter Feuer“

Der Wechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker

Die Ablösung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker, die offiziell auf Wunsch von Walter Ulbricht und mit der Berufung auf sein Alter von ihm selbst erklärt und der Partei bekanntgemacht wurde, hatte eine Vorgeschichte und erfolgte nicht ohne Einfluss aus Moskau.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Am 21. Januar 1971 hatten sich einige Mitglieder des Politbüros der SED, darunter Axen, Grüneberg, Hager, Honecker, Mittag, Müncheberger und Kleiber, an das Politbüro der KPdSU mit einem Brief gewandt in dem sie sich auf Differenzen mit Walter Ulbricht zu Grundlagen der Politik beriefen und Leonid Breschnew baten, „in den nächsten Tagen mit Genossen Walter Ulbricht ein Gespräch zu führen, in dessen Ergebnis dieser von sich aus das Zentralkomitee der SED bittet, ihn auf Grund seines hohen Alters und seines Gesundheitszustandes von der Funktion des Ersten Sekretärs zu entbinden. Diese Frage sollte möglichst bald gelöst werden, das heißt unbedingt noch vor dem VIII. Parteitag der SED.“

So verlief der Wechsel dann auch.

Nach der Wahl Erich Honeckers zum Generalsekretär des Zentralkomitees der SED
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Das ist keineswegs als Wechsel von einem Marxisten-Leninisten zu einem Revisionisten zu sehen. Aber der Wechsel von einem im Klassenkampf erfahrensten und begabtesten Führer der deutschen und internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung zu einem vom besten Willen erfüllten, aber infolge schwacher Führungsqualitäten leicht auf Abwegen zu führendem Parteiführer. (Erich Honecker galt auch bei vielen Menschen in der einfachen Bevölkerung als lieber und guter Opa, der nicht „nein“ sagen kann. Auch als zu „weich“ wurde er wahrgenommen. Diese Eigenschaften sind keine guten Voraussetzungen für das verantwortungsvolle Amt eines Partei- und Regierungschefs.)

Überblickt man die fast 20 Jahre, in denen Erich Honecker an der Spitze der SED und des Staates stand, dann muss man feststellen, dass es ihm subjektiv ehrlich um das Wohl der DDR ging. Er hat nie daran gedacht, diese dem Imperialismus auszuliefern. Zunächst erschien es so, als sei mit ihm die Ära der größten Erfolge der DDR angebrochen. Unter der Losung der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ wurde ein umfassendes Sozialprogramm verkündet, dass von Werktätigen (Erwerbstätigen) freudig begrüßt wurde. Aber es handelte sich bei den ersten Fortschritten im Grunde nicht um Erfolge der neuen Führung, sondern die Ernte der vorangegangenen Jahre. Bald stellte sich heraus, dass das erhoffte Wachstum der Arbeitsproduktivität und der Wirtschaftskraft nicht wie geplant eintrat.

Die hohen Sozialleistungen waren „auf Sand gebaut“, wie zum Beispiel das gigantische Wohnungsbauprogramm und andere hohe Sozialleistungen. Es stellte sich bald heraus, dass das erhoffte Wachstum der Arbeitsproduktivität und die Wirtschaftskraft nicht wie geplant eintrat.  (Es fehlte die notwendige Akkumulation, wie es damals hieß. Heute würde man sagen, es fehlte die Gegenfinanzierung.)

Die Erwartungen der Menschen, die immer mehr Vergleiche mit dem Lebensstandard der BRD zogen, wurden enttäuscht. Das wäre zu ertragen gewesen, wenn die Partei offen die Ursachen der negativen Entwicklung dargelegt und mit den Parteimitgliedern und den Massen darüber beraten hätte, wie man sie meistern könnte.

Die Parteiführung ging den anderen Weg, den des Administrierens, der Vertuschung von Widersprüchen und Problemen und der Schönfärberei, der in der Medienpolitik Ausdruck fand. Die Kluft zwischen Partei und breiten Teilen der Massen war groß geworden und innerhalb der Partei verlor die Führung immer stärker das Vertrauen der einfachen Mitglieder.

Besonders drastische Auswirkungen hatte die unter Einfluss der Thesen des XX. Parteitages und der sie vertretenden revisionistische Kräfte der KPdSU getroffene Einschätzung der internationalen Beziehungen und das damit verbundene Abweichen vom klaren marxistisch-leninistischen Standpunkt der friedlichen Koexistenz. Diese neue Einschätzung ging davon aus, „dass die imperialistischen Kräfte nunmehr die von der SU und der sozialistischen Staatengemeinschaft verfochtenen Prinzipien der friedlichen Koexistenz als einzig mögliche Grundlage für die Normalisierung der Beziehungen von Staaten entgegengesetzter Gesellschaftsordnung anerkennen müssen.“ Die Tatsache, dass 1972 zahlreiche kapitalistische Staaten die DDR völkerrechtlich anerkannten und im gleichen Zeitraum die DDR in die UNO aufgenommen wurde, schien das zu bestätigen. Hinzu kam die Einschätzung, dass nun die Barriere der NATO gegen die DDR durchbrochen worden wäre.

Gab es wirklich plötzlich die „Friedensfähigkeit“ des Imperialismus und der NATO? War die treffende, weitsichtige Einschätzung der neuen imperialistischen Strategie „Wandel durch Annäherung“, die der erfahrene Kommunist und Außenpolitiker Otto Winzer getroffen hatte, dass es sich hier nämlich um die „Konterrevolution auf Filzlatschen“ handelt, vergessen?

Nüchtern betrachtet hatte die Parteiführung damit auf außenpolitischem Gebiet der revisionistischen Aufweichungspolitik in die Hände gearbeitet. So auch bei der Vorbereitung und Durchführung des folgenden KSZE-Prozesses und dem Abschluss des Helsinki-Abkommens.

Eine besondere Fehlhandlung war die Billigung des gemeinsamen Dokuments von SED und SPD vom August 1987 „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“, mit dem die Autoren eine Vorarbeit für den Herbst 1989 leisteten. Sie ging der imperialistischen Strategie auf den Leim und dem offenen Verrat einiger Mitautoren in der Arbeitsgruppe, darunter Prof. Otto Reinhold und Rolf Reißig. Prof. Erich Hahn, einer der Verhandlungsführer, sagte im August 2002 in einer Erklärung zu den eigentlichen Motiven für diese Aktion, es sei darum gegangen, Erscheinungen des Abschottens und der Abgrenzung gegenüber der westlichen Welt zu überwinden. Die Vision eines Hauses Europa schien in greifbare Nähe zu rücken.“

Hier wurde der Grad der ideologischen Aufweichung marxistisch-leninistischer SED-Positionen zugegeben. An die Stelle der friedlichen Koexistenz als Form des Klassenkampfes trat der die Gegenseite harmonisierende Terminus „Systemwettbewerb“. In einem erheblichen Teil der Mitgliedschaft der Partei erhob sich Protest dagegen, dass dem Imperialismus auf einmal „Reform und Friedensfähigkeit“ bescheinigt worden war. Nur zwei Beispiele dafür, was da unterschrieben wurde:

  1. „Die offene Diskussion über den Wettbewerb der Systeme, ihre Erfolge und Misserfolge, Vorzüge und Nachteile muss innerhalb jedes Systems möglich sein.“
  2. „Die SED unterstützt die für beide Seiten gültigen Grundsätze der pluralistischen Demokratie und bewilligt die erleichtere Verbreitung von periodischen und nicht periodisch erscheinenden Zeitungen und gedruckten Veröffentlichungen.“

Die SED war in die Falle der imperialistischen Strategie gegangen! Das waren die Einfallstore für die imperialistische Konterrevolution.

Wir erlebten nun, wie auf Grundlage des Helsinki-Vertrages die DDR systematisch sturmreif geschossen wurde. Auf dem IX. Parteitag der SED 1976 wurde die Übereinstimmung mit der revisionistischen Moskauer Linie erneut unterstrichen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

In dem dort beschlossenen Parteiprogramm wurde der Kommunismus als reales Ziel formuliert. In einer nachfolgenden Beratung mit Jugendaktivisten erklärte Erich Honeckerdie Jugend der DDR zum Erbauer des Kommunismus“ und ergänzte, „dass auch er davon ausgeht, den Kommunismus noch zu erleben.“  

Blick in den großen Saal des Palasts der Republik während der Beratungen des IX.Parteitages der SED
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Davon ist auch im Geschichtsbuch der DDR die Rede. Dass diese realitätsferne Großspurigkeit auf Chruschtschow zurückgeht, ist da nicht die Rede, denn in den Schulbüchern der DDR wurden Stalin und Chruschtschow gleichermaßen nicht benannt und verschwiegen. Hier in diesem Buch „Unter Feuer“ geht es folgendermaßen weiter.

Was für eine Ähnlichkeit mit den realitätsfernen, großmäuligen Prognosen eines Chruschtschow! Was für eine Realitätsferne angesichts der realen Lage in der Gesellschaft in der DDR! Es offenbarte sich das Maß der ideologischen Infiltration, der die DDR auch in der letzten Phase ihres Bestehens ausgesetzt war.

Die Saat Gorbatschows tat schließlich – trotz unbestrittener Bemühungen Erich Honeckers und anderer, sie in der DDR nicht aufgehen zu lassen-ihr Werk. Der die DDR zersetzende Revisionismus war nicht nur ein Moskau-Import-Produkt, sondern zum Teil auch hausgemacht. Trotz allem hatte Erich Honecker nie daran gedacht, die DDR den Imperialisten auszuliefern. (Beweis: sein kurz vor seinem Tode veröffentlichte Buch „Zu dramatischen Ereignissen“, dessen Erkenntnisse als die eines ehrlichen Kommunisten zu bewerten sind.)

Immer deutlicher zeigte sich, dass der XX. Parteitag zur entscheidenden negativen Zäsur in der Geschichte der UdSSR und der gesamten kommunistischen Weltbewegung geworden war. Unter der verlogenen Flagge „Rückkehr zu Lenin“ erfolgte der Bruch mit dem Leninismus und der Übergang auf die Positionen des Revisionismus in fast allen Grundfragen. Kurt Gossweiler nennt hier vier Hauptlinien:

 

  1. Klassenversöhnung statt Klassenkampf; für die Versöhnung mit dem Imperialismus; globale Menschheitsinteressen stünden über den Klasseninteressen; die Probleme wären nur gemeinsam mit dem Imperialismus zu lösen;
  2. Imperialismus als Vorbild für die Gestaltung des Sozialismus;
  3. Austausch von Freund- und Feindbild;
  4. Die Zerstörung des kommunistischen Parteibewusstseins.

Der Verlauf der Entwicklung bestätigt überzeugend seine Analyse!                                                                                    Mit Walter Ulbricht an der Spitze führte die SED einen ebenso entschlossenen wie flexiblen Kampf zur Verteidigung einer marxistisch-leninistischen politischen Linie. Dafür geriet sie nicht nur ins Feuer des Klassengegners, sondern sah sich immer häufiger gezwungen, Fallen auszuweichen und unschädlich zu machen, die von Moskau ausgingen. Walter Ulbricht musste bis zum Sturz Chruschtschows eine Gratwanderung vollbringen, die höchste politische Meisterschaft voraussetzte. Bei seinen Versuchen, ihn von der Spitze der SED zu beseitigen, nutzten Chruschtschow und seine Verbindungsleute in der DDR Meinungsverschiedenheiten und persönliche karrieristische Bestrebungen, die es in der Parteiführung gab, um eine Politbüro – und ZK-Mehrheit zustande zu bringen. Das war der Hintergrund der „Affären“ (Herrnstadt/Zaiser, Schirdewahn).

Bei Beachtung aller komplizierten Zusammenhänge muss man sagen, dass die SED bis 1970 nie eine revisionistische Partei war!

Entnommen aus „Unter Feuer – Die Konterrevolution in der DDR“ Herausgeber OFFENSIV, Original-Autoren dieses Beitrages Dip. Ing. ök Dieter Itzerott, Torgau in Kooperation mit dem Historiker Dr. Kurt Gossweiler, Berlin

Bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Unter Feuer“

Der Kampf der Werktätigen (Erwerbstätigen) um die Umsetzung der Beschlüsse des IX. Parteitages

Die begeisternde Atmosphäre des Parteitages, dessen Beratung von fester Zukunftsgewissheit, schöpferischem Herangehen an die Lösung gesellschaftlicher Aufgaben und berechtigtem Stolz auf das in mehr als 30 Jahren angestrengter Arbeit Erreichte durchdrungen war, wurde von den Delegierten in alle Grundorganisationen und Arbeitskollektive getragen. Sie konnten darüber berichten, welche hohe Anerkennung und Wertschätzung der SED von den mehr als 100 Vertretern kommunistischer und Arbeiterparteien entgegengebracht wurden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der 10. Klasse, Stand 1981

Dies spornte die Arbeiterklasse und alle anderen Erwerbstätigen zu neuen Initiativen im sozialistischen Wettbewerb an. Auf ihrem X. Parlament bekannte sich die FDJ aus tiefer Überzeugung zu der von der Partei der Arbeiterklasse gewiesenen damals noch klaren Perspektive des 1989/90 untergegangenen sozialistischen Vaterlandes und rief alle Mitglieder des sozialistischen Jugendverbandes auf, aktiv an der Massenbewegung „FDJ-Auftrag IX. Parteitag“ teilzunehmen. (Leider reichte dieses Engagement nicht aus. Es waren zu wenige Jugendliche mit dem Herzen dabei. Die Mehrheit war desinteressiert und nur formal Mitglied der FDJ.)

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der 10. Klasse, Stand 1981

Trotz extremer Hitze und Dürre des Sommers 1976 (Heute sind extreme Hitze und Dürre im Sommer normal. Damals war es außergewöhnlich.) erfüllten die Werktätigen (Erwerbstätigen) in Industrie und Landwirtschaft die staatlichen Pläne und schufen so gute Voraussetzungen für die Realisierung des neuen Fünfjahrplans. Durch ihre Leistungen in der Produktion erteilten sie zugleich dem verschärften ideologischen Krieg des imperialistischen Klassengegners, den dieser nach dem IX. Parteitag gegen die DDR entfachte, die gebührende Antwort. (Da sich aber nach und nach Desinteresse breit machte, hatte der Klassengegner im ideologischen Krieg gesiegt.)

Treffen zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker auf der Krim im Sommer 1976
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der 10. Klasse, Stand 1981
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der 10. Klasse, Stand 1981

Mit der Vorbereitung und Durchführung der Volkswahlen im Oktober 1976 bekannte sich das Volk der DDR einmütig zur Politik der SED, wie sie in den Beschlüssen des IX. Parteitages vorgezeichnet worden war. (Heute werden Wahlen in der DDR in Zweifel gezogen. Siehe auch Beitrag zum Thema Wahlen in der DDR.)

Als Ausdruck der damals wachsenden Führungsrolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei berief die damals neugewählte Volkskammer der DDR den Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, Erich Honecker, zum Vorsitzenden des Staatsrates, betraute Willi Stoph mit der Funktion des Vorsitzenden des Ministerrates und übertrug Horst Sindermann das Amt des Präsidenten der Volkskammer der DDR. Horst Sindermann beendete seine Karriere enttäuschend. Siehe DER SPIEGEL 19/1990

 

 

Hier enden die Geschichtsbücher der DDR. Bekanntlich wurde die Arbeiterklasse ihrer Führungsrolle immer weniger gerecht. Ihre Partei, bzw. deren Vertreter versagten kläglich in der Krise. Die Konterrevolution marschierte im Jahre 1989 nahezu ungehindert.

Für die Nachwelt sind die Geschichtsbücher der DDR eine wertvolle Quelle geworden. Die offizielle Geschichtsschreibung erfolgt im Sinne der Sieger der Geschichte. DIE TROMMLER nutzt die Geschichtsbücher der DDR, um die Geschichte im Sinne der Verlierer der Geschichte darzulegen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981, bearbeitet und aktualisiert von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Der IX. Parteitag der SED und die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft der DDR

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

In der ersten Hälfte der 1970er Jahre hatten die Arbeiterklasse und alle Werktätigen (Erwerbstätigen) unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands die Beschlüsse des VIII. Parteitages erfolgreich verwirklicht. Die vom VIII. Parteitag beschlossene Hauptaufgabe und die auf ihrer Grundlage realisierte Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik erwiesen sich bis dahin als stabile Orientierung für eine kontinuierliche und dynamische Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft. Da dem nicht so war, wird im Nachhinein der Weg „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ von manchen nicht als der richtige gesehen.

Im Ringen um die Umsetzung der Hauptaufgabe hatte sich das materielle und kulturelle Lebensniveau des Volkes weiter erhöht, waren die Bedingungen für eine neue Etappe der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft geschaffen worden. Ausgehend von dieser erfolgreichen Bilanz der Entwicklung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens der DDR und auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Analyse des seinerzeitigen revolutionären Weltprozesses bestimmte die Partei der Arbeiterklasse die strategische Aufgabenstellung für die nächste Etappe der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Auf dem IX. Parteitag der SED, der vom 18. Bis 22. Mai 1976 im neuerbauten (nun abgerissenen) Palast der Republik in Berlin tagte, erklärte dazu Erich Honecker: „Gestützt auf das Erreichte, wenden wir uns auf unserem IX. Parteitag neuen, höheren Aufgaben zu. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands stellt sich das Ziel, in der Deutschen Demokratischen Republik weiterhin die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten und so grundlegende Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus zu schaffen. Damit nehmen wir auf einem fortgeschrittenen Niveau unserer Entwicklung die Aufgaben der Gegenwart in Angriff und tun es mit dem Blick auf die Zukunft, auf unser großes Ziel, die kommunistische Gesellschaft.“ Bericht des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an den IX. Parteitag der SED. Berlin 1976, S. 6

 

Mit dieser strategischen Orientierung wurde betont:

 

  1. In der DDR werden jetzt und auch künftig die Kräfte für den Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft konzentriert.
  2. Im Prozess der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft wird die Verbindung zwischen aktuellen Aufgaben des sozialistischen Aufbaus mit der kommunistischen Zukunft immer enger. (Man bewegte sich auf ein Wolkenkuckucksheim zu, verlor den Bezug zur Basis und zur Realität. So machte dich die Partei unglaubwürdig. Der Weg führte ins Aus.)
  3. In den nächsten Fünfjahrplanperioden geht es um die Schaffung grundlegender Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus. (Oh arme DDR, wie konnte sich Erich Honecker so irren? Warum bewegte sich die Strategie der DDR weg von der Realität?)
  4. Die grundlegenden Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus werden nicht neben oder zeitlich nach der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, sondern durch ihren erfolgreichen Aufbau geschaffen. (O je, warum hat man sich nicht um eine feste Basis gekümmert? Arme DDR.)
Blick in den großen Saal des Palastes der Republik während der Beratungen des IX. Parteitages der SED
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Die Generallinie des IX. Parteitages ging davon aus, dass die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ein historischer Prozess tiefgreifender politischer, ökonomischer, sozialer und geistig-kultureller Wandlungen ist. Die Erkenntnis liegt dem vom IX. Parteitag beschlossenen neuen Parteiprogramm, dem neuen Statut der SED und der Direktive für den Fünfjahrplan von 1976 bis 1980 zugrunde. (Na ja, eine gute Erkenntnis. Allerdings geht das nicht so schnell, wie damals gedacht wurde.)

Annahme des Parteiprogramms der SED durch die Delegierten des IX. Parteitages
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Der IX. Parteitag unterstrich nachdrücklich, dass die weitere Umsetzung der Hauptaufgabe auch künftig im Zentrum der Politik der SED stehen werde. Um den darin ausgedrückten Sinn des Sozialismus, alles zu tun für das Wohl des Volkes, auf ständig höherer Stufe zu verwirklichen, wurde beschlossen, die materiell-technische Basis der Volkswirtschaft der DDR weiter zu vervollkommnen.  (Dann folgen noch einige Details zur damaligen Wirtschaft, die aus heutiger Sicht uninteressant sind. Wer Interesse hat, kann die Details im Original-Text nachlesen, der als Download zur Verfügung steht.)

Als entscheidende politische Grundlage für die Umsetzung der großen ökonomischen, sozialpolitischen und ideologischen Ziele kennzeichnete der Parteitag die weitere Erhöhung der Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei als führende Kraft der sozialistischen Gesellschaft. Dabei kam es zugleich darauf an, ihr Bündnis mit der Klasse der Genossenschaftsbauern, mit der Intelligenz und allen andern Werktätigen (Erwerbstätigen) zu festigen. Die Partei der Arbeiterklasse setzte sich dafür ein, den sozialistischen Staat umfassend zu stärken. Sie kennzeichnete die immer breitere Entfaltung der sozialistischen Demokratie als Hauptrichtung in der sich die sozialistische Staatsmacht entwickeln musste.

Die in vielfältigen Formen erfolgende Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger in der Leitung des Staates und der Wirtschaft wurde immer mehr zum bestimmenden Merkmal des Lebens im Sozialismus. Die Rolle der gesellschaftlichen Organisationen der Werktätigen (Erwerbstätigen) bei der Umsetzung der sozialistischen Demokratie wurde weiter erhöht. Sie sollten einen spezifischen Beitrag zur Entwicklung der Bewusstheit der Werktätigen (Erwerbstätigen) leisten und helfen, ihre marxistisch-leninistische Weltanschauung und kommunistische Moral aktiv herauszubilden und alle Erscheinungen der bürgerlichen Ideologie konsequent zu überwinden. Zugleich orientierte der Parteitag darauf, für die entwickelte sozialistischer Gesellschaft charakteristische Art und Weise des gesellschaftlichen Lebens und individuellen Verhaltens in allen Lebensbereichen immer mehr auszuprägen. (Wie wir heute wissen, haperte es damit. Die Menschen wurden immer interesseloser und unzufriedener. Auch die Schülerinnen und Schüler, an die sich dieses und andere Geschichtsbücher richtete, träumten mehrheitlich von westlicher Musik und Mode, anstatt dem Unterricht zu folgen, das Gelernte zu verinnerlichen und sich damit auseinandersetzen.)

Nach der Wahl Erich Honeckers zum Generalsekretär des Zentralkomitees der SED
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Auf dem Gebiet der Außenpolitik stellte der Parteitag die vorrangige Aufgabe, gemeinsam mit der Sowjetunion und anderen sozialistischen Staaten die günstigsten internationalen Bedingungen für den sozialistischen und (man war ja hochtrabend) kommunistischen Aufbau zu sichern. Das bedeutete, den Bruderbund mit der Sowjetunion und den anderen Ländern der sozialistischen Gemeinschaft ständig zu vertiefen und insbesondere die sozialistische ökonomische Integration im Rahmen des RGW aktiv mitzugestalten, den Frieden und die sozialistischen Errungenschaften jederzeit zuverlässig zu schützen und die Politik der friedlichen Koexistenz in den Beziehungen zu den kapitalistischen Ländern beharrlich durchzusetzen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981, bearbeitet und aktualisiert von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die Bedeutung des zeitweiligen Sieges der sozialistischen Produktionsverhältnisse

Durch den zeitweiligen Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse wurde in der DDR die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus im Wesentlichen abgeschlossen. 1989/90 ging der Weg rasant zurück zum Kapitalismus.

Die SED und die Regierung der DDR hatten in diesem Prozess den Leninschen Plan des Aufbaus des Sozialismus und die Erfahrungen der KPdSU schöpferisch auf die Bedingungen der revolutionären Umgestaltung der DDR angewandt. Unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei wurde in diesen Jahren die Diktatur des Proletariats in Form der Arbeiter-und Bauern-Macht zielstrebig entwickelt und gefestigt. Nun ja, eben nicht fest genug. Der Begriff „Diktatur des Proletariats“ ist sehr missverständlich, denn es wurde in der alten BRD und es wird im heutigen Deutschland von der DDR als totalitärer Staat gesprochen. Das ist Propaganda, weil im Sozialismus die demokratischen Regeln andersartig sind, als in der bürgerlichen Demokratie.

Der Dresdner Zwinger, im II. Weltkrieg sinnlos zerstört, wird in den 1950er Jahren in mühsamer Arbeit wiedererrichtet
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Die politische Herrschaft der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten bewährte sich als entscheidende Voraussetzung und Bedingung der zeitweilig siegreichen Durchführung der sozialistischen Umwälzung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Mit ihrer Hilfe wurden die sozialistischen Produktionsverhältnisse in Industrie und Landwirtschaft zeitweilig zum Sieg geführt.

Die Klassenstruktur der Gesellschaft hatte sich zeitweilig grundlegend gewandelt: Die Kapitalisten existierten zeitweilig nicht mehr als Klasse. Zur Hauptkraft hatte sich die Arbeiterklasse entwickelt.  Mit dem Sieg der Konterrevolution 1989/90 kamen die Kapitalisten wieder zurück. Die Arbeiterklasse hat seither politisch keine Bedeutung mehr.

Durch die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft war das Bündnis zwischen Arbeiterklasse und werktätigen Bauern auf eine höhere Stufe gehoben worden. Die Klasse der Genossenschaftsbauern formierte sich. In der Landwirtschaft sind zum Großteil genossenschaftliche Strukturen nach der heutigen Rechtsform erhalten geblieben.

Die Intelligenz hatte sich in ihrer gesellschaftlichen Stellung wesentlich verändert. Sie war in zunehmenden Maße aus der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauernschaft hervorgegangen. Die in der Vergangenheit von den Ausbeuterklassen geschaffene Kluft zwischen Arbeiterklasse und Intelligenz war beseitigt worden. Sie entwickelte sich zu einer eng mit der Arbeiterklasse und der Klasse der Genossenschaftsbauern verbundenen sozialen Schicht. Trotzdem gingen viele Angehörige der Intelligenz diesen Weg nicht mit. Sie opponierten gegen die DDR, beziehungsweise sie verließen die DDR. Außerdem lauerten überall Headhunter aus dem Westen, die Angehörige der Intelligenz abwarben.

Die Umwandlung der privaten Unternehmen und der Betriebe mit staatlicher Beteiligung in sozialistisches Eigentum war noch nicht abgeschlossen. Aber die sozialistischen Produktionsverhältnisse waren in allen Bereichen der Wirtschaft bestimmend. Damit war die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen im Wesentlichen beseitigt worden. Auf dieser Grundlage wurden die Gegensätze zwischen Stadt und Land und zwischen geistiger und körperlicher Arbeit überwunden, und es konnte damit begonnen werden, die wesentlichen Unterschiede zwischen ihnen schrittweise zu vermindern.

Die veränderte Klassenstruktur bildete die Grundlage für die weitere Herausbildung der politischen Organisation der sozialistischen Gesellschaft. Das zeigte sich darin, dass die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei von den anderen Klassen und Schichten anerkannt und in den Beziehungen zwischen den Parteien und Massenorganisationen im Prozess der Ausübung der Macht praktisch realisiert wurde.

Entsprechend den von Lenin aufgedeckten allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus waren wesentliche Fortschritte bei der Durchführung der sozialistischen Kulturrevolution erreicht worden. So waren die Theorie und Weltanschauung der Arbeiterklasse, der Marxismus-Leninismus, zur herrschenden Ideologie geworden. Die sozialistische Nationalkultur begann sich in der DDR herauszubilden. Durch die sozialistische Umgestaltung der Produktionsverhältnisse in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens waren wesentliche Grundlagen der sozialistischen Nation geschaffen worden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981, bearbeitet und aktualisiert von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Der III. Parteitag der SED. Die Orientierung auf die planmäßige Schaffung der Grundlagen des Sozialismus

Im Juli 1950 trat in Berlin der III. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zusammen. Er beriet die neuen Aufgaben, die sich aus der Entwicklung des internationalen Klassenkampfes und der Arbeiter- und Bauernmacht in der DDR für die SED und alle Werktätigen (Erwerbstätigen) ergaben. Auf dem Parteitag erfolgte die Wiederwahl Wilhelm Piecks und Otto Grotewohls als Vorsitzende der Partei. Auf der 1. Tagung des Zentralkomitees wurde Walter Ulbricht zum Generalsekretär des Zentralkomitees der SED gewählt.


Walter Ulbricht

Walter Ulbricht (1893 bis 1973)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Walter Ulbricht hatte seit seiner frühesten Jugend politisch und gewerkschaftlich in der Arbeiterbewegung gearbeitet. Zusammen mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg trat er schon im Spartakusbund gegen Imperialismus, Militarismus und Krieg auf.

An der Seite von Ernst Thälmann und Wilhelm Pieck war er im Zentralkomitee der KPD führend im Kampf für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und die Abwehr der faschistischen Gefahr gewesen. Nach 1933 hatte sein ganzes Bemühen der Schaffung der Einheitsfront der Arbeiterklasse und einer antifaschistischen Volksfront aller deutschen Hitlergegner gegolten. Er hatte aktiv an der Gründung und der Tätigkeit des Nationalkomitees „Freies Deutschland“ mitgewirkt.

Großen Anteil hatte Walter Ulbricht an der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung und der Vereinigung von KPD und SPD gehabt. Die einige Partei der deutschen Arbeiterklasse hatte ihn gemeinsam mit Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck in ihre Führung berufen. Vom Vertrauen der ganzen Partei getragen, war er 1950 zum Generalsekretär und 1953 zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees der SED berufen worden. Eine umfassende Tätigkeit zur Festigung der DDR und ihres internationalen Ansehens hatte er als Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates geleistet.


Die Delegierten bekannten sich zur Freundschaft mit der Sowjetunion, welche die damals Voraussetzung für die friedliche Zukunft des deutschen Volkes und für die erfolgreiche Fortsetzung des revolutionären Weges der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten in der DDR darstellte. Das bröckelte allerdings im Laufe der Zeit. Unter Gorbatschow gab es offenen Verrat und die bereits schleichende Konterrevolution wurde zur offenen Konterrevolution.

Der III. Parteitag betonte die Notwendigkeit, den Kampf um den Aufbau des Sozialismus eng mit dem Kampf gegen den Imperialismus in der BRD zu verbinden. Das wurde im Zuge der „Entspannungspolitik“ aufgeweicht, was dann der Anfang vom Ende war.

Das wichtigste Dokument des Parteitages war der Beschluss über den Entwurf des ersten Fünfjahresplanes zur Entwicklung der Volkswirtschaft für die Jahre 1951 bis 1955. Der Fünfjahrplan war auf die allseitige Stärkung der Arbeiter-und Bauernmacht gerichtet. Seine Ausarbeitung bedeutete den Übergang zur langfristigen Wirtschaftsplanung der DDR. Dafür waren bis zum III. Parteitag wesentliche politische und ökonomische Voraussetzungen in der DDR entstanden. Die Arbeiterklasse hatte bis zu diesem Zeitpunkt alle entscheidenden Machtpositionen erobert und Erfahrungen bei Leitung des Staates und der Wirtschaft gesammelt. Dank der Initiative der Aktivisten, dank der hervorragenden Leistungen der Arbeiter, der werktätigen Bauern und der Intelligenz, dank der solidarischen Unterstützung durch die Sowjetunion und anderen sozialistischen Staaten (was später bröckelte) konnte die Industrieproduktion der DDR im Frühjahr 1950 den Vorkriegsstand erreichen. Auch in der Landwirtschaft konnten bis 1950 die schwersten Kriegsschäden beseitigt und auf einigen wichtigen Gebieten der pflanzlichen Produktion die Vorkriegserträge erzielt werden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Die ökonomische Hauptaufgabe des Fünfjahrplans bestand darin, die Disproportionen in der Volkswirtschaft weitgehend zu überwinden, die Kapitalismus und Kriegszerstörungen hinterlassen hatten und die durch die imperialistische Spaltung Deutschlands vergrößert worden waren. Die Industrieproduktion sollte gegenüber dem Vorkriegsstand verdoppelt, die Arbeitsproduktivität in der volkseigenen Industrie um 72 Prozent gegenüber 1950 gesteigert, die Selbstkosten in dem Bereich um 26,8 Prozent gesenkt sowie das Volkseinkommen um 60 Prozent erhöht werden. Zugleich war vorgesehen, die sozialen und kulturellen Einrichtungen zu erweitern und die Volksgesundheit bedeutend zu heben.

Sozialökonomisch stellte der Fünfjahrplan die Aufgabe, das Übergewicht des volkseigenen Sektors in der Volkswirtschaft zu vergrößern. Zugleich aber sollten die Produktionsmöglichkeiten aller anderen Sektoren genutzt und erweitert werden. Damit setzte die SED die Politik des ökonomischen Wettbewerbs zwischen den Betrieben unterschiedlicher Eigentumsformen fort, die sie bereits während des Zweijahrplanes erfolgreich betrieben hatte.

Der Fünfjahrplan erhielt durch Beschluss der Volkskammer Gesetzeskraft.

Die SED führte mit dem Übergang zur langfristigen Wirtschaftsplanung damals erfolgreich den revolutionären Prozess weiter, der unmittelbar nach der Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus begonnen hatte. Die Partei war sich dabei der Schwierigkeiten bewusst, die sich der Umsetzung des Fünfjahrplans entgegenstellten. Die DDR gehörte zum wirtschaftlich schwächeren, an Rohstoffen ärmeren und von den Kriegsfolgen schwerer getroffenen Territorium eines vom Imperialismus gespaltenen Landes.

Die offene Grenze nach Westberlin und die wirtschaftliche Stärke des Imperialismus in der BRD sowie dessen Erfahrungen bei der Bekämpfung des gesellschaftlichen Fortschritts ermöglichten es, die revolutionäre Umgestaltung in der DDR zu stören. Die notwendige vorrangige Entwicklung der Schwerindustrie gegenüber der Konsumgüterindustrie bedeutete, dass die Werktätigen (Erwerbstätigen) der DDR Einschränkungen bei der Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse auf sich nehmen mussten. Trotz dieser komplizierten Bedingungen war die Aufgabenstellung des III. Parteitages real:

Einerseits konnten sich die Werktätigen (Erwerbstätigen) der DDR bei der Festlegung der Formen, der Methoden und Fristen des sozialistischen Aufbaus damals auf die Existenz und Erfahrungen der Sowjetunion und erste Erkenntnisse der anderen sozialistischen Staaten beim sozialistischen Aufbau stützen. Die verstärkte Zusammenarbeit mit diesen Staaten im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe war eine wichtige Aufgabe, auf die der III. Parteitag alle verantwortlichen Partei- und Staatsorgane (-institutionen) orientierte.

Zum anderen hatte sich bis zur Mitte des Jahres 1950 das Kräfteverhältnis innerhalb der DDR so zugunsten der Arbeiterklasse verändert, dass der Fünfjahrplan die Unterstützung aller im Demokratischen Block vereinigten Parteien und Organisationen fand. Bereits am 04. Oktober 1949 hatte die SED mit dem programmatischen Dokument „Die Nationale Front des demokratischen Deutschland und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ alle patriotischen Kräfte des deutschen Volkes dazu aufgefordert, sich in der Nationalen Front zusammenzuschließen. Hauptziel dieses Zusammenschlusses waren die Verteidigung und der Ausbau der revolutionären Errungenschaften und der Kampf gegen die imperialistische Restaurationspolitik. Das im Februar 1950 beschlossene Programm des Nationalrats der Nationalen Front war eine klare Kampfansage an den Imperialismus. Es rief zur Stärkung der DDR zum zur Freundschaft mit der Sowjetunion auf. Das Programm nannte die Wiedervereinigung Deutschlands auf demokratischer Grundlage (eine echte Wiedervereinigung und keine Annexion, wie es 1990 passiert ist) und das Ringen um einen Friedensvertrag als Hauptaufgabe. Indem die Nationale Front im Jahre 1950 den Fünfjahrplan zu ihrem Programm erklärte, entstand eine breite Massenbewegung und -grundlage für die Erfüllung des vom III. Parteitag gestellten Ziels. Das Bündnis der Arbeiterklasse mit den anderen Klassen und Schichten wurde erweitert und auf eine neue Stufe gehoben.

Und schließlich trug die Entwicklung der SED, die sie bis zum III. Parteitag durchlaufen hatte, selbst dazu bei, dass die neuen Aufgaben erfolgreich bewältigt werden konnten. Die Errichtung der sozialistischen Gesellschaft erforderte jedoch diesen Prozess weiterzuführen und alle Parteimitglieder auf die neuen Aufgaben vorzubereiten. Diesem Ziel diente der Beschluss des III. Parteitages, ein einheitliches Parteilehrjahr für alle Mitglieder und Kandidaten der SED durchzuführen. In den verschiedenen Zirkeln (Kursen) beschäftigten sich nahezu eine Million Mitglieder und Kandidaten der Partei sowie Zehntausende Parteilose planmäßig und systematisch mit Grundfragen des Marxismus-Leninismus, mit der Geschichte der KPdSU sowie der Geschichte Deutschlands und der deutschen Arbeiterbewegung. Das einheitliche Parteilehrjahr trug wesentlich dazu bei, die Partei ideologisch zu festigen und ihre Mitglieder auf den planmäßigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus vorzubereiten. Das brachte in den letzten Jahren der DDR nichts mehr ein und ist sang und klanglos verschwunden.

Der Beschluss des III. Parteitages der SED über den Fünfjahrplan löste unter den Werktätigen (Erwerbstätigen) in Stadt und Land eine umfassende Wettbewerbsbewegung aus. Auf Anregung des FDGB-Bundesvorstandes führten die Werktätigen (Erwerbstätigen) der volkseignen Betriebe Anfang 1951 einen Sonderwettbewerb durch. Er erbrachte vor allem in der metallurgischen Industrie gute Ergebnisse. Über 9 000 Brigaden erkämpften sich 1951 den Titel „Brigade der ausgezeichneten Qualität“. Die Anzahl der Neuerer (arbeitende Menschen in einem Betrieb, die Verbesserungsvorschläge machen), die nach sowjetischen Methoden arbeiteten, stieg im gleichen Jahr auf das Siebenfache. Das System der Verbesserungsvorschläge gibt es auch in kapitalistischen Betrieben.  Diese hervorragenden Leistungen bewiesen, dass viele Werktätige (Erwerbstätige) die Zielstellung des III. Parteitages anerkannten und die Aufgaben der Partei zu den ihrigen machten.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981
Kundgebung zum Abschluss des III. Parteitages der SED in Berlin: Im Präsidium unter anderen Jacques Duclos, Palmiro Togliatti, Wilhelm Pieck, Michail Suslow, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht (von links nach rechts)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Im Juli 1952 tagte in Berlin die 2. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Nach einer gründlichen Einschätzung der internationalen Lage und der inneren Entwicklung der DDR beschloss die Konferenz, nunmehr die Grundlagen des Sozialismus planmäßig und in allen Bereichen der Gesellschaft zu schaffen. Diese Aufgabe, welche die 2. Parteikonferenz 1952 stellte, entsprach den allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus. Die SED setzte damit ihre Generallinie fort, die sie in den „Grundsätzen und Zielen der Sozialistischen Einheitspartei“ 1946 ausgearbeitet und die sie auf dem III. Parteitag 1950 weiterentwickelt hatte.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die ersten Maßnahmen der Arbeiter- und Bauernmacht

Mit der Gründung der DDR besaßen die von der SED geführte Arbeiterklasse und ihre Verbündeten die notwendige staatliche Basis, um die Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung zu sichern, ihre Macht weiter auszubauen und die Grundlagen des Sozialismus zur errichten. Politisch erfahrende und im Klassenkampf bewährte Funktionäre der SED übernahmen die entscheidenden Positionen in der Regierung, in den anderen staatlichen Organen (Institutionen) und in der Wirtschaft.

Angehörigen der Blockparteien wurden wichtige Funktionen übertragen. Von den 18 Ministern der ersten, von Otto Grotewohl gebildeten Regierung gehörten acht der SED, vier der CDU, drei der LDPD, je einer der NDPD und der DBD an. Ein Minister war parteilos.

Die von der Volkskammer angenommene Verfassung verankerte die revolutionären Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung. Sie erhob die Ausübung der Staatsgewalt durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit den werktätigen Bauern und anderen Werktätigen (Erwerbstätigen), die Vernichtung der Monopole und des Großgrundbesitzes und die Schaffung einer volkseigenen Wirtschaft zu Verfassungsgrundsätzen. Sie erklärte alle Bodenschätze und Naturreichtümer zu Volkseigentum. Der antiimperialistische Charakter der Verfassung sicherte, dass die revolutionäre Umwälzung weitergeführt und dem Aufbau des Sozialismus der Weg gebahnt wurde.

In völliger Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Verfassung hob Otto Grotewohl in seiner Regierungserklärung vom 12. Oktober 1949 hervor, dass die Staatsmacht der Arbeiter und Bauern dazu dienen sollte, die revolutionären Umgestaltungen in der DDR fortzusetzen und dem Kampf um den Frieden, gegen die imperialistische Kriegs- und Spaltungspolitik eine feste Basis zu geben. Als wichtigste außenpolitische Aufgabe bezeichnete Otto Grotewohl in seiner Regierungserklärung die weitere Vertiefung der Freundschaft zur Sowjetunion. Sie müsse ihre Ergänzung finden im freundschaftlichen Verhältnis zu den Volksdemokratien (osteuropäische Länder), besonders zur polnischen Volksrepublik und der tschechoslowakischen Republik. Der Ministerpräsident erkannte im Namen aller Fraktionen der Volkskammer die Oder-Neiße-Grenze als rechtsgültig und endgültig an und wandte sich entschieden gegen jede Völkerverhetzung.

Am 15. Oktober 1949 nahmen die DDR und die UdSSR diplomatische Beziehungen auf. Sie und die darauffolgende Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und den volksdemokratischen Staaten (osteuropäische Staaten) waren Ausdruck des Vertrauens der Völker in die demokratischen Kräfte des deutschen Volkes. Die diplomatischen Anerkennungen trugen dazu bei, das Ansehen des deutschen Volkes Schritt für Schritt zurückzugewinnen.

Am 6. Juli 1950 unterzeichneten die Ministerpräsidenten Cyrankiewitz und Grotewohl im Namen ihrer Regierung das „Abkommen über die Markierung der Oder-Neiße-Grenze“ als einer Grenze des Friedens und der Freundschaft
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Im Juli 1950 weilte eine Regierungsdelegation der DDR zu Verhandlungen in Warschau, Prag und Budapest. Das Ergebnis der Beratungen bestand in der Deklaration über die beiderseitige Markierung der Oder-Neiße-Grenze als einer Grenze des Friedens und der Freundschaft zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk. Am 6. Juli 1950 unterzeichneten die Ministerpräsidenten beider Staaten ein entsprechendes Abkommen in der polnischen Grenzstadt Zgorzelec. Es leitete eine grundlegende Wende in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen ein. Mit diesem ersten völkerrechtlichen Vertrag der DDR wurden die Voraussetzungen für friedliche und gutnachbarliche Beziehungen zwischen der DDR und Volkspolen geschaffen.

Boleslav Bierut: „In der Tat, die Geschichte hat uns..dazu berufen, ein für allemal die Kluft, die im Laufe der Eroberung und des Imperialismus, begleitet von Brand und Vernichtung, zwischen unseren Völkern aufgerissen hat, verschwinden zu lassen…“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Er errichtete eine Barriere gegen die revanchistischen Kreise in der BRD, die die Ergebnisse des II. Weltkrieges nicht anerkennen wollten. Das Abkommen verdeutlichte, dass die DDR radikal mit der aggressiven Außenpolitik der deutschen Großbourgeoisie gebrochen hatte und willens war, als deutscher Friedensstaat in Europa zu wirken.

Auf Initiative der SED verabschiedete die Volkskammer der DDR ein umfassendes Gesetzeswerk zur Festigung und Weiterentwicklung der Staatsmacht.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Das „Gesetz zum Schutze der Arbeitskraft der in der Landwirtschaft Beschäftigten“ vom Dezember 1949 schränkte die kapitalistische Ausbeutung auf dem Land ein und sicherte den Landarbeitern soziale und politische Rechte, z.B. den 8-Stundentag und den bezahlten Jahresurlaub.

Das „Gesetz über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der DDR und über die Förderung der Jugend in Schule und Beruf, bei Sport und Erholung“ vom Februar 1950 sah umfassende Maßnahmen zur Förderung der Jugend vor. Ihr sollten verantwortliche Aufgaben zur Leitung von Staat und Wirtschaft übertragen werden. Die Arbeitszeit für Jugendliche bis 16 Jahre wurde auf 42 Stunden, für Jugendliche bis 18 Jahre auf 45 Stunden wöchentlich festgelegt. Die FDJ wurde als Interessenvertretung der Jugend gesetzlich anerkannt. Mit einem Gesetz vom Mai 1950 setzte die Volkskammer das Volljährigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre herab.

Die Volkskammer der DDR nimmt in Anwesenheit von Jugenddelegationen am 8. Februar 1950 das Gesetz zur Förderung der Jugend an
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Das „Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ vom September 1950 legte die Grundsätze für die Gleichstellung der Frau in Ehe und Familie fest. Es schuf weitgehende Voraussetzungen, damit die verfassungsmäßig festgelegte Gleichberechtigung der Frauen in der DDR verwirklicht werden konnte. Zur Förderung der Frauen, zum Schutze von Mutter und Kind und zur Erleichterung des Lebens von Frauen stellte der Staat umfangreiche Mittel zur Verfügung.

Unter den von der Volkskammer beschlossenen Gesetzen nahm das Gesetz zum Schutze des Friedens einen hervorragenden Platz ein. Es erklärte die Kriegspropaganda und die Rassen- und Völkerhetze zu einem der schwersten Verbrechen gegen die Menschheit und wurde zu einer Waffe im Kampf gegen reaktionäre und konterrevolutionäre Kräfte.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Zum Schutz der revolutionären Errungenschaften der DDR schuf die Volkskammer auf Initiative der SED im Februar 1950 das Ministerium für Staatssicherheit. Gemeinsam mit dem Ministerium des Innern, dem Obersten Gericht und der Obersten Staatsanwaltschaft entwickelte es sich zu einem wirksamen Instrument der Arbeiter- und Bauernmacht, mit dem alle imperialistischen Anschläge gegen die beginnende Entwicklung in der DDR zerschlagen werden konnten. 1989 vermochte das Ministerium für Staatsicherheit nicht die DDR zu schützen. Bis heute ist das Ministerium für Staatssicherheit der DDR verhasst. Nach dem Sieg der Konterrevolution 1989/90 und der Annexion der DDR im Jahre 1990 ist eine staatliche Behörde (BStU) geschaffen worden, die angeblich die Akten verwalten soll. Darüber hinaus verbreitet sie antikommunistischen Hass und fälscht sogar Akten.

Eine hervorragende Rolle bei der Sicherung der DDR spielt die Deutsche Volkspolizei. Sie war unmittelbar nach der Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus von bewährten Antifaschisten aufgebaut worden. Als zentralgeleitetes bewaffnetes Organ (Behörde) wurde sie Bestandteil der neuen Staatsmacht der DDR. Der Volkspolizei wurden größere Aufgaben bei der Sicherung des Staates übertragen. Die Bereitschaften der Deutschen Volkspolizei wurden ausgebaut; aus ihnen ging Ende 1952 die Kasernierte Volkspolizei (KVP) hervor. Ehemalige Widerstandskämpfer und Antifaschisten, Kämpfer der Internationalen Brigaden in Spanien, Funktionäre und Mitglieder der KPD und SED stellten sich dem Aufbau der Volkspolizei, bzw. der KVP zur Verfügung, wie zum Beispiel Armeegeneral Heinz Hoffmann, Generaloberst Heinz Keßler und Admiral Waldemar Verner. Tausende Funktionäre und Mitglieder der FDJ erklärten sich zum freiwilligen Dienst in der KVP bereit.

Der junge Staat hat verlässliche Beschützer: Am 1. Mai 1953 paradiert Kasernierte Volkspolizei vor der Ehrentribüne in Berlin
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Die Schutz- und Sicherheitsorgane (-behörden) bewährten sich bei der Zerschlagung imperialistischer Agentengruppen und bei der Aufdeckung schwerer Wirtschaftsverbrechen. Sie trugen dazu bei, die demokratische Gesetzlichkeit zur allgemein anerkannten Norm des Zusammenlebens zu erheben. Sie halfen mit, die Werktätigen (Erwerbstätigen) zu neuen Verhaltensweisen gegenüber dem gesellschaftlichen Eigentum und zur Wachsamkeit gegenüber den Feinden der DDR zu erziehen. In den 1980er Jahren gelang dies immer weniger und sie konnten das Ende der DDR nicht verhindern.

Die Besetzung der wichtigsten staatlichen Funktionen mit Vertretern der revolutionären Arbeiterbewegung, die verfassungsmäßige Verankerung grundlegender Ziele der Arbeiterklasse und die ersten Gesetze der Arbeiter- und Bauernmacht in der DDR unterstrichen den neuen Charakter der Staatsmacht. Sie begann die Funktionen der Diktatur des Proletariats (dieser Begriff ist heute missverständlich) auszuüben: die wirtschaftlich-organisatorische, die kulturell-erzieherische und die Schutzfunktion. Dies bröckelte in den 1980er-Jahren, bis sie dies 1989/90 nicht mehr vermochte und die Konterrevolution gesiegt hat.

Die Errichtung der politischen Macht der Arbeiterklasse in der DDR war die unerlässliche Voraussetzung dafür, dass nunmehr die Grundlagen des Sozialismus erreichtet werden konnten.

Aus der Resolution der Berner Parteikonferenz der KPD (1939): „Die neue demokratische Republik wird die Schwächen der Weimarer Republik gegenüber der Reaktion nicht wiederholen…“  In der DDR wurde diese geschichtliche Lehre zunächst beherzigt, doch es wurden neue Fehler gemacht. Die Konterrevolution hat gesiegt.

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981, bearbeitet und aktualisiert von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die ersten Maßnahmen der Arbeiter-und Bauernmacht

Das Heranreifen von Bedingungen für den Übergang zur sozialistischen Revolution in der sowjetischen Besatzungszone

Seit 1946 sind in der sowjetischen Besatzungszone entscheidende Machtgrundlagen des Imperialismus beseitigt worden. Mit diesen grundlegenden Änderungen des gesellschaftlichen Lebens hatten die Arbeiterklasse, die über eine einheitliche revolutionäre Partei verfügte, und ihre Verbündeten in der sowjetischen Besatzungszone eine Ordnung errichtet, die ihrem sozialen Inhalt nach eine revolutionär-demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern (Aus heutiger Sicht ist das ein missverständlicher Begriff.) darstellte. Neben der Arbeiterklasse und den werktätigen Bauern beteiligten sich auch Angehörige der städtischen Mittelschichten und der nichtmonopolitischen Bourgeoisie an der Machtausübung.

Die antifaschistisch-demokratische Ordnung hatte viele wichtige Gemeinsamkeiten mit den ökonomischen und politischen Verhältnissen in den Volksdemokratien (osteuropäische Länder). Die war aber im Unterschied zu diesen nicht aus dem antifaschistischen Befreiungskampf hervorgegangen. Ein wesentlicher Unterschied zu den volksdemokratischen Revolutionen (Osteuropa) bestand darin, dass sich die revolutionären Umgestaltungen in der sowjetischen Besatzungszone auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens vollzogen. Sie waren eng mit dem Kampf um einen Friedensvertrag und einen einheitlichen deutschen Staat verknüpft. Diese Aufgabe musste die SED berücksichtigen, als sich zwischen 1946 und 1948 unter ihrer Führung die antifaschistisch-demokratische Ordnung weiterentwickelte und festigte.

Die Arbeiterklasse und andere Werktätige (Erwerbstätige) hatten in diesen Jahren bis 1948 große Schwierigkeiten zu überwinden. Viele der dem Monopolkapital entrissenen Betriebe waren heruntergewirtschaftet und in schlechtem technischem Zustand. Überall mangelte es an Rohstoffen. Die einfachsten Gegenstände des täglichen Bedarfs waren nur auf Bezugsscheine erhältlich. Die Arbeitsproduktivität betrug im Jahre 1947 nur 56 Prozent des Standes von 1936; in Sachsen sank die Industrieproduktion von Oktober 1946 bis Februar 1947 um nahezu 40 Prozent. Der ungewöhnlich lange und strenge Winter 1946/47 verschärfte erheblich die Situation. 200 000 Tonnen Kohle aus dem Ruhrgebiet trafen nicht ein, weil die erstarkende Reaktion in den Westzonen die neue gesellschaftliche Ordnung in der sowjetischen Besatzungszone wirtschaftliche erdrosseln wollte.

Zerstörte Industrieanlagen in den westlichen Besatzungszonen und der sowjetischen Besatzungszone
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

In dieser Lage folgten viele Menschen der desorientierten Losung: „Erst besser leben, dann mehr arbeiten!“  Andere glaubten der antisowjetischen Hetze, dass nicht der räuberische Krieg des deutschen Imperialismus und seine Folgen, sondern die im Potsdamer Abkommen festgelegten Wiedergutmachungsleistungen Ursache der Not und des Elends seien.

Am 11. Januar 1947 beschloss die SMAD im Auftrag der Sowjetregierung und nach vorheriger Absprache mit den Vorsitzenden der SED, die Demontage einzustellen und die Reparationslieferungen aus der laufenden Produktion herabzusetzen. Von den 202 SAG-Betrieben übergab die Sowjetunion 74 in Volkseigentum. Diese Entscheidung sicherte vielen Tausenden Arbeitern und Angestellten ihre Arbeitsplätze und stärkte die volkseigene Industrie als Basis der antifaschistisch-demokratischen Ordnung.

Im Herbst 1947 konnte die SED bereits einschätzen, dass es bedeutende Erfolge in der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung gab. Die Arbeiterklasse hatte sich unter Führung der SED zur bestimmenden Kraft der antifaschistisch-demokratischen Ordnung entwickelt. Es ging jetzt darum, die Wirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone planmäßig zu entwickeln und damit bespielhaft auf die Werktätigen (Erwerbstätigen) in den Westzonen zu wirken.

Der wirtschaftliche Aufbau sollte aus eigener Kraft, ohne Abhängigkeit vom Imperialismus, vor sich gehen. Unter der LosungMehr produzieren, gerechter verteilen, besser leben!“ mobilisierte die SED alle Werktätigen (Erwerbstätigen) für die Weiterführung der revolutionären Umgestaltung, für die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse.

Der planmäßigen Entwicklung und Leitung der Volkswirtschaft diente die Bildung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK). Sie wurde im Juni 1947 als zentrales beratendes Organ (Institution) der SMAD ins Leben gerufen und im Februar 1948 mit weitergehenden Vollmachten ausgestattet. Sie übernahm die gesetzgeberische und administrative Verantwortung für den wirtschaftlichen Aufbau in der sowjetischen Besatzungszone und koordinierte ihn. Damit legte die SMAD die von ihr bis dahin ausgeübte Funktion der Wirtschaftsplanung und -leitung in die Hände bewährter Antifaschisten. Zum Leiter der Deutschen Wirtschaftskommission wurde der ehemalige Spanienkämpfer und SED-Politiker Heinrich Rau ernannt.

Mit den Beschlüssen über den Zweijahrplan 1949/50 und über die Festigung der neuen Staatsorgane (staatl. Institutionen) leitete die SED Mitte des Jahres 1948 die Etappe der allseitigen Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung ein. Der Zweijahrplan stellte den Übergang zur langfristigen Wirtschaftsplanung in der sowjetischen Besatzungszone dar. Die entscheidende sozialökonomische Grundlage für diesen Schritt waren die volkseigenen sowie die SAG-Betriebe. Durch den Ausbau der vorhandenen und den Aufbau neuer volkseigener Betriebe sowie die Steigerung ihrer Produktion wurde die Überlegenheit des Volkseigentums bewiesen und sein Übergewicht in der Volkswirtschaft hergestellt.

Plakat zum Zweijahrplan 1949/50
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981
Am Beginn des Zweijahrplanes wurde 1949 diese erste 100-Meter-Halle der Warnowwerft errichtet.
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Während der Jahre 1949/50 entstanden solche wichtigen Betriebe, wie die Stahlwerke Brandenburg, Henningsdorf und Riesa, die Maxhütte Unterwellenborn, das Kupferwerk Ilsenburg und das Stickstoffwerk Piesteritz. Der Ausbau der Kraftwerke Böhlen, Espenhain und Zschornewitz wurde in Angriff genommen.

Der ursprüngliche Planvorschlag sah vor, die industrielle Produktion auf 81 Prozent des Standes von 1936 zu steigern; erreicht wurden am Ende 1950 110,7 Prozent. Das hätten die Werktätigen (Erwerbstätigen) der sowjetischen Besatzungszone nicht ohne die Hilfe der UdSSR verwirklichen können. Ungeachtet ihrer eigenen großen Schwierigkeiten bei der Überwindung der Kriegsschäden, unterstützte sie den Neuaufbau.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981
Traktoren aus der Sowjetunion treffen in der sowjetischen Besatzungszone ein.
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

In vielen volkseigenen Betrieben unterbreiteten Werktätige (dort arbeitende) Vorschläge zur Erfüllung und Übererfüllung des Zweijahrplanes. Auch die demokratischen Kräfte der CDU und LDPD unterstützten seine Ziele. Reaktionäre Politiker dieser beiden Parteien setzten ihm jedoch heftigen Widerstand entgegen. Die erkannten, dass mit der Erfüllung des Zweijahrplanes die Arbeiterklasse und deren Verbündete ihre führenden Positionen stärken würden, dass sich damit die Aussichten auf eine Wiederherstellung der alten Besitz- und Machtverhältnisse verschlechterten. Sie waren dafür, den privatkapitalistischen Sektor der Volkswirtschaft auf Kosten des volkseigenen zu stärken. Die SED mobilisierte alle Kräfte, um die konterrevolutionären Anschläge abzuwehren. Sie half den fortschrittlichen Kräften in den verbündeten Blockparteien, die schwierigen Probleme der revolutionären Umwälzung in der sowjetischen Besatzungszone besser zu verstehen. Innerhalb der CDU und LDPD führten die politischen Auseinandersetzungen zu einer weiteren Isolierung der reaktionären Politiker.

Im Frühjahr 1948 wurden zwei kleinbürgerlich-demokratische Parteien gegründet: die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) und die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD).              Die NDPD bezog auch ehemalige Nazianhänger und Militärangehörige, die aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hatten, in das politische Leben ein. Beide Parteien entstanden auf dem Boden der antifaschistisch-demokratischen Ordnung und schlugen von Anfang an einen entschiedenen demokratischen Weg an der Seite der Arbeiterklasse ein. Die Gründung dieser Parteien, die die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Partei, der SED anerkannten, und ihre Aufnahme in den Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien schwächten den Einfluss reaktionärer Politiker der CDU und der LDPD. Sie erleichterte den weiteren Zusammenschluss aller demokratischen Kräfte um die Arbeiterklasse. In der alten BRD sowie im heutigen Deutschland werden diese Parteien als „Blockflöten-Parteien“ verspottet. Doch es ist doch überall so, dass nur staatstragende Parteien legal agieren können. Auch z.B. die DKP bekennt sich zum Grundgesetz. Ansonsten wäre ihre Existenz nicht möglich.

Im Kampf um die Steigerung der Produktion entwickelte sich bereits 1948 unter Führung der SED einer breiten Aktivistenbewegung. Ihr Initiator war der Bergmann Adolf Hennecke, dessen Namen die Bewegung erhielt. Hennecke erfüllte am 13. Oktober 1948 im Karl-Liebknecht-Schacht in Oelsnitz seine Norm (Akkord) mit 387 Prozent. Diese Leistung erreichte er nach gründlicher Arbeitsvorbereitung und durch rationellen Einsatz der vorhandenen Technik.

 

Adolf Hennecke vollbringt am 13. Oktober 1948 seine historische Förderleistung
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Dies klingt unglaublich. Auch damals begegneten die arbeitenden Menschen der Leistung von Adolf Hennecke mit Unglauben. Aber politisch bewusste Arbeiter griffen sie begeistert auf.

Von Gegnern der neuen Ordnung wurde Adolf Hennecke angefeindet und mit üblen Verleumdungen überschüttet. Das setzt sich bis heute fort. Es ist nicht gelungen bei den Arbeitern in der alten BRD die Tat des Adolf Hennecke verständlich zu machen. Wer in der kapitalistischen Welt den „Akkord kaputt macht“ gilt als „Kollegenschwein“, bzw. als Verräter. Denn Arbeiter, die in der kapitalistischen Welt von sich aus Höchstleistungen vollbringen, wollen sich bei den Vertretern der Kapitalisten einschleimern. Sie sind tatsächlich Verräter ihrer Klasse. Wenn die Arbeiterklasse an der Macht ist, verhält sich das anders. Es ist nicht gelungen dies für die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung verständlich zu machen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Nach und nach fanden sich in allen volkseigenen Betrieben Aktivisten, die Hennecke-Schichten leisteten. Die Aktivistenbewegung entstand auf dem Boden des Volkseigentums. Sie bewies, dass die besten Arbeiter immer mehr den neuen Charakter der Arbeit in den volkseigenen Betrieben und ihre Verantwortung als Eigentümer der Produktionsmittel zu verstehen begannen. In den letzten Jahren der DDR ließ dieses Verständnis immer mehr nach. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass die Arbeiter ihre Betriebe, ihre Arbeitsplätze während der Konterrevolution nicht verteidigten.

Die Aktivistenbewegung trug entscheidend dazu bei, die Wirtschaftspläne zu erfüllen, die Lebenslage der Bevölkerung zu verbessern und das Bündnis der Arbeiterklasse mit den Bauern und den anderen Erwerbstätigen weiterzuentwickeln.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR 

Übergang zur sozialistischen Revolution in der sowjetischen Besatzungszone 

Adolf Hennecke

Adolf Hennecke, geboren am 25 März 1905 in Meggen/Westfalen; gestorben am 22. Februar 1975 in Berlin/DDR war FDGB– und SED-Funktionär. Berühmt wurde er durch seine Höchstleistung als Bergmann und Namensgeber der Hennecke-Aktivistenbewegung in der DDR.

Adolf Hennecke (1949)
Bildquelle: Von Deutsche Fotothek‎, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6536081

Hennecke war der Sohn eines Bergmanns und wuchs nach dem Tod seiner Eltern bei seinem Onkel auf. Nach der Schule absolvierte er von 1919 bis 1922 eine kaufmännische Lehre. Ab 1925 arbeitete er als Bergmann und wechselte 1926 in den sächsischen Steinkohlenbergbau nach Oelsnitz/Erzgeb. 1931 trat er in die Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition und nach dem II. Weltkrieg 1946 in die SPD ein und wurde mit der Vereinigung von SPD und KPD SED-Mitglied. 1948 wurde er in die Betriebsgewerkschaftsleitung gewählt und war Mitglied der Wettbewerbskommission des Karl-Liebknecht-Werkes sowie im Verwaltungsrat der VVB Kohle. 1950 wurde Hennecke zum Studium an die Bergakademie Freiberg delegiert. Im Oktober 1950 wurde er in die Volkskammer gewählt. Später wurde Adolf Hennecke leitender Mitarbeiter der Staatlichen Plankommission der DDR und war bis zu seinem Tod Mitglied des Zentralkomitees der SED.

Adolf Hennecke wurde, nachdem der jüngere Bergmann Franz Franik die Durchführung einer Hochleistungsschicht abgelehnt hatte, da er die Reaktionen seiner Kollegen auf die „von oben“ angeordnete Sonderschicht fürchtete, vom Revierdirektor ausgewählt, um nach dem Vorbild des sowjetischen Bergmanns Alexei Stachanow eine Aktivistenbewegung in der Sowjetischen Besatzungszone (der späteren DDR) zu initiieren. Hennecke war 43 Jahre alt, SED-Mitglied und hatte eine Parteischule besucht. Anfangs weigerte er sich, da er befürchtete, dass ihm die Arbeitskollegen diese Aktion übelnehmen könnten (was dann auch in Form des Rufes Normbrecher geschah). Aber später erklärte er sich bereit, seine Hochleistungsschicht zu fahren. Der Unterschied zwischen einem „Strebi“, der in der kapitalistischen Welt den Akkord kaputt macht und einem Aktivisten in der sozialistischen Welt, der die Norm bricht, war der Mehrheit der arbeitenden Menschen nicht bekannt. So galt jemand, der den Akkord kaputt macht, bzw. die Norm bricht, überall als „Kollegenschwein“, bzw. Arbeiterverräter.

Adolf Hennecke vollbringt am 13. Oktober 1948 seine historische Förderleistung
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 10. Klasse, Stand 1981

Adolf Hennecke fuhr in den Karl-Liebknecht-Schacht des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers ein und förderte am 13. Oktober 1948 statt der üblichen 6,3 Kubikmeter (Hauer-Norm) in einer gut vorbereiteten Schicht 24,4 Kubikmeter Kohle. Die Abbaustelle hatte er sich am Tag zuvor ausgesucht. Damit erfüllte er die Arbeitsnorm mit 387 Prozent. Für diese Leistung erhielt Hennecke 1,5 Kilogramm Fettzulage, drei Schachteln Zigaretten, eine Flasche Branntwein, 50 Mark Geldprämie sowie einen Blumenstrauß des Kollektivs (des Teams). Diese Normübererfüllung wurde zum Auslöser der sogenannten Hennecke-Bewegung. Ein Jahr später erhielt Hennecke 1949 als eine der ersten Personen den neu gestifteten Nationalpreis der DDR I. Klasse, der mit 100.000 Mark dotiert war. 1965 und 1970 wurde er mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold geehrt und 1964 mit dem Karl-Marx-Orden ausgezeichnet.

Der 13. Oktober wurde in der SED-Geschichtsschreibung zum Jahrestag der bahnbrechenden Tat Adolf Henneckes“ und in der DDR als Tag der Aktivisten gefeiert.

Plakat der Hennecke-Aktivistenbewegung 1948
Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 175-01453 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5338535
Propagandaplakat der Bewegung (Fotomontage mit einmontierten Arbeitern)
Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 175-00118 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5337526

Die erste Hennecke-Aktivisten-Konferenz des FDGB fand am 4. und 5. Februar 1949 in Berlin/DDR der Deutschen Staatsoper (später Metropol-Theater im Admiralspalast) statt. Zum Themenkreis der 1200 Hennecke-Aktivisten aus der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und aus Berlin gehörten u. a. Fragen des Leistungslohns und die Entwicklung der Aktivistenbewegung zu einer Massenbewegung.



Er wurde in der Grabanlage „Pergolenweg“ der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg beigesetzt. Die Grabstätte befindet sich im Pergolenweg 3.

Grab von Adolf und Helene Hennecke
Bildquelle: Von SpreeTom – Self-published work by SpreeTom, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1130953

Entnommen aus Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel