Die Arbeiterklasse zu Beginn der imperialistischen Herrschaft

Die Auswirkungen der imperialistischen Herrschaft auf die soziale Lage der Arbeiterklasse

Die Herausbildung des Monopolkapitalismus brachte für alle Klassen und Schichten große Veränderungen.

Die Anzahl der Arbeiter wuchs. Sie waren vor allem in den Großbetrieben konzentriert. 1909 zählten nur 1,1 Prozent der der Betriebe in den USA zu den Großbetrieben. In diesen waren aber 30,5 Prozent aller Industriearbeiter beschäftigt.

Auch innerhalb der Arbeiterklasse kam es mit der Herausbildung des Imperialismus zu Veränderungen der sozialen Struktur. Die Anzahl der ungelernten Arbeiter stieg stark an. Gleichzeitig nahm die Anzahl der Vorarbeiter, Meister, Techniker und Spezialisten zu. Die Arbeitslosigkeit wurde eine ständige Begleiterscheinung des Kapitalismus, die dazu benutzt wurde, die Löhne zu drücken. Das hat sich bis heute nicht geändert. Frauen und Kinder erhielten zum Teil bevorzugt Arbeit in bestimmten Monopolbetrieben (vor allem in der Textilindustrie), weil sie schlechter bezahlt wurden. Die Intensität der Arbeit stieg. Ständig steigende Intensität der Arbeit ist uns auch heute wohlbekannt.

Ein trauriges Kapitel imperialistischer Ausbeutung war die Kinderarbeit. 1910 arbeiteten in den USA knapp 2 Millionen Kinder im Alter zwischen 10 und 15 Jahren. Das waren 5,2 Prozent der Beschäftigten und 10,8 Prozent aller Kinder. Es gibt auch heutzutage noch Länder, wo Kinderarbeit gang und gäbe ist.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse verschlechterten sich nach 1910 in Deutschland. Zölle und indirekte Steuern trieben die Preise der Lebensmittel und Kleidung in die Höhe. Etwa 25 Prozent ihres Lohnes mussten die Arbeiter in den Großstädten als Miete für eine vielfach ungesunde, lichtarme Wohnung bezahlen. Nun ja, die Mieten sind heute genauso ein Problem, auch wenn es die ungesunden Wohnungen in diesem Sinne nicht mehr gibt. Dafür müssen viele, die sich die Mieten in einer Großstadt nicht leisten können, lange Wege zur Arbeit in Kauf nehmen und pendeln.

Der Kampf gegen den vordringenden Opportunismus in der internationalen und deutschen Arbeiterbewegung

Durch die verschärfte Ausbeutung der Arbeiter, der Kolonialvölker und abhängigen Länder sowie durch die Monopolstellung auf den Märkten erzielten die Finanzkapitalisten hohe Profite. Zum Teil verwandten sie diese Geldmittel auch dazu, bestimmte Arbeiterschichten (Meister, Techniker, spezialisierte Facharbeiter usw.) bevorzugt zu behandeln. Mit Hilfe einer unterschiedlichen Entlohnung und Gewährung von Sonderrechten (Werkswohnungen, Beamtenpensionen usw.) sollten diese Arbeiterschichten, Arbeiteraristokratie genannt, bestochen werden. Das hat sich bis heute auch nicht geändert. Die mit der Großindustrie entstandene Differenzierung wurde (wird) so von den Monopolherren bewusst genutzt, um das einheitliche Handeln der Arbeiterklasse zu untergraben.

Die Arbeiteraristokratie und die kleinbürgerlichen Elemente bildeten die soziale Grundlage für die Herausbildung einer besonderen opportunistischen Strömung in der Arbeiterbewegung. Ihre Wortführer behaupten, dass unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen die Lehren von Marx und Engels nicht mehr voll gültig wären, sondern abgeändert, revidiert werden müssten. Diese Thesen kennen wir heute auch noch. Sie wurden (werden) deshalb Revisionisten genannt. Der Revisionismus lehnte (lehnt) den revolutionären Klassenkampf ab und trat (tritt) für die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Klassen ein. Die Revisionisten behaupteten (behaupten), es sei möglich, durch Reformen im Rahmen der bestehenden kapitalistischen Ausbeutergesellschaft allmählich und friedlich in den Sozialismus hineinzuwachsen. Sie verzichteten (verzichten) auf das revolutionäre Ziel der Arbeiterbewegung: die Eroberung der politischen Macht.

Entsprechend dieser theoretischen Grundlage entwickelten die Opportunisten eine reformistische Politik. Der Reformismus wollte die Arbeiterbewegung auf parlamentarisches und gewerkschaftliches Handeln beschränken.

Der Opportunismus konnte sich in der Arbeiterbewegung rasch ausbreiten, weil mit dem Imperialismus soziale Grundlagen (Arbeiteraristokratie, kleinbürgerliche Elemente in der Arbeiterbewegung) dafür entstanden waren. Die Gefährlichkeit des Opportunismus bestand (besteht) darin, dass er die ideologische Spaltung der Arbeiterklasse und damit die Schwächung der Arbeiterorganisationen in ihrem Kampf um Frieden, Demokratie und Sozialismus bewirkte.

Der Opportunismus fand (findet) Anhänger in der gesamten internationalen Arbeiterbewegung. Überall beherrschten (beherrschen) diese Kräfte (nach und nach) wichtige Schlüsselpositionen in den Arbeiterparteien und Gewerkschaften.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Das Auftreten der Revisionisten und Reformisten löste in der deutschen Arbeiterbewegung heftige Auseinandersetzungen über das Ziel, den Weg und die Mittel des Klassenkampfes aus. Diese Auseinandersetzungen wurden auf den Parteitagen, in der Presse sowie innerhalb der Mitgliedschaft der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften geführt. Auf dem Parteitag in Dresden im September 1903 rechnete der Führer der Sozialdemokratie, August Bebel, scharf mit den Opportunisten ab.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die überwiegende Mehrheit der sozialdemokratischen Parteimitglieder lehnte die opportunistischen Ansichten und Bestrebungen entschieden ab.

Die Arbeiter erlebten und erkannten, dass die Junker und Monopolisten ihre Macht allein für ihre Klasseninteressen einsetzten und nicht im Entferntesten daran dachten, dem werktätigen Volk freiwillig demokratische und politische Rechte zu gewähren. Alle Reformen, Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsverhältnisse und politischen Rechte hatte die Arbeiterklasse im harten Arbeitskampf, einschließlich ihres parlamentarischen Wirkens errungen. Das hat sich bis heute nicht geändert. 

Die Preisgabe des Klassenkampfes hätte die Entwaffnung der Arbeiterbewegung, ihre völlige Unterordnung unter die Politik der Imperialisten bedeutet. Heute ist der Klassenkampf preisgegeben worden. Insbesondere nach der großen Niederlage 1989/90. Die Arbeiterklasse spielt heute politisch nur noch eine untergeordnete Rolle. Sie hat sich spätestens 1989/90 der Politik der Imperialisten untergeordnet.

Der Dresdner Parteitag war ein Höhepunkt im Kampf der revolutionären Kräfte gegen Revisionismus und Reformismus. Mit nur wenigen Gegenstimmen wurde di Resolution angenommen, die die revisionistischen Bestrebungen entschieden verurteilt.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Trotz der entschiedenen Ablehnung und Verurteilung des Revisionismus konnte er seinen Einfluss in der Arbeiterbewegung verstärken, weil keine organisatorischen Konsequenzen – Ausschluss der Opportunisten– gezogen wurden.

Der Crimmitschauer Textilarbeiterstreik

Unter den vielen Klassenkämpfen in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ragt besonders der Crimmitschauer Textilarbeiterstreik hervor, der vom 22. August 1903 bis Ende Januar 1904 andauerte.

Bei unzureichendem Lohn mussten die Textilarbeiter 11 und mehr Stunden am Tag arbeiten, obwohl durch die Einführung schnelllaufender Spindeln die Intensität der Arbeit und die Gewinne der Textilfabrikanten gestiegen waren. Mit Recht forderten die Arbeiter Verkürzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden und Lohnerhöhung um 10 Prozent. Nachdem die Fabrikanten diese Forderungen abgelehnt hatten, legten am 22. August 1903 600 Textilarbeiter des sächsischen Städtchens Crimmitschau die Arbeit nieder. Die Drohung mit der Aussperrung seitens der Fabrikanten beantworteten andere Arbeiter mit Streik. Schließlich befanden sich Ende August 1903 sämtliche Textilarbeiter von Crimmitschau im Kampf; 9 000 Textil- und Heimarbeiter streikten oder waren ausgesperrt. Mit Bestechungsgeldern versuchten die Fabrikanten, die Einheitsfront der Arbeiter zu erschüttern. In allen Teilen Deutschlands und im Ausland versuchten sie darüber hinaus Streikbrecher zu werden, allerdings mit wenig Erfolg.

Flugblatt der Textilfabrikanten von Crimmitschau
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Flugblatt der streikenden Crimmitschauer Textilarbeiter
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Da die Kampffront der Textilarbeiter unerschüttert blieb, griff die staatliche Macht mit starken, schwerbewaffneten Polizeikräften ein. Jede Versammlung, jede Zusammenkunft der Arbeiter sowie das Streikpostenstehen wurden verboten. Doch die Arbeiter beharrten unbeirrt auf ihren Forderungen, die Frauen und Mädchen standen fest an ihrer Seite. Der Kampf förderte das Klassenbewusstsein der Arbeiter. Die Streikenden wurden von den Arbeitern ganz Deutschlands und dem Ausland wirksam unterstützt. Die deutschen Arbeiter brachten über 1 ¼ Millionen Mark zu Unterstützung ihrer kämpfenden Klassengenossen auf. Der Streik wurde erst im Januar 1904 von opportunistischen Gewerkschaftsführern gegen den Willen der streikenden Textilarbeiter von Crimmitschau abgebrochen.

Die Anfänge der Arbeiterjugendbewegung

Die jungen Arbeiter und Arbeiterinnen hatten es im damaligen Deutschland besonders schwer. Sie erhielten sehr geringen Lohn bei einer bis zu 12 Stunden ausgedehnten Arbeitszeit. Dazu waren sie der Willkür ihrer Arbeits- und Lehrherren recht- und schutzlos ausgesetzt. Schläge und Misshandlungen waren an der Tagesordnung.

Doch die Jugend war bereits von sozialistischen Ideen erfasst. Immer mehr junge Arbeiter erkannten, dass sie nur im gemeinsamen Kampf und in Verbindung mit der Arbeiterbewegung ihre Lage verbessern konnten.

Lehrling (zum Meister, der eben seinen Dreijährigen versohlt): „Meester, lernt der ooch schon Lehrling?“ Karikatur aus dem „Wahren Jacob“ zur Prügelstrafe gegen Lehrlinge
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Im Oktober 1904 entstanden gleichzeitig in Berlin und in Mannheim selbstständige proletarische Jugendvereine, die sich über Nord- und Süddeutschland ausbreiteten und Ende 1906 zur Gründung von zwei Arbeiterjugendorganisationen führten, dem Verband junger Arbeiter Deutschlands (Sitz Mannheim) und der Vereinigung der freien Jugendorganisationen (Sitz Berlin). Die norddeutsche Organisation gab seit 1905 die Monatszeitschrift „Die arbeitende Jugend“ und die süddeutsche Organisation seit 1906 „Die junge Garde“ heraus. Die revolutionären Kräfte der deutschen Arbeiterbewegung unterstützten die Arbeiterjugendorganisationen mit Rat und Tat. In Karl Liebknecht hatte die Arbeiterjugend einen bewährten Freund, ideologischen Führer und Förderer ihrer Organisation.  Durch die Jugendorganisationen im revolutionären Geist erzogen, beteiligten sich die jungen Proletarier aktiv am Kampf gegen Reaktion, Militarismus und Imperialismus.

Im August 1907 wurde die Sozialistische Jugendinternationale gegründet. Karl Liebknecht wurde zum Vorsitzenden des Büros gewählt.

Kopf der Zeitschrift „Die junge Garde“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Aufgrund des Reichsvereinsgesetzes siehe in Beitrag „Der beginnende Kampf um die Neuaufteilung der Welt….“ verfielen die Arbeiterjugendorganisationen der Auflösung. Ihre Zeitschriften mussten das Erscheinen einstellen. Doch der revolutionäre Geist unter der Arbeiterjugend konnte durch die Unterdrückungsversuche der herrschenden Klasse nicht mehr erstickt werden.

Die neuen Anforderungen an den Kampf der revolutionären Arbeiterbewegung

Mit dem Übergang zum Imperialismus hatte der Kapitalismus seine höchste Entwicklungsstufe erreicht. Der Widerspruch zwischen der reaktionären Politik der herrschenden Klassen im Innern und nach außen einerseits und den Lebensinteressen der Völker andererseits forderte gebieterisch die Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und den Übergang zum Sozialismus. Der Imperialismus war zugleich der Vorabend der proletarischen Revolution. Aus dieser neuen Situation ergaben sich für die Arbeiterbewegung neue Aufgaben.

Die antidemokratische Innen- und die aggressive Außenpolitik der imperialistischen Staaten erforderte die Zusammenfassung aller Kräfte, die für Demokratie und Frieden kämpften. Die Führung einer solchen antiimperialistischen Volksbewegung konnte nur die revolutionäre Arbeiterbewegung übernehmen, die weitergehende Ziele- die sozialistische Revolution- verfolgte und über eine revolutionäre Theorie sowie starke Organisation der Arbeiterklasse verfügte.

Für die sozialistische Bewegung ergab sich mit dem Beginn der imperialistischen Herrschaft die Notwendigkeit, wirksamere Mittel des Massenkampfes anzuwenden. Entscheidende Bedeutung erlangten die außerparlamentarischen Aktionen. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging die Arbeiterklasse dazu über, im ökonomischen und politischen Kampf den Massenstreik anzuwenden.  1902 streikten über 300 000 belgische Arbeiter für ein demokratisches Wahlrecht. 1903 fand ein Massenstreik in den Niederlanden, 1904 ein Massenstreik in Italien statt.

Die Herausbildung des Imperialismus erforderte von den Arbeiterparteien, sich für die neuen Bedingungen des Klassenkampfes organisatorisch und ideologisch zu wappnen. Notwendig war die Beseitigung des opportunistischen Einflusses auf die Partei; die Arbeiterpartei musste auf dem Boden des Marxismus stehen und ihn weiterentwickeln, den proletarischen Internationalismus festigen und eine straff organisierte revolutionäre Kampforganisation bilden. Eine solche revolutionäre Kampfpartei entstand zunächst in Russland.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel.

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Der beginnende Kampf um die Neuaufteilung der Welt und die aggressive Rolle des deutschen Imperialismus

Die unterschiedliche Entwicklung der kapitalistischen Länder

Die industrielle Entwicklung vollzog sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den einzelnen kapitalistischen Ländern sehr unterschiedlich.

Siehe: Die Entwicklung Deutschlands zu einer führenden Industriemacht

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Starke Unterschiede zwischen den kapitalistischen Ländern entstanden auch im Anteil an Kolonialbesitz und Einflussgebieten. (Karte „Die Welt im Jahre 1914“)

Die Welt im Jahre 1914
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Die traditionelle Vorherrschaft Englands auf dem Weltmarkt war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in wichtigen Bereichen beseitigt, in anderen ernsthaft gefährdet. Englands Hauptkonkurrent wurde der deutsche Imperialismus.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Die ungleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung hatte Widersprüche im Verhältnis der einzelnen imperialistischen Staaten untereinander zur Folge. Die wirtschaftlich erstarkten, aber bei der Aufteilung der Welt zu spät gekommenen imperialistischen Staaten forderten eine Neuaufteilung. Zu erreichen war dieses Ziel nur mit Gewalt, also mit Krieg. 

Geschützmontage in einem Werk von Schneider-Creuzot. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Der spanisch-amerikanische Krieg 1898

In den Annexionsplänen der USA-Regierung kam Kuba, das seit dem 16. Jahrhundert spanische Kolonie war, eine besondere Bedeutung als Rohstofflieferant (Zucker und Tabak), als günstiges Kapitalanlagegebiet und als wichtiger militärischer Stützpunkt (Zugang zur Panama-Landenge und Mexiko) zu.

Ein Aufstand der kubanischen Bevölkerung gegen die spanische Kolonialherrschaft, der im Jahre 1895 begann, lieferte den Vorwand für die Einmischung der USA. Die USA-Regierung erklärte, sie wolle den Befreiungskampf der Kubaner unterstützen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

1898 explodierte ein USA-Kriegsschiff im Hafen von Habana. Die Ursachen der Explosion sind bis heute nicht geklärt. Diesen Zwischenfall nahmen die USA zum Anlass, Spanien den Krieg zu erklären.  Die Spanier unterlagen. Im Friedensvertrag wurde Kuba formell die Unabhängigkeit zugestanden. Tatsächlich aber ging die Herrschaft an die USA-Monopole über.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Spanien verlor außerdem die Herrschaft über die Philippinen, Puerto Rico und Guam an die USA. Die deutschen Imperialisten nutzten die Situation und zwangen die Regierung Spaniens, ihnen die Karolinen-, die Marianen- und Palauinseln zu überlassen.

Der spanisch-amerikanische Krieg 1898 eröffnete die lange Kette imperialistischer Kriege um die Neuaufteilung der Welt.

Aufgabe aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Welt im Jahre 1870
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Die Welt im Jahre 1914
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Niederschlagung des chinesischen Volksaufstandes

In den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verstärkten die Imperialisten ihre Bemühungen, in China Fuß zu fassen. Zu den konkurrierenden Staaten Russland, England und Frankreich kamen die japanischen, nordamerikanischen und deutschen Imperialisten hinzu. Der Kampf um den beherrschenden Einfluss spielte sich auf Kosten des chinesischen Volkes ab. Im Jahre 1900 kam es zu einer bewaffneten Erhebung chinesischer Patrioten.

Auszug aus „Hunnenrede“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die imperialistischen Mächte organisierten einen gemeinsamen Feldzug zur Niederwerfung des chinesischen Volksaufstandes. 40 000 schwerbewaffnete Soldaten wurden nach China geschickt.

General von Moltke am 11. Juli 1900 in einer geheimen Tagebucheintragung:“…denn wenn wir ganz ehrlich sein wollen, so ist es Geldgier, die uns bewogen hat, den großen chinesischen Kuchen anzuschneiden. Wir wollen Geld verdienen, Eisenbahnen bauen, Bergwerke in Betrieb setzen, europäische Kultur bringen, das heißt in einem Wort ausgedrückt, Geld verdienen.“ Zitiert nach: G. Förster/H. Helmert/ H. Otto/H. Schirmer Der preußisch-deutsche Generalstab 1640 bis 1965. Berlin 1966, Seite 92. Die zeitgenössische französische Karikatur zeigt von links nach rechts die Kaiser, Könige und Präsidenten Deutschlands, Frankreichs, Russlands, Japans, der USA und Englands
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Kolonialtruppen begannen eine grausame Strafexpedition. Tausende unschuldiger chinesischer Männer, Frauen und Kinder wurden dabei ermordet.

Die Arbeiter Deutschlands protestierten gegen den Chinafeldzug. Im Reichstag forderten die sozialdemokratischen Abgeordneten unter Führung August Bebels die Anerkennung Chinas als gleichberechtigten Staat und den Rückzug der imperialistischen Truppen. Zur Entlarvung der militärischen Brutalität veröffentlichten sozialdemokratische Zeitungen Soldatenbriefe aus China, „Hunnenbriefe“ genannt.

Auszug aus einem der „Hunnenbriefe“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Aufgabe Vergleich „Hunnenrede“ und „Hunnenbriefe“
Vor der Hinrichtung von Teilnehmern des chinesischen Volksaufstandes durch imperialistische Kolonialtruppen. (Fotografie aus dem Jahre 1900)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Aufteilung Chinas in Einflussgebiete imperialistischer Mächte wurde fortgesetzt. Da nicht alle Beteiligten mit ihrem Anteil zufrieden waren, entstanden in diesem Raum immer neue Konflikte zwischen den imperialistischen Staaten.

Die aggressive Außenpolitik des deutschen Imperialismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Mit der ökonomischen Macht wuchs zugleich das Streben der Monopole – unterstützt von der imperialistischen kaiserlichen Regierung – versuchten auf fast allen Kontinenten, ihre Herrschaft zu errichten oder auszudehnen. Ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen, war der Kapitalexport. Wie die Monopolverbände oder die Regierungen der anderen Staaten, so legten auch die deutschen Imperialisten immer größere Mengen ihres Kapitals in wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern an, weil sie dort viel höhere Profite, sogenannte Extraprofite, erzielen konnten.

Neben der unmittelbaren Kapitalanlage (Errichtung von Fabriken und Tochtergesellschaften, Bau von Verkehrswegen, Gründung großer Plantagen) erfolgte der Kapitalexport auch in Form von Krediten, die den Regierungen dieser Länder gegen hohe Zinsen und nur unter bestimmten Bedingungen gewährt wurden. So konnten die Imperialisten mit dem Kapitalexport gleichzeitig ihre politischen Machtpositionen in den wirtschaftlich schwach entwickelten, darunter auch imperialistischen Ländern ausbauen. (Na ja, da hat sich bis heute nichts geändert.)

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Zusammenhang zwischen Kapitalexport und den Aggressionsplänen des deutschen Imperialismus kam besonders in der Türkei zum Ausdruck. Der türkischen Regierung wurden von der DEUTSCHEN BANK, in enger Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung, Kredite zum Bau der Bagdad-Bahngewährt. Der türkische Staat musste hohe Zinsen zahlen und sich dazu verpflichten, alle Bau- und Betriebsmaterialien aus Deutschland zu beziehen. Damit die Türkei die Zinsen bezahlen konnte, zwangen ihr die deutschen Imperialisten bestimmte Maßnahmen auf, zum Beispiel eine Verwaltungsreform. (Das kommt uns auch heute bekannt vor.)

Der Einfluss der deutschen Imperialisten auf die türkische Regierung wurde immer größer, die Türkei nach und nach in eine deutsche Halbkolonie verwandelt.

Die Beherrschung der Türkei bot den deutschen Imperialisten einen wichtigen Ausgangspunkt für weitergehende Expansionen und Aggressionen. Von hier aus konnten vor allem die englischen Kolonien und Verbindungswege bedroht und erobert werden. So verschärfte die Vorherrschaft des deutschen Imperialismus in der Türkei den deutsch-englischen Gegensatz.

Die Bagdad-Bahn
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die aggressiven Bestrebungen der deutschen Imperialisten zur Neuaufteilung der Welt verstärkten die Spannungen zwischen den imperialistischen Staaten außerordentlich. Der deutsche Imperialismus verursachte wiederholt internationale Konflikte und steigerte die Gefahr eines Kriegsausbruchs.

Die Verstärkung der Rüstungen und die Abwälzung der Lasten auf das Volk

Die gesamte Wirtschaft in Deutschland wurde in immer steigendem Maße den militärischen Belangen untergeordnet, so auch der Bau der Eisenbahnen, Straßen und Kanäle. Insbesondere erweiterte sich die Rüstungsindustrie. Wissenschaftliche Institutionen und spezielle Forschungseinrichtungen stellte man in den Dienst der Rüstungsindustrie. Die gesamte Rüstung wurde ständig verstärkt und modernisiert.

Montage schwerer Schiffsgeschütze in den Kruppwerken. In den vier Jahren von 1910 bis 1914 verdiente Krupp an der Rüstung 207 Millionen Mark.
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Vergleichsbild:

Geschützmontage in einem Werk von Schneider-Creuzot. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

1898 und 1900 wurden zwei Flottengesetze vom Reichstag angenommen, die eine gewaltige Vergrößerung der deutschen Kriegsflotte vorsahen. Sie sollte danach untern anderem 38 Linienschiffe, 14 große und 38 kleine Kreuzer umfassen. Ab 1906 wurden besonders große Schlachtschiffe gebaut. Diese Flottenrüstung verstärkte den Gegensatz zu England. Die englischen Imperialisten wollten ihre Seeherrschaft erhalten und zugleich die Verbindungswege zu ihren Kolonien sichern. Die deutsche Flottenausrüstung veranlasste sie zu eigenen umfangreichen Flottenbauten. Beide Staaten steigerten sich in ein Wettrüsten um die stärkste Kriegsflotte.

Dieses Wettrüsten brachte den Monopolkapitalisten ständig höhere Profite. Für die Werktätigen (arbeitenden Menschen) dagegen, die diese Rüstungslasten zu tragen hatten, verschlechterten sich zunehmend die Lebensverhältnisse.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Deutsche Kriegsschiffe in dem 1895 eröffneten, militärisch wichtigen Nord-Ostsee-Kanal. (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Am Wettrüsten beteiligten sich alle imperialistischen Staaten. Ganz Europa starrte bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Waffen. Ein Funke genügte, um das Pulverfass zur Explosion zu bringen.

Rüstungsausgaben einiger imperialistischer Länder vor 1914. (Angaben in Millionen Mark)

Was lässt diese Darstellung in bezug auf den deutschen Imperialismus erkennen?

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Größenwahn bringt man immer mit Adolf Hitler, den man spöttisch „Gröfaz“ nennt, in Verbindung. Doch schon lange zuvor, bereits im Kaiserreich, gab es solche größenwahnsinnigen Pläne.

Diese Karte zeigt als besonders weitgehendes Beispiel die Eroberungsabsichten des Alldeutschen Verbandes, der aggressivsten imperialistischen Organisation im Deutschen Reich
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die ideologische Kriegsvorbereitung

Die deutschen Imperialisten bereiteten die kriegerische Auseinandersetzung um die Neuaufteilung der Welt nicht nur wirtschaftlich und militärisch, sondern auch ideologisch vor. Sie versuchten, die Volksmassen durch Irreführung und Verhetzung für den imperialistischen Krieg zu gewinnen.

Der ideologischen Kriegsvorbereitung dienten auch die Schulen, Hochschulen, Theater, Kirchen und vor allem die Presse. Um die Werktätigen (arbeitenden Menschen) für einen Eroberungskrieg zu begeistern, war eine Reihe besonderer imperialistischer Organisationen gegründet worden. Die führende Organisation war dabei der Alldeutsche Verband. Von ihm beeinflusst wirkten außerdem die Deutsche Kolonialgesellschaft, der Ostmarkenverein, der Deutsche Flottenverein, der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie, der Jungdeutschland-Bund, der Deutsche Wehrverein und zahlreiche Kriegervereine.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Kaiser Wilhelm II. als Vertreter der deutschen Imperialisten und Militaristen spannt alle Mittel der Wirtschaft, Ideologie und Politik ein, um di aggressiven Ziele zu erreichen. (Zeitgenössische Karikatur aus den USA)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die deutschen Imperialisten behaupteten, Deutschland habe nicht genügend Raum und Möglichkeiten, seine Bewohner zu ernähren und seine Industrie zu entfalten. Deshalb müsse es sich neuen Lebensraum, „seinen Platz an der Sonne“, erkämpfen. Diese Propaganda griffen später die Faschisten wieder auf. („Fehlender Lebensraum“, „Lebensraum im Osten erobern.“ U.ä.) Mit solchen und anderen Theorien versuchten die Imperialisten, das deutsche Volk irrezuführen und die Aggressionspläne als nationale Politik auszugeben. Zum Großteil ist das ja gelungen, genauso wie später bei den Faschisten. (Genau das gleiche Prinzip, das später die Faschisten anwandten.)

Die deutschen Imperialisten versuchten den Werktätigen (arbeitenden Menschen) einzureden, dass das deutsche Volk berufen und berechtigt sei, über andere Völker zu herrschen. Mit dieser Propaganda wurde ein gefährlicher Chauvinismus gezüchtet und das Bewusstsein großer Teile des Volkes, insbesondere des Kleinbürgertums und der Jugend, systematisch vergiftet.

Teil der ideologischen Kriegsvorbereitungen war die Erziehung zum Untertanen. Das Volk sollte gehorsam und blind der imperialistischen Politik folgen. Es sollte über die Politik und die Maßnahmen der herrschenden Klassen nicht nachdenken oder sie gar kritisieren. Als „gottgewollt, weise und väterliche besorgt und um das Wohl des Volkes“ wurde die Regierung und Herrschaft der Imperialisten und Militaristen hingestellt. Schule und Kirche erzogen und beeinflussten in diesem Sinne, und durch militärischen Drill in der Kaserne sollte vollends jedes selbstständige Denken und Wollen abgetötet werden. Der Militarismus beherrschte weitgehend das gesellschaftliche Leben.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
„Die militärisch Rangordnung“. (Karikatur des „Simplizissismus“ aus dem Jahre 1919)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die politische Unterdrückung des Volkes

Mit ideologischen Mitteln allein vermochten die deutschen Imperialisten nicht, das Volk in ihre Aggressionspolitik einzuspannen, den Widerstand gegen Militarismus und Kriegsvorbereitung zu überwinden. Deshalb wurden von den herrschenden Klassen auch politische Mittel, einschließlich das der Gewalt, eingesetzt. Dieses Vorgehen richtete sich in erster Linie gegen die Arbeiterklasse und ihre Organisationen.

1899 wurde von der deutschen Regierung ein Gesetzentwurf „zum Schutz der gewerblichen Arbeit“ eingebracht. Nach Annahme dieses Gesetzes sollten die Vorbereitungen und die Durchführung von Streiks mit schweren Zuchthausstrafen geahndet werden. Die Arbeiter nannten deshalb diesen Gesetzentwurf Zuchthausvorlage.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Gegen diesen Anschlag auf die Rechte der Arbeiter entfaltete die Sozialdemokratie eine machtvolle Protestbewegung, der sich auch bürgerliche Kreise anschlossen. Unter dem Eindruck dieses Widerstandes wurde der Gesetzentwurf von der Mehrheit der Abgeordneten im Reichstag abgelehnt.

Doch immer wieder versuchten die herrschenden Klassen mit allen Mitteln, die Rechte der Arbeiter einzuschränken oder gar aufzuheben. Viele Kapitalisten verboten unter Androhung der sofortigen Entlassung den Arbeitern den Beitritt zu den Freien Gewerkschaften. Polizei und Militär wurden gegen streikende und demonstrierende Arbeiter eingesetzt.

Neben den Freien Gewerkschaften, die sich die Arbeiterklasse geschaffen hatte, bestanden auch noch Gewerkschaften unter der Kontrolle und dm Einfluss der Bourgeoisie
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Immunität=verfassungsrechtlich festgelegter Schutz von Parlamentsmitgliedern vor strafrechtlichen Maßnahmen
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

So wurde das Militär, das angeblich nur zum „Schutze des Vaterlandes“ da sein sollte, für den Einsatz gegen das eigene Volk gedrillt. Karl Liebknecht bezeichnete diese Erscheinung als „Militarismus nach innen“. Damit sollte das Hinterland für die geplanten Aggressionen für den „Militarismus nach außen“ gesichert werden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Im April 1908 wurde das Reichsvereinsgesetz vom Reichstag beschlossen. Es dienste der verstärkten Unterdrückung der nationalen Minderheiten. Das Gesetz forderte die deutsche Sprache in Schulde und Öffentlichkeit. Dadurch sollte die weitere Entwicklung einer eigenen Nationalkultur bei den polnischen, sorbischen und dänischen Minderheiten gehindert werden.

Das Reichsvereinsgesetz untersagte weiter den Jugendlichen unter 18 Jahren jegliche politische Tätigkeit. Sie durften an keinen Veranstaltungen der Arbeiterbewegung teilnehmen und sich nicht in politischen Vereinen zusammenschließen.

Selbst Sport und Spiel in den Arbeiter-Turn-und-Sportvereinen wurden als politische Betätigung ausgelegt und verboten.

Die Imperialisten versuchten dadurch, die Arbeiterjugend von der Arbeiterbewegung zu trennen und ihre sozialistische Beeinflussung zu verhindern, damit sie möglichst nur der imperialistischen Verhetzung ausgeliefert war. Mit Recht wurde das Reichsvereinsgesetz von der werktätigen(arbeiteten) Bevölkerung das „Sozialistengesetz für die Jugend“ genannt.

Durch einschränkende Bestimmungen im Wahlrecht versuchten die herrschenden Klassen, den Eintritt von Vertretern der Arbeiterklasse in die Parlamente zu verhindern oder wenigstens zu erschweren. Das kennen wir ja heute auch noch. Z.B. die Fünfprozentklausel.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Anmerkung: Manches kommt uns bekannt vor und hat sich bis heute nicht geändert. Allenfalls ist es abgemildert worden. (mit zeitweiligen Unterbrechungen auf dem Gebiet der DDR, bzw. der heutigen neuen Bundesländer)

In Koblenz gibt es das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das nach 1990, also nach der Annexion der DDR durch die BRD, wiederaufgebaut worden ist.

 In Bad Kreuznach sind zwei Straßen nach Kaiser Wilhelm benannt. Die Wilhelmstraße und die Kaiser-Wilhelm-Straße. Außerdem gibt es die Moltkestraße, nach dem unrühmlichen General benannt. Das muss zu denken geben.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Der Beginn des Imperialismus

Die Herrschaft der Monopolverbände

Die rasche Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte alle wirtschaftlich fortgeschrittenen Länder erfasst. Neue Industriestaaten rückten in die Reihe der führenden kapitalistischen Länder auf: USA, Deutschland und Japan.

In allen bedeutenden kapitalistischen Staaten hatten um die Jahrhundertwende – wie in Deutschland – die Industrie- und Bankmonopole beherrschenden Einfluss erlangt.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Periode des Kapitalismus der freien Konkurrenz war zu Ende; die neue Stufe der kapitalistischen Entwicklung wird als Monopolkapitalismus oder Imperialismus bezeichnet.

Der Begriff „Imperialismus“ wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Bezeichnung für das Eroberungsstreben Napoleons (imperare, lat. = herrschen) und in dn1870eer Jahren als Schlagwort für die Kolonialpolitik der englischen Regierung verwendet. Mit der Herausbildung des Monopolkapitalismus bekam der Begriff die jetzige Bedeutung.

Die Monopole untereinander führten heftige Kämpfe um die Beherrschung der Märkte und Rohstoffquellen. Dem Konkurrenzkampf und den Wirtschaftskrisen waren nicht alle Monopole in gleicher Weise gewachsen. Die schwächeren Monopole wurden von den stärkeren geschluckt.

Nicht immer konnten die Monopole ihre Konkurrenten vernichten. In solchen Fällen zogen sie es vor, mit konkurrierenden Monopolen Abkommen zu treffen, die allen Beteiligten weiterhin höchste Preise für ihre Waren sicherten. So entstanden mächtige Monopolverbände.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Entwicklung des Finanzkapitals

Die Monopolbildung erstreckte sich auch auf die Banken. Es entwickelten sich Großbanken, die über beträchtliche Teile des Vermögens der Wirtschaft und des Staates verfügten. Kredite gewährten sie vor allem solchen Betrieben, die hohe Profite erzielten. Die Großbanken förderten die Bildung und Festigung der Industriemonopole. Um zu sichern, dass die Kredite möglichst gewinnbringend verwendet wurden, forderten sie die direkte Teilnahme an der Leitung der Monopole. Dazu ernannten sie ständige Vertreter der Banken.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Industriemonopole waren an einer festen Verbindung mit bestimmten Großbanken interessiert, von denen sie ihr Kapital verwalten lassen und jederzeit größere Kredite bekommen konnten. Auch die Industriemonopole sandten ihre Vertreter in die Leitungen der Großbanken. Außerdem kauften die Banken Aktien der Industrieunternehmen und diese wiederum Aktien der Banken auf.

Zeitgenössische Karikatur über die Herrschaft der Monopole in den USA
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Diese personelle und ökonomische Verflechtung gipfelte in der Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital. Dadurch gelangte eine nur kleine Schicht von Finanzkapitalisten zu überaus großer ökonomischer Macht. Der amerikanische Finanzkapitalist Morgan war beispielsweise in den Leitungen von 5 Banken, 50 Eisenbahngesellschaften, 3 Schifffahrtsgesellschaften, 8 Versicherungen und 40 Industrieunternehmen vertreten.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Finanzkapitalisten nutzten ihre ökonomische Machtstellung, um politischen Einfluss auf den bürgerlichen Staat und die ganze Gesellschaft zu erlangen. Der bürgerliche Staat wurde mehr und mehr zu einer Interessenvertretung der mächtigsten Monopole. In den USA, in England und Japan übernahmen Vertreter der Monopole Regierungsämter. Der englische Finanzkapitalist Balfour, der an der Spitze bedeutender Eisen- und Stahlwerke stand, leitete von 1902 bis 1905 als Premierminister die Regierungsgeschäfte. Außerdem waren mindestens 11 Mitglieder seiner Regierung Gründer oder Direktoren von 17 Monopolvereinigungen.

Der Kampf um die ökonomische Aufteilung der Welt

Um möglichst hohe Profite zu erzielen, strebten die Monopolverbände ständig nach weiteren Rohstoffquellen und Absatzmärkten. Ökonomisch schwächere Länder, wie die Türkei, China, Persien oder die Balkanstaaten, wurden zum Tummelplatz einander bekämpfender Monopolverbände und imperialistischer Regierungen. Um ungestört die Rohstoffe und Bodenschätze in solchen Ländern nutzen, die billigen Arbeitskräfte ausbeuten und diese Gebiete als Absatzmärkte sichern zu können, wurde ein erbarmungsloser Konkurrenzkampf geführt. Bei der Wahl der Mittel für den Kampf gegen die Konkurrenten gab es für die Leitungen der Monopole keinerlei Hemmungen. Zeitweilige Preisunterbietungen, Dumping genannt, Bestechungen, Drohungen und Gewalttaten gegen Konkurrenzvertreter sollten die Ziele erreichen helfen.

Die imperialistischen Regierungen griffen oftmals in solche Auseinandersetzungen ein und unterstützten die Monopole ihrer Länder mit staatlichen Mitteln: Kredite wurden gewährt oder plötzlich gekündigt, Erpressungen mit diplomatischen Mitteln organisiert, militärische Gewalt angedroht oder eingesetzt, um di betroffenen Länder in ökonomische und politische Abhängigkeit zu bringen.

Konnten die Konkurrenten nicht aus dem Felde geschlagen werden, so kamen oft Vereinbarungen mit ihnen zustande, die die gemeinsame Unterdrückung und Ausbeutung abhängiger Länder regelten. Es entstanden internationale Monopolverbände. Solche Vereinbarungen beendeten jedoch den Konkurrenzkampf nicht. Sobald sich das Kräfteverhältnis zwischen den konkurrierenden Monopolverbänden veränderte, wurden solche Vereinbarungen gebrochen.

Die Aufteilung der Welt unter die Monopolverbände am Beispiel der Elektroindustrie vor dem ersten Weltkrieg
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

So hörte trotz der Vereinbarungen zwischen der AEG und der CEC über die Ausbeutungsgebiete (siehe Karte) der Konkurrenzkampf nicht auf.

Besonders raffiniert ging die AEG zu Werke, um den Herrschaftsbereich dieses Elektromonopols zu vergrößern. In allen von der AEG beherrschten Ländern gründete ihr Präsident Emil Rathenau einheimische Tochtergesellschaften, die leichter zu den betreffenden Ländern vordringen konnten und die Herrschaft der AEG verschleierten.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Kampf um die ökonomische Aufteilung der Welt unter die Monopolverbände vertiefte die Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten sowie die Widersprüche zwischen den imperialistischen und abhängigen Staaten.

Die Unterwerfung Afrikas durch England und Frankreich

In den Kolonien, das heißt in den Ländern, die völlig von kapitalistischen Staaten beherrscht wurden, konnten die Monopole ohne ausländische Konkurrenz geschützt durch die Staatsgewalt Rohstoffquellen erschließen, den Absatz der Waren organisieren, Betriebe und Verkehrsanlagen bauen und vorhandene billige Arbeitskräfte mit doppeltem und dreifachem Profit ungehindert ausbeuten. Diese Profitmöglichkeiten lösten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine wilde Jagd nach Kolonien aus, an der sich alle kapitalistischen Industrieländer beteiligten.

Zwei der ältesten kapitalistischen Staaten – England und Frankreich – hatten bereits bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts riesige Kolonialgebiete in Asien, Amerika und Afrika erobert. (siehe Karte „Die Welt im Jahre 1870“)

Die Welt im Jahre 1870
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Ein Ziel zahlreicher Kolonialeroberungen der Kapitalisten und ihrer Regierungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war der afrikanische Kontinent.

Nach einem Gefecht französischer Kolonialsoldaten und ihrer Hilfstruppen gegen die Bevölkerung von Dahomey (1891). (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die bedeutendsten Kolonialgebiete eroberten Frankreich und England. Zwischen beiden Staaten kam es dabei immer wieder zu Auseinandersetzungen. Ein solcher Konflikt war zum Beispiel die Faschodakrise 1898. Eine englische Militärabteilung, die den Sudan unterwerfen und damit die Herrschaft Englands über Ägypten sichern sollte, traf Mitte September 1897 bei Faschoda auf französische Kolonialsoldaten, die den Ort bereits besetzt hatten. Dieser Wettlauf um die Unterwerfung des Sudan führte 1898 zu ernsten Konflikten zwischen England und Frankreich. 1899 einigten sich die Regierungen über die Abgrenzung der englischen und französischen Kolonialgebiete in Afrika (siehe Karte „Die Welt im Jahre 1914“)

Die Welt im Jahre 1914
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Um die Jahrhundertwende war Afrika unter die imperialistischen Mächte aufgeteilt. Dabei war es für die Völker Afrikas völlig ohne Bedeutung, ob ihre imperialistischen Unterdrücker deutscher, englischer oder französischer Nationalität waren. Imperialistische Kolonialpolitik bedeutete immer: Ausbeutung, Unterdrückung, Hunger und Rechtlosigkeit.

„Die englische Kolonialpresse.“ (Zeitgenössische Karikatur von Th. Th. Heine aus dem „Simplizissimus“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Kolonialkrieg gegen die Herero

Mit besonderer Grausamkeit unterdrückten die deutschen Imperialisten die von ihnen beherrschten Kolonialvölker. Ein charakteristisches Beispiel dafür war der Krieg gegen die Herero von 1904 bis 1907. Die deutschen Kolonialherren verdrängten die Herero, eine große Völkerschaft in Südwestafrika, aus den fruchtbarsten Gebieten in Küstennähe.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die offizielle Entschuldigung der Familie von Trotha erfolgte erst im Jahre 2004.                                     Siehe Wikipedia.

Im Jahre 1904 erhoben sich die verzweifelten Hereros gegen ihre Unterdrücker und die Räuber ihres Besitzes. Die kaiserliche Regierung sandte daraufhin 14 000 Soldaten nach Südwestafrika. Die Herero wehrten sich tapfer, konnten aber gegen die modernen Gewehre und Geschütze der Soldaten wenig ausrichten. Nur 6 000 Hereros besaßen unmoderne Gewehre, die übrigen nur Holzkeulen. Gewaltsam wurden sie von den Wasserstellen abgedrängt. Der Kommandeur der deutschen Kolonialsoldaten verweigerte selbst Frauen, Kindern und Verwundeten das lebensnotwenige Wasser.

Voller Verzweiflung wagten die Herero einen Marsch durch die wasserlose Wüste von Omaheke, um Südafrika zu erreichen. Von 100 000 Herero überlebten nur 20 000 den Kolonialkrieg.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Anmerkung von Petra Reichel: In der alten BRD hat man nichts über den Kolonialkrieg gegen die Herero gelernt. Es wurde sich nur in der DDR damit befasst.

Erst Jahre nach der Annexion der DDR durch die BRD, beschäftigten sich politisch Verantwortliche mit dem brutalen Vorgehen gegen die Herero. 

Näheres dazu: siehe Wikipedia

Deutsche Offiziere Keetmannshoop(heute Namibia) um 1904
 Bild entnommen aus DER SPIEGEL  48a, 2021

Siehe Artikel aus DER SPIEGEL 48a, Dez 2021

Artikel aus DER SPIEGEL 48a, Dez 2021
Völkermorddenkmal in Windhoek (2016)
Bildquelle: Von Pemba.mpimaji – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=54308729

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die wichtigsten Ergebnisse des Kampfes der Arbeiterklasse gegen das Sozialistengesetz

Der Sturz Bismarcks und die Aufhebung des Sozialistengesetzes

Die wachsende Stärke der Sozialdemokratie und der große Bergarbeiterstreik 1889 zeigten, dass der Versuch der herrschenden Klassen, das Proletariat politisch mundtot zu machen, misslungen war. 1890 erschienen bereits wieder 60 Arbeiterzeitungen, also noch 13 mehr als 1878. In den Jahren von 1878 bis 1890 hatte sich die Anzahl der gewerkschaftlichen Zentralverbände von 36 auf 59 erhöht.

Die Erfolge der deutschen Arbeiterklasse unter Führung ihrer Partei führten innerhalb der herrschenden Klassen zu unterschiedlichen Auffassungen über die Art der Bekämpfung der Sozialdemokratie. So wurde das Sozialistengesetz am 25. Januar 1890 nicht mehr vom Reichstag verlängert.

„Junker und Bourgeois tragen trauernd die Ausnahmegesetze gegen die Sozialisten zu Grabe.“ (Karikatur aus der satirischen sozialdemokratischen Zeitschrift „Der wahre Jacob“, 1890)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Wählerstimmen für sozialdemokratische Kandidaten bei den Reichstagswahlen von 1878 bis 1890
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Sieg der Arbeiterklasse wurde deutlich, als die Sozialdemokratie mit fast 1,5 Millionen Wählerstimmen als stärkste Partei aus den Wahlen vom Februar 1890 hervorging.

Teil der Titelseite des „Sozialdemokraten“ vom 8. März 1890
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Vier Wochen danach musste Bismarck, den die herrschenden Klassen immer als unbesiegbaren „Eisernen Kanzler“ bezeichneten, alle seine Ämter niederlegen. Am 30. September 1890 trat auch das Sozialistengesetz außer Kraft.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Weder Terror noch Lockerungen hatten es vermocht, die Arbeiter vom Klassenkampf abzuhalten. Mut und Solidarität, Kampfentschlossenheit und politische Reife – an diesen Grundeigenschaften der proletarischen Kämpfer waren die herrschenden Klassen mit ihrer Ausnahmepolitik gescheitert.

Die Stärkung der Partei als Führerin der Klasse

Die entscheidende Voraussetzung für den Sieg der Arbeiterklasse über das Sozialistengesetz war, dass sie eine zielklare Führung hatte. Diese Führung war die Partei. Im Kampf selbst festigte sich die Partei. Die organisatorischen Verbindungen der Genossen untereinander, die der Genossen zu den Führern August Bebel und Wilhelm Liebknecht, und das Verhältnis der Arbeiter zum „Sozialdemokrat“ entwickelten sich zu einer festen Kampfgemeinschaft.

Der revolutionären Politik der Partei widersetzten sich die Opportunisten. Sie verzichteten auf die Klasseninteressen der Arbeiterklasse, auf den Sturz der kapitalistischen Ausbeuterordnung. Sie beschränkten sich darauf, die Lage der Arbeiter innerhalb des kapitalistischen Systems zu verbessern. Demgegenüber galt es, die marxistischen Grundsätze als Leitlinie für den Kampf der Arbeiterklasse durchzusetzen. Dazu bedurfte es harter Auseinandersetzungen innerhalb der Arbeiterbewegung. In diesem Ringen setzten sich die marxistischen Kräfte durch. Die Arbeiter wiesen gemeinsam mit den revolutionären Führern und unterstützt von Marx und Engels kleinbürgerlich Kräfte in der Partei, die eine Ampassungspolitik an die herrschenden Klassen betreiben wollten, zurück. In den zwölf Jahren des Sozialistengesetzes zeigte sich, dass der Marxismus die Grundlage für eine Politik war, die die Interessen der Arbeiter mit Erfolg verfocht. Dadurch war es möglich, dass sich die Partei das Vertrauen und die Achtung der Arbeiter erwarb. Viele Arbeiter großer Industriebetriebe und die Bergarbeiter, die vor dem Sozialistengesetz noch keine Bindung zur Sozialdemokratie hatten, sahen nun in dieser Partei auch ihre Sachwalterin.

Das Erfurter Programm

Die politische Entwicklung der Sozialdemokratie in der Zeit des Sozialistengesetzes erforderte ein neues Programm. Es galt, die Kampfergebnisse auszuwerten und neue Ziele festzulegen.

Der Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Erfurt 1891 nahm ein neues Programm, das Erfurter Programm, an, das an die Stelle des opportunistischen Gothaer Programms trat. Verschiedene Entwürfe wurden geschrieben und diskutiert. Es war vor allem Friedrich Engels, der den Parteiführern wichtige Hinweise gab, wie das neue Programm aussehen sollte, welche Ziele es aufstellen musste und welche Wege zu diesen Zielen führten. Damit trug er wesentlich dazu bei, opportunistische Auffassungen zurückzuweisen, die in der Diskussion um das Erfurter Programm auftraten. Sehr wichtig war vor allem die Veröffentlichung der Kritik des Gothaer Programms von Karl Marx (siehe Herstellung Einheit der Arbeiterbewegung..) durch Friedrich Engels.

So entstand ein Programm, das in entscheidenden Punkten die marxistischen Prinzipien enthielt. Es hieß darin unter anderem, dass zur Errichtung der sozialistischen Gesellschaft das kapitalistische Eigentum an Produktionsmitteln (Gruben, Fabriken, Verkehrsmittel usw.) in gesellschaftliches Eigentum verwandelt werden muss. Diese Umwandlung kann nur durch die Arbeiterklasse erfolgen. Zu diesem großen Werk, so hieß es im Programm, braucht die Arbeiterklasse eine revolutionäre Partei.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Julius Motteler

Näheres siehe Wikipedia

Julius Motteler, der als Verantwortlicher für den Versand des „Sozialdemokraten“ den Ehrennamen „Der rote Feldpostmeister“ erhielt. (Fotografie)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Haus in Esslingen am Neckar, in dem Motteler von 1838 bis 1856 wohnte
Bildquelle: Von –Xocolatl 23:40, 26 December 2007 (UTC) – Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3281695

Zusammengestellt von Petra Reichel

Der Kampf der deutschen Arbeiterklasse gegen das Sozialistengesetz

Zweck und Inhalt des Sozialistengesetzes

Junker und Großkapitalisten sahen voller Unruhe, wie schnell die sozialistische Arbeiterpartei erstarkte. Die herrschenden Klassen und ihre Regierung sahen in der sozialistischen Bewegung ein entscheidendes Hindernis für die weitere Ausbeutung des Volkes und die Erhöhung der Profite und Staatseinnahmen. So nutzten sie zwei 1878 erfolgte Attentatsversuche auf den Kaiser, mit denen die Sozialdemokratie nichts zu tun hatte, um am 21. Oktober 1878 das sogenannte Sozialistengesetz durchzusetzen, das sich gegen die gesamte Arbeiterklasse richtete.

Das Sozialistengesetz wird durch das Reichsgesetzblatt verkündet
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Die wichtigsten Bestimmungen des Soziallistengesetzes
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Unterdrückung der Arbeiterorganisationen, das Verbot aller Arbeiterzeitungen und der Terror der Polizei und Justiz minderten die Kraft der Arbeiterklasse und des Volkes. Das nutzten die herrschenden Klassen, und sie begannen einen seit langem geplantem Raubzug auf die Taschen des Volkes. Im Juli 1879 wurden die Schutzzollgesetze angenommen. Die Zölle für ausländisches Eisen, Getreide, Vieh, Holz und viele andere Waren trieben natürlich die Preise in Deutschland in die Höhe. Die Regierung erhöhte darüber hinaus die indirekten Steuern für Salz und Zucker. Diese Einnahmen dienten vor allem der weiteren Rüstung.

Die Salzsteuer galt weiterhin bis in die Zeit des heutigen Deutschlands. Sie wurde erst mit Wirkung ab dem 01. Januar 1993 aufgehoben. Näheres siehe Wikipedia.

Die Zuckersteuer galt ebenso bis in die Zeit des heutigen Deutschlands. Sie wurde erst zum 01. Januar 1993 mit Hinblick auf den EU-Binnenmarkt abgeschafft. Krankenkassenfachleute und Nicht-Regierungsorganisationen, wie FOODWATCH werben für die Wiedereinführung der Zuckersteuer in Deutschland und werden dabei von Mitgliedern des Bundestages-Gesundheitsausschusses unterstützt. Zucker gilt als schädlich und ungesund. Näheres siehe Wikipedia.

Zölle und Verbrauchssteuern
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Arbeiterklasse trotzt dem Terror

Das Sozialistengesetz traf die Arbeiterklasse schwer. Von 47 Parteizeitungen wurden 45 sofort verboten. Die mit den Ersparnissen der Arbeiter mühsam aufgebauten Genossenschaftsdruckereien wurden geschlossen. 17 gewerkschaftliche Zentralorganisationen wurden sofort verboten, dazu viele lokale Organisationen und Vereine. Bereits im November 1878 wurden 67 führende Sozialdemokraten aus Berlin ausgewiesen.

Der Kampf der Arbeiter und revolutionären Führer richtete sich auch gegen opportunistische Kräfte in der Partei, die bei der Umstellung der Partei auf die neuen Kampfbedingungen hervortraten und die Existenz der revolutionären Kampfpartei bedrohten. Eine Gruppierung trat gegen den revolutionären Kampf der Arbeiterklasse auf, eine andere propagierte eine putschistische, anarchistisch beeinflusste Taktik. Die revolutionären Führer wiesen mit Unterstützung von Marx und Engels diese Kräfte zurück. Die Arbeiter nahmen unter Führung von August Bebel und Wilhelm Liebknecht den Kampf gegen das Sozialistengesetz auf. So wurde eine Unterstützungsaktion für Ausgewiesene eingeleitet. Das Unterstützungskomitee leitete August Bebel. Dadurch entstanden auch wieder die ersten Verbindungen unter den Genossen.

Ausweiskarte für einen ausgewiesenen Sozialdemokraten
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
August Bebel über eine illegale Versammlung Dresdner Genossen
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Sozialdemokraten entwickelten neue Methoden des Kampfes. Geheime, illegale Verbindungen wurden ergänzt durch legale Zusammenkünfte in Turn-, Wander- und Gesangsvereinen.

Die Sozialdemokraten nutzten die Reichstagswahlen zur Agitation und wirkten in sogenannten Hilfskassen zur Krankenunterstützung. Die Abgeordneten im Reichstag und in den Landtagen legten die Auffassungen zu wichtigen politischen Ereignissen dar und konnten auf diese Weise auch den Kampf der Arbeiter lenken. Erstmalig entwickelte so eine proletarische Massenpartei eine Kampftaktik unter besonders schweren Kampfbedingungen: die Verbindung der illegalen mit der legalen Arbeit. Dieser Kampf war schwer, denn überall setzte die Polizei ihre Spitzel ein.

Teilnehmer einer illegalen sozialdemokratischen Veranstaltung in der Nähe von Berlin werden von der Polizei abgeführt. (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Klugheit und Mut gehörten dazu, die Polizei zu überlisten.

Die „Rote Feldpost“

Um erfolgreich kämpfen zu können, brauchte die Arbeiterklasse eine Zeitung, die unbeeinflusst von der Polizeikontrolle Anleitung gab und die Ziele des Kampfes verbreitete. Mit Hilfe von Karl Marx und Friedrich Engels wurde seit dem 28. September 1879 in Zürich in der Schweiz „Der Sozialdemokrat“ herausgegeben.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Wöchentlich wurde „Der Sozialdemokrat“ illegal nach Deutschland gebracht und verbreitet. Tapfere Sozialisten sorgten für den Vertrieb. Ihre Organisation nannten die Arbeiter die „Rote Feldpost“.

Die Mitarbeiter der „Roten Feldpost“ arbeiteten sehr geschickt und mutig, so dass die Polizei nur selten eine Sendung Zeitungen abfangen konnte. Im Jahre 1886 wurden bereits 10 000 Exemplare der Zeitung „Sozialdemokrat“ in Deutschland verbreitet.

Im „Sozialdemokrat“ erschienen Artikel von Karl Marx und Friedrich Engels, August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Aber auch sehr viele Arbeiter berichteten von ihren Erfahrungen.

Julius Motteler, der als Verantwortlicher für den Versand des „Sozialdemokraten“ den Ehrennamen „Der rote Feldpostmeister“ erhielt. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Kampf gegen „Zuckerbrot und Peitsche“

Die Kampfentschlossenheit der Arbeiter, die sich in den Erfolgen der Sozialdemokratie bei Wahlen (wichtigste Ergebnisse..) widerspiegelten, zeigte den herrschenden Klassen, dass mit Unterdrückung und Terror die sozialistische Bewegung nicht zu beseitigen war. Bismarck versuchte daher, soziale Forderungen der Arbeiter aufzugreifen, einige soziale Verbesserungen zu gewähren, um dadurch die Arbeiter vom revolutionären Klassenkampf abzulenken.

Die „Peitsche“ des Terrors wurde durch das „Zuckerbrot“ der Sozialgesetze ergänzt.

Bismarck 1844 über die Sozialgesetze
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Die Sozialgesetze
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Sozialgesetze brachten für einen Teil der Arbeiter gewisse soziale Verbesserungen. Wieder regten sich opportunistische Kräfte in der Partei, die in den Sozialgesetzen die Verwirklichung des Sozialismus sahen. Solchen Auffassungen traten die revolutionären Parteiführer entgegen. Unter der Losung „Das Zuckerbrot verachten wir, die Peitsche zerbrechen wir!“ kämpfte die Partei weiter. Die Organisation wurde fester.

Von den Sozialgesetzen profitieren wir noch heute. Bismarck wird als der große Wohltäter dargestellt, weil er diese eingeführt hatte. In diesem Beitrag sehen wir aber, dass es sich in Wirklichkeit anders verhalten hatte.  Es wird an den Sozialgesetzen Abbau betrieben. Doch ganz abschaffen kann man sie nicht, da sie vom Reaktionär Bismarck geschaffen wurden, um Aufstände oder gar eine Revolution zu verhindern.

1886/87 organisierte die Partei umfangreiche Aktionen gegen Militarismus und Völkerhetze, für proletarischen Internationalismus. Den 10. Jahrestag des Sozialistengesetzes „feierten“ die Sozialdemokraten mit Flugblattaktionen und geheimen Versammlungen. An den Türen und Schornsteinen, ja sogar auf einigen Polizeigebäuden, wehten rote Fahnen. Die Gewerkschaften entstanden neu, und die Streiktätigkeit stieg seit Mitte der 1880er Jahre schnell an. Höhepunkt des Kampfes war der große Bergarbeiterstreik vom 04. Mai bis 06. Juni 1889. 

Militärstreife während des Streiks im rheinisch-westfälischen Industriegebiet 1889. Insgesamt wurden gegen die Streikenden 5 000 Infanteristen und fast 1 000 Kavalleristen eingesetzt. (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Nahezu 150 000 Bergarbeiter aller deutschen Steinkohlereviere streikten für die Achtstundenschicht, für 15 Prozent Lohnerhöhung, Beseitigung der Lohnabzugssysteme (Strafmaßnahmen der Unternehmer) und Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Dieser Streik traf die herrschenden Klassen schwer, denn solche Industriegebiete wie das Ruhrgebiet – hier lag der Schwerpunkt des Streiks – waren lebenswichtige Zentren der Schwer- und Rüstungsindustrie.

Wenn der Streik auch nur Teilerfolge auf sozialem Gebiet für die Arbeiter brachte, so war er doch von großer Bedeutung für die Einbeziehung neuer Schichten der Arbeiterklasse in den revolutionären Kampf. Für viele Bergarbeiter zeigte sich nicht zuletzt während der schweren Streiktage, dass die revolutionäre Sozialdemokratie der beste Sachwalter aller Arbeiter war.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die Entwicklung Deutschlands zur führenden Industriemacht

Die wirtschaftlichen Folgen der nationalstaatlichen Einigung

Die nationalstaatliche Einigung 1871 ermöglichte die noch schnellere Entwicklung des Kapitalismus in Deutschland. Die volle Ausbildung eines einheitlichen Marktes förderte die Produktion, den Handel und das Verkehrswesen außerordentlich.

So stieg die Länge der Eisenbahnstrecken von 19 6000 Kilometer im Jahre 1870 auf 51 400 Kilometer im Jahre 1900.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In den Jahren unmittelbar nach der Reichsgründung entstanden viele neue Unternehmen, und zahlreiche Aktiengesellschaften wurden gegründet. Diese Jahre nannte man daher die Gründerjahre. Zur Finanzierung der Neugründungen und der Großbetriebe entstand eine Anzahl mächtiger Banken, wie die die DEUTSCHE BANK (1872). Eine wesentliche Rolle spielten bei den Gründungen und bei der Erweiterung der Betriebe die vom französischen Volk erpressten fünf Milliarden Goldfranken Kriegsentschädigung. Der Raub von Elsass-Lothringen stärkte auch die industrielle Grundlage (Textilindustrie, Maschinenbau, Eisenerz) des deutschen Reiches.

Die Anwendung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und technische Verfahren

Die rasche Entwicklung des Kapitalismus nach 1871 schuf in Deutschland die Voraussetzungen für den schnellen Einsatz moderner Produktionsverfahren in der Industrie, insbesondere der Schwerindustrie.

Die Nutzung des von Sidney und Thomas entwickelten Thomas-Verfahrens war für die deutschen Kapitalisten besonders wichtig, weil dadurch die von Frankreich geraubten stark phosphorhaltigen Eisenerzlager in Lothringen voll ausgenutzt werden konnten. Auch in anderen Zweigen der Schwerindustrie entwickelten sich die technischen Verfahren. So wurden Formmaschinen und Sandstrahlgebläse in den Gießereien eingesetzt. Der hydraulische Schmiedehammer verdrängte den Dampfhammer. 1886 wurde ein Verfahren zum Walzen nahtloser Rohre entwickelt.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Entstehung neuer Industriezweige

Durch die Entwicklung der Industrie und des Verkehrswesens entstanden neue Produktionszweige. Neue Forschungsergebnisse der Wissenschaft wurden schnell zu Grundlage völlig neuer Industrien. Es entstanden chemische Werke und die optische Industrie.

In den chemischen Fabriken wurden künstliche Farben und Arzneimittel aus Steinkohlenteer gewonnen. Auch die Produktion von chemischem Dünger wurde durch die Verarbeitung von Kalisalzen und Thomasschlacke, einem Abfallprodukt des Thomasverfahrens, großtechnisch betrieben.

In der Fertigung optischer Geräte setzte der Forscher Ernst Abbe wissenschaftliche Methoden durch. Die Firma CARL ZEISS in Jena entwickelte sich dadurch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zum Zentrum der optischen Industrie in Deutschland und in der Welt.

Zeiss-Mikroskop; mit dem der Arzt Robert Kochseine berühmt gemachten Entdeckungen machte
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der kapitalistischen Industrie war die Nutzung der Elektroenergie. 1866 hatte der deutsche Techniker und Unternehmer Werner Siemens das elektrodynamische Prinzip entdeckt und die Dynamomaschine erbaut.  Nachdem es gelang, den elektrischen Strom durch Hochspannungsleitungen auf große Entfernungen zu übertragen, konnte auch der Elektromotor eingesetzt werden. Dadurch wurden in den Fabriken die komplizierten Anlagen der Kraftübertragung von der Dampfmaschine zur Arbeitsmaschine überflüssig. Auch zur Beleuchtung wurde die Elektrizität genutzt. 1882 erstrahlte in Berlin die erste Glühlampe.

Maschinensaal des zentralen Elektrizitätswerkes 1890 in Berlin.(Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Auch in das 19. Jahrhundert fällt auch der Anfang der Autoindustrie. 1885 war das erste Automobil aus der Werkstatt von Carl Benz in Mannheim fahrbereit. Sein Motor arbeitete nach dem Prinzip des Gasmotors (Benzin-Luft-Gemisch), den der Ingenieur Nicolaus Otto 1876 konstruiert hatte. Der 1897 von Rudolf Diesel erbaute Dieselmotor, der mit billigem Rohöl angetrieben wurde, kam ebenfalls sehr bald zum Einsatz.

Das erste von Benz erbaute Automobil
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Gründerkrach

Der schnelle Produktionsaufschwung nach 1871 konnte nicht über die Widersprüche des Kapitalismus hinwegtäuschen. Durch den Konkurrenzkampf zwischen den Kapitalisten um den höchsten Profit wurden mehr Waren produziert, als abgesetzt werden konnten. In Deutschland kam hinzu, dass durch die günstigen Bedingungen bei der Gründung von Aktiengesellschaften und durch die schnelle Anlage der französischen Kriegskontributionen ein wahres „Gründungsfieber“ entstanden war.

Als 1873 eine Weltwirtschaftskrise ausbrach, wirkte sich auf Deutschland besonders stark aus. Man sprach vom Gründerkrach, weil viele neugeründete Unternehmen zusammenbrachen. Die Produktion ging beträchtlich zurück, besonders in der Eisenindustrie.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Viele kleine und mittlere Kapitalisten überstanden diese Krise nicht. Ihre Betriebe wurden vielfach von den Großbetrieben aufgekauft.

Die herrschenden Klassen versuchten die Lasten der Krise auf die Werktätigen abzuwälzen. Viele Arbeiter wurden von der Entlassung und Arbeitslosigkeit betroffen. Gleichzeitig versuchten die Vertreter der Großbourgeoisie im Reichstag einen Gesetzentwurf gegen die gerade gewährte Koalitionsfreiheit der Arbeiter durchzusetzen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Lage der Werktätigen

Der schnelle Aufschwung der Industrie führte auch zu einem weiteren Wachstum der Arbeiterklasse. Sie wurde zur zahlenmäßig stärksten Klasse in Deutschland.

Arbeiterwohnung in Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts. In einer Denkschrift der Berliner Arbeiter-Sanitätskommission über Wohnungsverhältnisse in Berlin aus dem Jahre 1893 heißt es über eine typische Arbeiterwohnung: Berlin, Urbanstraße: „Die Wohnung besteht aus einer kleinen Stube und einer kleinen Küche, darin 6 Personen (zwei Erwachsene, vier Kinder). Die Wand der Stube ist eine Giebelwand, daher feucht und mit Schimmel bedeckt. Die Küche ist so klein, dass darin kein Bett stehen kann. Demnach ist alles in der feuchten Stube zusammengepfercht.“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Arbeiter wurden rücksichtslos ausgebeutet. Der Lohn war in der Regel so gering, dass auch die Kinder mitarbeiten mussten. Es kam hinzu, dass in den schnell wachsenden Großstädten und Arbeitervierteln die Wohnungsverhältnisse außerordentlich schlecht waren. (Heute sind wir ja auch nicht mehr weit entfernt davon. Wer kann sich heute in der Großstadt eine Wohnung leisten?)

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Noch schwerer war das Los der Landarbeiter, die als Tagelöhner oder Gesindearbeiter für die Großgrundbesitzer arbeiten mussten. Die Auszahlung des Lohns in Naturalien und die Nutzung eines kleinen Ackerstückchens machten die Landarbeiter abhängiger vom Gutsbesitzer, als es die Arbeiter von Industriekapitalisten waren.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Aufgaben aus dem Geschichtsbuch der DDR. Hätten sich die damaligen Schülerinnen und Schüler nur ernsthaft Gedanken gemacht… Die Mehrheit sah dies nur als Pflichtübung an.
Max Liebermann: „Die Konservenmacherinnen“; 1879; Ölgemälde; Leipzig, Museum der bildenden Künste
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die Außenpolitik des preußisch-deutschen Reiches

Die außenpolitischen Folgen des Raubfriedens mit Frankreich

Die Herstellung der Einheit Deutschlands veränderte das Kräfteverhältnis in Europa. Für die Großmächte Frankreich, das zaristische Russland, England und die Habsburger Monarchie war es nun nicht mehr möglich, einen oder mehrere deutsche Kleinstaaten als Spielball für ihre Interessen zu benutzen. Das Deutsche Reich wurde zu einer europäischen Großmacht (siehe farbige Karte „Die Welt im Jahre 1870“).

Die Welt im Jahre 1870
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der einheitliche und mit einer starken Militärmacht ausgestattete Staat trat jetzt als Interessenvertreter der herrschenden Klassen Deutschlands auf, um deren wirtschaftliche und politische Interessen gegenüber den ausländischen Mächten wahrzunehmen.

Die Herstellung des einheitlichen Staates war aber von vornherein auch außenpolitisch außerordentlich belastet. Durch die Bedingungen des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai 1871 entstand ein unüberbrückbarer Gegensatz des Deutschen Reiches zu Frankreich. Diesen Gegensatz versuchten die herrschenden Klassen Deutschlands in erster Linie durch die weitere Aufrüstung zu begegnen. Die Regierung in Deutschland, insbesondere Bismarck, fürchteten, dass sich andere Mächte – vor allem Russland – mit Frankreich verbinden würden. Bismarck sprach von einem „Alpdruck der Koalitionen“. Daher konzentrierte er seine Bemühungen darauf, Frankreich zu isolieren. Außerdem versuchte Bismarck, die Stellung des deutschen Reiches gegen jede revolutionäre Bewegung abzusichern. So bemühte er sich um eine Zusammenarbeit der drei Monarchien Russland, Österreich-Ungarn und Deutschland. Diese Entwicklung fand im Dreikaiserabkommen von 1873 ihren Ausdruck. Das Abkommen verpflichtete die Regierungen zu gegenseitiger Verständigung im Falle eines militärischen Angriffs und zur Solidarität im Kampf gegen revolutionäre Bewegungen.

Der Aufbau des Bündnissystems Deutschlands 1879

Das Dreikaiserabkommen konnte jedoch die gegensätzlichen Interessen Russlands und Österreich-Ungarns auf dem Balkan nicht überbrücken. Auf Kosten der hier noch um nationale Befreiung kämpfenden Völker wollten diese Mächte ihren Einfluss erweitern. Bismarcks Versuch, keine entscheidende Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen den beiden anderen Kaiserstaaten zuzulassen, erregte besonders den Unwillen der herrschenden Klassen in Russland und führte zur Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen gegen Ende der 1870er Jahre.

Die deutsche und die österreichisch-ungarische Regierung schlossen im Oktober 1879 einen geheimen Bündnisvertrag ab. Dieser sogenannte Zweibundvertrag verpflichtete beide Mächte zur Hilfe bei einem Angriff Russlands oder Frankreichs. Dieses Bündnis wurde im Mai 1882 durch den Beitritt Italiens zum Dreibund erweitert. Die Politiker der herrschenden Klassen in Deutschland sahen, dass durch den Raubfrieden mit Frankreich 1871 ein Zweifrontenkrieg – Frankreich und Russland gegen Deutschland – drohte. Die Militaristen drängten daher auf eine noch stärkere Aufrüstung und einen Krieg.

Zeitgenössische Karikatur auf den Dreibund. Von links nach rechts: Bismarck, der Kaiser von Österreich-Ungarn und der König von Italien

Charakterisiere die Ziele des Dreibundes auf der Grundlage dieser Karikatur!

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Bismarck versuchte die Gefahr eines Zweifrontenkrieges durch ein Bündnis mit Russland zu begegnen: Im Jahre 1887 schloss er den sogenannten Rückversicherungsvertrag mit Russland ab, der beide Staaten im Falle eines Angriffs von dritter Seite zur Neutralität verpflichtete. Aber die Annäherung Russlands an Frankreich war damit nicht mehr aufzuhalten. 1890 wurde der Rückversicherungsvertrag nicht verlängert, und 1892/93 kam s zu einem festen Militärbündnis zwischen Frankreich und Russland.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Das Expansionsstreben der deutschen Großbourgeoisie. Erste Kolonialeroberungen

Die deutsche Großbourgeoisie versuchte mit wachsendem Aufschwung ihrer Industrie, neue Absatzmärkte und Ausbeutungsobjekte zu gewinnen. Da die politische Situation keine Eroberungen in Europa zuließ, konzentrierten sich Banken, Handelshäuser und Industrieunternehmen auf die Eroberungen von Kolonien in Afrika und anderen Erdteilen. 1884 wurde dann auch die erste Kolonie in Afrika erobert.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Hinrichtung eines Freiheitskämpfers in der deutschen Kolonie in Ostafrika im Mai 1889.(Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Wenn auch in schneller Folge noch mehrere Kolonien erobert werden konnten, so wurde doch sehr deutlich, dass die deutsche Großbourgeoisie im Kampf um Kolonien nicht mit den Kapitalisten anderer Länder mithalten konnte.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Das preußisch-deutsche Reich als Militärstaat

Der Klassencharakter des Staates

Preußen und der preußische Militarismus hatten bei der Einigung Deutschlands auf reaktionäre Weise die entscheidende Rolle gespielt.

Daher sicherten sich die Junker auch im neugegründeten Reich ihre politischen Machtpositionen. In den Regierungen Preußens und des Reiches, in den Verwaltungen und im Militärwesen, überall saßen vornehmlich Junker.

Die wirtschaftlich stärkste Klasse im Reich war die Bourgeoisie. Um hohe Profite zu erreichen, versuchte sie, reaktionäre Hemmnisse für die Entwicklung der Wirtschaft zu beseitigen. Junker und Bourgeoisie hatten als gemeinsames Hauptinteresse die Ausbeutung und Unterdrückung der Werktätigen (Erwerbstätige), insbesondere der Arbeiterklasse. So arbeiteten Junker und Bourgeoisie zusammen und festigten das schon früher entstandene Klassenbündnis. In diesem Bündnis hatten die Junker die wichtigsten politischen Positionen inne.

Das politische System und die Verfassung entsprachen diesen Klassenverhältnissen. Der Kaiser berief den Reichskanzler und die Leiter der Reichsämter (Ministerien), er hatte den Oberbefehl über Marine und Heer und vertrat das Reich gegenüber dem Ausland. Der Reichskanzler – bis 1890 Otto von Bismarck – war nur dem Kaiser rechenschaftspflichtig. Bismarck nutzte die verschiedenen Klassenwidersprüche im Reich, um sich eine diktatorische Stellung zu schaffen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Genehmigung eines Gesetzes
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Bundesrat setzte sich aus Regierungsbeauftragten der Einzelstaaten zusammen, war also nicht gewählt; er konnte Gesetzentwürfen zustimmen oder diese auch ablehnen. Im Bundesrat führte der Reichskanzler den Vorsitz. 25 Einzelstaaten mit insgesamt 58 (später 61) Stimmen waren in ihm vertreten. Preußen hatte allein 17 Stimmen und mit den Stimmen der von ihm abhängigen Kleinstaaten eindeutig das Übergewicht.

Der Reichstag wurde in allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl von männlichen Bürgern über 25 Jahre gewählt. Die Einführung dieses Wahlrechts und einiger anderer demokratischer Rechte waren ein Ergebnis des Kampfes des Volkes. Aber aus Angst vor dem Volke wurden die Rechte des Reichstages sehr beschnitten. Gesetze, die vom Reichstag beschlossen wurden, konnten beispielsweise vom Bundesrat abgelehnt werden. Der Kaiser konnte den Reichstag einfach auflösen.

Durch politischen Druck und durch Beherrschung der Zeitungen konnten die herrschenden Klassen die Wähler beeinflussen. Die Junker und die Bourgeoisie hatten immer die Mehrheit im Reichstag.

Der preußisch-deutsche Militarismus

Nach dem deutsch-französischen Krieg breitete sich der preußische Militarismus weiterhin über Deutschland aus.

Der Kaiser hatte die oberste Kommandogewalt über die deutschen Streitkräfte. Er ernannte Offiziere und Generäle.

Das preußische Kriegsministerium – dem Reichstag nicht rechenschaftspflichtig – wurde das Organisationszentrum des Heeres, und der preußische Generalstab – nur dem Kaiser verantwortlich entwarf die Kriegs- und Operationspläne.

Im Heer selbst besaßen die Junker als Generale und Offiziere eine beherrschende Stellung.

Wie spiegeln sich die Rolle des Junkertums und das reaktionäre Klassenbündnis von Junkertum und Großbourgeoisie in der Armee wider?

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Junkertum und Bourgeoisie förderten vor allem den Ausbau und die Machterweiterung des preußischen Militarismus. Die herrschenden reaktionären Klassen nutzten die außenpolitischen Spannungen aus und verstärkten die Rüstungen. (Siehe: Die Außenpolitik des preußisch-deutschen Reiches)

Während die Bevölkerungszahl von 1872 bis 1893 um etwa 25 Prozent stieg, wuchs die Heeresstärke um nahezu 50 Prozent. Die Rüstungsausgaben verschlangen den größten Teil der Staatseinnahmen. In Preußen wurden zum Bespiel 1873 zwei Millionen Taler für Volksschulen ausgegeben, aber 60 Millionen Taler für Heer und Flotte.

Die wachsenden Rüstungskosten und die Folgen für das Volk. (Karikatur aus „Der wahre Jakob“)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Kapitalisten und Bankiers sahen in der Verstärkung des preußisch-deutschen Heeres eine Voraussetzung für ihre Ausbeutungs– und Eroberungspläne. Die Rüstung war zudem für sie eine gute Profitquelle. Nicht nur die Werke Krupps, die vor allem schwere Waffen lieferten, nahmen einen großen Aufstieg. Am Rüstungsgeschäft war der Besitzer großer Betriebe im Saargebiet, Stumm, beteiligt. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes zu militärischen Zwecken brachte Stahlwerksbesitzern, den Lokomotivfabrikanten und anderen Firmen, die Eisenbahnausrüstungen herstellten, große Profite.  Die sich entwickelnde Elektroindustrie verdiente am Ausbau des militärischen Telefon- und Telegrafensystems. Und die Zeiss-Werke in Jena belieferten sehr bald die Heeresleitung mit Feldstechern und anderen optischen Instrumenten. Bauunternehmer schließlich verdienten am Festungs- und Kasernenbau. So waren Militarismus und Kapitalismus eng miteinander verbunden.

Der Militärapparat wurde nicht nur für außenpolitische Zwecke ausgebaut. Nach dem Motto der Junker aus der Revolution 1848/49 „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten! wurde das Militär auch gegen das eigene Volk eingesetzt.

Die Militärorganisation im Deutschen Reich
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die bevorzugte Stellung des Militärapparates beeinflusste das gesamte gesellschaftliche Leben. Kriegervereine und den Militarismus preisende Studentenverbindungen, militärische Aufmärsche zu Sedan-Feiern und Kaiser-Geburtstagen bestimmten das äußere Bild. In den Schulen und Universitäten, in Zeitungen und sogar durch Postkarten wurde der Krieg und das Militär verherrlicht.

Die Herrschaft der Junker und der Großbourgeoisie und die bestimmende Rolle des preußischen Militarismus kennzeichneten das Deutsche Reich als einen preußisch-deutschen Militärstaat.

Die Unterdrückung aller demokratischen Kräfte und der Arbeiterbewegung

Dem Wesen des preußisch-deutschen Militarismus entsprach die Verfolgung aller Gegner der Politik der herrschenden Klassen, insbesondere der Sozialdemokraten.

Schon zu Beginn des Krieges gegen Frankreich ließ der Militärbefehlshaber in Norddeutschland am 09. September 1870 den Braunschweiger Ausschuss der SDAP (Parteileitung) verhaften und in die Festung Lötzen verschleppen. Am 17. Dezember 1870 wurden August Bebel und Wilhelm Liebknecht verhaftet und bis zum März 1871 eingekerkert. Auch bürgerliche Demokraten, die gegen die Politik der Regierung auftraten, wurden verhaftet.

Die Unterdrückung der demokratischen Kräfte, insbesondere der Sozialdemokratie, wurde nach dem Kriege fortgesetzt. Zeitungsredakteure wurden verhaftet und ins Gefängnis gesperrt, die Mitglieder des Braunschweiger Ausschusses wegen angeblicher Vergehen gegen die öffentliche Ordnung zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Einen vorläufigen Höhepunkt dieser Terrormaßnahmen, die auch der Einschüchterung aller oppositionellen Kräfte dienen sollten, bildete der Leipziger Hochverratsprozess gegen Wilhelm Liebknecht und August Bebel. In diesem Prozess der im März 1872 in Leipzig stattfand, sollte den beiden Arbeiterführern Vorbereitung zum Hochverrat nachgewiesen werden.

Der Hochverratsprozess gegen Bebel und Liebknecht in Leipzig 1872.(Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Liebknecht und Bebel nutzten die Verhandlungen zu einer ausführlichen, leidenschaftlichen Darlegung der Ziele der SDAP und der Grundsätze des Sozialismus. Arbeiterzeitungen und teilweise auch bürgerliche Zeitungen berichteten ausführlich über den Prozess und trugen damit wesentlich zur Ausbreitung der Gedanken und der politischen Grundsätze der revolutionären Sozialisten bei. So wurde der Prozess durch das mutige Auftreten der Angeklagten zu einem Erfolg für die Sache des Sozialismus. Obwohl Liebknecht und Bebel die gegen sie erhobenen Vorwürfe widerlegten und nachwiesen, dass die Sozialdemokraten den Interessen der Nation dienten, wurden sie zu je zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Dieses Urteil rüttelte viele Arbeiter auf.

Die Unterdrückung nationaler Minderheiten

Eine besonders brutale Unterdrückungspolitik betreiben die herrschenden Klassen gegenüber den im Deutschen Reich lebenden nationalen Minderheiten. Die preußisch-deutschen Junker und Militaristen gaben vor, diesen Völkern eine „höhere Kultur“ bringen zu wollen. Die richteten aber tatsächlich ihre Bestrebungen darauf, die zu „germanisieren“, das Heißt, die nationalen Minderheiten zu unterdrücken und zu verdrängen. Am stärksten waren die in den von Preußen eroberten Gebieten lebenden Polen betroffen. Die Verwaltung und Rechtsprechung in diesen Gebieten lagen in den Händen preußischer Beamter. In den Ämtern, vor Gericht und in den Schulen wurde die polnische Sprache schrittweise verboten. Die Lehrer demütigten und misshandelten(mobbten) die polnischen Kinder, wenn sie gegen dieses Verbot verstießen. Besondere Ansiedlungsgesetze sollten die polnischen Bauern zwingen, ihr Land zu billigen Preisen zu verkaufen und es preußischen Großgrundbesitzern und Großbauern zu überlassen.

Vertreibung eines polnischen Bauern von seinem Land durch preußische Polizei.(Zeitgenössische Darstellung auf einem damals heimlich verbreiteten Flugblatt)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die gleiche Politik der nationalen Entrechtung wurde gegenüber den Sorben betrieben.

In Elsass-Lothringen erhielt die Bevölkerung erst 1874 das Wahlrecht. Preußische Beamte und Offiziere spielten sich als die Herren auf. 42 Jahre nach der Annexion kam es noch zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Bevölkerung und Militär, die durch die von preußischen Offizieren an einheimischen Rekruten verübten Schikanen ausgelöst worden waren.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 und die Gründung des Deutschen Reiches

Der deutsch französische Krieg von 1870/71

Von Bismarck bewusst dazu herausgefordert, erklärte der französische Kaiser Napoleon III. am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg. Preußen hatte sich gut auf diesen Krieg vorbereitet. Um ganz Deutschland unter seine Vorherrschaft zu bringen und die süddeutschen Staaten ebenfalls in den deutschen Nationalstaat einzubeziehen, musste der Widerstand Napoleons III. überwunden werden.

Napoleon III. seinerseits wollte die Einigung Deutschlands verhindern, weil die französische Bourgeoisie die Stärkung ihrer deutschen Konkurrenz nicht wünschte. Napoleon III. hoffte, durch einen außenpolitischen Erfolg seine Herrschaft in Frankreich zu festigen, die durch den wachsenden Widerstand des französischen Volkes bedroht wurde.

Nicht nur Preußen und der Norddeutsche Bund, sondern auch die süddeutschen Staaten, die zuvor geheime Militärbündnisse mit Preußen abgeschlossen hatten, traten in den Krieg ein. Die französische Kriegserklärung bewirkte, dass das deutsche Volk unter dem Oberbefehl preußischer Generale in dem Bewusstsein kämpfte, sein Vaterland gegen den Angriff der Napoleonischen Truppen zu verteidigen. Von den herrschenden Klassen wurde der Krieg im Interesse der Reaktion ausgenutzt.

Als am 19. Juli im Reichstag des Norddeutschen Bundes über die Bewilligung des notwendigen Geldes für den Krieg, über die Kriegskredite, abgestimmt wurde, enthielten sich die Abgeordneten der Arbeiterklasse August Bebel und Wilhelm Liebknecht der Stimme.

 

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Unerwartet schnell drangen die vereinigten Truppen des Norddeutschen Bundes und der süddeutschen Staaten in Frankreich ein. Nach mehreren blutigen Schlachten wurde die französische Hauptarmee in die Festung Sedan zurückgeworfen. Hier wurde sie am 02. September 1870 zur Kapitulation gezwungen. Napoleon III. geriet in deutsche Gefangenschaft. Das französische Volk erzwang am 04. September die Absetzung Napoleons III. und die Ausrufung der Republik.

Bis zur Kapitulation von Sedan war der Krieg von deutscher Seite ein gerechter Krieg um die Herstellung eines einheitlichen Nationalstaates. Aber die herrschenden Klassen Deutschlands setzten den Krieg auch nach dem 02. September fort: Junker und Bourgeoisie wollten Frankreich schwächen, Gebiete erobern und hohe Kriegsentschädigungen vom französischen Volk erpressen. Jetzt zeigte sich, wer an die Spitze der deutschen Nation getreten war. Der Charakter des Krieges wandelte sich: Er wurde in dieser zweiten Etappe zum ungerechten Raub- und Eroberungskrieg gegen das französische Volk.

Schauplatz des deutsch-französischen Krieges 1870/71
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Nach der Schlacht bei Sedan rückten die deutschen Truppen weiter in Frankreich ein. Obwohl sich das französische Volk heldenhaft wehrte, besetzten die deutschen Truppen große Teile des Landes. Paris wurde belagert. Die Werktätigen von Paris bewaffneten sich; sie waren zur entschlossenen Verteidigung der französischen Hauptstadt und ganz Frankreichs bereit. Da jedoch die französische bürgerliche Regierung das bewaffnete Volk mehr fürchtete als den Feind, schloss sie am 28. Januar 1871 mit Bismarck einen Waffenstillstand.

Die Haltung der deutschen Arbeiterklasse zum Krieg gegen Frankreich nach dem Sturz Napoleons III.

Karl Marx wandte sich in einer Adresse des Generalrates der I. Internationale entschieden gegen den Raubkrieg. Er forderte die deutschen Arbeiter auf, für den Abschluss eines gerechten Friedens mit Frankreich zu kämpfen, für einen Frieden ohne Gebietsabtrennungen.

August Bebel und Wilhelm Liebknecht bewährten sich auch in dieser Situation. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei rief zu Massenversammlungen und Demonstrationen gegen die Fortführung des Unterdrückungskrieges gegen das französische Volk auf und verlangte den sofortigen Abschluss eines Friedensvertrages mit Frankreich. Die klassenbewussten Arbeiter folgten dem Aufruf. Protestversammlungen fanden in Augsburg, Bielefeld, Chemnitz und vielen anderen Städten und Gemeinden Deutschlands statt.

Bebel und Liebknecht verlangten am 26. November 1870 im Reichstag des Norddeutschen Bundes, die für die Fortsetzung des Krieges geforderten Gelder abzulehnen. Sie wandten sich scharf gegen den Raub französischer Gebiete und forderten sofortigen Frieden mit Frankreich.

Mit ihrer mutigen, vom proletarischen Internationalismus bestimmten und gegen Junkertum und Bourgeoisie gerichteten Haltung vertraten Bebel, Liebknecht und die klassenbewussten Arbeiter die Ehre und zugleich die Lebensinteressen der deutschen Arbeiterklasse und der deutschen Nation.

Die Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871

Unmittelbar nach der Niederlage Napoleons III. begann Bismarck, mit den Fürsten der süddeutschen Staaten über die Vollendung der Einigung Deutschlands von oben zu verhandeln. Es war nicht einfach, ihr Einverständnis zu erreichen, denn sie fürchteten, ihre bisherige Machtstellung zu verlieren. Erst nach langem Drängen erklärte sich der bayrische König bereit, dem preußischen König Wilhelm I. im Namen der deutschen Fürsten und Freien Reichsstädte die Kaiserkrone anzubieten.

Die Kaiserproklamation Wilhelms I. (Gemälde von Anton von Werner, 1877, Ausschnitt)

Beachte auf dem Gemälde die anwesenden Personen! Was fällt Dir dabei auf?

Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Am 18. Januar 1871 wurde der ehemalige „Kartätschenprinz“ von 1849, der die Revolution und damit die demokratische Einigung Deutschlands militärisch niedergeworfen hatte, im Versailler Schloss als Wilhelm I. zum deutschen Kaiser ausgerufen. Zur gleichen Zeit waren August Bebel und Wilhelm Liebknecht wegen „Vorbereitung des Hochverrats“ im Leipziger Untersuchungsgefängnis eingekerkert, weil sie entschieden für die demokratische Umgestaltung Deutschlands durch eine „Revolution von unten“ und gegen den Annexionskrieg gegen das französische Volk eintraten.

Damit wurde das Ergebnis des deutsch-französischen Krieges im Jahre 1871 die Gründung des Deutschen Reiches unter der Vorherrschaft Preußens vollzogen. Die Gründung des Deutschen Reiches bedeutete insofern einen historischen Fortschritt, da sie aus dem Feudalismus stammende jahrhundertelange territoriale Zersplitterung Deutschlands endlich überwunden wurde

(siehe farbige Karte „Mitteleuropa im Jahre 1871“, s. 80)

Damit wurde die rasche kapitalistische Entwicklung vorangetrieben.

Mitteleuropa im Jahre 1871
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Nunmehr konnte auch die Arbeiterklasse ihre Kräfte besser sammeln und sich im nationalen Rahmen organisieren. Es war jedoch ein Verhängnis für das deutsche Volk, dass die Gründung des Deutschen Reiches auf undemokratischem Wege, mit den Mitteln des preußischen Militärstaates, erfolgte. Die Einigung von oben stärkte die reaktionärsten und aggressivsten Kräfte Deutschlands. Die historische Schuld daran, dass die nationale Einigung von oben erfolgte, trug die deutsche Bourgeoisie. Sie war aus Furcht vor dem Volk ein Bündnis mit dem militaristischen preußischen Junkertum eingegangen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR