Die Trennung der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie. Die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei

Die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 1863

Um ihre historische Mission (S. 21) zu verwirklichen, brauchte die Arbeiterklasse eine selbständige, revolutionäre Arbeiterpartei. Machten die Streiks den Interessengegensatz zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie auf ökonomischem Gebiet deutlich, so wurde der politische Gegensatz besonders im Kampf um die nationalstaatliche Einigung sichtbar. Die fortgeschrittesten Arbeiter erkannten, dass sie sich selbständig organisieren mussten, um entschieden für die Gegenwarts- und Zukunftsinteressen der Arbeiterklasse und damit des ganzen Volkes kämpfen zu können.

1862 schieden die oppositionell eingestellten Arbeiter aus dem unter bürgerlicher Führung stehenden Leipziger Arbeiterbildungsverein aus. Auf der Suche nach einem Programm kamen die Arbeiter mit dem Rechtsanwalt und Schriftsteller Ferdinand Lassalle (1825 bis 1864) in Verbindung, der sich an die Spitze der proletarischen Selbstständigkeitsbewegung stellte.

Im Mai 1863 wurde in Leipzig unter Führung Lassalles die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) vollzogen. Der ADAV erfasste die fortgeschrittesten deutschen Arbeiter. 1864 zählte er 3000 Mitglieder. Mit dem ADAV entstand eine selbständige, von der Bourgeoisie unabhängige Arbeiterorganisation in Deutschland. Darin bestand das Verdienst Lassalles.

Lassalle orientierte die Arbeiterbewegung auf den politischen Kampf. Aber er gab ihr keine revolutionäre Zielsetzung, obwohl der Karl Marx und dessen Arbeiten kannte.

Lassalle sah im Kampf um das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht das Hauptmittel des politischen Kampfes und erzeugte dadurch die Illusion, als könne die Herrschaft der Arbeiterklasse durch Wahlen erobert werden. Er verbreitete die Ansicht, dass die kapitalistische Ausbeutung durch Produktivgenossenschaften mit Hilfe des preußischen Staates überwunden werden könne. Mit dieser Auffassung vom „friedlichen Hineinwachsen“ in den Sozialismus lenkte er die Arbeiterklasse vom revolutionären Kampf ab. Das war Opportunismus. Das Wort wurde abgeleitet von „opportun“(lat.)=passend; nützlich, angebracht. Es deutet auf die „Anpassung an die herrschenden Klassen hin. Siehe auch die Begriffserklärung.

Lassalle missachtete ferner den ökonomischen Kampf der Arbeiterklasse. Schließlich begünstigte er die antidemokratische Einigung Deutschlands durch Preußen. Dadurch erschwerte er es der Arbeiterklasse, die führende Kraft für die Einigung von unten zu werden. Diese konnte sich nur im Kampf gegen den preußischen Militarismus, gegen die Bourgeoisie und gegen die Theorien Lassalles bilden.

Die Trennung des Verbandes deutscher Arbeitervereine von der Bourgeoisie

Um den Selbständigkeitsbestrebungen der Arbeiter und möglichen Ausstrahlungen des ADAV entgegenzuwirken, gründeten bürgerliche Politiker im Juni 1863 den Verband der deutschen Arbeitervereine. Er fasste die unter bürgerlichem Einfluss stehenden Arbeitervereine zusammen. Aber die Bourgeoisie konnte nicht verhindern, dass sich die Arbeiter ihrer eigenen Interessen bewusst wurden.

1865 fanden über 150 Streiks statt, einige hatten über 1000 Teilnehmer. Die Arbeiter wandten sich gegen die „Blut und Eisen“-Politik Bismarcks, die von der Bourgeoisie unterstützt wurde. Sie forderten demokratische Freiheiten. Entgegen den Bemühungen der Bourgeoisie nahmen die Arbeiter immer größeren Einfluss auf den Verband deutscher Arbeitervereine. Die führende Rolle in diesem Prozess spielten August Bebel und Wilhelm Liebknecht.

August Bebel
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Wilhelm Liebknecht
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In enger Kampfgemeinschaft erreichten August Bebel und Wilhelm Liebknecht in unermüdlicher Arbeit, dass sich die Arbeitervereine allmählich von der Bourgeoisie lösten. Von entscheidender Bedeutung war dabei die Hilfe von Karl Marx und Friedrich Engels. Seit 1865 bildeten sich in Deutschland die ersten Sektionen der I. Internationale. August Bebel wurde 1866 Mitglied der I. Internationale. Wilhelm Liebknecht stand mit Marx und Engels in ständiger Verbindung.

Die fortgeschrittesten Arbeiter begannen, die Ideen des „Kapitals“ aufzunehmen. Sie erkannten dadurch klarer das Wesen des Kapitalismus, die Notwendigkeit seiner Überwindung und vor allem die historische Mission der Arbeiterklasse als „Totengräber“ der kapitalistischen Gesellschaft. Damit wurden auch die Ideen Lassalles widerlegt.

1867 wurde August Bebel Präsident des Verbandes der deutschen Arbeitervereine. Zur gleichen Zeit wurden Bebel und dann auch Liebknecht als Abgeordnete in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt.

1968 fand der 5. Vereinstag des Verbandes deutscher Arbeitervereine in Nürnberg statt. 115 Delegierte vertraten 93 Vereine mit etwa 13 000 Mitgliedern.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Geführt von Bebel und Liebknecht erklärte der Vereinstag mit überwältigender Mehrheit seine Übereinstimmung mit dem Programm der I. Internationale und beschloss den Anschluss an die Bestrebungen der Internationalen Arbeiterassoziation“.

Die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1869

Von Bebel, Liebknecht und anderen marxistischen Kräften der deutschen Arbeiterbewegung gründlich vorbereitet, tagte im August 1869 in Eisennach der bis dahin größte Arbeiterkongress. 262 Delegierte vertraten mehr als 10 000 Arbeiter. Aus der Einsicht, dass die politische und ökonomische Befreiung der Arbeiterklasse nur möglich ist, wenn diese gemeinsam und einheitlich den Kampf führt, beschlossen sie die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. (SDAP).

Der Kongress nahm Programm und Statut, die Bebel ausgearbeitet hatte, an. Nach ihrem Gründungsort wurden die Mitglieder dieser Partei von den Arbeitern auch Eisenacher genannt.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In der SDAP schlossen sich die unter Führung Bebels und Liebknechts stehenden Arbeitervereine, die proletarische Opposition, die sich vom ADAV getrennt hatte, und Mitglieder von Gewerkschaftsorganisationen zusammen. Die Mitglieder der I. Internationale bildeten in ihnen die bewusstesten und aktivsten Kräfte.

Auf dem Eisenacher Kongress schuf sich die deutsche Arbeiterklasse auf marxistischer Grundlage erneut eine revolutionäre proletarische Partei. Sie bekämpfte das Junkertum, die Bourgeoisie und deren Staatsmacht unversöhnlich. Damit hatten die Lehren von Marx und Engels in der deutschen Arbeiterbewegung einen wichtigen Sieg errungen. Die SDAP war die erste im Rahmen eines Landes organisierte sozialistische Arbeiterpartei überhaupt. Die Arbeiterklasse gewann in der SDAP eine zuverlässige Führung im Kampf um die Interessen des Volkes. Mit der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Eisenach wurde die wichtigste Voraussetzung für die Herstellung der Einheit der deutschen Arbeiterbewegung auf marxistischer Grundlage geschaffen.

Zur deutschen Arbeiterbewegung von 1850 bis 1869
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die I. Internationale

Die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes der Arbeiter aller Länder

Die Entwicklung des Kapitalismus und die Weltwirtschaftskrise von 1857 bis 1859 lösten einen neuen Aufschwung der Arbeiterbewegung aus. In allen kapitalistischen Ländern verschärfte sich der Klassengegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Die fortgeschrittenen Arbeiter suchten nach den richtigen Wegen und Mitteln ihres Kampfes. Die englischen Arbeiter zum Beispiel verfügten über Erfahrungen im ökonomischen Kampf und in der Organisation. Die französischen Arbeiter hatten in den Revolutionen von 1830 und 1848 wichtige politische Erfahrungen gesammelt. Diese verschiedenen Erfahrungen mussten nun für den Kampf aller Arbeiter fruchtbar gemacht werden.

Die Arbeiterklasse aller Länder befand sich in der gleichen Klassenlage: Sie war die sozial ausgebeutete und politisch unterdrückte Klasse. Sie hatte in allen Ländern den gleichen Feind: die Bourgeoisie und die kapitalistische Ausbeuterordnung. Die Arbeiter aller Länder verbanden deshalb die gleichen gemeinsamen Interessen: Der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung, für die Befreiung der Arbeiterklasse.

Der Kapitalismus hatte sich inzwischen im Weltmaßstab durchgesetzt. Die Arbeiterklasse konnte ihn nur erfolgreich bekämpfen, wenn sich die Arbeiter aller Länder gegen ihn zusammenschlossen. Der Kampf der Arbeiterklasse wurde durch politische Krisen in den wirtschaftlich fortgeschrittensten Ländern verstärkt. So spitzten sich in Deutschland die gesellschaftlichen Widersprüche zu. Die Schaffung eines einheitlichen Nationalstaates wurde unumgänglich. 1863 erhob sich das polnische Volk gegen die zaristische Unterdrückung. Solidarisch unterstützten die Arbeiter vieler Länder den heldenhaften Kampf des polnischen Volkes. Sie verstanden, dass internationale Entscheidungen auf den Kampf der internationalen Arbeiterbewegung zurückwirken mussten.

Das elementare Streben der Arbeiter nach Einheit, internationaler Zusammenarbeit und Solidarität führte zur Gründung der I. Internationale.

Die Gründung der I. Internationale

Am 28. September 1864 versammelten sich in London etwa 2000 Arbeiter aus England, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen und anderen Ländern. Einmütig beschlossen sie die Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation (I. Internationale). Die Gründungsversammlung wählte ein Komitee, das ein Programm und ein Statut für die neugegründete Organisation ausarbeiten sollte. Dieses Komitee übernahm als Generalrat die Leitung der I. Internationale. Zu seinen Mitgliedern gehörten Karl Marx und später auch Friedrich Engels.

Friedrich Engels‘ Mitgliedskarte der I. Internationale für das Jahr 1865
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Durch seine selbstlose Hingabe für die Sache der Arbeiterklasse, sein riesiges Wissen und seine tiefe Einsicht in die Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft wurde Karl Marx zum Organisator und Führer der I. Internationale.

Gründungsversammlung der I. Internationale in der Londoner St. Martin’s Hall am 28. September 1864. (Kohlezeichnung von Erst Schaumann, 1963)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Karl Marx arbeitete das Programm und das Statut aus. Dabei berücksichtigte er den unterschiedlichen Entwicklungsstand der Arbeiterbewegung in den einzelnen Ländern und die verschiedenartigen Einflüsse, denen die Arbeiterorganisationen ausgesetzt waren. Karl Marx betrachtete es unter diesen Bedingungen als Aufgabe der I. Internationale, die verschiedenen nationalen Abteilungen der internationalen Arbeiterbewegung fest zusammenzuschließen. Er wies der Arbeiterklasse den Weg zur allseitigen Entfaltung des Klassenkampfes, besonders zum politischen Kampf und zur Schaffung wirklich selbstständiger, das heißt von der Bourgeoisie unabhängiger revolutionärer Klassenorganisationen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Die I. Internationale
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Einheit der internationalen Arbeiterklasse ist die entscheidende Voraussetzung für ihr erfolgreiches Ringen, sie verwirklicht sich im Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung.

Diese internationale Solidarität und den gemeinsamen Kampf der Arbeiter aller Länder gegen soziale Ausbeutung und politische Unterdrückung nennen wir proletarischen Internationalismus.

Die I. Internationale trieb die Lösung der Arbeiterbewegung sowohl vom politischen als auch vom ideologischen Einfluss der Bourgeoisie wesentlich voran.

Sie gab die organisatorische, politische und theoretische Grundlage für die Entfaltung der selbständigen Arbeiterbewegung in den kapitalistischen Ländern und förderte damit die Entstehung revolutionärer Arbeiterparteien.

Die Kampferfahrungen der Arbeiter und die Tätigkeit der I. Internationale drängten falsche, antimarxistisch Auffassungen über die Aufgabe, den Weg und das Ziel der Arbeiterbewegung zurück. Die I. Internationale begann, den wissenschaftlichen Sozialismus mit der Massenbewegung der Arbeiterklasse im internationalen Maßstab zu vereinigen.

Das Erscheinen des ersten Bandes des „Kapitals“

Karl Marx und Friedrich Engels lebten seit der Niederlage der Revolution von 1848/49 bis zu ihrem Tode in der Emigration.

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Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Aus Paris ausgewiesen, war Karl Marx 1849 nach London übergesiedelt. Auch Friedrich Engels war nach England gegangen. Er trat in eine Textilfabrik in Manchester ein, in der sein Vater Teilhaber war. So war er in der Lage, Karl Marx und dessen Familie finanziell zu unterstützen. Dennoch konnte er bittere Not nicht abwenden.

Karl Marx und seine Familie nahmen größte Opfer und Entbehrungen auf sich, um der Sache der Arbeiterklasse zu dienen. Unermüdlich studierte Karl Marx in der Bibliothek des Britischen Museums und dann zu Hause bis in die tiefe Nacht hinein. Über 1 500 Bücher las er in der jeweiligen Originalsprache und verarbeitete sie. So eignete er sich kritisch die Ergebnisse der Wissenschaft, besonders auf den Gebieten der Geschichte, der Wirtschaft, der Natur- und Rechtswissenschaften, an. Aufmerksam analysierte er alle wichtigen politischen Ereignisse in der Welt.

Als Ergebnis der vieljährigen unermüdlichen Arbeit von Karl Marx konnte 1867 der I. Band seines Hauptwerkes „Das Kapital“ erscheinen. Karl Marx arbeitete darin das Wesen und die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus heraus. Er bewies durch umfangreiches Tatsachenmaterial den unvermeidlichen Untergang der kapitalistischen Ausbeuterordnung und die geschichtliche Aufgabe der Arbeiterklasse als Totengräber des Kapitalismus und Schöpfer der kommunistischen Gesellschaft. Nun hat der Kapitalismus, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, weltweit gesiegt. Die Arbeiterbewegung ist weitgehend zerschlagen worden. Klassenbewusstsein innerhalb der heutigen Arbeiterklasse sucht man in der Regel vergeblich.

„Das Kapital“ umfasst drei Bände. Marx konnte die Bände II. und III. allerdings nicht mehr selbst druckfertig machen. Das übernahm Friedrich Engels. Er gab nach dem Tode von Marx 1885 den II. und 1894 den III. Band des „Kapitals“ heraus.


Jenny Marx
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR