Der Kampf des Spartakusbundes um die Rätemacht

Am 09. November 1918 bestand die große Chance, in Deutschland eine Veränderung zu einer friedlichen, demokratischen und schließlich sozialistischen Entwicklung zu vollziehen. Dazu war es notwendig, den alten Staatsapparat zu zerschlagen, die Rätemacht zu errichten und die ökonomischen Grundlagen der imperialistischen Macht, Großbetriebe, Banken und Großgrundbesitz, zu vergesellschaften.

Die Mehrheit der Arbeiterklasse und der Räte, die ein sozialistisches Deutschland wollte, hatte jedoch infolge des langjährigen opportunistischen Einflusses nur unklare Vorstellungen vom Sozialismus. Sie glaubte, desorientier durch die antibolschewistische Hetze der rechten sozialdemokratischen Führer, mit dem Sturz der Monarchie, der Errichtung der Republik und des allgemeinen Wahlrechts bereits politische Macht erobert und die Voraussetzungen für den Sozialismus geschaffen zu haben.

Die einzige Kraft, die den Weg zum Sieg der Revolution wies, waren Spartakus und die anderen Linken. Sie wandten sich entschieden gegen die von den rechten Führern verbreiteten Illusionen und versuchten, vor allem Klarheit in der Grundfrage der Revolution, der Frage der Macht, zu schaffen.

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entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

Um ihre revolutionären Auffassungen besser in die Massentragen zu können, schuf die Spartakusgruppe am 09. November eine eigene Zeitung, „Die Rote Fahne“.

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entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

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entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

Lenin und die Bolschewiki sahen in der Novemberrevolution das wichtigste Kettenglied der internationalen revolutionären Bewegung. Sie rieten den deutschen Arbeitern und Soldaten, die Waffen nicht aus der Hand zu geben und eine Arbeiter-, Soldaten- und Matrosenregierung mit Liebknecht an der Spitze zu bilden. Trotz der schweren Lage Sowjetrusslands waren sie zu jeder Unterstützung bereit und boten als erste Hilfe 50 Waggons Getreide an.

Die Erfahrungen der ersten Tage der Revolution zeigten, dass ein wirksamer revolutionärer Kampf auch bestimmte organisatorische Voraussetzungen erforderte. Deshalb gründeten führende Spartakusvertreter am 11. November 1918 den Spartakusbund.

Es wurde eine Zentrale geschaffen, an deren Spitze Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehring, Leo Jogiches und Wilhelm Pieck standen.

Der Spartakusbund blieb zwar noch in der USPD, doch er begann mit der organisatorischen Zusammenfassung der Spartakusanhänger im ganzen Land. Das waren erste Schritte zur Bildung einer revolutionären marxistischen Partei. Der Spartakusbund war bestrebt, das Klassenbewusstsein der Massen zu heben und sie unter der Losung „Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten“ für die Weiterführung der Revolution zu gewinnen.

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entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

In zahlreichen Städten und Orten folgten die Räte der revolutionären Linie des Spartakusbundes. Die Polizei Bremens wurde von reaktionären Elementen gesäubert und es entstand eine proletarische „Rote Garde“. Alle militärisch gesinnten Lehrer wurden aus dem Schuldienst entlassen.  In Braunschweig entfernten die Räte die reaktionären Beamten aus den Gerichten. Die herzöglichen Güter wurden zum Eigentum des Volkes erklärt. Die Leitungen(Management)der Leunawerke und Spandauer Staatswerkstätten wurden völlig von den Arbeiterräten übernommen. In Perleberg beschlagnahmte der Arbeiter- und Soldatenrat die Priegnitzer Eisenbahngesellschaft und setzte den Direktor, sowie andere leitende Angestellte ab. Der Landarbeiterrat von Trebbin rief die Gutsbesitzer der Umgebung zu sich und teilte ihnen mit, dass ihre Güter ab sofort enteignet seien.

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Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR der 9. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR:

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Der 09. November, ein geschichtsträchtiges Datum in Deutschland

Am 09. November denken wir zuerst an den 09. November 1989. Das Ereignis an diesem Tage bezeichnen die „Mainstream“-Medien und die offiziellen Geschichtsbücher als „Mauerfall“. Das Umreißen und die Öffnung der Staatsgrenze der DDR in Berlin war faktisch das Ende der DDR.   Da dieses Ereignis jedes Jahr von den derzeit Herrschenden propagandistisch ausgeschlachtet wird, geraten andere wichtige Ereignisse der Geschichte in Vergessenheit, welche an einem 09. November stattfanden. DIE TROMMLER erinnert an diese Ereignisse.

09.November 1848:

Standrechtliche Hinrichtung von Robert Blum(Revolutionär der Revolution von 1848):

Mit der Erschießung des republikanischen Parlamentsabgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung nach dem Oktoberaufstand in Wien wurde zugleich auch die parlamentarische Immunität Blums durch die Militärführung im Dienst des österreichischen Kaiserhofs gebrochen. Die Niederschlagung des Wiener Oktoberaufstands und die Hinrichtung Blums gilt als offene Kampfansage der herrschenden Vertreter einer reaktionär-restaurativen politischen Ordnung gegen das aus der bürgerlichen Märzrevolution in den Staaten des Deutschen Bundes hervorgegangene erste demokratisch gewählte gesamtdeutsche Parlament. Die Hinrichtung Blums markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Entwicklung der Deutschen Revolution von 1848/49 als Anfang vom Ende dieser Revolution.

09. November 1918:

Novemberrevolution in Deutschland

In Deutschland reifte im Herbst 1918 eine Revolution heran, die mit einer antiimperialistischen, Demokratischen Zielsetzung beginnen musste.

Erste Aufgaben der Novemberrevolution:

  • Beseitigung der Monarchie
  • Beendigung des Krieges
  • Zerschlagung des Militarismus
  • Zerstörung des reaktionären Staatsapparates
  • Entmachtung des Monopolkapitals und des Junkertums, der für den Krieg verantwortlichen Kräfte

Verlauf der Revolution bis Ende 1918:

Aufstand der Flotte:

In der kaiserlichen Kriegsflotte, die vor Wilhelmshafen lag, bereitete sich Ende Oktober 1918 eine Bewegung gegen die Weiterführung des Krieges aus. Dieser Aufstand wurde niedergeschlagen. Auf die Nachricht von den Wilhelmshavener Ereignissen erhoben sich jedoch am 03. November 1918 die Matrosen und Arbeiter in Kiel. Dieser Aufstand führte am 04.11.1918 zum Sieg der revolutionären Kräfte, die in Kiel einen Arbeiter- und Soldatenrat bildeten. Damit begann die deutsche Novemberrevolution 1918/19.

Ausbreitung der Revolution:

Von Kiel breitete sich die Revolution in wenigen Tagen über ganz Deutschland aus. In vielen Orten übernahmen Arbeiter- und Soldatenräte anfangs die öffentliche Gewalt und verwirklichten soziale und demokratische Maßnahmen im Interesse der Arbeiter und anderen Werktätigen( z. B. Absetzungen der reaktionären beamten, Entwaffnung konterrevolutionärer Truppen und Polizei, Kontrolle in der Produktion)

Sieg der Revolution in Berlin:

Im Zentrum des Kaiserreiches, in Berlin, folgten am 09.November 1918 Hunderttausende Arbeiter und Soldaten dem Aufruf der Spartakusgruppe, sowie anderer revolutionär gesinnter Gruppen und gingen zum Generalstreik und zum bewaffneten Aufstand über. Auf dem Schloss der Hohenzollern wurde die rote Fahne gehisst und von einem Balkon des Schlosses rief Karl Liebknecht „die freie sozialistische Republik Deutschland“ aus.

Nachdem die rechten Führer der SPD alles getan haben, um die Revolution zu verhindern, suchten sie sich nun an die Sitze der Massenbewegung zu stellen, um die Revolution in bürgerlich-parlamentarische Bahnen zu lenken und ihre Weiterführung zur sozialistischen Revolution aufzuhalten. Der Vorstand der SPD ließ durch Philipp Scheidemann eine „freie deutsche Republik“ proklamieren. Es wurde eine Regierung aus Vertretern der SPD und USPD gebildet. In der Nacht zum 10.11.1918 floh Kaiser Wilhelm II. nach Holland. Am 11.11.1918 wurde zwischen Deutschland und dern Entente Waffenstillstand geschlossen.

Rat der Volksbeauftragten:

Unter Vorsitz von Friedrich Ebert bildete sich am 09.11.1918 aus je drei Vertretern der SPD und der USPD eine neue Regierung. Die Versprechungen der Regierung klangen revolutionär. Aber sie verfolgte einen bürgerlichen, konterrevolutionären Kurs. Sie bekämpfte die Arbeiter- und Soldatenräte und sorgte dafür, dass der alte Staatsapparat weitgehend erhalten blieb. Bereits am 10.11.1918 vereinbarte Ebert in Geheimverhandlungen mit der obersten Heeresleitung Maßnahmen, um die Revolution mit Waffengewalt niederzuschlagen.

Stärkung der Konterrevolution:

Der Rat der Volksbeauftragten bekämpfte mit allen Mitteln die Bewegung der Arbeiter- und Soldatenräte und sorgte dafür, dass der alte Staatsapparat weitgehend erhalten blieb. Rechte Gewerkschaftsführer trafen Vereinbarungen mit führenden Vertretern des Finanzkapitals.

Die Politik der rechten sozialdemokratischen Führer und der sie unterstützenden zentristischen Führer der USPD verwirrte und spaltete die Massenbewegung, so dass die imperialistischen Kräfte sich behaupten konnten Die Konterrevolution vermochte ihre Kräfte zu sammeln und wenig später offen mit militärischer Gewalt aufzutreten.

30.12.1918 bis 01.01.1919 Gründungsparteitag der KPD

Januarkämpfe 1919:

Anfang Januar 1919 provozierten die konterrevolutionären Kräfte die revolutionären Berliner Arbeiter zu bewaffneten Kämpfen, in deren Verlauf der rechte Sozialdemokrat Noske konterrevolutionäre Freikorpsverbände einsetzte. Die Reaktion entfesselte eine hemmungslose antikommunistische Hetze und den blutigen Terror gegen die Arbeiterklasse und ihre revolutionäre Partei. Am 15. Januar 1919 fielen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in die Hände der konterrevolutionären Söldner. Beide wurden heimtückisch und grausam ermordet. Ihr Tod war ein großer Verlust für die deutsche und internationale Arbeiterbewegung. Die deutsche Arbeiterklasse und die junge KPD verloren ihre hervorragendsten und erfahrensten Führer.

Wahlen zur Nationalversammlung 19.01.1919:

In der Atmosphäre des konterrevolutionären Terrors fanden am 19.01.1919 die Wahlen zur Nationalversammlung statt, bei denen die reaktionären bürgerlichen Parteien insgesamt die Mehrheit errangen. Sie traten als „demokratische“ Parteien sowie als „Volksparteien“ auf(das hat sich bis heute nicht geändert), um die Massen über ihren Klassencharakter zu täuschen. Die KPD beteiligte sich nicht an den Wahlen.

Gründung der Weimarer Republik 1919:

Am 06.02. trat in Weimar die Nationalversammlung zusammen. Danach wurde die nun geschaffene bürgerlich-parlamentarische Republik Weimarer Republik genannt. Wie schon im Kaiserreich, so lag auch in dieser Republik die reale Macht in den Händen der Imperialisten.

09.November 1923:

Hitler-Ludendorff-Putsch in München:

Erstmals wahrgenommenes Auftreten des Faschismus. Der bis dahin in der Öffentlichkeit unbekannte Adolf Hitler scheitert mit seinem Putschversuch vor der Münchner Feldherrenhalle, wo es zu 16 Todesopfern kommt. Er wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, aber bereits nach neun Monaten „wegen guter Führung“ vorzeitig unter Auflagen aus der Haft entlassen. In der Zeit des Faschismus war der 09. November Gedenk- und Feiertag. Bis 1945 wurde in jährlich stattfindenden Trauerfeiern der sogenannten „Blutzeugen der Bewegung“ gedacht.

09. November 1925:

Hitler ordnet die Gründung der SS(Schutzstaffeln) an.

09. November 1936:

Die Faschisten entfernen das Denkmal des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy vor dem Leipziger Gewandhaus.

09. November 1938:

Scheitelpunkt der Novemberpogrome(07.-13. November). Diese Ereignisse sind auch unter dem beschönigenden Namen „Reichskristallnacht“ bekannt. Es wurden Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte und Einrichtungen demoliert. Hunderte von Juden wurden innerhalb weniger Tage ermordet. Diese Ereignisse markieren den Übergang von der sozialen Ausgrenzung und Diskriminierung zur offenen Verfolgung der Juden in der Zeit des Faschismus. Während des zweiten Weltkrieges mündet der Antisemitismus in Deutschland in den heute als Holocaust bezeichneten industriellen Völkermord an etwa 6 Millionen europäischen Juden und weiteren aus rassistischen Motiven ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen in den Vernichtungslagern der Faschisten.

09. November 1939:

Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs werden zwei Offiziere des britischen Secret Intelligence Service, Richard Henry Stevens und Sigismund Payne Best, im niederländischen Venlo von einem SS-Sonderkommando unter Alfred Naujocks entführt, nachdem sich deutsche Geheimagenten unter Walter Schellenberg für Widerstandskämpfer ausgegeben haben. Der Venlo-Zwischenfall macht große Teile des britischen Spionagenetzes in Europa praktisch wertlos und liefert Hitler im Mai 1940 eine Rechtfertigung für den Einmarsch in den Niederlanden.

09. November 1989:

Konterrevolutionäres Ereignis in der DDR:

Der Umriss der Grenzanlagen in Berlin, von den „Mainstream“-Medien und der offiziellen Geschichtsschreibung als „Mauerfall“ bezeichnet. Faktisch das Ende der DDR. Die restliche Zeit der DDR bis zum 03.Oktober 1990 war eine Art Kündigungsfrist. In dieser Zeit ging es zunächst „drunter und drüber“. Dann hat die Konterrevolution gesiegt und die Ereignisse mündeten dann in die Angleichung an die BRD, bis dann die Annexion formal vollzogen worden ist.

Zahlen und Fakten

Wikipedia

und

Geschichte in Übersichten

Seite 318 – 327

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Im Zwielicht des 09. November

DDR-Kabinett Bochum: (Beitrag entnommen vom DDR-Kabinett Bochum)

.Im Jahre Achtzehn, da wurde vergeigt

Die Chance, die sich so selten zeigt.

Der Kaiser bloß, doch mehr auch nicht,

Galt als der einz‘ge Bösewicht.

Nach zwanzig Jahren, ganz genau

Zum Datum,. paßte eine Schau

Von Grausigkeiten inszeniert.

Denn weiter hatten die regiert,

Für die das Morden ein Gewinn,

Geplant perfide mit dem Sinn,

Daß Menschenhaut sich gut verkauft,

Gleich, ob sie jüdisch ist, getauft,

Bis Fünfundvierzig dann im Mai

Die Erde schien vom Mordmarkt frei.

Nie wieder Krieg, auf deutsch geschwor’n!

Doch ward auch dieser neu gebor’n

In einem Teil vom deutschen Land,

Genährt von imperialer Hand,

Zum Beispiel mit dem Marshallplan.

Volkseigen vor des Marktes Wahn

Bot östlich Schutz ein Friedenswall.

Doch durch Verrat und manch Vasall

Fiel jener,  wie der Friedenseid,

Zum Opfer der Triebhaftigkeit.

Mit gleichem Datum jener Nacht

Wird nun die Schau für Krieg vollbracht.

E.Rasmus

Der Dichter hat die alte Rechtschreibung verwendet.

09.11.1989: Der Weg für prekäre Arbeitsverhältnisse wird frei

Bei diesem Video ist Minute 0,43 bis 0,58 interessant. Es geht um den damaligen Protest der Beschäftigten im Einzelhandel in Westberlin. Die Demonstration wurde von der Gewerkschaft HBV organisiert. Es ging um die geplante Verlängerung der Ladenöffnungszeiten und um die 35-Stunden-Woche.

Der Fernsehsprecher sagt, dass die Demonstranten sich abends nochmal treffen wollten, es aber wegen der Grenzöffnung nicht mehr dazu kam. Was der Fernsehsprecher verschweigt: Die Beschäftigten des Einzelhandels in Westberlin mussten kurzfristig abends arbeiten. Denn im Taumel des konterrevolutionären Ereignisses waren für die heranströmenden DDR-Bürger/innen die Geschäfte geöffnet worden. Wie die Bezahlung der kurzfristig aus dem Feierabend geholten Beschäftigten des Einzelhandels aussah, hört man nichts, wenn Jahr für Jahr die Ereignisse des 09.11.1989 propagandistisch ausgeschlachtet werden. Im Taumel der Ereignisse hatten die Beschäftigten nicht die Idee dagegen zu protestieren, dass man sie plötzlich aus dem Feierabend holte. Nun ja, der Anfang war gemacht für flexible Arbeitsverhältnisse. In der Folgezeit des 09.11.1989 war das Interesse an gewerkschaftlichen Protesten in der BRD und Westberlin geschwunden. Der 09.11.1989 war auch der Beginn die Rechte der Arbeiterklasse zunächst in der BRD und Westberlin, später in der vergrößerten BRD abzubauen. Anfang der 1990er Jahre wurden die Ladenöffnungszeiten ausgeweitet.

Mit dem Untergang der DDR ist der Weg für prekäre Arbeitsverhältnisse und Niedriglohnjobs in allen Branchen frei geworden. Die Gewerkschaften sind immer schwächer geworden.

Es gibt nun keine sozialistische Alternative mehr und man muss als BRD und Westberlin nicht mehr was Besseres bieten (wollen). In Gewerkschaftskreisen hieß es früher, dass die DDR der unsichtbare Verhandlungspartner bei Tarifverhandlungen wäre.

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Historische Pressekonferenz: Faktisches Ende der DDR. Der Weg für prekäre Arbeitsverhältnisse ist frei geworden.

Als Verantwortlicher am Brandenburger Tor

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Beitrag entnommen vom DDR-Kabinett-Bochum: Die alte Rechtschreibung im Text ist belassen worden.

Die DDR-Grenzsoldaten behielten am 09. November 1989 einen kühlen Kopf

Auch 25 Jahre nach dem verheerenden und folgenreichen Abend des 9. November 1989 haften im Gedächtnis direkt Beteiligter ungute Gefühle im Verhältnis zur militärischen und politischen Führung der DDR in dieser konkreten Situation, doch auch zur eigenen Verantwortung gegenüber der Truppe und zur Sicherung der Staatsgrenze.

Am Abend des 9. November erlebten ich und meine Genossen einen ernsten Vertrauensbruch. Sonst hatte es in komplizierten Situationen stets Vorbefehle gegeben, die es uns ermöglichten, für die nächsten Stunden oder den nachfolgenden Tag Entscheidungen zu treffen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. All das war nun nicht möglich. Aus diesem Grunde fühlten wir uns im Stich gelassen, was auch beim Kommandeur des Grenzkommandos Mitte (GKM) eine gewisse Resignation aufkommen ließ. Es gab  Zweifel, sowohl an den militärischen Vorgesetzten als auch am Politbüro der SED.

Erst in den frühen Morgenstunden des 10. November erteilte Generalmajor Wöllner einen Befehl zur Stabilisierung der Truppenführung. Unsere Gefühle im Angesicht der Hunderte, bald aber schon Tausende und aber Tausende, die – oftmals mit der Sektflasche in der Hand – ihre Inbesitznahme der Mauer sowie des Innenraums am Brandenburger Tor bejubelten, sind auch heute noch schwer zu beschreiben.

Wenn man 20 Jahre in Berlin Grenzer war und seine Aufgaben treu erfüllt hatte, konnte man das Geschehen einfach nicht begreifen. Man brauchte Stunden, um die Fassung wiederzuerlangen. Voller Zorn und Machtlosigkeit, aber bei voller Selbstbeherrschung, spürte man, wie ein Lebensabschnitt zu Ende ging. Auf den ersten Schrecken folgte jedoch die Überlegung, daß man froh darüber sein konnte, wie verantwortungsbewußt sich die Angehörigen der DDR-Grenztruppen – von den ranghöchsten Kommandeuren bis zu den Soldaten, den Paßkontrolleuren der Volkspolizei und den an unserer Seite tätigen Angehörigen des Zolls wie der Kampfgruppen, aber auch die meisten jener, welche die Grenzöffnung nutzten – in dieser zugespitzten Situation verhielten. Es kam bei uns zu keinen unbedachten Handlungen, keiner Gewaltanwendung und vor allem keinem Schußwaffeneinsatz. Es gab weder Verletzte noch Tote. Der ganze Prozeß verlief in friedlichen Bahnen.

Dennoch bleiben für mich als ehemaligen Stellvertreter des Kommandeurs des GKM für Grenzsicherung bis heute noch einige Fragen offen: Warum gab es keine Vorbefehle? Weshalb fehlten klare Weisungen nach Eintritt der Lage am 9. November gegen Mitternacht? Warum unterblieb ein öffentliches Auftreten verantwortlicher Führungskräfte des Ministeriums oder des Kommandos der GT an den Brennpunkten der Grenzabschnitte? Warum fehlte es an Hilfe vor Ort? Als Führungsverantwortlicher am Brandenburger Tor in den kritischsten 24 Stunden empfand ich das als besonders frustrierend. Alle Entschlüsse und Entscheidungen mußte man selbst treffen und verantworten. Die Frage, die mir auf den Direktleitungen immer wieder gestellt wurde, lautete lediglich: „Was machst Du jetzt, welche Auswirkungen haben erteilte Befehle und Anordnungen?“ Nach wechselvoller Entwicklung der Lage standen mir in den Abendstunden des 10. November und während der darauf folgenden Nacht bis zu 10 Reserveeinheiten mit etwa 800 bis 1200 Mann zur Verfügung. Das war – gemessen an bisherigen Möglichkeiten – eine gewaltige Zahl.

Ich unterstreiche noch einmal: Es handelte sich um eine Truppe mit gefestigter Moral, vorbildlicher Disziplin und hohem Verantwortungsbewußtsein. Während lange Waffen (MPi Kalaschnikow) im Führungspunkt oder auf LKWs gesichert abgelegt worden waren, erwies sich die Unterstellung der Diensthundestaffel des Kommandos der Grenztruppen als wichtige moralische Hilfe. Was war zu entscheiden? Noch setzte sich die Inbesitznahme der Mauer und von Teilen des Innenraumes am Brandenburger Tor fort. Ein bevorstehender Durchbruch Tausender aus Richtung Unter den Linden zeichnete sich bereits ab. Doch die von den Demonstranten geforderte Öffnung einer Grenzübergangsstelle an diesem historischen Ort erfolgte nicht. Gewaltlos wurden der Innenraum und die Panzermauer vor dem Tor in der Nacht zum 11. November durch drei Sperrketten – eine auf der Mauer, eine im Innenraum und eine an der hinteren Begrenzung (Unter den Linden) – geräumt. Im Innenraum gab es Unterstützung durch die Diensthundestaffel.

Erstaunlicherweise reagierten die Zehntausende stundenlang mit einem gewissen Verständnis, hatte sich doch der Wunsch vieler, einmal am historischen Brandenburger Tor gewesen zu sein, erfüllt. Selbst die Vertreter der DDR-feindlichen Medien hielten sich vorerst noch zurück. Am Vormittag des 11. November trat dann eine dramatische Verschlechterung der Lage ein. Zu diesem Zeitpunkt gelang es Provokateuren unter Einsatz von Technik aus Westberlin, links vom Tor einen Teil der Mauer herauszubrechen. Es bestand die Gefahr weitergehender Provokationen und erheblicher Gewaltanwendung. Durch den sofortigen Einsatz von Pioniertruppen, welche die Mauerlücke schlossen, konnte jedoch eine Eskalation verhindert werden.

Aber auch politische Schritte von Westberliner Seite und diplomatische Aktivitäten trugen zu einer gewissen Entspannung der Situation bei. Hinzu kam die direkte Kontaktaufnahme mit Verantwortlichen der Westberliner Polizeieinheiten, die Schaulustige, Besetzer der Mauer und Provokateure bis zu einer Absperrung auf ihrem Gebiet zurückdrängten. Parallel zu unseren Maßnahmen fand ein Gespräch des Stabschefs des GKM, Oberst Günther Leo, am „Checkpoint Charlie“ mit dem Polizeipräsidenten Westberlins, Herrn Schertz, statt. Angesichts der Tatsache, daß die Medien der BRD ohne Unterlaß, in diesem Monat aber in noch gesteigertem Maße, den niemals erteilten Schießbefehl der „stalinistischen Diktatur“ strapazieren, sollte man sich daran erinnern, daß Altbundespräsident Richard von Weizsäcker den DDR-Grenzern für deren Besonnenheit ausdrücklich danken ließ.

Trotz der erlittenen schweren Niederlage sind wir stolz auf unser damaliges Handeln, das uns als einen würdigen Teil des Volkes der DDR ausgewiesen hat.

Oberst a. D. Heinz Geschke, Berlin