Die Partei der Bolschewiki in der Periode der stolypinschen Reaktion
Die Revolution war unterdrückt worden, der Sieg des Zarismus aber nicht dauerhaft. Die zaristische Regierung rechnete grausam mit den revolutionären Arbeitern und Bauern ab. Die Gefängnisse waren überfüllt. Der zaristische Minister Stolypin bedeckte das Land mit Galgen. Jedoch stärkten die zaristischen Verfolgungen der Arbeiter und Bauern die Selbstherrschaft nicht. Um ihre Lage zu festigen, nahm die Regierung ihre Zuflucht zu einem großangelegten Manöver. Sie heckte den Plan aus, die Kulakenoberschicht des Dorfes zu einer festen Stütze der Selbstherrschaft zu machen durch Verwandlung der Kulaken in „kleine Gutsbesitzer“.
Früher hatten die Bauern das Land gemeinsam durch die gesamte Dorfgemeinschaft besessen. Das Land wurde von Zeit zu Zeit unter die Mitglieder der Dorfgemeinschaft nach Maßgabe der Zahl der männlichen Seelen aufgeteilt.
Am 09. November 1906 erließ Stolypin ein Gesetz, demzufolge jeder beliebige Bauer aus der Dorfgemeinschaft ausscheiden konnte. Die Dorfgemeinschaft war verpflichtet, dem Ausscheidenden seinen Landanteil als persönlichen Besitz auszusondern. Auf diesem Landteil konnten jedoch nur die wohlhabenden Bauern sich festsetzen. Im Verlaufe von 9 Jahren (von 1906 bist 1915) schieden insgesamt mehr als zwei Millionen Hofbesitzer aus der Dorfgemeinschaft aus. Die Armen, die aus der Dorfgemeinschaft ausschieden, konnten ihre Parzellen nicht bebauen und gingen zugrunde. Die reichen Bauern – die Kulaken – erhielten die Möglichkeit, zum niedrigem Preise das Land der ruinierten Dorfarmen aufzukaufen. Die Klassenschichtung des Dorfes verschärfte sich. Auf der einen Seite stieg die Zahl der landlosen Bauern an, auf der anderen Seite stieg die Anzahl der Kulakenwirtschaften. Stolypins Reform beließ in den in den Händen der Gutsbesitzer, der Zarenfamilie und der Klöster mehr als 150 Millionen Hektar besten Landes. Die stolypinische brachte der Bauernschaft Ruin, Armut und Hungersnot.
Im Dorfe verstärkte sich die Bewegung der Bauern gegen die Gutsbesitzer und die Kulaken. Die Bauern leisteten den Landmessern und anderen zaristischen Beamten, die die Reform durchführten, Widerstand. Bei der Aussonderung von Land aus der Dorfgemeinschaft an die Kulaken mussten die zaristischen Beamten nicht selten Gewalt anwenden.
Nur eine Revolution konnte die Lage im Lande ändern. Die Bolschewiki, mit Lenin und Stalin an der Spitze, wussten das und bereiteten die Arbeiter und Bauern auf die Fortsetzung des Kampfs gegen den Zarismus vor. Die Menschewiki glaubten nicht an die Möglichkeit eines neuen Aufschwunges der Revolution, sie verleugneten die revolutionären Forderungen des Parteiprogramms und die revolutionären Losungen der Partei. Die Menschewiki schlugen sogar vor, die proletarische Partei völlig zu liquidieren und sich dem stolypinschen Regime „anzupassen“. Lenin nannte die Menschewiki-Liquidatoren die „Stolypinsche Arbeiterpartei“ und rief die Arbeiter auf, ihre revolutionäre Partei zu hüten und zu festigen.
Die zaristische Regierung verfolgte die Partei der Bolschewiki und befahl, Lenin zu verhaften. Die zaristischen Spitzel suchten eifrig nach dem Führer der Revolution. Auf Vorschlag der Partei ging Lenin im Jahre 1907 ins Ausland. Im Dezember desselben Jahres fuhr er in die Schweiz und ließ sich in Genf nieder. Hier erneuerte er die Herausgabe des Zentralorgans der Partei: der Zeitung „Proletarij“ („Der Proletarier“). Auf geheimen Wegen schickte er von hier die bolschewistische Zeitung und Briefe mit Anweisungen, wie die Partei, die sich in der Illegalität befand, arbeiten sollte, nach Russland.
Vor der Polizei verborgen, schufen die Bolschewiki ihre Organisationen in den Betrieben, druckten und verbreiteten unter den Arbeitern Flugblätter und Zeitungen. Zur Verstärkung ihres Einflusses bei den Massen bedienten sie sich der Gewerkschaften, der Arbeiterklubs, der Sonntagsschulen und der Genossenschaften. In der Reichsduma, wohin die Arbeiter einige Bolschewiki hatten entsenden können, ertönten ihre kühnen Aufrufe zum Kampfe um die Freiheit.
Den revolutionären Kampf in Russland leitete J.W. Stalin. Nach der Niederlage der Revolution im Zentrum von Russland leitete er den revolutionären Kampf der Bakuer Arbeiter. Lenin schätzte den kämpferischen Charakter der Bakuer Streiks, die von Stalin geleitet waren, sehr hoch ein. Er schrieb: „Im Jahre 1908 steht Baku mit 47 000 Streikenden an der Spitze der Gouvernements, die eine beachtliche Zahl von Streikenden aufweisen. Die letzten Mohikaner des politischen Massenstreiks!“
Der Zarismus bemühte sich auf jegliche Weise, Stalin der Möglichkeit einer revolutionären Betätigung zu berauben. Von 1902 bis 1913 wurde Stalin achtmal verhaftet, siebenmal war er in der Verbannung. Ungeachtet der polizeilichen Verfolgungen fuhr er fort, selbstlos die revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse zu leiten.
Die Bolschewiki geben Beispiele einer grenzenlosen Hingabe an die Revolution, hohe Vorbilder von Mannhaftigkeit, Mut und unerschütterlichem glauben an den Sieg der Arbeiterklasse.
Ein unbeugsamer Revolutionär war Jakow Michajlowitsch Swerdlow, „der ausgeprägteste Typus eines Berufsrevolutionärs“, wie Lenin ihn charakterisierte. Vom 15. Lebensjahre an begann er seine Mehrmals von Verbannungen und Flucht unterbrochene revolutionäre Tätigkeit voller Anstrengungen und Gefahren. Nach der Niederlage der Revolution befand sich Swerdlow zwei Jahre auf Festung.
In den Jahren der Reaktion wurde er aus dem Kerker freigelassen, aber bald wieder verhaftet und in die Narymregieon verschickt. Fünfmal versuchte Swerdlow, aus dem abgelegenen Maximkin-Jar zu flüchten, wohin sogar die Post nur zweimal im Jahre kam. Im Herbst des Jahres 1912 versuchte er auf einem Boot den Jenissej zu überqueren, und wäre in dem reißenden Fluss beinahe umgekommen.
Ein unerschütterlicher bolschewistischer Kämpfer war auch Michail Wassiljewitsch Frunse. Im Jahre 1905 leitete er den Streik der Iwanowo-Wonsessensker Arbeiter. Im März 1907 wurde Frunse verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Die Todesstrafe drohte ihm. „Sagen Sie sich von Ihren Proletariern los“, rief ihm während der Gerichtsverhandlung der Rechtsanwalt zu, „Sie werden sehen, man wird Sie sofort begnadigen.“ Frunse erklärte dem Richter empört, dass er einen solchen Verteidiger ablehne. Das zaristische Gericht verurteilte Frunse zu 10 Jahren Zwangsarbeit.
Furchtlos bekämpfte den Zarismus der junge Bolschewik Sergej Mironowitsch Kirow, der später ein feuriger Tribun der Revolution wurde. Wegen revolutionärer Arbeit im Jahre 1905 in Tomsk und wegen Organisierung einer Geheimdruckerei wurde er zur Einkerkerung in einer Festung verurteilt. Dies war schon seine dritte Verhaftung. Aber der stets muntere und lebensfrohe Kirow widmete sich aufs Neue der revolutionären Arbeit, sobald er aus dem Gefängnis wieder heraus war.
Ein ebensolcher unermüdlicher junger Revolutionär und Bolschewik war Grigorij Konstaninowitsch Ordshonikidse (Sergo). Bei der Ausladung von Waffen, die auf dem Seeweg aus dem Ausland verschickt worden waren, wurde er im Dezember 1905 verhaftet. Es gelang ihm, über die Grenze zu flüchten, aber später kehrte er nach Baku zurück. Nach wiederholten Verhaftungen ging Ordshonikidse nach Paris und lernte in der von Lenin geschaffenen Parteischule. Nach Russland zurückgekehrt, leistete er eine energische bolschewistische Arbeit, die erst durch seine Einkerkerung in die Schlüsselberger Festung auf drei Jahre unterbrochen wurde.
Einer der hervorragendsten Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung Polens und Russlands in den Jahren der Reaktion war Felix Edmundowitsch Dzierzynski( Es gibt verschiedene Schreibweisen des Namens.). In den heißen Tagen der Revolution des Jahres 1905 entwickelte Dzierzynski, der bei den Warschauer Arbeitern unter dem Namen Jusef bekannt war, eine rastlose Tätigkeit. Er führte einen energischen Kampf gegen die Menschewiki und unterstützte die Linie Lenins. Während der illegalen Arbeit nach der Revolution wurde er mehrmals verhaftet. Als gefährlicher und unversöhnlicher bolschewistischer Revolutionär wurde Felix Dzierzynski in einem besonderen Pavillon der der Warschauer Zitadelle eingesperrt. Hier schrieb er das „Tagebuch eines Gefangenen“, in dem er von seinen Erlebnissen als standhafter revolutionärer Kämpfer, der bereit ist, sein Leben im Namen der Revolution hinzugeben, erzählte.
Viele Hunderte von tapferen Revolutionären waren in den Verhältnissen der Illegalität durch die bolschewistische Partei erzogen worden. Sie bildeten die eiserne Garde der Leninisten, die unter der Leitung Lenins und Stalins unerschütterlich eine neue Revolution vorbereiteten.
Der neue revolutionäre Aufschwung in Russland
Bald begann in der Arbeiterbewegung von neuem eine bemerkenswerte Belebung. Die Arbeiter fingen an, Kräfte zu sammeln. Die Zahl der Streiks stieg von neuem an. Bereits im Jahre 1911 überschritt die Anzahl der Streikenden im ganzen Lande hunderttausend. Ein besonders starker Aufschwung des revolutionären Kampfes des Proletariats war durch die Ereignisse in den fernen Goldgruben der Lenaer Goldminen-Gesellschaft in Sibirien bewirkt worden.
Die Goldminen befanden sich in der abgelegenen Tajga, 1700 km von der Eisenbahn entfernt. Man konnte nur dann von dort wegkommen, wenn di Lena schiffbar war. Die Arbeitsbedingungen waren durch einen ausbeuterischen Vertrag geregelt. Vor Beendigung der Anstellungsfrist durften die Arbeiter die Arbeit nicht aufgeben, doch konnten sie zu jeder beliebigen Frist entlassen werden. In Anrechnung auf den Arbeitslohn wurden den Arbeitern Lebensmittel schlechtester Qualität verabfolgt. Der Arbeitstag war laut Vertrag auf zehn bis elf Stunden festgesetzt, die Verwaltung verlängerte ihn jedoch häufig nach Willkür.
Die Goldminenbesitzer, die die Lenaer Gesellschaft leiteten, fühlten sich in der Tajga als richtige Herrscher. Den Leiter der Goldgruben, Belosjorow, nannte man den „ungekrönten König der Tajga“.
Die zuchthausähnlichen Arbeitsbedingungen, die Verzögerung der Auszahlung des Arbeitslohnes, der Verkauf von verfaulten Lebensmitteln zum dreifachen Preis, die Gewalttätigkeiten und das eigenmächtige Handeln der Verwaltung und der Polizei riefen häufige Unruhen unter den Arbeitern hervor.
Ende Februar 1912 brach auf einer der Gruben, wo die Lage der Arbeiter besonders schwer war, ein Streik aus. Als Anlass diente die Zuteilung von faulem Pferdefleisch an die Arbeiter. Die empörten Arbeiter traten in den Streik und schickten zu den anderen Gruben ihre Deputierten. Am 27. März wurde der Streik ein allgemeiner. Mehr als 6000 Arbeiter nahmen daran teil und führten ihn eindeutig und organisiert durch. Jedoch wurde ungeachtet seines friedlichen Charakters eine große Abteilung Soldaten zu den Gruben entsandt. Das Streikkomitee wurde wegen „Aufwiegelung“ der Arbeiter zum Streik verhaftet. Am 04.(17.) April 1912 unterschrieben 3000 Arbeiter eine Erklärung, dass sie von sich aus, ohne jede Aufwiegelung, gestreikt hätten. Mit dieser Erklärung begaben sie sich zum Staatsanwalt zur Nadeshdinsker Goldgrube, um die Befreiung ihrer Deputierten zu verlangen.
An einem kalten Morgen des 04. April zogen lange Reihen von Arbeitern zur Nadeshdinsker Goldgrube und vereinigten sich dort zu einem langen schwarzen Band, das sich auf drei bis vier Kilometer erstreckte. Sie zogen durch den Wald, zwischen Schneehaufen, auf einem schmalen Weg, der kein Ausweichen zuließ. Auf der einen Seite befand sich ein steiler Abhang zum Fluss Bodajbo, auf der anderen Seite lagen Stapel aufgeschichteten Holzes. Quer über den Weg waren die vorher herbeigerufenen Soldaten in voller Kampfbereitschaft aufgestellt. Den Arbeitern trat der Ingenieur Tultschinskij entgegen und versuchte sie zu überreden, auseinander zu gehen. Die vordersten Reihen hielten an. Aber die 3 000köpfige Menge, die sich auf dem engen Weg hinzog, bewegte sich weiter und stieß auf die vordersten Reihen. Da begannen Polizei und Militär auf die Arbeiter zu schießen; 250 wurden getötet und 270 verwundet.
Die neue blutige Gräueltat der zaristischen Selbstherrschaft rief einmütige Empörung unter den Arbeitern hervor. Im ganzen Lande brachen Proteststreiks aus. In den Städten fanden revolutionäre Demonstrationen statt. Die Dritte Reichsduma, die laut Gesetz vom 03. Juli 1907 gewählt worden war und deren Mehrheit aus Gutsbesitzern und Bourgeoisie bestand, war immerhin gezwungen, die Frage über die blutigen Ereignisse an der Lena zu diskutieren. Der Minister des Inneren, Makarow, erklärte: „So war es, so wird es sein.“ Die Ereignisse an der Lena fanden im ganzen Land Widerhall. Überall begannen Streiks. Ungefähr 300 000 Arbeiter streikten. Lenin wies darauf hin, dass die Arbeiter jetzt nicht für einzelne Rechte, sondern gegen die allgemeine Rechtlosigkeit des Volkes zum Kampf anträten. „Gerade diese allgemeine Rechtlosigkeit im russischen Leben, gerade die Hoffnungslosigkeit und Unmöglichkeit des Kampfes für einzelne Rechte, gerade diese Unverbesserlichkeit der zaristischen Monarchie und ihres ganzen Regimes sind in den Ereignissen an der Lena so grell in Erscheinung getreten, dass sie in den Massen das revolutionäre Feuer entzündet haben“, schrieb Lenin.
J.W. Stalin schrieb in der bolschewistischen Zeitung „Swesda“ („Der Stern“), indem er die historische Bedeutung der Ereignisse an der Lena würdigte: „Die Schüsse an der Lena haben das Eis des Schweigens gebrochen und- der Strom der Volksbewegung ist in Bewegung geraten. In Bewegung geraten!…. Alles, was es Böses und Unheilvolles im gegenwärtigen Regime gab, alles, woran das vielgeprüfte Russland krankte, all das hat sich in der einen Tatsache, in den Ereignissen an der Lena zusammengeballt. Das ist der Grund, warum gerade die Schüsse an der Lena zum Signal für Streiks und Demonstrationen wurden.“
Die Ereignisse an der Lena zeigten, dass sich in der Arbeiterklasse eine gewaltige revolutionäre Energie angehäuft hatte. Die Bewegung breitete sich aus, wobei sie die rückständigsten Schichten der Arbeiter ergriff. Streiks fanden in sämtlichen Gebieten des Landes statt. An der Spitze schritt das revolutionäre Petersburg, ihm folgten die Arbeiter Moskaus, des Baltikums, der Ukraine (heute führen die Ukraine und Russland gegeneinander Krieg {2022} Ein Ergebnis des Sieges des Kapitalismus als Weltsystem), des Kaukasus. Die wirtschaftlichen Streiks verflochten sich mit den politischen. Lenin nannte derartige Massenstreiks revolutionäre Streiks. Sie waren gegen die Selbstherrschaft gerichtet und hatten für das gesamte Volk Bedeutung als revolutionäres Kampfmittel. Die Streiks riefen Sympathie der übergroßen Mehrheit der Werktätigen hervor. Sie ermutigten die Bauernschaft zum Kampf gegen die Gutsbesitzer und den Zarismus. Die Zusammenstöße der Bauern mit den Kulaken häuften sich. In der Zeit von 1010 bis 1914 fanden mehr als 13 000 Bauernaktionen statt.
Die Streiks wurden unter den bolschewistischen Losungen: „Achtstunden-Arbeitstag“, „Konfiskation des Bodens der Gutsbesitzer“, „Demokratische Republik“ durchgeführt.
Unter den Verhältnissen des revolutionären Aufschwunges war eine geschlossene Kampfpartei besonders notwendig, die fähig wäre, die Arbeiterklasse auf die neue Revolution vorzubereiten. Aus diesem Grunde wurde im Januar 1912 in Prag (Tschechoslowakei; heute Tschechien) eine Parteikonferenz einberufen, auf der sich die Bolschewiki zu einer selbstständigen Partei formierten. Bis zu dieser Zeit waren sie mit den Menschewiki formal in einer Partei, der SDAPR, vereinigt. Von jetzt an nannte sich die Partei SDAPR (Bolschewiki). Die Prager Konferenz wählte ein bolschewistisches Zentralkomitee, mit Lenin an der Spitze. J.W. Stalin, der sich in der Verbannung befand, wurde in Abwesenheit zum Mitglied des Zentralkomitees der Partei gewählt. Auf Lenins Vorschlag wurde Stalin an die Spitze des Russischen Büros des Zentralkomitees gestellt, das zur unmittelbaren Leitung der Parteiarbeit in Russland geschaffen wurde.
Für die revolutionäre Erziehung der Massen brauchten die Bolschewiki eine kämpferische politische Tageszeitung, die eng mit den Massen verbunden wäre. Im Januar 1912 begannen die Arbeiter Beiträge für die Herausgabe ihrer Zeitung zu sammeln. Die erste Nummer der täglich erscheinenden Massenzeitung „Prawda“ („Die Wahrheit“) kam am 22. April (am 05. Mai neuen Stils) heraus. Der Tag des 05. Mai wurde daher in der Sowjetunion als Tag der Arbeiterpresse gefeiert. Die Arbeit der „Prawda“ leitete Lenin vom Ausland aus. Ihr erster Redakteur war Stalin. Viel Zeit und Kräfte widmete W.M. Molotow, der als Redaktionssekretär arbeitete, der „Prawda“. Maxim Gorki unterstützte die „Prawda“ in ihrer Arbeit.
Die Zeitung erschien täglich. Jeden Morgen fand der zaristische Zensor sie auf seinem Tisch und suchte, woran er Anstoß nehmen könnte, um ihr Erscheinen zu verbieten. Die Arbeiter versammelten sich bereits in der Nacht auf dem Hof der Druckerei, wo die „Prawda“ gedruckt wurde, ergriffen die neuen Nummern der Zeitung, sobald sie erschienen, und trugen sie in die Werke und Fabriken. 40mal im Verlaufe des ersten Jahres des Bestehens der „Prawda“ drang di Polizei in die Druckerei ein, um die gesamt Auflage zu vernichten, aber in der Regel war die Zeitung schon nicht mehr in der Druckerei vorhanden. Die Auflage war bereits unter die Arbeiter verteilt worden. Im Mai 1913 schloss die zaristische Regierung die „Prawda“, aber schon nach einigen Tagen erschien sie unter einem andren Titel. Die „Prawda“ wechselte oft ihren Namen: „Sa Prawdu“ („Für die Wahrheit“), „Proletarskaja Prawda“ („Die proletarische Wahrheit“), „Sewrenaja Prawda“ („Die nördliche Wahrheit“), „Putj Prawdy“ („Der Weg zur Wahrheit“) und andere.
Die Bolschewiki benutzten jede Möglichkeit, eine revolutionäre Arbeit unter den Massen zu leisten. Sie schufen illegale Zellen und Gruppen in den Gewerkschaften, in den Konsumgenossenschaften, in den Krankenkassen und anderen Arbeiterorganisationen. Selbst die reaktionäre Reichsduma wurde von den Bolschewiki für ihre Agitation benutzt. Bei den Wahlen im Jahre 1912 wählten die Arbeiter in die Vierte Reichsduma sechs bolschewistische Abgeordnete. Lenin und Stalin leiteten ihre Tätigkeit. Die Arbeiterabgeordneten traten in der Duma mit revolutionären Reden hervor, die in der „Prawda“ abgedruckt wurden. Die Schwarzhunderter empfingen jedes Auftreten der Arbeiter mit Geschrei, Lärm und Pfeifen. Der Vorsitzende der Duma, der Gutsbesitzer Rodsjanko, entzog den Bolschewiki das Wort, sobald sie zu sprechen anfingen. Jedoch setzten die bolschewistischen Abgeordneten hartnäckig ihre leidenschaftlichen revolutionären Reden fort.
Im Jahre 1913 gelang es der zaristischen Regierung, einige bolschewistische Organisationen zu zerstören. In Petersburg verhaftete die Polizei Stalin. Er wurde in die abgelegene Turuchansker Region, in die Sieglung Kurejka, verschickt. Molotow wurde verhaftet und nach Sibirien verschickt. Im Gefängnis befanden sich Sergo Ordshonikidse und andere Führer der bolschewistischen Partei. Im Juli 1914 demolierte die Polizei das Redaktionsbüro der „Prawda“ und verhaftete ihre Mitarbeiter.
Der revolutionäre Kampf des Proletariats erhielt in der ersten Hälfte des Jahres 1914 einen großen Schwung. Die Zahl der Streikenden umfasste im ersten Halbjahr ungefähr anderthalb Millionen Menschen. Die Streiks fanden unter den bolschewistischen Losungen statt. Der von den Bolschewiki geleitete Sommerstreik der Bakuer Arbeiter währte zwei Monate. Die Bakuer wurden von den Arbeitern des ganzen Landes unterstützt. In Petersburg und in anderen Städten fanden Meetings unter den Losungen statt: „Bakuer Genossen, wir sind mit Euch!“, „Der Sieg der Bakuer ist unser Sieg!“ Eine dieser revolutionären Demonstrationen endete mit Schüssen auf die Arbeiter der Pulitow-Werke. Als Antwort auf diese Schüsse der Polizei erhob sich die gesamte Arbeiterschaft von Petersburg. In den Straßen Petersburgs fanden Zusammenstöße der Arbeiter mit den Truppen statt, die in Barrikadenkämpfe übergingen- Die Hauptstadt wurde in ein Heerlager verwandelt.
Der weitere Aufschwung der Revolution wurde durch den Krieg unterbrochen.

Entnommen aus dem ersten Band „Das Sowjetland“, erschienen im Jahre 1947. Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa, bearbeitet von Petra Reichel
