Der Aufstand der schlesischen Weber

Die Ursachen des Aufstandes

 

Zu den am schlechtesten entlohnten Arbeitern gehörten in Deutschland die Heimarbeiter. Es waren meist Handweber, die zu Hause arbeiteten. Die kapitalistische Entwicklung hatte sie völlig von den Fabrikanten, Kaufleuten und Verlegern abhängig gemacht. Garn oder Wolle, die sie vom Verleger erhielten, verarbeiteten sie zu Leinwand oder Tuch und lieferten die fertigen Produkte wieder an den Verleger ab. Dieser setzte den Preis für das Ausgangsmaterial und die hergestellte Ware allein fest. Um überhaupt leben zu können, mussten sich die Weber dieser Willkür fügen. Sie lebten meist im Dorf, besaßen ein kleines Haus und ein winziges Stück Ackerland.

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In den schlesischen Gebieten war die Notlage der Heimarbeiter am größten. Hier mussten auch die Frau und die Kinder 14 bis 16 Stunden mit am Webstuhl sitzen, damit die Familie nicht verhungerte. Fleisch zur Mahlzeit gab es kaum. Kartoffeln und eine dünne Suppe waren für die meisten die tägliche Nahrung.

Vom kärglichen Verdienst mussten Steuern an den Staat, an den Gutsherren und an die Gemeinde gezahlt werden. Im Unterschied zu den Arbeitern in den Fabriken wurden die schlesischen Heimarbeiter nicht nur von den Kapitalisten, sondern gleichzeitig auch von den Junkern ausgebeutet.

Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde die englische Industrie zu einer gefährlichen Konkurrenz für die schlesischen Textilfabrikanten und Verleger. Die mit modernen Maschinen ausgerüsteten Textilfabrikanten Englands lieferten ihre Erzeugnisse viel billiger auf den Markt. Um ihre Waren weiter absetzen zu können, versuchten die schlesischen Verleger, ihre handgewebten Produkte ebenso billig wie die englischen Kapitalisten zu verkaufen. Da sie aber auf keinen Fall ihren Profit schmälern wollten, kürzten sie die Arbeitslöhne. Besonders erpresserisch handelten die Verleger in den schlesischen Dörfern Peterswaldau und Langenbielau. Hier beuteten die Gebrüder Zwanziger und die Gebrüder Diering die Weber am schamlosesten aus.

Einige tausend Weber und Spinner wurden von diesen Großunternehmern beschäftigt, die mit ihrem Reichtum protzten, während die Arbeiter darbten. Allein die Gebrüder Zwanziger hatten ein jährliches Einkommen von 30 000 Talern. Dagegen verdiente ein Weber im Jahr nur 60 Taler.

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Der Verlauf des Aufstandes

 

In Peterswaldau entlud sich der wachsende Hass der Arbeiter auf die Fabrikanten zuerst in einem anklagenden Lied. Es wurde von den Webern als Flugblatt heimlich verbreitet und auch an die Türen der Verleger geheftet.

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Mehrere Weber wurden verhaftet, weil sie dieses Lied gesungen hatten. Da riss den Arbeitern im Sommer 1844 die Geduld. Von den Fabrikanten aufs äußerste gepeinigt, erhoben sie sich, um mit Gewalt für das Recht des Lebens zu kämpfen. So begann im Jahre 1844 der schlesische Weberaufstand.

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Von Peterswaldau griff der Aufstand auf andere Dörfer über. Im benachbarten Langenbielau zertrümmerten die Weber am 5. Juni die Geschäftsräume des verhassten Fabrikanten Dierig. Dann versammelten sie sich vor seinem Wohnhaus. Es wurden ihnen Geld und Lebensmittel versprochen. Geduldig warteten die Weber den ganzen Tag. Dierig hatte jedoch bereits heimlich Militär angefordert und hielt die Weber so lange hin, bis preußische Soldaten eintrafen. Ein Offizier forderte die Menge auf, sich nach Hause zu begeben. Als dieser Aufforderung nicht nachgekommen wurde, ließ er das Feuer eröffnen. Elf Menschen, darunter Frauen und Kinder, fielen unter den Gewehrsalven, 24 wurden schwer verletzt. Als Antwort auf diesen brutalen Mord gingen die Weber mutig mit Steinen, Knüppeln und Äxten gegen die Soldaten vor. Das Militär wurde aus dem Dorf gejagt.

Der Sieg der Weber war nur von kurzer Dauer. Als die Soldaten Verstärkung, darunter Artillerie und Kavallerie, erhalten hatten, besetzten sie am 6. Juni 1844 die aufständischen Weberdörfer. Über hundert Weber wurden verhaftet und in Breslau vor Gericht gestellt. Der jüngste von ihnen war 15 Jahre alt. 80 Arbeiter erhielten insgesamt 293 Jahre Zuchthaus und Festungshaft sowie 330 Peitschenhiebe.

 

 

Die Bedeutung des Aufstandes

 

Der Aufstand der schlesischen Weber im Jahre 1844 war die erste Klassenschlacht des deutschen Proletariats. Mit ihm begann der selbstständige Kampf der deutschen Arbeiterklasse gegen die Bourgeoise und gegen den preußischen Staat.

Die Erhebung hatte mit den Aktionen der englischen Maschinenstürmer Einiges gemeinsam. Auch die schlesischen Weber hatten Maschinen zerstört. Gemeinsam war auch, dass die englischen Arbeiter und die schlesischen Weber ohne Organisation und ohne Klarheit über ihre Ziele aus Verzweiflung zum Mittel der Gewalt gegriffen hatten. Aber der Weberaufstand unterschied sich von der Maschinenstürmerei darin, dass er sich vor allem gegen die eigentlichen Feinde der Arbeiterklasse selbst, gegen die Kapitalisten, richtete.

Die Erhebung in Schlesien ermunterte die Arbeiter in anderen Gebieten Deutschlands. Mit Streiks und Demonstrationen kämpften besonders die Eisenbahnbauarbeiter in Preußen und Sachsen um höhere Löhne und gegen die Willkür der Unternehmer. An vielen Orten Deutschlands wurde für die Hinterbliebenen der Gefallenen und für die Eingekerkerten Geld gesammelt. Der Dichter Heinrich Heine stellte sich mit seinem Gedicht „Die Schlesischen Weber“ an die Seite der revolutionären Arbeiter. Eine Strophe lautete:

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Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

 

Geschichtsbuch DDR 8

 

Quelltext:

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