Der Volksmund sprach über das Gericht des zaristischen Russlands: „Wo ein Gericht -Da ein Unrecht“,„Es macht dem Reichen nichts aus, zum Gericht zu gehen, der Arme wird aber einen Kopf kürzer gemacht“, „Ein Richter ist wie ein Zimmermann, was er will, das haut er zusammen“. In diesen Sprichwörtern kam in treffender Weise der Klassencharakter des alten bürgerlich-gutsherrlichen Gerichtes zum Ausdruck: es stand im Dienst der Ausbeuterklassen, schützte ihre Reichtümer und ihre Macht und diente in ihren Händen als ein Werkzeug zur Unterdrückung der Werktätigen.
Die Richter entstammten den Kreisen der adligen Gutsherren und Kapitalisten und verurteilten oft sogar Unschuldige zu hohen Strafen.
Dieses alte ungerechte Gericht wurde durch die Große Sozialistische Oktoberrevolution zusammen mit der ganzen Staatsmaschinerie der Bourgeoisie abgeschafft. Die Sowjetmacht schuf ein neues, ein wirkliches Volksgericht.
Das Sowjetgericht stellte eines der Organe des sozialistischen Sowjetstaates der Arbeiter und Bauern dar. Dadurch unterscheidet sich das Sowjetgericht in grundlegender Weise von den Gerichten in den kapitalistischen Ländern, bzw. der heutigen Zeit, wo es als ein Organ der Diktatur der Bourgeoisie, als ein Werkzeug zur gerichtlichen Unterdrückung der Werktätigen dient.
Lenin und Stalin lehrten, dass der Sowjetstaat und das Sowjetvolk das Gericht brauchten, um erstens die Feinde der Sowjetmacht zu bekämpfen und zweitens den Kampf um die Festigung der damals neuen, sowjetischen Ordnung und Sicherung der neuen, sozialistischen Disziplin unter den Werktätigen zu führen.
J.W. Stalin forderte einen unentwegten Kampf gegen alle Verletzer der sowjetischen revolutionären Gesetzlichkeit, wer es auch war und welchen Posten er auch bekleiden mochte. (Nach Stalins Tod wurde das aufgeweicht. Wohin das geführt hat, sehen wir heute. Seit der „Geheimrede“ Chruschtschows wird Stalin bis heute Willkür und Alleinherrschaft vorgeworfen. P.R.)
Das Sowjetgericht war ferner notwendig, um Streitfragen zu lösen, welche die Rechte und Interessen der Sowjetbürger, Staatsämter und Betriebe, Kollektivwirtschaften und anderer gesellschaftlicher Organisationen berührten.
Der Oberste Sowjet der UdSSR nahm am 16. August 1938 da neue Gesetz über da Gerichtssystem an, das die Aufgaben des Sowjetgerichts auf der Grundlage der Stalinschen Verfassung festlegte.
Als Wichtigstes betrachtete dieses Gesetz den Schutz der Gesellschafts- und Staatsordnung, wie von der Verfassung der UdSSR und den Verfassungen der Unions- und autonomen Republiken festgelegt wurde, den Schutz des gesellschaftlichen, sozialistischen Eigentums und der sozialistischen Wirtschaft.
Das Sowjetgericht war ein Staatsorgan, das auf Grund der Gesetze des sozialistischen Sowjetstaates Recht sprach. Das Gericht der Sowjetunion war ein einheitliches und gleiches für alle Bürger, unabhängig von ihrer nationalen und rassischen Zugehörigkeit, sozialen Herkunft, Religion, Vermögenslage oder ihrer Dienststellung.
Die Rechtsprechung wurde im Sowjetland von verschiedenen Gerichtsorganen ausgeübt, aber die Gesetzgebung über das Gerichtssystem und über die Prozessordnung sowie die strafrechtliche und zivile Gesetzgebung in der Sowjetunion war für alle Gerichte einheitlich und verbindlich.
Der Grundbaustein des sowjetischen Gerichtswesens war das Volksgericht. Die Volksgerichte verhandelten sowohl Straf- als auch Zivilfälle. Den Volksgerichten oblag auch der Schutz der Wahlrechte der Sowjetbürger. Die höherstehenden Gerichtsorgane verhandelten besonders wichtige Gerichtsfälle.
Die Regions-, Gebiets- und Kreisgerichte, die Gerichte der autonomen Gebiete und nationalen Bezirke verhandelten Straffälle, die auf Grund der Gesetze zu ihrem Kompetenzbereich gehörten: die Fälle von Staatsverbrechen, Raub sozialistischen Eigentums und andere wichtige Verbrechen sowie Zivilangelegenheiten bei Streitigkeiten zwischen staatlichen oder gesellschaftlichen Organisationen. Außerdem prüften diese Gerichte Klagen und Berufungen gegen die Urteile und Beschlüsse der Volksgerichte.
Der Oberste Gerichtshof der autonomen Republik stellte ihr höchstes Gerichtsorgan dar. Ihm oblag die Aufsicht über die gerichtliche Tätigkeit aller Gerichte der Republik. Es verhandelte die Straf- und Zivilsachen, die auf Grund des Gesetzes zu seinem Kompetenzbereich gehörten, und prüfte die Beschwerden und Berufungen gegen die Urteile und Beschlüsse aller Gerichte der Republik.
Der Oberste Gerichtshof der Unionsrepublik war ihr höchstes gerichtliches Organ. Ihm oblag die Aufsicht über die gerichtliche Tätigkeit aller Gerichte der Unionsrepublik sowie der autonomen Republiken, Regionen, autonomen Gebiete und nationalen Bezirke, die dieser Republik angehörten. Er verhandelte Straf- und Zivilfälle, die vom Gesetz seinem Kompetenzbereich unterstellt waren, und prüfte die Beschwerden und Berufungen gegen die Urteile und Beschlüsse der Regions-, Gebiets- und anderen Gerichte der Republik.
Der Oberste Gerichtshof der UdSSR war das höchste gerichtliche Organ der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Dem Obersten Gerichtshof der UdSSR oblag die Aufsicht über die gerichtliche Tätigkeit aller Gerichtsorgane der UdSSR und der Unionsrepubliken. Der Oberste Gerichtshof der UdSSR bestand aus fünf Kollegien: für Strafsachen, Zivilsachen, für Militär, Eisenbahn und Binnenschifffahrt. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes hatte das Recht, jeden Fall eines beliebigen Gerichts der UdSSR oder der Unionsrepubliken anzufordern und in diesem Fall Berufung einzulegen. Der Oberste Gerichtshof der UdSSR gab den Gerichten seine Richtlinien in den Fragen der Gerichtspraxis. Der Oberste Gerichtshof der UdSSR verhandelte die wichtigsten Straf- und Zivilsachen, die vom Gesetz seinem Kompetenzbereich unterstellt waren, und prüfte ferner die Beschwerden und Berufungen gegen die Urteile der besonderen Gerichte der UdSSR und der Obersten Gerichtshöfe der Unionsrepubliken.
Richter konnte jeder Sowjetbürger werden, die die Wahlrechte besaß.
Die Volksrichter wurden nach der Stalinschen Verfassung unmittelbar durch die Bürger der einzelnen Bezirke auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten Wahlrechts in geheimer Abstimmung auf die Dauer von zwei Jahren gewählt. Die Wähler konnten zu jeder Zeit einen Richter abberufen, der seinen Pflichten nicht gewachsen war, und einen neuen an dessen Stelle wählen. Die Volksrichter waren über ihre Tätigkeit und die des Volksgerichtes vor den Wählern rechenschaftspflichtig.
Das Gericht bestand aus einem Richter und zwei Volksbeisitzern, die während der Gerichtssitzungen alle Rechte des Richters genossen. Volksbeisitzer konnten alle wahlberechtigten Bürger werden. Die Volksbeisitzer wurden nach dem gleichen Verfahren wie die Volksrichter gewählt und abgesetzt. Jeder von ihnen nahm nur zehn Tage Jährlich an den Gerichtssitzungen teil und erhielt während dieser Zeit seinen Durchschnittslohn bei seiner Arbeitsstelle. Danach wurde er durch einen anderen Volksbeisitzer ersetzt. Auf diese Weise war das Sowjetgericht eine Art Schule der Staatsverwaltung, zu der die breiten Massen der Werktätigen herangezogen wurden.
Die Regions-, Gebiets- und Kreisgerichte, die Gerichte der autonomen Gebiete und nationalen Bezirke wurden durch die entsprechenden Sowjets der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen für die Dauer von fünf Jahren gewählt.
Die Obersten Gerichtshöfe der autonomen Republiken und der Unionsrepubliken wurden durch die entsprechenden Obersten Sowjets ebenfalls für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Der Oberste Gerichtshof der UdSSR sowie die besonderen Gerichte der UdSSR wurden für die gleiche Dauer durch den Obersten Sowjet der UdSSR gewählt. Den höheren Gerichten gehörten genauso wie bei den Volksgerichten je zwei Volksbeisitzer an, die von den entsprechenden Sowjets der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen oder von den Obersten Sowjets gewählt wurden.
Die Sowjetrichter waren unabhängig und nur dem Gesetz unterstellt. Kein Organ der Sowjetmacht- weder ein örtliches noch ein höheres- hatte das Recht, dem Gericht die Anweisung zu geben, einen Fall so und nicht anders zu entscheiden. Die Sowjetrichter waren verpflichtet, bei der Urteilsfindung sich nur von den Sowjetgesetzen leiten zu lassen, in denen der Volkswille zum Ausdruck kam.
Die Gerichtsverhandlung fand in allen Sowjetgerichten öffentlich unter Teilnahme der Parteien (des Angeklagten und des Staatsanwaltes, des Beklagten und des Klägers), unter Anwesenheit von Bürgern und Pressevertretern statt, wobei dem Angeklagten das Recht auf Verteidigung gewährleistet wurde.
Auf diese Weise verlief die Arbeit der Sowjetgerichte unter der Kontrolle der sowjetischen Öffentlichkeit. Jeder Bürger konnte zur Gerichtsverhandlung kommen und ihr von Anfang bis zum Ende beiwohnen. Die Gerichtssitzungen wurden öfters in den Betrieben, Fabriken und Kollektivwirtschaften durchgeführt, um einer möglichst großen Zahl von Bürgern, die an der Entscheidung des betreffenden Falles interessiert waren, Möglichkeit zu geben, ihnen beizuwohnen.
Ein solches Gerichtsverfahren verhalf den Massen zu Kenntnissen in den Fragen der Staatsverwaltung, der Volkswirtschaft, der Lebensweise und der Moral. Eine solche Gerichtsordnung erzog in den Massen das sozialistische Rechtsbewusstsein und regte sie zum Kampf gegen das Verbrechertum an.
Nur in Ausnahmefällen, die im Gesetz besonders erwähnt waren, wurden die Gerichtssitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch drei Richter ohne Teilnahme von Volksbeisitzern abgehalten.
Das Gerichtsverfahren wurde bei allen Gerichten in der Sprache der Unionsrepublik bzw. der autonomen Republik oder des autonomen Gebiets durchgeführt. Bürger, die dieser Sprache nicht mächtig waren, hatten das Recht, in die Akten mit Hilfe eines Dolmetschers Einsicht zu nehmen und sich vor Gericht der Muttersprache zu bedienen.
Durch alle dies Besonderheiten stellte das Sowjetgericht das einzige wahre Volksgericht der Welt dar. (Stand 1947)
Es kam vor, dass in sowjetische Ämter und Betriebe volksfeindliche Elemente eindrangen, die ihre Dienststellung dazu benutzten, um die Gesetze falsch oder überhaupt nicht anzuwenden und damit die Sowjetmacht schädigten. In der Tätigkeit und in den Beschlüssen der örtlichen Machtorgane kamen manchmal Abweichung von den Gesetzen, falsche Auslegung oder unrichtige Anwendung von Gesetzen vor. Es kamen auch direkte bewusste Verletzungen der Gesetze durch einzelne Amtspersonen vor.
Das alles machte ein besonderes staatliches Organ notwendig, dessen Aufgabe es war, Aufsicht über die richtige Anwendung und strikte Durchführung der Gesetze durch alle Ministerien und die ihnen unterstellten Institutionen sowie durch alle Amtspersonen und Bürger der UdSSR zu führen.
Ein solches Organ stellte die sowjetische Staatsanwaltschaft dar, die ursprünglich in der RSFSR im Jahre 1922 geschaffen wurde. Die Staatsanwaltschaft der UdSSR bestand seit dem 30. Juni 1933.
Die Arbeit der Staatsanwaltschaft war mit der des Gerichts auf das engste verbunden. Genau so wie das Sowjetgericht führte auch die sowjetische Staatsanwaltschaft den Kampf gegen das Verbrechen am Sowjetstaat, gegen die Feinde der Sowjetmacht, Spione, Diversanten, Schädlingen und andere Agenten der ausländischen Bourgeoisie. Genau so wie das Gericht schützte die Staatsanwaltschaft das gesellschaftliche, sozialistische Eigentum, bekämpfte Raub, Diebstahl, Misswirtschaft, Bürokratismus, Verletzungen der Arbeits- und Staatsdisziplin usw..
Die Staatsanwaltschaft und das Gericht hatten gemeinsame Aufgaben, aber verschiedene Arbeitsmethoden. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage und untersuchte Kriminalfälle, legte die Umstände der Verbrechen dar, sammelte Beweismaterial gegen die Verbrecher und ihre Komplizen, überwachte die Gesetzlichkeit der Handlungen anderer Untersuchungsorgane.
Das Gericht verhandelte die Fälle, die ihm durch die Staatsanwaltschaft übergeben wurden. Der Staatsanwalt sprach vor Gericht und erhob Anklage im Namen des Sowjetstaates. Das Gericht entschied die Sache und fällte das Urteil. Die Staatsanwaltschaft überwachte die richtige Entscheidung der Fälle durch die Gerichte, die Vollstreckung der Urteile und Beschlüsse des Gerichts und legte gegen unrichtige Urteile und Beschlüsse Berufung ein.
Die sowjetische Staatsanwaltschaft schützte ferner auch die persönlichen Rechte der Bürger. Sie schützte die Unverletzlichkeit der Person: niemand durfte ohne Genehmigung des Staatsanwalts oder einen Gerichtsbeschluss verhaftet werden.
Zum Unterschied vom Gericht wurden die Organe der Staatsanwaltschaft nicht gewählt, sondern ernannt.
An der Spitze der Staatsanwaltschaft stand der Generalstaatsanwalt der UdSSR, der vom Obersten Sowjet der UdSSR für die Dauer von sieben Jahren ernannt wurde. Ihm oblag die oberste Aufsicht über die richtige Anwendung und strikte Durchführung der Gesetze in der gesamten Sowjetunion. Der Generalstaatsanwalt der UdSSR ernannte Staatsanwälte der Unionsrepubliken, autonomen Republiken, Regionen, Gebiete und der autonomen Gebiete für die Dauer von fünf Jahren. Die Staatsanwälte der Kreise, der Rayons und der Städte wurden von den Staatsanwälten der Unionsrepubliken ebenfalls für die Dauer von fünf Jahren ernannt und vom Generalstaatsanwalt der UdSSR bestätigt.
Außerdem ernannte der Generalstaatsanwalt der UdSSR die Hauptstaatsanwälte, welche die besonderen Organe der Staatsanwaltschaft für das Militär, den Eisenbahnverkehr und die Binnenschifffahrt leiteten.
Wie erklärt es sich, dass die Staatsanwälte ernannt und nicht gewählt wurden?
Die Hauptaufgabe des Staatsanwaltes bestand darin, auf die richtige und einheitliche Anwendung der Gesetze im ganzen Land zu achten. Die sowjetische Gesetzlichkeit durfte nicht in Pensa oder Tscheljabinsk, in der Ukraine (😫 P.R.) oder Usbekistan, in Tatarien oder Jakutien verschieden sein. Die sowjetische Gesetzlichkeit musste für die ganze Sowjetunion einheitlich sein. Das lag im Interesse der Werktätigen, in welchem Gebiet sie auch lebten und welchem Volk sie angehörten.
Um eine solche Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, mussten die Staatsanwälte ihre Arbeit unabhängig von irgendwelchen örtlichen Organen durchführen und nur dem Generalstaatsanwalt der UdSSR unterstellt sein. Deshalb wurden die Staatsanwälte nach der Verfassung der UdSSR ernannt und nicht gewählt.
Die zentralisierte Ernennung der Staatsanwälte behinderte in keiner Weise die Selbstständigkeit der örtlichen Machtorgane, weil der Staatsanwalt zum Unterschied von den vollziehenden und verfügenden Organen der Sowjets keine administrative Gewalt hatte. Der Staatsanwalt fällte keine Gerichtsurteile. Diese Urteile fällte das Gericht, das unmittelbar vom Volk und den Sowjets gewählt wurde.
Die Sowjetische Staatsanwaltschaft war genau wie das Gericht eng mit den Massen verbunden, die in ihr die Wahrerin ihrer Interessen und die Beschützerin der Sowjetmacht erblickten.
Entnommen aus „Das Sowjetland“ aus dem Jahre 1947, Band 3, Original-Autor W.A. Karpinskij, bearbeitet von Petra Reichel
Die Sowjets in Russland entstanden zum ersten Mal bereits während der Revolution des Jahres 1905 als Organe des Arbeiteraufstandes, als Keimzellen einer neuen, einer revolutionären Macht. Nach der Februarrevolution des Jahres 1917 verbreiteten sich die Sowjets rasch über das ganze Land. Nach der Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse im Oktober 1917, als Ergebnis der Vernichtung der Kapitalisten- und Gutsherrenherrschaft, haben sich die Sowjets zu einer entscheidenden kraft entwickelt und sind zur Staatsmacht im Lande geworden.
Die Sowjets stellten die die breitesten Massen erfassende Staatsorganisation dar, die die Werktätigen beider Geschlechter (An Diverse, 3. Geschlecht usw. dachte damals niemand. Diese Leute sind als verschwindende Minderheit, anders als heute, nicht beachtet worden. P.R)ohne Unterschied der Nation, Rasse, Beschäftigung, Parteizugehörigkeit, Bildung, der Religion usw. vereinigt. In den Sowjets erblickte man nebeneinander Russen und Aserbaidshaner, Ukrainer und Chakassen, Bjelorussen und Usbeken, Esten und Kirgisen, alte Bolschewiki und parteilose Kollektivbäuerinnen, Gelehrte von Weltruf und Arbeiter mit Grundschulbildung, Hüttenarbeiter und Hirten, Weberinnen und Melkerinnen, Eisenbahner und Flieger usw. Die Deputierten (Abgeordneten) für die Sowjets wurden vom ganzen Volk gewählt. Die Sowjets waren die dem Volke am nächsten stehende Macht.
Es gab Sowjets in jeder Stadt, in jedem Bezirk, Kreis, Gebiet, in jeder Region. In den entlegensten Siedlungen fand man einen Sowjet der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen.
Die örtlichen Sowjets leiteten die wirtschaftliche und kulturell-politische Aufbauarbeit auf ihrem Territorium, stellten ihren Haushaltsplan auf, wählten ihre Vollzugskomitees, die den Sowjets über ihre gesamte Tätigkeit rechenschaftspflichtig waren. Sie gewährleisteten den Schutz der staatlichen Ordnung auf ihrem Territorium, die Wahrung der Gesetze und den Schutz der Bürgerrechte und trugen zur Stärkung der Verteidigungskraft des Landes bei. Sie bildeten ihre für die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung zuständigen Abteilungen, wie zum Beispiel für Volksbildung, Gesundheitsschutz, örtliche Industrie, Handel und Sozialversicherung.
Die Sowjets der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen wählten ständige Kommissionen, welche die Sowjets bei ihrer Arbeit praktisch unterstützten. Diese Kommissionen stellten zwischen den Sowjets und der Bevölkerung, den Wählern, eine enge Fühlungsnahme her und zogen die breiten Massen der Werktätigen zu der Staatsverwaltung heran. Lenin schrieb Anfang 1919, dass die Sowjets zur ständigen und einzigen Grundlage der gesamten Staatsmacht im Sowjetlande geworden sind (waren P.R.).
Die Sowjets der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen stellten die politische Grundlage der sozialistischen Sowjetgesellschaft dar, genauso, wie die gesamte sozialistische Wirtschaft der UdSSR die wirtschaftliche Grundlage der sozialistischen Sowjetgesellschaft bildete.
Die örtlichen Sowjets unterschieden sich in grundlegender Weise von den Organen der sogenannten „örtlichen Selbstverwaltung“, wie sie im zaristischen Russland bestanden und auch heute in bürgerlichen Staaten bestehen.
Die örtlichen Sowjets der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen, vom Gebietssowjet angefangen bis zum Dorfsowjet, stellten nach der stalinschen Verfassung die örtlichen Organe der Staatsmacht dar. Jeder der Sowjets stellte einen Bestandteil der einheitlichen sowjetischen Staatsmacht dar.
Betrachtet man eine beliebige Sowjetrepublik, so wird man feststellen, dass die örtlichen Sowjets in einer gemeinsamen Staatsorganisation, der Sowjetrepublik, zusammengefasst waren, in der jeder Sowjet der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen seinen Platz, seine Rechte und seine Pflichten hatte.
So war zum Beispiel die Sowjetmacht in Turkmenien nichts andres als die Vereinigung der turkmenischen örtlichen Sowjets zu einer gemeinsamen nationalstaatlichen Organisation, zur Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Die Sowjetmacht in Moldawien war die Vereinigung der moldauischen örtlichen Sowjets zu einer gemeinsamen nationalstaatlichen Organisation, zur Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik usw.(Moldau, bzw. Moldawien ist heute ein eigenständiger Staat.P.R.)
Das große Sowjetland als Ganzes ist die Vereinigung nationaler sozialistischer Sowjetrepubliken zu einem gemeinsamen Sowjetischen Vielvölkerstaat – zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.
Die Sowjets- das war die Macht der Werktätigen. Darüber heißt es deutlich in der Verfassung der damaligen Sowjetunion: „Alle Macht in der UdSSR gehört den Werktätigen in Stadt und Land in Gestalt der Sowjets der Deputierten der Werktätigen.“
Dasselbe wurde auch in den Verfassungen aller Sowjetrepubliken festgestellt. Wenn man zum Beispiel die Verfassung der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik aufschlägt, so liest man: „Alle Macht in der Kirgisischen Sowjetrepublik gehört den Werktätigen in Stadt und Land in Gestalt der Sowjets der Deputierten der Werktätigen.“ (Kirgisien, bzw. Kirgisistan ist heute auch ein selbständiger Staat. P.R.)
Auf diese Weise übten die von den Werktätigen in Stadt und Land gewählten Sowjets die gesamteStaatsgewalt in die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die gesamte Staatsgewalt in jeder sozialistischen Sowjetrepublik aus. Mit vollem Recht und Stolz sagten die Sowjetbürger von ihrem Staat: „Unser Staat – das sind wir selbst!“(„Der Staat sind wir“, lernt man auch in bürgerlichen Demokratien. Natürlich ist das kein Vergleich zur damaligen Sowjetunion. P.R.)
2. Das Bündnis der Arbeiter und Bauern
In den Sowjets, bei der gemeinsamen staatlichen Arbeit der Deputierten (Abgeordneten), die den zwei Klassen der Sowjetgesellschaft angehörten, war das Bündnis der Arbeiter und Bauern verwirklicht. Sie ihrer Entstehung kämpfte die bolschewistische Partei um die Vereinigung der Arbeiter und Bauern im engen Bündnis. Und erst nachdem die Werktätigen des Sowjetlandes das Bündnis der Arbeiter und Bauern geschaffen und gefestigt hatten, konnten sie alle ihre Erfolge erringen. Und in der Tat: hätte man den ohne das Bündnis der Arbeiter und Bauern die sozialistische Gesellschaft aufbauen und einen solch mächtigen Staat wie die Sowjetunion schaffen können? Natürlich nicht.
Hätte denn die Sowjetunion in dem schwierigen und schweren Krieg gegen das faschistische Deutschland und seine Komplizen siegen können, wenn sie sich nicht auf das feste Bündnis der Arbeiter und Bauern gestützt hätte? Sie hätte es zweifellos nicht gekonnt.
Den Arbeitern war dieses Bündnis notwendig, weil sie ohne Unterstützung der Bauernmassen nicht vermocht hätten, die Kapitalisten zu besiegen und durch die Kollektivwirtschaften eine grundlegende Verbesserung ihres Lebens zu erreichen.
Die Arbeiter und Bauern brauchen ein enges Bündnis, um gemeinsam die sozialistische Ordnung weiter zu entwickeln, ihr Leben fortwährend zu verbessern und ihr sowjetisches Heimatland gegen äußere Feinde zu verteidigen.
Auf dem ganzen überaus schweren geschichtlichen Weg vom alten Leben zum neuen, vom Zarenregime und Kapitalismus zum Sozialismus, wurden die Bauernmassen von der Arbeiterklasse geführt. Die Arbeiterklasse war stets die führende Kraft im Bündnis der Arbeiter und Bauern. Worauf war das zurückzuführen? (Nun ja, heute ist der Kapitalismus wieder zurück und das alte Leben wieder da. Seit 1989/90 läuft die Geschichte rückwärts. P.R.)
Die Arbeiter waren in den Städten und Industriezentren in großen Massen konzentriert. In den Großbetrieben arbeiteten Tausende und sogar Zehntausende von Arbeitern zusammen. Das trug von alters her zur Vereinigung, zur Organisation der Arbeiter für den Kampf gegen die Kapitalisten und ihre Gewalt um die Sache der Arbeiter, um die Befreiung der Werktätigen bei. (Die Kapitalisten haben gelernt und durch heutige Arbeitsformen, wie Leiharbeit, Verlagerung ins Ausland usw. die Vereinigung der Arbeiter erschwert bis unmöglich gemacht. Klassenbewusstsein ist bei den Arbeitern ohnehin nicht mehr vorhanden. P.R.)
Die Arbeiter besitzen keine Produktionswerkzeuge und -mittel als Privateigentum. Damals waren sie direkt und unmittelbar daran interessiert, den Kapitalisten die Fabriken und Werke wegzunehmen und sie dem sozialistischen Staat zu übereignen, wie das von den Arbeitern in der UdSSR auch getan wurde.
Auf diese Weise haben die Lebens- und Arbeitsbedingungen dazu beigetragen, dass die Arbeiter zu der führenden Gesellschaftsklasse, zu der revolutionärsten, organisiertesten, bewusstesten und im Kampfe gegen jede Unterdrückung und Ausbeutung, im Kampfe um den Sozialismus gestähltesten Gesellschaftsklasse wurden.
Die Lage der Bauern in der Gesellschaft war ganz anders. Die Bauern lebten über das ganze Land verstreut. Unter der alten Ordnung führten die Bauern eine Privatbesitzerwirtschaft, jeder auf seinem Stück Land, und klammerten sich an diese Wirtschaft, so klein sie auch sein mochte. Auch in den ersten Jahren der Sowjetmacht blieben die Bauern in der erdrückenden Mehrheit weiterhin Privatbesitzer. Die Arbeits- und Lebensbedingungen selbst führten die Bauern nicht zusammen, sondern trennten sie, erleichterten für sie nicht die Möglichkeit, sich für einen gemeinsamen Kampf gegen ihre nächsten Feinde, die Gutsherren zu organisieren, sondern erschwerten sie; vom Kampf gegen die Zaren-Gutsherrengewalt und vom Kampf um die Umgestaltung des gesamten Lebens auf neuer sozialistischer Grundlage gar nicht zu reden.
Natürlich konnte der Sozialismus allein die Interessen der Bauern als Werktätige voll und ganz befriedigen. Man musste jedoch den Bauern erst erklären, was Sozialismus ist, musste beweisen, dass die sozialistische Ordnung für die Bauern vorteilhaft ist, musste ihnen in der Praxis zeigen, wie man diese Ordnung im Dorfe einführen soll. Man musste ferner die Erzeugung von Traktoren und andren für kollektive Großwirtschaften notwendigen landwirtschaftlichen Maschinen organisieren.
Das sind die Ursachen, warum die Arbeiterklasse zur leitenden Kraft, zum Führer der Bauernmassen wurde im Kampfe für den Sturz der zaristisch-gutsherrlichen Macht, im Kampfe gegen die Gutsbesitzer und Kapitalisten für die Sowjetmacht, im Kampfe gegen das Kulakentum für die Vernichtung der Ausbeutung im Dorfe und für den Aufbau einer kollektiven, sozialistischen Wirtschaft.
Die sozialistische Gesellschaft in der UdSSR war bereits aufgebaut. Aber heißt das, dass die Führung durch die Arbeiterklasse nicht mehr notwendig sei? Nein, und zwar aus folgendem Grund:
Die Völker der UdSSR mussten die sozialistische Sowjetgesellschaft festigen und weiterentwickeln. Die zerstörte Wirtschaft in den Gebieten, die vorübergehend von den Deutschen besetzt waren, musste wiederhergestellt werden. Tausende von neuen Industrie- und landwirtschaftlichen Betrieben mussten erbaut, die Arbeitsproduktivität weiter gesteigert, das ganze Leben noch besser und schöner gestaltet werden. Es mussten bewusste, aktive Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft erzogen werden, kenntnisreiche und geschickte Arbeiter der sozialistischen Wirtschaft- sie mussten nicht nur in den Schulen, aus den Reihen der Jugend, sondern auch aus denen der erwachsenen Bevölkerung herangezogen werden. Man fand unter den Sowjetmenschen noch viele, die es bis niemals verstanden haben, die schwere Last alter Ansichten, Gewohnheiten und Vorurteile abzuwerfen.
Es war klar, dass bei der Lösung dieser schwierigen Aufgaben die Führung durch die fortschrittliche Gesellschaftsklasse -die Arbeiterklasse– notwendig war.
In der Sowjetgesellschaft gab es keine Ausbeuterklassen und -schichten. Dies bedeutet, dass es im Sowjetland keine volksfeindliche Kraft gab, die der sowjetischen Gesellschafts- und Staatsordnung entgegentreten könnte (es waren nur vereinzelte Feinde der Sowjetmacht übriggeblieben) (In der damaligen Zeit. P.R.). Aber die Sowjetunion, der sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern, war von einer kapitalistischen Umwelt umgeben. Es war bekannt, dass das Sowjetland mehr als einmal Angriffen von Seiten der kapitalistischen Mächte ausgesetzt war und dadurch ein eine äußerst schwere Lage geriet. Die Gefahr derartiger Angriffe war auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen. (Wie es sich auch gezeigt hat und 1989/90 mit Erfolg gekrönt war. P.R.) Es war klar, dass die Sowjetgesellschaft unter diesen Umständen die Leitung durch die führende Klasse– die Arbeiterklasse – brauchte. (Es konnten sich Verräter in die Reihen der Repräsentanten der Arbeiterklasse einschleichen. So zuletzt Gorbatschow. P.R.)
Es ist bekannt, welche große Bedeutung für die sozialistische Sowjetgesellschaft, für den sozialistischen Sowjetstaat das durch die Arbeiterklasse geleitete Bündnis der Arbeiter und Bauern hatte und bis am Ende noch immer hatte. Von diesem Bündnis sagte J.W. Stalin: „Es ist die erste und tragende Grundlage der Republik der Sowjets.“
In den Sowjets ist war Bündnis der Arbeiterklasse und der Bauernschaft als ein Staatsbündnis zweier Klassen der Sowjetgesellschaft verankert worden. Das war gleich im ersten Artikel der Verfassung der Sowjetunion niedergeschrieben: „Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern.“
Auch die Verfassung einer jeden Sowjetrepublik begann mit einem Artikel, das das Bündnis der Arbeiter und Bauern als das Staatsbündnis dieser Klassen verankerte.
3. Die staatliche Führung der Sowjetgesellschaft
Unter den Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen in den Sowjets waren Vertreter sowohl der Arbeiterklasse als auch der Bauernschaft und der Intelligenz. Durch die Sowjets eint, erzog und führte die Arbeiterklasse die gesamte Masse der Werktätigen. Durch die Sowjets verwirklichte die Arbeiterklasse die staatliche Führung der gesamten Sowjetgesellschaft.
Der grundlegende Unterschied zwischen der sozialistischen und der kapitalistischen Gesellschaftsordnung besteht darin, dass die staatliche Führung der Gesellschaft in der Sowjetunion der Arbeiterklasse gehörte, in den kapitalistischen Ländern dagegen der Bourgeoisie gehört. In der UdSSR wurde die staatliche Führung der Gesellschaft im Interesse aller Werktätigen, in den kapitalistischen Ländern dagegen wird sie im Interesse der Bourgeoisie ausgeübt.
Vom ersten Tage der Sowjetmacht an hatte der Sowjetstaat immer neue, äußerst wichtige und komplizierte Aufgaben zu lösen.
Gegen den jungen Sowjetstaat zogen sofort sowohl die innere Konterrevolution als auch die äußeren Feinde der Sowjetmacht zu Felde, die mit allen Mitteln bemüht waren, die Republik der Sowjets zu ersticken. In dieser ersten Entwicklungsperiode des Sowjetstaates bestand seine Hauptaufgabe darin, die konterrevolutionären Ausfälle der gestürzten Klassen mit Waffengewalt zu unterdrücken und die Verteidigung des Landes gegen die ausländischen Eindringlinge zu organisieren. Dementsprechend bestand auch die Tätigkeit der Organe des Sowjetstaates in dieser Periode vor allem in der Unterdrückung des Widerstandes der gestürzten Klassen innerhalb des Landes und in der Organisation der Verteidigung gegen den Angriff von außen her.
Dabei war die Aufmerksamkeit des Staates vor allem auf die Festigung solcher Organe der Sowjetmacht konzentriert, die der Hauptaufgabe jener Zeit am meisten entsprachen. Diese Organe waren: das Volkskommissariat für Kriegs- und Marinewesen, das die Organisation und die Kampfhandlungen der Roten Armee leitete; die Allrussische Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution und Sabotage – die „Wetscheka“( besser bekannt unter der Bezeichnung „Tscheka“ P.R.), der Schrecken der Bourgeoisie, die viele konterrevolutionäre Verschwörungen und Aufstände aufgedeckt und zerschlagen hatte; das Volkskommissariat für die Ernährung mit seinen örtlichen Organen (darunter auch die Arbeiterabteilungen für die Ernährung(, das einen erbitterten Kampf ums Brot gegen das Kulakentum führte und die revolutionären Zentren des Landes sowie die Rote Armee mit Lebensmitteln versorgte.
In dieser Periode wurde die Klasse der Grundbesitzer restlos, die Klassen der Kapitalisten in der Stadt und der Kapitalisten im Dorfe (Kulaken) fast völlig liquidiert.
Der Sowjetstaat hatte in der ersten Periode noch eine weitere, die wirtschaftlich-organisatorische und kulturell-erzieherische Aufgabe. Jedoch konnte die Tätigkeit des Sowjetstaates damals in dieser Richtung nur in geringem Maße entfaltet werden. Die Staatsführung musste die Kräfte und Mittel auf die Lösung der Hauptaufgabe jener Zeit, auf die Zerschlagung der Ausländischen Eindringlinge und der inneren Konterrevolution konzentrieren.
In der zweiten Entwicklungsperiode des Sowjetstaates bestand die Hauptaufgabe darin, die sozialistische Wirtschaft im ganzen Lande zu organisieren, die letzten Überreste der Ausbeuterelemente in Stadt und Land zu vernichten, die kulturell-erzieherische Tätigkeit der sowjetischen Organe breit zu entfalten sowie eine mächtige, mit modernstem Kriegsmaterial ausgestattete Armee zu schaffen, die imstande wäre, jedem Angreifer von außen her eine vernichtende Abfuhr zu erteilen.
Dementsprechend veränderte sich auch die Tätigkeit des Sowjetstaates. Nach der Vernichtung der letzten Überreste der Ausbeuterklassen wurde eine militärische Unterdrückung innerhalb des Landes unnötig (es war niemand mehr niederzuhalten). Diese Seite der Tätigkeit des Sowjetstaates wurde hinfällig, überlebte sich. Aber die Notwendigkeit des militärischen Schutzes des Landes gegen einen Angriff von außen her ist geblieben, und folglich sind auch solche Organe des Sowjetstaates, die die Rote Armee und die Kriegsmarine, erhalten geblieben und verstärkt worden. Es blieben auch die Straforgane und der Abwehrdienst erhalten, die notwendig waren, um die von den kapitalistischen Mächten in das Sowjetland entsandten Spione, Schädlinge und Mörder zu bestrafen. Erhalten blieb und voll entfaltet wurde die wirtschaftlich-organisatorische und kulturell-erzieherische Tätigkeit des Sowjetstaates, bestehend in der Errichtung neuer Industriebetriebe, insbesondere großer, mit neuester Technik ausgestatteter Hütten- und Maschinenbauwerke; in der Errichtung großer, mit den besten Maschinen versehener Sowjetgüter; in der Unterstützung der Bauern bei der Organisierung und Festigung der Kollektivwirtschaften; in der Erhöhung der Arbeitsproduktivität; in der Erweiterung und Verbesserung der Verkehrsmittel sowie des Post- und Fernmeldewesens; in der Verstärkung und Verbesserung der Versorgung des Landes mit Industriewaren; in der Ausbreitung des Netzes der Anstalten für Volksbildung, Gesundheitswesen, Wissenschaft, Kunst, Presse usw. (Auch wenn es bis heute Zeitgeist ist Stalin zu verdammen, so gibt es keine andere Erkenntnis, als dass es während der Lebzeiten Stalins wirtschaftlich in der UdSSR aufwärts ging. Nach Stalins Tod ging es abwärts. P.R.)
In dieser Periode entstand für den Sowjetstaat eine neue Art von Tätigkeit: Schutz des gesellschaftlichen, sozialistischen Eigentums, das zur Grundlage der gesamten Sowjetordnung, der Verteidigungskraft des Landes und des Wohlstandes der Volksmassen der Sowjetunion wurde.
Die Sowjetunion wurde zu einer mächtigen industriellen und kollektivwirtschaftlichen Großmacht und zu einem der bedeutendsten Kulturländer der Welt.
Die friedliche Entwicklung der Sowjetunion wurde durch den überraschenden Überfall des faschistischen Deutschlands und seiner Komplizen unterbrochen. In diesen schweren und verantwortungsvollen Moment zeigte die Staatsführung des Sowjetlandes mit J.W. Stalin an der Spitze größte Energie und Standhaftigkeit, Weisheit und Voraussicht. Sie hat es verstanden, die Arbeit sämtlicher Sowjetorgane und Wirtschaftsbetreibe rasch auf die Bedürfnisse des Krieges umzustellen. Sie hat es verstanden, das gesamte Volk zu begeistern und zusammenzuschließen, sämtliche Kräfte und Mittel des Volkes zu konzentrieren, um die deutsch-faschistischen Eindringlinge zu zerschlagen. Sie hat es verstanden, eine reibungslose Versorgung der Roten Armee mit erstklassigem Kriegsmaterial und eine ununterbrochene Auffüllung ihrer Reihen mit gut ausgebildetem Ersatz zu organisieren. Sie hat es verstanden, die Kriegsoperationen in glänzender Weise zu lenken. Das war es, was der UdSSR den Sieg über den übermütigen und starken Feind sicherte.
Die Geschichte der UdSSR und die Lehren des Großen Vaterländischen Krieges (II. Weltkrieg) sprechen überzeugend davon, dass der Sowjetstatt in Friedenszeiten der beste Organisator des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaues war. (zu Lebzeiten Stalins P.R.)
In Kriegsjahren dagegen erwies sich der Sowjetstaat als der beste Organisator sämtlicher Kräfte des Volkes für eine vernichtende Abwehr des Feindes. (ebenfalls zu Lebzeiten Stalins)
Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 3 aus dem Jahre 1947, Original-Autor W.A. Karpinskij, bearbeitet von Petra Reichel
Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 3, aus dem Jahre 1947
Am 1. Mai 1919 sprach W.I. Lenin auf dem Roten Platz in Moskau zum Volk:
„Unsere Enkel werden die Dokumente und Denkmäler der Epoche der kapitalistischen Ordnung wie Wunderdinge bestaunen. Sie werden sich schwer vorstellen können, wie der Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs sich in Privathänden befinden, die Fabriken und Werke einzelnen Personen gehören, ein Mensch den anderen ausbeuten und wie Menschen existieren konnten, die nicht arbeiteten.“ (Bekanntlich ist es anders gekommen. Der Kapitalismus hat gesiegt und die Enkel bestaunen die sozialistische Ordnung als Wunderdinge, soweit sie von ihren Großeltern, alten Büchern und Dokumenten die Wahrheit erfahren.P.R.)
Josef Wissarionowitsch Stalin (Nach einem Gemälde von A. Gerassimow
Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 3 Original-Autor W.A. Karpinskij
Der sowjetischen Jugend, die in der Zeit der Sowjetmacht geboren wurde und aufgewachsen ist,fiel es in der Tat sehr schwer, sich die Gesellschaftsordnung des zaristischen Russlands vorzustellen, da die Fabriken und Werke, Produktionswerkzeuge und -mittel, Felder, Wiesen und Berge, Waldungen und Gewässer Privateigentum reicher Nichtstuer waren, während Millionen von Arbeitern und armen Bauern ein Hungerleiderdasein fristeten, indem sie ihre Arbeitskraft den Kapitalisten, Gutsbesitzern und Kulaken verkauften. Die alten Arbeiter und Bauern haben die ganzen Schrecken der auf Privateigentum beruhenden bürgerlich-gutsherrlichen Ordnung am eigenen Leibe erfahren. Die Sowjetjugend dagegen hat einen Kapitalisten oder Gutsherren nie gesehen. Sie ist von klein auf an eine andere, auf dem sozialistischen Eigentum beruhende Ordnung gewöhnt. (Nun ja, ihre Enkel haben wieder die kapitalistische Ordnung kennengelernt und sich daran gewöhnt.)
Nach der stalinschen Verfassung ist der Boden, seine Schätze, die Gewässer, die Waldungen, die Gruben, die Bergwerke, die Fabriken, die Werke, die Sowjetwirtschaften, die Maschinen- und Traktorenstationen, die Banken, das Eisenbahn-, Wasser- und Luftverkehrswesen, das Post- und Fernmeldewesen, die Kommunalbetriebe und der Grundbestand an Wohnhäusern in den Städten – all das ist sozialistisches Staatseigentum, d.h. Gemeingut des Volkes.
Die Wirtschaftsgebäude und Betriebe der Kollektivwirtschaften und der genossenschaftlichen Organisationen, ihre Werkzeuge und Maschinen, ihr Arbeitsvieh und ihre Viehzuchtfarmen, bilden das genossenschaftlich-kollektivwirtschaftliche sozialistische Eigentum, d. h. das Eigentum der Kollektivwirtschaften und der genossenschaftlichen Vereinigungen.
Welch wichtige Bedeutung das genossenschaftlich-kollektivwirtschaftliche sozialistische Eigentum besitzt, ist aus der Tatsache ersichtlich, dass die erdrückende Mehrheit der Bauernhöfe des Sowjetlandes in Kollektivwirtschaften vereinigt ist. Im Jahre 1940 gehörten den Kollektivwirtschaften fast 97 v.H. der Gesamtzahl der Bauernhöfe an.
Die kleine Privatwirtschaft der Einzelbauern und der Kleingewerbetreibenden ist durch das Sowjetgesetz zugelassen unter der Bedingung, dass sie auf persönlicher Arbeit beruht und eine Ausbeutung fremder Arbeit ausschließt.
Das sowjetische Gesetz schützte ebenfalls das persönliche Eigentumsrecht aller Bürger (Natürlich sind Frauen stets auch gemeint. Das Gendern würde aber den Text holprig machen. Darum ist es nicht in die Bearbeitung eingeflossen. P.R.) an ihren Arbeitseinkünften und Ersparnissen, am Wohnhaus und der häuslichen Nebenwirtschaft, an den Hauswirtschafts- und Haushaltungsgegenständen sowie Gegenständen des persönlichen Bedarfs und Komforts. Das sowjetische Gesetz schützte ferner das Erbrecht an persönlichem Eigentum.
Jeder der Sowjetbürger war sich bewusst, von welch großer Bedeutung das sozialistische Eigentum für die Werktätigen, für das Sowjetland und für den Sowjetstaat ist.
Weshalb konnte in der Sowjetunion keiner den anderen zwingen, für sich zu arbeiten? Eben deshalb, weil im Sowjetland der Boden sowie die Produktionswerkzeuge und -mittelsozialistisches und kein privates Eigentum darstellten.
Weshalb gab es in der UdSSR keine Arbeitslosigkeit und keine Armut? Weshalb wurde das Leben der gesamten Masse der Werktätigen mit jedem Jahr wohlhabender und kultivierter und wird es auch weiterhin werden?(Nach Stalins Tod ging es allerdings abwärts. P.R.)
Weil im Sowjetland der Boden, die Fabriken, Werke, Gruben, Banken, das Verkehrswesen, das Post- und Fernmeldewesen, die Druckereien, Schulen, Bibliotheken, Theater, Lichtspielhäuser, Krankenhäuser, Sanatorien (Kur-, bzw. Rehakliniken) usw. sozialistischen Eigentum waren. Das alles diente dem Nutzen und dem Wohle des werktätigen Volkes und stellte kein Mittel zur Bereicherung von Privatbesitzern dar, wie das in den kapitalistischen Ländern, bzw. der heutigen Welt (von Ausnahmen abgesehen) der Fall ist.
Weshalb hatte sich das einst rückständige Sowjetland in beispielloser kurzer Frist in einen der mächtigsten Staaten der Welt verwandelt, der es vermochte, seine Freiheit und Unabhängigkeit im Kampf gegen das faschistische Deutschland und seine Komplizen zu behaupten?
Weil das sozialistische Eigentum die Grundlage war, auf der das sowjetische Volk eine machtvolle Industrie, die größte hochproduktive Landwirtschaft der Welt geschaffen und eine vortreffliche Bewaffnung und gute Versorgung der Roten Armee gewährleistet hatte.
Das sozialistische Eigentum bildete die Grundlage der gesamten sowjetischen Gesellschaftsordnung, und darin lag ihre Stärke, darin lag ihr grundlegender Unterschied von der kapitalistischen Ordnung, der das Privateigentum an die Produktionswerkzeuge und -mittel zugrunde lag.
2. Die sozialistischen Betriebe
Die Stalinsche Verfassung spricht von zwei Formen des sozialistischen Eigentums: vom Staatseigentum und vom genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Eigentum. Warum gab es in der UdSSR nicht eine Form, sondern zwei Formen des sozialistischen Eigentums?
Die alten Industriebetriebe und die landwirtschaftlichen Großbetriebe wurden den Kapitalisten und Gutsherren weggenommen und zum Eigentum des Sowjetstaates gemacht. In der Zeit der Stalinschen Planjahrfünfte wurden sehr viele neue Werke, Fabriken, Kohlengruben, Bergwerke, Bohrtürme, Großkraftwerke gebaut und in der Landwirtschaft viele Sowjetgüter und Maschinen-Traktoren-Stationen geschaffen. Alle diese Betriebe waren mit Kräften und aus dem Mitteln des Sowjetstaates geschaffen worden. Und auch der Boden, auf dem sie gelegen waren, gehörten dem Sowjetstaat. Es ist begreiflich, dass diese Betriebe und die gesamte in ihnen erzeugte Produktion Staatseigentum, das heißt Gemeingut des Volkes waren.
Aber nehmen wir eine Kollektivwirtschaft mit ihren Feldern und Farmen, mit ihren Produktionsmitteln und Wirtschaftsbauten. Wie waren sie entstanden? Die Kollektivwirtschaft wurde mit Kräften und aus den Mitteln der Bauern selbst, mit Hilfe und unter Anleitung des Staates aufgebaut, und zwar durch freiwillige Vereinigung der Hauptproduktionsmittel, der Arbeitskräfte und der Bodenanteile der Bauernfamilien. Es ist begreiflich, dass der gesamte wirtschaftliche Besitz der Kollektivwirtschaft und die gesamte von ihr erzeugte Produktion das gesellschaftliche Eigentum des Bauernkollektivs war, welches die Kollektivwirtschaft organisiert hatte. Nur der Boden, die die Kollektivwirtschaft innehatte, stellte Staatseigentum dar, das ihr zu unentgeltlicher und unbefristete Nutzung urkundlich zuerkannt war.
Folglich war das Vorhandensein von zwei Formen des sozialistischen Eigentums in der UdSSR mit der verschiedenen Entstehungsweise der sozialistischen Betriebe – der staatlichen und der genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen – eng verbunden.
Es gab auch andre Unterschiede zwischen den staatlichen und genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betrieben. Wer war der Besitzer des staatlichen Betriebes? Der Sowjetstaat. Die sowjetischen Organe ernennen einen Direktor zur Leitung des Betriebes. Die Arbeiter und Angestellten dieses Betriebes erhalten vom Staat für ihre Arbeit einen der Menge und Qualität ihrer Arbeit entsprechenden Lohn ausgezahlt.
Und wer war der Besitzer der Kollektivwirtschaft? Das Bauernkollektiv, das sich zu der Kollektivwirtschaft zusammengeschlossen hat. Die Angelegenheiten der Kollektivwirtschaft wurden durch die Generalversammlung ihrer Mitglieder und in der Zeit zwischen den Versammlungen – durch die von der Generalversammlung gewählte Verwaltung der Kollektivwirtschaft geregelt. Dem Staat gegenüber hatte die Kollektivwirtschaft gewisse Pflichten zu erfüllen: Geldsteuern zu entrichten und einen gesetzlich festgelegten Teil ihrer Produktion an den Staat abzuliefern (zu festen Preisen zu verkaufen). Die Kollektivwirtschaft entlohnte die staatliche Maschinen- und Traktorenstation für die vertragsgemäß ausgeführten Arbeiten mit Geld und Naturalien. Für die Erfüllung aller Verpflichtungen wurde ein Teil der Einkünfte der Kollektivwirtschaft verbraucht. Über alle übrigen Einkünfte verfügte das zu der Kollektivwirtschaft zusammengeschlossene Bauernkollektiv nach eigenem Ermessen, gemäß dem Statut des landwirtschaftlichen Artels.
Die Kollektivbauern erhielten keinen Lohn vom Staat wie die Arbeiter eines Werkes oder eines Sowjetgutes (eines staatlichen landwirtschaftlichen Betriebes). Die Arbeit der Kollektivbauern wurde aus den Einkünften ihrer Kollektivwirtschaft vergütet. Die Vergütung erfolgte sowohl in Geld als auch in Naturalien (Produkten) nach Tagewerken, entsprechend der Menge und Qualität der von jedem Kollektivbauer für die Kollektiverzeugung aufgewandten Arbeit.
Außer den Einkünften aus der gemeinsamen kollektiven Wirtschaft haben die Kollektivbauern Einkünfte aus ihrer persönlichen kleinen Nebenwirtschaft auf dem Hofland (eigenes Vieh, Gemüsegarten, Obstgarten usw.). Die Kollektivwirtschaften aus die Kollektivbauern konnten die Überschüsse ihrer Produktion auf dem kollektivwirtschaftlichen Markt frei verkaufen.
Das waren die Unterschiede zwischen den staatlichen und genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betrieben. Diese Unterschiede waren recht wesentlich. Jedoch bestand kein grundsätzlicher Unterschied zwischen diesen beiden Formen der Betriebe: sowohl die einen als auch die andren waren auf gleichen Hauptgrundlagen aufgebaut. Was waren das für Grundlagen?
Die Produktionsmittel sowohl der einen als auch der anderen Betriebe stellten gesellschaftliches (und kein privates) Eigentum dar. In den staatlichen Betrieben gehörten sie dem ganzen Volk, d.h. der ganzen Gesellschaft; in den genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betrieben gehörten sie einzelnen gesellschaftliche Organisationen. Aber in beiden Fällen stellten sie gesellschaftliches, sozialistisches Eigentum dar.
Die Werktätigen sowohl der staatlichen als auch der genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betriebe arbeiteten gemeinsam in einer gesellschaftlichen (und keiner privaten) Wirtschaft. Unabhängig davon, ob der Betrieb dem ganzen Volke, d.h. der ganzen Gesellschaft oder einzelnen gesellschaftlichen Organisationen gehörte, wurde die Arbeit der Werktätigen nach einer allgemeinen Stalinschen Verfassung niedergeschriebenen sozialistischen Regel entlohnt:„Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung.“
Sowohl die einen als auch die anderen Betriebe wurden nach einem einheitlichen volkswirtschaftlichen Plan im Interesse der Werktätigen, der sowjetischen Gesellschaft und des Sowjetstaates geführt.
Auf diese Weise waren die staatlichen und die genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betriebe, wenn auch in ihrer Form verschieden, aber in ihrem sozialistischen Wesenskern gleich. Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen war weder den einen noch den andren Betrieben möglich.
Dass es in der sozialistischen Gesellschaft kein Privateigentum an Produktionsmitteln und keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gibt, unterscheidet sie grundsätzlich von der kapitalistischen, die gerade auf Ausbeutung der gewaltigen werktätigen Mehrheit durch die geringe nicht werktätige Minderheit beruht.
Die vom Sowjetvolk erbauten Werke, Fabriken, Sowjetgüter, Kollektivwirtschaften waren gleichsam einzelne Bausteine, aus denen die damals unerschütterliche Grundlage des riesigen und herrlichen Baus der sowjetischen sozialistischen Gesellschaft gelegt wurde. (1989/90 wurde dieser Bau, um bei diesem Beispiel zu bleiben, erschüttert und ist dann letztendlich eingestürzt. Die Konterrevolution hat gesiegt. P.R.)
Alle staatlichen und genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betriebe zusammengenommen, die gesamte sozialistische Wirtschaft als Ganzes stellten die einheitliche wirtschaftliche Grundlage der sowjetischen sozialistischen Gesellschaft dar.
3. Die sozialistische Planwirtschaft
Wir wollen die Arbeit der sowjetischen Wirtschaftsbetriebe einer näheren Betrachtung unterziehen. Da sind zum Beispiel die Baumwoll-Kollektivwirtschaften der mittelasiatischen Sowjetrepubliken. Sie lieferten ganze Berge schneeweißer Baumwolle. Die Baumwolle ging in die staatlichen Baumwollfabriken. In den Fabriken wurden daraus Millionen und aber Millionen von Metern Gewebe erzeugt. Das Gewebe ging an die Konfektionsfabriken, für die Werktätigen der gesamten Sowjetunion.
Die Getreide erzeugenden Kollektivwirtschaften versorgten das Land mit Brot. Mit ihrem Brot ernährten sich die Arbeiter der Werke und Fabriken, die Sowjetische Armee und auch die Kollektivbauern, die Baumwolle, Flachs oder Tabak anbauten.
Von den Werken und Fabriken aber wurden an die Werktätigen der Landwirtschaft Maschinen, Brennstoff, chemische Düngemittel, Petroleum, Salz, Zucker, Gewebe, Kleidung, Schuhwaren, Haushaltsgegenstände, Bücher, Zeitungen, Fahrräder, Rundfunkempfänger usw. geliefert.
Wie wir sehen, waren die einzelnen Zweige der Volkswirtschaft der UdSSR eng miteinander verbunden und stellten zusammengenommen eine einheitliche sozialistische Volkswirtschaft dar. Jeder einzelne Betrieb war nur ein winziger Teil einer einheitlichen riesigen Volkswirtschaft.
Es ist begreiflich, dass kein Betrieb der UdSSR so arbeiten konnte, wie es ihm gefiel. Jeder Betrieb musste seinen Anteil an der für das ganze Land notwendigen gemeinsamen Arbeit erfüllen. Mit anderen Worten: jeder Betrieb musste nach einem im voraus aufgestellten Plan arbeiten, wobei dieser Plan ein Teil des einheitlichen volkswirtschaftlichen Planes sein musste. Die volkswirtschaftlichen Pläne wurden von der Staatlichen Planungskommission (GOSPLAN) der UdSSR ausgearbeitet. In allen sowjetischen Republiken, Regionen und Gebieten, Kreisen und Bezirken bestanden Planungskommissionen, um GOSPLAN zu unterstützen.
Für jedes Jahr und für ganze Jahrfünfte im Voraus wurden in der UdSSR Pläne der Entwicklung der Volkswirtschaft ausgearbeitet. Für ein Jahr und für ein Jahrfünft im Voraus wurde berechnet, wieviel und welche Erzeugnisse jeder Zweig der Volkswirtschaft zu produzieren hatte, wieviel und welche Rohstoffen man dazu brauchte, wieviel und welche Maschinen und Ausrüstung für diesen Zweck bereitzustellen waren, wie man Arbeitsproduktivität steigern konnte und die Selbstkosten herabsetzen konnte und musste, welche neuen Betriebe gebaut wurden, wieviel Arbeitskräfte und in welchen Fächern auszubilden waren usw.. Aufgrund dieser Pläne wurde jedem Betrieb ein besonderer Plan zugestellt.
Aber nun hatte jeder Betrieb den Plan in den Händen. Hatte nun, sagen wir, eine Kollektivwirtschaft sich mit der einfachen Erfüllung der durch den Plan gestellten Aufgabe begnügt? Nein, die sKollektivwirtschaft hatte ihre materiellen Mittel und Arbeitskräfte noch einmal überschlagen und dachte darüber nach, ob man den Plan nicht übererfüllen, ob man die Fristen nicht kürzen, die Kosten herabsetzen konnte usw.. Und der Plan wurde oft übererfüllt.
„Der Produktionsplan“, sagte J.W. Stalin, „ist in Wirklichkeit die lebendige und praktische Tätigkeit von Millionen Menschen…das sind lebendige Menschen, das sind wir alle miteinander, das ist unser Arbeitswille…“
Auf diese Weise wurde die gesamte Volkswirtschaft der UdSSR nach einem einheitlichen volkswirtschaftlichen Plan, unter einheitlicher Leitung geführt im Interesse der Steigerung des gesellschaftlichen Reichtums, der stetigen Erhöhung des materiellen und kulturellen Wohlstandes der Werktätigen, der Sicherung der Unabhängigkeit der UdSSR und der Stärkung ihrer Verteidigungsfähigkeit. (Später, nach Stalins Tod, klappte das Ineinandergreifen der Rädchen der Planwirtschaft nicht mehr. Hinzu kam später der Eingriff durch die „Entspannungspolitik“ seitens des Westens. Es kam zur Abhängigkeit von ausländischer Währung und vieles wurde exportiert, was der einheimischen Bevölkerung fehlte. Mangelwirtschaft machte sich breit. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung wuchs und die Konterrevolution konnte schließlich 1989/90 marschieren. P.R.)
Darin bestand einer der grundlegenden Unterschiede zwischen der sozialistischen und der kapitalistischen Gesellschaft, wo es keine Planung der Volkswirtschaft gibt, wo jeder Besitzer seinen Betrieb einzig und allein in seinem eigenen Interesse, mit dem Ziel, Profit zu machen führt.
Die sozialistische Planwirtschaft bot dem Sowjetstaat sowohl bei der Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte des Landes als auch bei dessen Verteidigung gegen äußere Feinde gewaltige Vorteile. Die Sowjetunion hatte gegen eine äußerst starke Militärmacht -das faschistische Deutschland- und deren Verbündete zu kämpfen, wobei Deutschland sich auf das Wirtschaftspotential und die Menschenreserven fas des ganzen von ihm eroberten Westeuropas stützen konnte. Und trotzdem ging die Sowjetunion aus diesem schweren Krieg als Sieger hervor. Wie ist das zu erklären?
J.W. Stalin sagte: „Die wirtschaftliche Grundlage des Sowjetstaates hat sich unvergleichlich lebensfähiger gezeigt als die Wirtschaft der feindlichen Staaten. Die von der Oktoberrevolution hervorgebrachte sozialistische Gesellschaftsordnung hat unserem Volk und unserer Armee eine große und unüberwindliche Kraft verliehen.“
Die sozialistische Planwirtschaft, die auf Grundlage des gesellschaftlichen, sozialistischen Eigentums aufgebaut war und von einem einheitlichen Zentrum aus gelenkt wurde, stellte eine der Hauptquellen der Stärke und Macht der Sowjetunion dar.
4. Der Sozialismus im Alltagsleben des Volkes
Einst war der Sozialismus nur eine Theorie, eine Lehre, über die man sich stritt, ob sie in die Tat umgesetzt werden könne oder nicht. In einem der größten Staaten der Erde war der Sozialismus Wirklichkeit geworden und war fest ins Alltagsleben der Völker der Sowjetunion eingegangen. (Allerdings war dies nur auf Zeit, so dass wieder darum gestritten wird, ob der Sozialismus nur eine Lehre ist oder in die Tat umgesetzt werden kann. Nun gilt der Sozialismus in Europa als gescheitert. P.R.)
Der Sozialismus im Leben bedeutete die Abschaffung der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen, die Abschaffung der Arbeitslosigkeit und der Armut, ständiges Wachstum des Wohlstandes und der Kultur der Volksmassen. Der Sozialismus im Leben – das waren die neuen Verhältnisse zwischen den Menschen, wie sie in der sozialistischen Gesellschaft sich gestaltet hatten. Der Sozialismus im Leben war das stolze Bewusstsein, dass du für dich selbst und die Gesellschaft der Werktätigen, die aus ebensolchen Schaffenden wie du bestand, arbeitest, dass du ein vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft, der vollberechtigte Herr des eigenen Landes und seiner Reichtümer warst. Der Sozialismus im Leben war die feste Gewissheit, dass dir alle Wege und Möglichkeiten offenstanden, um deine schöpferischen Kräfte und Fähigkeiten zu entfalten.
Dieses Bewusstsein, diese Gewissheit beruhte auf der grundlegenden Tatsache des sowjetischen Lebens, über die Stalin gesagt hat: „In unseren Fabriken und Werken wird ohne Kapitalisten gearbeitet. Die Arbeit wird von Menschen aus dem Volke geleitet. Das wird bei uns Sozialismus der Tat genannt. Auf unseren Feldern arbeiten die Werktätigen des Dorfes ohne Gutsherrn und Kulaken. Die Arbeit wird von Menschen aus dem Volke geleitet. Das wird bei uns Sozialismus im Leben, das wird bei uns freies, sozialistisches Leben genannt.“
Stalins Worte ließen sich durch Tatsachen aus dem Leben unschwer bestätigen. Da waren zum Beispiel die in der Sowjetunion angesehene Familie Korobow. Der Vater -I.G. Korobow – war ein alter Hüttenarbeiter (geboren im Jahre 1882). Als Knabe besuchte er zwei Winter lang die Grundschule. Dann trat er als Hilfsarbeiter in ein Hüttenwerk ein. Einmal wäre er durch das aus dem Hochofen ausfließende Gusseisen fast verbrannt worden. Ein anderes Mal wäre er im glühenden Hochofen, in den er bei einer Reparatur am Strick hinabgelassen wurde, fast erstickt. Durch seine Findigkeit und seine Beharrlichkeit hatte es bis zum Meister gebracht -ein für die damalige Zeit seltener Fall. Seit 1918 war I.G. Korobow Obermeister der Hochofenabteilung des Kirow-Werks in Makejewka. Er hatte über ein halbes Hundert Verbesserungsvorschläge eingebracht, und seine Erfindungen hatten den Hüttenproduktionsprozess grundlegen umgestaltet.
Im Jahre 1937 hatte das Volk I.G. Korobow zum Deputierten (Abgeordneten) des Obersten Sowjets der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik(ausgerechnet die Ukranie. P.R.) und im Jahre 1946 zum Deputierten des Obersten Sowjets der UdSSR gewählt.
Nach der Befreiung des Donezbeckens von den hitlerischen Okkupanten kehrte der Obermeister unverzüglich nach Makejewka zurück und nahm an der Wiederherstellung des Werkes teil. (Na ja, seine Nachfahren haben nun einen schweren Stand. P.R.)
Die drei Söhne von Korobow hatten in den Jahren der Sowjetmacht Hochschulen absolviert und bekleideten ( Stand 1947) verantwortungsvolle Posten. Nikolaj Korobow war Chefingenieur der Hauptverwaltung der Hüttenindustrie des Urals und des Ostens. Pawel Korobow war stellvertretender Minister für Eisenhüttenwesen. Im Jahre 1937 wurde er zum Deputierten (Abgeordneten) des Obersten Sowjets der UdSSR gewählt und im Jahre 1946 wiedergewählt. Ilja Korobow war Direktor des großen Petrowskij-Hüttenwerks in der Ukraine. (Ausgerechnet die Ukraine. Die armen Nachfahren. P.R.)
Die Leiter der sowjetischen Industrie waren zum größten Teil aus den Reihen der Arbeiter und Bauern sowie der Intelligenz hervorgegangen. Nach einer Beratung der Hüttenfachleute in Moskau brachte Stalin beim Empfang im Kreml einen Trinkspruch auf die alten und neuen Kämpfer an den Hochöfen und auf die Familie Korobow aus. Dann sagte er freundschaftlich zu I.G. Korobow: „Du bist ein Prachtkerl! Vielen Dank dafür, dass du eine solche Familie großgezogen hast!“„Prachtkerl meinetwegen!“ antwortete dieser, „wenn es aber keine Sowjetmacht gegeben hätte, wäre aus mir kein Prachtkerl geworden!“(Wie mag es den Nachfahren dieser Familie heute gehen? Auch noch ausgerechnet in der Ukraine? P.R .)
Ähnliches war auch in der Landwirtschaft zu beobachten. Nehmen wir als Beispiel eine sowjetische Kollektivwirtschaft – die Timirjasew-Kollektivwirtschaft im Gordodezer Rayon des Gebietes Gorki. Das war ein ganzes Städtchen mit einem Kraftwerk und einer Wasserleitung, mit Klub, Schule, Krankenhaus, Entbindungsheim, Kindergarten und -krippe sowie verschiedenen anderen kulturellen Einrichtungen. Der Kollektivwirtschaft war durch eine Staatsurkunde 3189 Hektar Boden zu unentgeltlicher und unbefristeter Nutzung, d.h. für ewig zuerkannt worden. Davon entfielen 1632 Hektar auf Ackerboden, 72 Hektar auf den Gemüse- und 15 Hektar auf den Obstgarten der Kollektivwirtschaft. Die Kollektivwirtschaft besaß fünf Farmen: eine Meierei mit 100 Kühen, eine Schweinemästerei, eine Schäferei, eine Geflügelfarm und ein Pferdegestüt, im dem Vollbluttraber gezüchtet wurden. Die Kollektivwirtschaft hatte eine Reihe von Nebenbetrieben: Wind- und Dampfmühle, Butterfabrik, Ziegelei, Dachziegelfabrik, Töpferei, Filzschuhwerkstatt, Tischlerei und Imkerei. Diese reiche und vielseitige gesellschaftliche Wirtschaft wurde von dem einheimischen Bauer I.A. Jemeljanow geleitet, der im Dorfe Medwedkowo im Jahre 1901 geboren wurde. Er war der Organisator der im Jahre 1930 entstandenen Kollektivwirtschaft und war seitdem ihr stets wiedergewählter Vorsitzender. (Diese und andere damalige Kollektivwirtschaften samt Sozialeinrichtungen stehen heute vermutlich leer und sind dem Verfall preisgegeben. P.R.)
Man könnte beliebig viele solcher Beispiele anführen. Sie bestätigen alle, dass in der Sowjetunion die Werktätigen selbst ohne Kapitalisten und Gutsherren ihre sozialistische Wirtschaft führten, dass in der Sowjetunion unter der Führung der bolschewistischen Partei tatsächlich jene gerechte, sozialistische Gesellschaftsordnung Wirklichkeit geworden war, für die Tausende fortschrittlicher Menschen des Sowjetlandes ihr Leben hingegeben hatten. (Ihr Tod war umsonst.P.R.)
5. Die moralisch-politische Einheit der Sowjetgesellschaft
Am 17. Januar 1939 wurde im ganzen Lande eine allgemeine Volkszählung durchgeführt. Es ergab sich, dass in der Sowjetunion etwa 170 Millionen Menschen lebten. (Mit dem Eintritt der neuen sozialistischen Sowjetrepubliken und Gebiete in die Sowjetunion in den Jahren 1939(40 hatte sich die Bevölkerung der UdSSR um mehr als 23 Millionen Menschen vergrößert.) Davon bildeten Arbeiter und Angestellte (mit Familien) die Hälfte, die Kollektivbauern und die in Genossenschaften zusammengeschlossenen Kleingewerbetreibenden etwas weniger als die Hälfte. Es blieb noch eine geringe Anzahl von Einzelbauern und einzelnen Kleingewerbetreibenden, die in ihrem Privatbetrieb arbeiteten, ohne fremde Arbeit auszubeuten. Mit ihren Familien stellten sie 2,5 v.H. der Bevölkerung dar.
Auf diese Weise bestand die Sowjetgesellschaft nur aus Werktätigen -aus Arbeitern, Bauern und der Intelligenz, die ebenfalls aus den Reihen der Arbeiter und Bauern aufgefüllt wurde. Dabei arbeitete die erdrückende Mehrheit der Werktätigen in der sozialistischen Wirtschaft- in den staatlichen Betrieben und Ämtern oder in den genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betrieben. In der Sowjetgesellschaft gab es keine Ausbeuterklassen oder -schichten, keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das bedeutet eben, dass die sowjetische Gesellschaft eine sozialistische war.
Dennoch gab es in der Sowjetgesellschaft zwei Klassen- die Arbeiterklasse und die Bauernschaft. Die erhalten gebliebene Einteilung in Arbeiter und Bauern (in erdrückender Mehrheit Kollektivbauern) erklärt sich dadurch, dass es im Sowjetlande zwei Formen des sozialistischen Eigentums, zwei Formen der sozialistischen Betriebe gab.
Die Arbeiter und Bauern stellten obwohl verschiedene, doch befreundete Klassen dar. Die Arbeiterklasse war die führende und leitende Klasse in der sowjetischen Gesellschaft. Die Arbeiterklasse und die werktätige Bauernschaft kämpften gemeinsam um ihre Befreiung, besiegten gemeinsam ihre Feinde und bauten gemeinsam eine neue, die sozialistische Gesellschaft auf. Ihre Interessen in allen Grundfragen waren völlig übereinstimmend. Und auch ihre Ziele waren die gleichen: Festigung des Sowjetstaates, Sicherung eines dauerhaften Friedens unter den Völkern, Weiterentwicklung der sozialistischen Sowjetgesellschaft und einträchtige Arbeit, um das Leben reicher und kultivierter zu gestalten.
Lasst in Gedanken Euren Blick über das gesamte damalige Sowjetland von der einen Grenze bis zur anderen schweifen und Ihr werdet sehen, welch unvergleichliches Bild freundschaftlicher Zusammenarbeit von Arbeitern, Bauern und Intelligenz die sozialistische Sowjetgesellschaft bot. Ihr werdet sehen, wie einmütig das sowjetische Volk war, und wie Millionen und aber Millionen von Sowjetmenschen sich gegenseitig in brüderlicher Weise unterstützten und an einem gemeinsamen großen Werk arbeiteten.
Diese tiefgehende Einheit der grundlegenden Interessen, Ansichten und Ziele der Sowjetmenschen, ihr Zusammenschluss um die Sowjetregierung und die kommunistische Partei stellten die moralisch-politische Einheit des Sowjetvolkes dar. Wie war sie entstanden?
Diese Einheit entstand keinesfalls sofort. Eine solche tiefgehende Einheit des gesamten Sowjetvolkes gab es nicht zu der Zeit, als im Sowjetdorfe die kleinen privaten Einzelwirtschaften vorherrschten. Sie entwickelte sich nach und nach, in dem Maße, wie die Bauern immer mehr zu der sozialistischen Aufbauarbeit herangezogen und vom Bewusstsein durchdrungen wurden, dass ihre Interessen des gesamten Volkes und Staates übereinstimmen.
Die moralisch-politische Einheit des Sowjetvolkes wurzelte also darin, dass die wirtschaftliche Grundlage der sozialistischen Gesellschaft eine einheitliche war und dass alle Sowjetmenschen Werktätige einer einheitlichen sozialistischen Wirtschaft waren.
Auf diesem Boden war die moralisch-politische Einheit der sozialistischen Sowjetgesellschaft erwachsen. Diese Einheit festigte sich noch mehr auf der Grundlage der freundschaftlichen Zusammenarbeit der Arbeiter, Bauern und Intelligenz sowohl in den Jahren der friedlichen sozialistischen Aufbauarbeit als auch in den Jahren des Vaterländischen Krieges (II. Weltkrieg P.R.)gegen den deutschen Faschismus.
Die moralisch-politische Einheit der Sowjetgesellschaft kam ferner in der Einigkeit und Freundschaft der gesamten Sowjetvölker zum Ausdruck und war eine unerschöpfliche Quelle des sowjetischen Patriotismus, der sich im Vaterländischen Krieg (II. Weltkrieg) mit besonderer Kraft offenbarte.
Eine solche moralisch-politische Einheit wie in der UdSSR gibt es in der kapitalistischen Gesellschaft nicht und kann es auch nicht geben, weil dort ein unversöhnlicher Kampf zwischen Arbeitern und Kapitalisten, zwischen Bauern und Gutsherren, zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern vor sich geht.
Die freundschaftliche Zusammenarbeit der Arbeiter, Bauern und Intelligenz, die moralisch-politische Einheit der Sowjetgesellschaft, stellt eine der Hauptquellen der (man glaubte damals, aber irrte P.R.)unzerstörbaren Festigkeit und Macht der Sowjetunion dar.
Die moralisch-politische Einheit des Sowjetvolkes offenbarte sich mit besonderer Anschaulichkeit und Stärke in der Liebe des gesamten Volkes zu dem Leiter des Sowjetlandes, J.W. Stalin. (Seit dem Tode Stalins wird dies verschwiegen und Stalin wird bis heute verdammt. Was hier als moralisch-politische Einheit bezeichnet wird, bröckelte seit dem Tode Stalins. So kam es dann zum bitteren Ende. P.R.)
Nun haben wir die wichtigsten Besonderheiten der sozialistischen Sowjetgesellschaft, wie ihre wirtschaftliche Grundlage, die Entlohnung nach der Menge und Qualität der geleisteten Arbeit sowie die Klassenzusammensetzung und die moralisch-politische Einheit der Gesellschaft dargelegt. Die sozialistische Sowjetgesellschaft hatte noch eine wichtige Besonderheit: ihre politische Grundlage, ihre staatliche Organisation. Diese werden wir in einem anderen Beitrag kennenlernen.
Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 3 aus dem Jahre 1947, Original-Autor W.A. Karpinskij, bearbeitet von Petra Reichel
Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 3
Wladimir Iljitsch Lenin war bei der Eröffnung des Kongresses nicht anwesend. Die ganze Nacht zum 25. Oktober und den ganzen Tag brachte er im Smolnyj-Institut zu, wo er gemeinsam mit J.W. Stalin den bewaffneten Aufstand leitete. Erst spät in der Nacht, als der Winterpalast bereits genommen und die Provisorische Regierung verhaftet worden war, begab sich Lenin in die in der Nähe des Smolnyj gelegene Wohnung eines Bolschewiken, um dort für einige Stunden auszuruhen. Er konnte nicht einschlafen. Leise, um niemanden zu stören, setzte sich Wladimir Iljitsch Lenin an den Tisch und begann zu schreiben. In diesen tiefen Nachtstunden verfasste Lenin das Dekret über den Grund und Boden.
Wladimir Iljitsch wusste, dass der Sieg allein nicht genügt, dass man den errungenen Sieg auch sichern muss. Und am 26. Oktober war er den ganzen Tag damit beschäftigt.
W.I. Lenin unter den Delegierten des II. Allrussichen Sowjetkongresses (Nach einem Gemälde von S. Gerassimow)
Bild entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 von 1947
Lenin ergriff Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung der Hauptstadt. Er leitete die Sitzung des Zentralkomitees der Partei, das die Zusammensetzung der Sowjetregierung erörterte. Auf dem Kongress erschien Lenin am Abend des 26. Oktober (08.November). Die Delegierten des Kongresses begrüßten mit Jubel den großen Führer und Lehrer der Werktätigen, den Organisator des errungenen Sieges über die vereinigten Kräfte der alten Welt. Infolge der freudigen Begrüßungsstürme, die den Saal durchbrausten, konnte Lenin lange Zeit seine Rede nicht beginnen.
Nun aber wurde es still, und Lenin begann zu sprechen. Er verlas das in Form eines „Aufrufes an die Völker und Regierungen sämtlicher kriegführenden Länder“von ihm verfasste Dekret über den Frieden. „Die Arbeiter- und Bauernregierung“, so lautet das Dekret, „die durch die Revolution vom 24.-25. Oktober geschaffen wurde und sich auf die Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten stützt, schlägt allen kriegführenden Völkern und ihren Regierungen vor, sofort Verhandlungen über einen gerechten demokratischen Frieden zu beginnen.“ Der Aufruf forderte die Arbeiter auf, mitzuhelfen, „die Sache des Friedens und zugleich die Sache der Befreiung der Werktätigen und ausgebeuteten Volksmassen von jeder Sklaverei und jeder Ausbeutung erfolgreich zu Ende zu führen“.Das Dekret über den Frieden wurde von dem Kongress mit unbeschreiblichem Enthusiasmus und Hurrarufen angenommen.
Mit der Annahme des Dekrets über den Frieden verrichtete das (damals P.R.) siegreiche Volk ein welthistorisches Werk. Die wirtschaftlichen und nationalen Interessen Russlands erforderten die Beendigung des sich über mehr als drei Jahre hinziehenden ungerechten, von den Imperialisten angezettelten Krieges. Nur die Arbeiterklasse, von der Partei der Bolschewiki geführt, erwies sich als mächtig genug, Russland aus dem Krieg herauszureißen, durch den die reichen und mächtigen Verbündeten das Land immer mehr und mehr unterjochten.
Die allgemeine Stimmung des Kongresses brachte einer der Delegierten zum Ausdruck, als er auf die Rednertribüne stieg und unter allgemeinem Beifallsdonner vorschlug, Lenin als den„Verfasser des Aufrufes und standhaften Kämpfer und Führer der siegreichen Arbeiter- und Bauernrevolution“ zu begrüßen.
Es war das eingetreten, was das Volk so leidenschaftlich gewünscht hatte. Russland, das sich aus den Fesseln der kapitalistischen Unterdrückung befreit hatte, gab eine Erklärung über die Beendigung des imperialistischen Krieges ab. Russland erhob als erstes Land das Banner eines wirklich demokratischen Friedens.
Wladimir Iljitsch Lenin erhält von neuem das Wort. Wieder stürmische, begeistere Ovationen. Lenin verliest das Dekret über den Grund und Boden: über die unverzügliche Aufhebung des Eigentums der Gutsbesitzer an Grund und Boden ohne jede Entschädigung. Dieses historische Dekret verkündete die Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden für immer und seine Ersetzung durch das staatliche Eigentum, durch das Eigentum des ganzen Volkes. Die Ländereien der Gutsbesitzer sowie die Ländereien der Krone (des Zaren), der Klöster und Kirchen wurden den Werktätigen zur entschädigungslosen Nutznießung übergeben.
Das Dekret über den Grund und Boden war eine der größten politischen Handlungen, das die Millionenmassen der Bauern sowohl im Hinterland wie auch in den Schützengäben zur Unterstützung der im bewaffneten Aufstand geborenen Sowjetmacht sich erheben ließ. Die Bauernschaft erhielt mehr als 150 Millionen Desjatinen Land, das sich früher in den Händen der Gutsbesitzer, der Bourgeoisie, der Zarenfamilie, der Kirchen und Klöster befand, unentgeltlich. Außerdem wurde die Bauernschaft von den jährlichen Pachtzahlungen in Höhe von ungefähr 500 Millionen Goldrubeln befreit. Die grundlegende Bedeutung des vorgeschlagenen Dekrets über den Grund und Boden drückte Lenin folgendermaßen aus: „Das Wesentliche ist, dass die Bauernschaft die feste Überzeugung gewinnt, dass es auf dem Lande keine Gutsbesitzer mehr gibt, dass es den Bauern selbst überlassen wird, alle Fragen zu entscheiden, selbst ihr Leben zu gestalten.“Die Delegierten des Kongresses nahmen die Worte Lenins auf wie eine frohe Botschaft über den siegreichen Ausgang des jahrhundertelangen Kampfes der Bauernschaft um Grund und Boden, wie die Verwirklichung der geheimsten Wünsche des Volkes. Keine andere Klasse, außer der Arbeiterklasse, keine andere Partei, außer der bolschewistischen Partei, konnte der Bauernschaft Russlands einen solchen unvergleichlichen Sieg sichern. Die Sozialistische Oktoberrevolution verwirklichte das, wovon die Bauernschaft Russlands im Verlaufe von Jahrhunderten ihres armseligen Lebens geträumt hatte.
Der Kongress der Sowjets nahm schließlich die Bestimmung über die Bildung er ersten wirklichen Volksregierung der Welt, der Arbeiter- und Bauern-Sowjetregierung, an – des Rates der Volkskommissare mit Lenin an der Spitze. Zum Volkskommissar(Der Amtstitel Minister wurde infolge der Revolution abgeschafft und durch den Titel Volkskommissar ersetzt.Später wurde sich international angeglichen und der Amtstitel Minister wieder eingeführt. P.R. siehe auch Wikipedia) für Angelegenheiten der Nationalitäten wurde J.W. Stalin ernannt.
Am frühen Morgen des 27. Oktober (09.November) beendete der II. Kongress der Sowjets unter freudigen Rufen„Es lebe die Revolution!“, „Es lebe der Sozialismus!“ und unter dem begeisterten Absingen revolutionärer Lieder seine Arbeit.
Bild entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 von 1947
Gleich nach Petrograd erhob sich auch Moskau. Während Petrograd bereits völlig sowjetisch war, dauerten in Moskau noch einige Tage heftige und erbitterte Kämpfe an. Aber die Arbeiter und Soldaten Moskaus, von den Bolschewiki geführt, brachen den Widerstand der Bourgeoisie. Auch hier ging die Macht in die Hände der Aufständischen, an die Sowjets über.
Die Arbeiterjugend hatte aufopferungswillig und selbstlos Seite an Seite mit den Erwachsenen auf den Oktoberbarrikaden gekämpft. Die Jünglinge und Mädchen waren in großer Menge in die Abteilungen der Roten Garde eingetreten. In Petrograd nahmen ungefähr 5000 jugendliche Arbeiter an dem bewaffneten Aufstand teil. Fast die Hälfte der Moskauer Rotgardisten setzte sich aus der Arbeiterjugend zusammen.
Einer der Teilnehmer der Oktoberkämpfe in Moskau erzählt: „Die Maschinengewehre knatterten. Eine dunkle, undurchdringliche Nacht. Man braucht Leute im Zentrum zum Aufrechterhalten der Verbindung…Wer wird den gefährlichen Auftrag am besten ausführen? Von Bezirk zu Bezirk, vom Bezirk zum Zentrum, überall erfüllten die Mitglieder des Verbandes der Arbeiterjugend unter dem Kugelregen die gefährlichsten und verantwortungsvollsten Aufträge des Stabes des Aufstandes. Unter Einsatz ihres Lebens gingen sie furchtlos auf Patrouille, leisteten Sanitätsdienste, versorgten die Kämpfer mit Patronen und Granaten und nahmen an allen Kampfhandlungen teil. Sieg oder Tod, das war es, woran jeder einzelne Kämpfer dachte.“
Die Kunde vom Sieg der sozialistischen Revolution, von der Geburt der Sowjetmacht, verbreitete sich über das ganze Russland. Den Hauptstädten folgte das ganze Land. Überall ging die staatliche Macht in die Hände der Werktätigen, in die Hände der Sowjets über, in solch schnellen Tempo, unter solchem Enthusiasmus des Volkes, dass Lenin diese Periode den„Triumphzug der Sowjetmacht“ nannte.
Der bewaffnete Aufstand der russischen Arbeiter, Soldaten und Bauern unter der Leitung der bolschewistischen Partei wurde von den werktätigen Massen sämtlicher Völker Russlands unterstützt. Die Völker hatten begriffen, dass nur die Bolschewiki die völlige Freiheit den unterdrückten Nationen sichern können, dass nur in einer brüderlichen Freundschaft der Sowjetvölker das sichere Unterpfand ihrer nationalen Unabhängigkeit, ihrer wirtschaftlichen Erfolge und ihrer kulturellen Entwicklung liegt. Daher erhoben sich nach Petrograd, Moskau und anderen russischen Gebieten des Landes auch die nationalen Grenzgebiete Russlands.„Die Revolutionswelle aus dem Norden“, sagte J.W. Stalin, „ergoss sich von den ersten Tagen des Umsturzes an über ganz Russland und ergriff ein Grenzgebiet nach dem anderen.“
Die Sozialistische Oktoberrevolution, die den Kapitalisten und Gutsbesitzern die Fabriken und Werke, den Grund und Boden, die Eisenbahnen, die Banken abgenommen hatte, verwandelte diese in gesellschaftliches Eigentum der Werktätigen. Die Arbeiterklasse im Bündnis mit der armen Bauernschaft machte sich, nachdem sie die Macht in ihre Hände genommen hatte, an den Aufbau des Sowjetstaates. Die gesamte alte bürgerliche Staatsmaschine wurde zertrümmert. Das aufständische Volk zerstörte schonungslos die zaristischen Ministerien, die Stadtverwaltungen der Kaufleute, die Selbstverwaltungsorgane der Gutsbesitzer und schuf an ihrer Stelle seine eigenen, die Sowjetorgane.
Die Sowjetregierung erließ ein Dekret über die Arbeiterkontrolle. Nach diesem Dekret wurde die gesamte Tätigkeit der Fabrikanten und Werksbesitzer der Kontrolle der Vertreter der Arbeiter unterstellt. Die Arbeiter kontrollierten die gesamte gesellschaftliche Produktion und den Handel. Dies half ihnen, die Produktion zu beherrschen. Die Arbeiterkontrolle schuf die Bedingungen für die Nationalisierung der Industrie, d.h. für ihre Verwandlung in Gemeingut des Volkes, in Staatseigentum.
Alle Banken wurden nationalisiert. Die Nationalisierung der Eisenbahnen und der Großindustrie wurde in Angriff genommen.
Durch ein Dekret der Sowjetmacht wurden die Standesbezeichnungen abgeschafft. Alle Standeseinteilungen und -bezeichnungen (Kleinbürger, Bauer, Adliger, Kaufmann), die Standesprivilegien und Standesbeschränkungen wurden aufgehoben. Sämtliche Titel (Fürst, Graf, Baron) wurden abgeschafft. Für die gesamte Bevölkerung Russlands wurde eine allgemeine Bezeichnung: Bürger der Russischen Republik, eingeführt.
Die „Deklaration der Rechte der Völker Russlands“, von J.W. Stalin verfasst, von Lenin und Stalin unterschrieben, wurde veröffentlicht. Die Lenin–Stalinsche Deklaration verkündete die unverzügliche Befreiung der Völker Russlands und ihr freiwilliges und ehrliches Bündnis. Die Deklaration hob hervor, dass nur durch ein solches Bündnis die Arbeiter und Bauern der Völker Russlands zu einer revolutionären Kraft zusammengeschweißt werden können, die fähig ist, einem jeden Anschlag seitens der imperialistischenBourgeoisie Widerstand zu leisten. Die Deklaration vertrat eine offene und ehrliche Politik die zu einem völligen gegenseitigen Vertrauen unter den Völkern Russlands führen sollte.
Lenin und Stalin proklamierten in dieser Deklaration „das ehrliche und dauernde Bündnis der Völker Russlands“auf folgenden Grundlagen: Gleichheit und Souveränität der Völker Russlands; das Recht der Völker Russlands auf freie Selbstbestimmung bis zur Lostrennung und Schaffung eines selbstständigen Staates; Abschaffung aller jedweder nationalen und nationalreligiösen Vorrechte und Beschränkungen; freie Entwicklung aller Nationalitäten, darunter auch der kleinsten, die das Territorium Russlands bevölkern.
Auf dem III. Allrussischen Kongress der Sowjets im Januar 1918 wurde die „Deklaration der Rechte des werktätigen und ausgebeuteten Volkes“angenommen.
Jakow Michajlowitsch Swerdlow, erster Vorsitzender des Allrussischen Zentralen Exekutivkomitees (1885 bis 1919)
Bild entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 von 1947
Darin wurde gesagt, dass „die Sowjetrepublik Russland auf Grund eines freien Bundes freier Nationen, als Föderation nationaler Sowjetrepubliken errichtet wird“. Die „Deklaration der Rechte des werktätigen und ausgebeuteten Volkes“erklärte, dass die gesamte zentrale und lokale Staatsmacht den Sowjets gehöre, dass in den Sowjets für Ausbeuter kein Platz sei. Als grundlegende Aufgabe der Sowjetmacht erklärte diese Deklaration die Abschaffung jeder Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die völlige Aufhebung der Teilung der Gesellschaft in Klassen, den Kampf für den Sieg des Sozialismus.
Die Oktoberrevolution, die das Joch der kapitalistischen und nationalen Unterdrückung abgeworfen hatte, erhob die zahlreichen Völker und Völkerschaften Russlands zu einem neuen, hellen, freien Leben. Die Dekrete der neuen sowjetischen Regierung, die historischen Verfügungen Lenins und Stalins und ihre Anweisungen über die Liquidierung der Macht der Gutsbesitzer und Kapitalisten, über den Aufbau der Sowjetmacht, legten die Grundlage zu der neuen, sowjetischen sozialistischen Staatsordnung.
Nach vielen Jahrtausenden hatten die Werktätigen zum ersten Male einen entscheidenden Sieg über die Ausbeuter und Bedrücker errungen. Die Oktoberrevolution war der große historische Sieg der unsterblichen Lehre von Marx-Engels–Lenin–Stalin. (Stalin ist später verdammt worden und wird es bis heute noch. Seine hervorragenden Leistungen werden bis heute totgeschwiegen und nicht anerkannt. Das ist fatal und eine der vielen Ursachen für die gelungene Konterrevolution im Jahre 1989/90 und den Sieg des Kapitalismus. P.R.)
Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 von 1947, Original-Autor B.M. Wolin, bearbeitet von Petra Reichel
Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947
Bald nach der Februarrevolution kehrte J.W. Stalin aus der sibirischen Verbannung nach Petrograd zurück. Lenin befand sich noch im Ausland in der Schweiz. Die Bolschewiki erwarteten mit Ungeduld seine Rückkehr nach Russland. Die englischen Imperialisten machten zusammen mit der Provisorischen Regierung alle Anstrengungen, um di Rückkehr Lenins in das revolutionäre Russland zu verhindern. Nach langen Strapazen gelang es Wladimir Iljitsch, in das Heimatland zurückzukehren. In der Nacht des 03.(16.) April traf er in Petrograd ein.
Das Volk begrüßte seinen geliebten Lenin mit Begeisterung. Auf dem Platz vor dem Finnländischen Bahnhof hatten sich viele Tausende von Arbeitern, Arbeiterinnen, Soldaten, Matrosen und Rotgardisten versammelt. Ein donnerndes Hurra ertönte. Lenin wurde auf Händen in das Bahnhofsgebäude getragen.
Die Rückkehr W.I. Lenins nach Russland am 03. April 1917
Bild entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2, von 1947
Auf dem Platz vor dem Bahnhof hielt Lenin von einem Panzerauto aus eine flammende Rede, in der er das revolutionäre Russland zum Kampf für die Sozialistische Revolution aufrief. „Es lebe die sozialistische Revolution!“ verkündete Wladimir Iljitsch. Das war Lenins erste Rede vor dem Volk in Petrograd nach langen Jahren des Exils.
Ein Teilnehmer an der Begrüßung Lenins, W.M. Molotow, erzählt: „Von der Zeit an, da Lenin in seiner ersten Rede, die er im revolutionären Russland hielt, die Losung der Sozialistischen Revolution verkündet hatte, war diese Losung gleichsam für unsere Partei zur Erde herabgestiegen.“
Die von dem Panzerauto aus wiederholten kurzen Reden von Wladimir Iljitsch mit den Aufrufen zur Sozialistischen Revolution warfen ein blendend helles Licht auf die Grundaufgaben der bolschewistischen Partei.„Insbesondere“, schrieb W.M. Molotow, „haben wir, die Augenzeugen dieser ungewöhnlichen, gleichsam prophetischen Begegnung mit Iljitsch zu Beginn der Revolution, diesen Moment im Gedächtnis bewahrt. Wir waren sofort gleichsam beflügelt, fühlten einen ungewöhnlichen Ausbruch von revolutionärer Energie und revolutionärem Glauben. Die Kampfaufrufe Lenins wurden von den grenzenlos revolutionären Petrograder Arbeitern mit einer ebenso großen stürmischen Freude begrüßt!“
Das Panzerauto mit Iljitsch bewegte sich über die von Scheinwerfern beleuchteten Straßen Petrograds, umgeben von einer begeisterten, viele Tausende zählenden Volksmenge. An jeder Kreuzung hielt das Panzerauto, und Lenin wandte sich mit Begrüßungsworten und Aufrufen zum revolutionären Kampf für Frieden, Brot, Freiheit, Sozialismus an die revolutionären Massen.
Am Tage seiner Ankunft hielt Lenin in einer Versammlung der Bolschewiki ein Referat über Krieg und Revolution. Die Grundgedanken seines Referates hat er in einem Dokument niedergelegt, dass in der Geschichte der bolschewistischen Partei unter der Bezeichnung „Die Aprilthesen“ bekannt ist.
„Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Russland“, hieß es in den Thesen, „besteht im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge ungenügenden Klassenbewusstseins und der ungenügenden Organisiertheit des Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe der Revolution, die die Macht in die Hände es Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft legen muss.“
Die „Aprilthesen“ Lenins waren der geniale Kampfplan für den Übergang von der ersten Etappe der Revolution zu ihrer zweiten Etappe, von der bürgerlich-demokratischen zur sozialistischen Revolution.
Worin bestand dieser Plan? Er bestand darin, durch unermüdliche Aufklärungsarbeit die Mehrzahl der Arbeiter und Soldaten auf die Seite der Bolschewiki zu ziehen, die Mehrheit in den Sowjets zu gewinnen, die Politik der Sowjets zu ändern, durch die Sowjets aber die Zusammensetzung und die Politik der Regierung zu ändern. Somit hatte Lenin sich im April 1917 auf eine friedliche Entwicklung der Revolution eingestellt. Er hatte das Ziel aufgestellt, die Alleinherrschaft der Sowjets zu erreichen und eine neue Form der staatlichen Macht- die Republik der Sowjets- zu schaffen. Die Aufgabe bestand darin, die Bedingungen für den Sieg des Sozialismus im Lande zu schaffen.
In Durchführung der Anweisungen Lenins entfalteten die Bolschewiki eine gewaltige Arbeit zur Eroberung der Massen, zu ihrer politischen Erziehung und ihrer Organisation.
Inzwischen entlarvte sich die Provisorische Regierung durch ihre Taten immer mehr vor den breiten Massen als eine volksfeindlich bürgerliche Regierung. Am 18. April versprach die Provisorische Regierung in einer Spezialnote den Verbündeten, die Verträge, die von dem Zaren unterschrieben worden waren, streng einzuhalten. Dies bedeutete, dass der gegen die Interessen des Volkes gerichtete, ungerechte Krieg, der seit dem August 1914 wütete, gegen den Willen des Volkes auch künftig fortgesetzt werden sollte. Zehntausende von Arbeitern und Soldaten gingen auf die Straßen Petrograds und protestierten energisch gegen die imperialistische Politik der Provisorischen Regierung.
Unter dem Druck der Massen wurden aus der Provisorischen Regierung am 02. Mai die eifrigsten Verfechter dieser imperialistischen Politik, der Minister des Äußeren Miljukow und der Kriegsminister Gutschkow, ausgeschieden. In die Regierung traten die Vertreter der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre ein; es wurde eine Koalitionsregierung gebildet. Aber die Politik auch dieser Regierung war selbstverständlich die gleiche wie früher: der Krieg wurde fortgesetzt, die Fabriken und Werke bleiben in den Händen der Gutsbesitzer.
Mit jedem Tag überzeugten sich die breiten Volksmassen immer mehr davon, dass die Bolschewiki recht hatten. Der bolschewistische Einfluss stieg stetig. Ein alter Arbeiter des Pulitow-Werkes, der sich an eine der Reden Lenins in jenen Tagen erinnerte, schrieb:„Das, was Iljitsch sagte, packte und feuerte an. Die Furcht verging, die Müdigkeit schwand, und es schien, als ob nicht Iljitsch allein, sondern als ob sämtliche 40 000 Arbeiter ihre innersten Gedanken zum Ausdruck brächten. Es schien, als ob alles das, was im Arbeiter lag, durch Iljitschs Stimme ausgesprochen würde.“Darin lag aber auch die Kraft der Bolschewiki, dass sie die Interessen der Werktätigen richtig verstanden und, von Lenin und Stalin geführt, beharrlich, opferwillig für die Volkssache, für die Übergabe der Macht in die Hände der Sowjets kämpften.
Am 03. Juni versammelte sich der I. Allrussische Sowjetkongress. Die Bolschewiki waren in ihm noch in der Minderheit. Aber beträchtliche Volksmassen, besonders in der Hauptstadt, gingen bereits zur bolschewistischen Partei über. Am 18. Juni fand in Petrograd eine Demonstration statt, die unter den bolschewistischen Losungen: „Nieder mit dem Krieg!“, „Nieder mit den zehn kapitalistischen Ministern!“, „Alle Macht den Sowjets!“ durchgeführt wurde. Jedoch rechnete die Provisorische Regierung, die die Unterstützung der Paktierermehrheit des I. Sowjetkongresses erhalten hatte, nicht mit der Stimmung der Massen. Gerade am Tag der Demonstration trieb die Regierung, die den Willen der englisch-französischen Imperialisten erfüllte, die Soldaten an der Front zum Angriff. Dieser Angriff war von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil die Soldaten erschöpft waren, die Ziele des Angriffs nicht kannten, ihn ablehnten und auch kein Zutrauen zu den Offizieren hatten. Dazu litt die Armee noch an einem ernsthaften Mangel an Bewaffnung. Der schlecht vorbereitete Angriff scheiterte. Die Empörung der Arbeiter kannte keine Grenzen.
Am 03. Juli fanden in Petrograd neue Demonstrationen statt. Die Arbeiter und Soldaten gingen mit der Waffe in der Hand auf die Straßen der Hauptstadt und verlangten die Übergabe der gesamten Macht an die Sowjets. Die bolschewistische Partei, die die allgemeine Lage richtig einschätzte, hielt das bewaffnete Vorgehen gegen die Regierung für verfrüht. Als aber klar wurde, dass die Massen von der Demonstration nicht zurückzuhalten waren, entschlossen sich die Bolschewiki, gemeinsam mit dem revolutionären Volke an der Demonstration teilzunehmen, um ihr einen friedlichen und organisierten Charakter zu verleihen und die revolutionären Kräfte vor einer Zerschlagung zu bewahren.
Jedoch ließ die Provisorische Regierung die Gelegenheit, sich mit dem Volke auseinanderzusetzen, nicht vorrübergehen. Sie warf den Demonstranten konterrevolutionär gesinnte Truppenteile von Offizieren und Offiziersschülern entgegen. Die Demonstration wurde zersprengt. Die Straßen Petrograds röteten sich von dem Blut der Arbeiter und Soldaten. Diese blutige Abrechnung erfolgte mit stillschweigendem Einverständnis der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre im Bunde mit der Bourgeoisie und den weißgradistischen Generälen auf die bolschewistische Partei.
Die bürgerlichen und monarchistischen Militärs zerstörten die bolschewistischen Organisationen und verhafteten die bolschewistischen Funktionäre. Zu gleicher Zeit wurden auch die Redaktionsräume der bolschewistischen Zeitung „Prawda“ demoliert. Man begann di revolutionären Soldaten und Abteilungen der Roten Garde zu entwaffnen.
Die Provisorische Regierung gab den Befehl, Lenin zu verhaften.
Verhaftungen und Pogrome fanden nicht nur in Petrograd statt; in Moskau und in anderen Städten, an der Front und im Hinterland wütete die Konterrevolution. Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre machten mit der Konterrevolution gemeinsame Sache.
Mit Hilfe der Paktiererparteien begann die Provisorische Regierung, alle demokratischen Rechte, die vom Volke in den ersten Monaten der Revolution errungen worden waren, zu liquidieren. Es erfolgte eine grausame Abrechnung mit den Arbeitern. An der Front wüteten die Militärfeldgerichte und verhängten Todesstrafen. Auf dem Land waren, wie unter dem Zarismus, Strafabteilungen am Werk, die gegen die Bauern geschickt wurden, welche die Gutsbesitzer aus ihren Adelsnestern ausräucherten.
Die Sowjets aber, an deren Spitze immer noch die Sozialrevolutionäre und Menschewiki standen, verwandelten sich in ein Anhängsel der Provisorischen Regierung, die alle Macht an sich gerissen hatte.
Die Doppelherrschaft war zu Ende. Und sie endete zugunsten der Bourgeoisie. Der Feind hatte die Maske abgeworfen. Der Kampf nahm einen verbissenen und entscheidenden Charakter an. Die friedliche Periode der Revolution war zu Ende. Die Partei der Bolschewiki war genötigt, zur Illegalität überzugehen.
Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947, bearbeitet von Petra Reichel, Original-Autor B.M. Wolin
Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 (1947)
Die Selbstherrschaft war im Februar 1917 zusammengebrochen. Das bewaffnete Volk, von der Partei der Bolschewiki geführt, hatte die Macht des verfassten Zarismus gestürzt. Aber die Früchte des Sieges hatte sich nicht das Volk, sondern die Bourgeoisie zunutze gemacht.
Die Provisorische Regierung, die sich nach der Februarrevolution gebildet hatte, bestand, nach einem Ausspruch von Lenin, aus Vertretern „der Bourgeoisie und der zu Bourgeois gewordenen Gutsbesitzer“. Es war eine Regierung, die die Interessen der Fabrikanten, Bankiers, Kaufleute sowie der Großgrundbesitzer und Kulaken vertrat.
Die wichtigsten Posten in dieser Regierung nahmen ein: Fürst Lwow, ein Großgrundbesitzer und sehr gemäßigter Liberaler, als ihr Haupt; der Moskauer Kaufmann und Fabrikant Gutschow, der seinerzeit Stolypins Militärfeldgerichte gegen Revolutionäre gutgeheißen hatte; der große Ausbeuter und Zuckerfabrikbesitzer Tereschtschenko; der liberale bürgerliche Professor Miljulow, der stets ein Verteidiger des räuberischen Krieges gewesen war, in dem Zar Nikolaj und seine Bande Russland gehetzt hatten; der Sozialrevolutionär Kerenskij, der das Volk mit großsprecherischen, aber leeren Worten abspeiste, die die gegen das Volk gerichteten Machenschaften der Gutschkow, Lwow, Miljukow deckten.
Neben dieser bürgerlichen Provisorischen Regierung existierte noch eine andere Macht: der Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten, der noch vor der Bildung der bürgerlichen Provisorischen Regierung entstanden war. Im Kampfe gegen den Zarismus entstand und erstarkte das Bündnis der Arbeiter und Bauern. Die Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten waren das Organ dieses Bündnisses, das Organ der Diktatur der Arbeiterklasse und der Bauernschaft. (Der Begriff Diktatur ist in diesem Zusammenhang aus heutiger Sicht missverständlich. Das nutzt die Propaganda der heutigen Herrschenden gnadenlos aus.)
Es ergab sich eine Verflechtung zweier Gewalten, zweier Diktaturen. Es ergab sich eine Doppelherrschaft.
Die Arbeiter und Soldaten sahen in den Sowjets die Organe ihrer eigenen Macht, der Volksmacht. Sie glaubten, dass die Sowjets den Willen des aufständischen Volkes verwirklichen, dass die Frieden schließen und die Herrschaft der Ausbeuter, der Imperialisten ein Ende bereiten würden.
Aber in den Sowjets, sowohl im Petrograder als auch im Moskauer und in denen anderer Städte, gehörte die Mehrzahl der Deputierten zu jener Zeit den Menschewiki und der Sozialrevolutionären, d.h. den kleinbürgerlichen Parteien an, die die Interessen des Kleinbürgertums von Stadt und Land vertraten. Es waren opportunistische Paktiererparteien, die vor der Revolution Angst hatten, die die Vernichtung der kapitalistischen Ordnung nicht wünschten und eine Verständigung mit der imperialistischenBourgeoisie anstrebten. Warum erhielten diese Parteien die Mehrheit in den Sowjets?
Russland war, ungeachtet des sich in ihm entwickelnden Kapitalismus, ein Agrarland, ein in ökonomischer Hinsicht rückständiges, kleinbürgerliches Land, d.h. ein Land, in dem noch die auf Kleinbesitz beruhende Einzelbauernwirtschaft vorherrschte. Russland war damals von allen großen europäischen Ländern das am meisten kleinbürgerliche Land. Die zahlreichen kleinbürgerlichen Elemente des Landes: Millionen von Bauern, Kleinhändlern, Handwerkern waren zum gesellschaftlichen Leben erwacht und wurden in die Politik hineingezogen. Diese gewaltige kleinbürgerliche Woge überflutete die klassenbewusste Arbeiterschaft, sie überwältigte sie nicht nur durch ihre zahlenmäßige Stärke, sondern auch ideologisch. Große Massen der Arbeiter wurden mit kleinbürgerlichen politischen Ansichten angesteckt.
Diese Parteien erhielten die Mehrheit in den Sowjets auch deshalb, weil während des Krieges in der Arbeiterklasse bedeutende Veränderungen vor sich gegangen waren. Mehr als ein Drittel der Stammarbeiter war zum Heeresdienst eingezogen worden. An ihre Stelle waren, in der Absicht, ich vor der Einziehung zu drücken, kleine Ladenbesitzer, Kleingewerbetreibende, Handwerker und andere Elemente getreten, die eine beträchtliche und einflussreiche kleinbürgerliche Zwischenschicht inmitten der Arbeiterschaft bildeten.
Ein Grund für das Überwiegen der Paktiererparteien in den Sowjets war auch der, dass, während die Bolschewiki in den Tagen der Februarrevolution den Kampf des Volkes unmittelbar leiteten, die Menschewiki und Sozialrevolutionäre die Deputiertensitze in den Sowjets besetzten und auf diese Weise an die Spitze des Petrograder und vieler anderer Sowjets getreten waren.
Eine gewisse Rolle spielte dabei der Umstand, dass sich die Führer der Menschewiki und Sozialrevolutionäre in den Tagen der Februarrevolution in Petrograd befanden, während Lenin zu jener Zeit fern in der Schweiz in der Emigration lebte und Stalin in der Verbannung im tiefsten Sibirien befand.
Die in der Politik unerfahrenen Volksmassen vertrauten den Menschewiki und den Sozialrevolutionären blindlings. Aber diese Verräter betrogen die Hoffnungen des Volkes und ließen sich schon in den ersten Stunden des Aufstandes mit der Bourgeoisie ein. Die sozialrevolutionär-menschewistischen Führer verständigten sich heimlich, ohne Wissen der Bolschewiki, mit den Kapitalisten und Gutsbesitzern über die Bildung einer bürgerlichen Regierung in Russland. Der Petrograder Sowjet, wo die Paktierer die Oberhand hatten, billigte, ungeachtet der Proteste der Bolschewiki, diesen verräterischen Schritt.
So versuchte die russische Bourgeoisie mit Hilfe der Menschewiki und Sozialrevolutionäre ihre Macht auf den Ruinen des Zarismus zu festigen. Die bürgerliche Provisorische Regierung fürchtete sich vor dem Volk und hasste es. Der prominente bürgerliche Politiker Schulgin, der Deputierte der Reichsduma, schrieb damals in seinem Tagebuch: „Maschinengewehre, das ist es, was sich haben wollte, denn ich fühlte, dass nur die Sprache der Maschinengewehre dem Straßenpöbel verständlich ist, und dass nur die Bleikugel das aus seiner Höhle in die Freiheit ausgebrochene fürchterliche Tier wieder zurücktreiben kann.“In der Sprache der Maschinengewehre wollte die russische Bourgeoisie mit ihrer Provisorischen Regierung an der Spitze mit dem Volke reden.
Eine solche Regierung konnte dem Volke natürlich weder Frieden, noch Land, noch Brot, noch Freiheit geben. Das war den fortschrittlich gesinnten Arbeitern klar, aber das war bei weitem nicht dem gesamten übrigen Volk klar, welches noch unerfüllbare Hoffnungen hegte, dass die Provisorische Regierung sich um seine Interessen kümmern würde.
Die Bolschewiki wussten, dass mit dem Sturz der Zarenregierung allein die Sache nicht abgetan ist. Lenin hatte bereits seit langem den weiteren Gang der russischen Revolution vorausgesehen, und er legte ihnen beharrlich dar, dass die Revolution zwei untrennbar miteinander verbundene Etappen durchlaufen müsse. Der Sturz des Zarismus sei die erste Etappe, die Vernichtung der Macht der Bourgeoisie und die Aufrichtung der Macht der Arbeiterklasse die zweite Etappe.
Lenin erklärte seinen Gedanken mit folgendem anschaulichen Beispiel: „Stellen Sie sich vor, meine Herren“, schrieb er,„dass ich zwei Schutthaufen aus dem Hof fahren muss. Aber ich habe nur einen Wagen. Und auf dem einen Wagen kann man keinesfalls mehr als einen Schutthaufen hinausfahren. Was soll ich tun? Wenn man tatsächlich beide Haufen nicht auf einmal hinausfahren kann, so schaffen wir zuerst den ersten Haufen, den man sofort erreichen und auf den Wagen laden kann, hinaus, dann laden wir den Wagen ab und kehren nach Hause zurück, um den zweiten Haufen vorzunehmen. Das russische Volk muss zuerst auf seinem Wagen jenen ganzen Mist, der Leibeigenschafts-, Gutsbesitzereigentum heißt, hinausschaffen, und dann muss es mit dem entladenen Wagen auf den schon mehr gesäuberten Hof zurückkehren und beginnen, den zweiten Haufen auf die Fuhre zu laden und den Mist der kapitalistischenAusbeutung wegzuräumen.“
Die Bolschewiki wiesen darauf hin, dass der Sturz des Zarismus bei weitem noch nicht der volle Sieg der Revolution sei, sondern nur ihr Anfang. Sie erläuterten dem Volk, das es, solange in den Sowjets Paktierer, die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre schalten und walten, keinen Frieden, kein Land, kein Brot, keine Arbeit geben würde. Die Bolschewiki deckten vor dem Volke den imperialistischen Charakter der provisorischen Regierung auf. Sie bewiesen dem Volke, dass es ohne die Ablösung der Provisorischen Regierung durch die Regierung der Sowjets nicht möglich sei, Frieden und Freiheit zu erringen. Die Bewaffnung des Proletariats, die Festigung und die Ausdehnung der Tätigkeit der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten – das war nach dem Hinweis Lenins die einzige Garantie für die endgültige Zertrümmerung des alten Regimes. Das Gleiche sagte auch J.W. Stalin. „ ..Das Pfand des Endsieges der russischen Revolution“, schrieb er in jenen Tagen, „liegt in der Festigung des Bündnisses des revolutionären Arbeiters mit dem revolutionären Soldaten. Die Organe dieses Bündnisses sind die Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten…“Unter der Leitung von Lenin und Stalin kämpften die Bolschewiki für die wirklichen Interessen des Volkes.
Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947, Originalautor B.M. Wolin, bearbeitet von Petra Reichel
Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“ aus dem Jahre 1947
„Das Sowjetland“ ist eine Buchreihe aus dem Jahre 1947. Diese ist in Antiquariaten erhältlich.
Da nur die Anfangsbuchstaben der Namen der Autoren, bzw. Autorinnen draufstehen, ist nicht erkennbar, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Bei Band 1 kann man dem Internet entnehmen, z.B. Wikipedia, dass es sich um eine Frau handelt. Es gibt einen Wikipedia-Beitrag zu ihr. Ihr voller Name ist Anna Michailowna Pankratowa.
Bei den Autoren oder Autorinnen der anderen Bände findet man nur Buchangebote aus den Antiquariaten, aber nichts über ihre Person. Das ist schade.
Auf jeden Fall ist diese Buchreihe sehr wertvoll und leicht zu lesen.
Da diese Bücher zu Lebzeiten Stalins verfasst wurden, werden hier auch das Wirken und die Verdienste Stalins gewürdigt, die auch Ereignisse vor der Sowjetzeit beinhalten. Da später Stalin verdammt wurde, auch in der DDR wurde Stalin verdammt, sind diese Verdienste und sein Wirken weitestgehend verschwiegen worden, so auch in den Geschichtsbüchern der DDR für die Schule.
DIE TROMMLER wird sich nun gelegentlich auch mit dieser Literatur befassen.
Am Ende des 19. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat der Kapitalismus in eine neue, die höchste und letzte Etappe seiner Entwicklung: in den Imperialismus ein. In dieser Etappe konzentrierte sich die Industrie in den Händen der größten Kapitalisten oder Vereinigungen der Kapitalisten. Derartige Vereinigungen der größten Kapitalisten nennt man Monopole. Deshalb bezeichnete Lenin den Imperialismus als monopolistischenKapitalismus. Eine große Rolle begannen die Banken zu spielen, bei denen die Kapitalisten ihre freien Kapitalien deponierten. Die monopolistischen Organisationen und Banken gaben den Industriellen Subsidien (Anleihen)( Kredite. P.R.) und erlangten allmählich entscheidenden Einfluss auf das gesamte wirtschaftliche und politische Leben der kapitalistischen Länder.
Zwischen den kapitalistischen Staaten, aber auch zwischen den einzelnen Vereinigungen der Kapitalisten verschärfte sich der Kampf um die Märkte außerordentlich. Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, ihre freien Kapitalien vorteilhaft auszunutzen, führten die Kapitalisten diese in andere Länder aus. Eines von jenen Ländern, wohin die Kapitalisten ihre Kapitalien exportierten, war das zaristische Russland. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatten die ausländischen Kapitalisten in der russischen Industrie und bei den Banken ungefähr eine Milliarde Goldrubel investiert. Die russischen Banken ordneten sich allmählich der Führung der westeuropäischen Banken unter. So gründeten die französischen Banken im Jahre 1901 in Russland die „Nordbank“. Die größte Bank in Deutschland, die DEUTSCHE BANK, brachte die russische ASOW-DON-BANK unter ihren Einfluss. Viele russische Banken verwandelten sich in Filialen der der ausländischen Banken. Die ausländischen Kapitalisten errichteten in Russland neue Unternehmungen. Bald konzentrierten sich in ihren Händen solche entscheidenden Produktionszweige wie die Hüttenindustrie, die Brennstoffindustrie, die Chemische Industrie, aber auch einige Transportzweige. Die ausländischen Kapitalisten erzielten in Russland kolossale Profite, da sie sich hier der billigen Arbeitskraft bedienen und sie schrankenlos ausbeuten konnten. Die zaristische Regierung kam wie den einheimischen, so auch den ausländischen Kapitalisten in allem entgegen.
Von den ausländischen Staaten erhielt die zaristische Regierung, die ständigen Geldbedarf hatte, große Anleihen (Kredite P.R.). Russland hatte allein an Zinsen für diese Anleihen(Kredite P.R.) jedes Jahr 130 Millionen Goldrubel zu zahlen. Auf diese Weise gerieten der russische Zarismus und der russische Kapitalismus immer mehr in die Abhängigkeit von ausländischem Kapital.
Diese Abhängigkeit zeigte sich besonders während der Krise, die am Ende des 19. Und zu Beginn den 20. Jahrhunderts die Industrie einer Reihe von westeuropäischen Staaten erfasste. In Verbindung mit der Krise verminderte sich stark der Zustrom der ausländischen Kapitalien nach Russland. Mit besonderer Stärke traf die Krise jene neuen kapitalistischen Bezirke (Donezbecken, Baku), in denen die Investierungen der ausländischen Kapitalien groß waren. Die Kapitalisten schlossen die Unternehmungen, warfen Tausende von Arbeitern auf die Straße, den verbleibenden Arbeitern aber kürzten sie den Arbeitslohn.
Die Krise hielten nur die ausländischen Unternehmungen aus. Die ausländischen Banken kauften während der Krise die Unternehmungen der ruinierten russischen Kapitalisten auf und setzten sich auf diese Weise in deren Besitz. Dies verstärkte noch mehr die Rolle des ausländischen Kapitals im russischen Wirtschaftsleben.
Die fortschrittlichen Arbeiter, die unter der Krise und der Arbeitslosigkeit litten, begannen zu begreifen, dass die Selbstherrschaft der schlimmste Feind der Werktätigen ist, dass sie das Land zum völligen Verlust seiner Unabhängigkeit führt und die russischen Arbeiter und Bauern in Tributpflichtige der ausländischen Kapitalisten verwandelt. Der Kampf der Arbeiter verstärkte sich in den Krisenjahren und nahm immer häufiger revolutionären Charakter an. Von den ökonomischen Streiks begannen die Arbeiter zu politischen Streiks und später zu Straßendemonstrationen überzugehen. Während der Streiks und Demonstrationen forderten die Arbeiter nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sondern auch Redefreiheit, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit und andere demokratische Freiheiten. Dies alles gab es formal schon lange in den bürgerlichen Ländern Westeuropas Die russischen Arbeiter forderten ebenfalls die Schaffung demokratischer Zustände im Lande.
Dass die Arbeiterklasse in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon politisch erwacht war, war bereits zur Zeit der sogenannten „Obuchower Abwehr“ offenbar geworden. Im Jahre 1901 organisierten Arbeiter der Obuchow-Fabrik in Petersburg einen Streik zum 1. Mai. Es kam zu blutigen Zusammenstößen mit den zaristischen Truppen. Da die Arbeiter keine Waffen hatten, bewarfen sie die Gendarmen und Polizisten mit Steinen und Eisenteilen. Der Widerstand der Streikenden wurde gebrochen, aber in ganz Russland wurde die heroische Obuchower Abwehr weit bekannt und erregte die Sympathie sämtlicher Arbeiter.
Eine gewaltige Rolle bei dem politischen Erwachen der Arbeiterklasse und bei den Organisationen ihres Kampfes gegen die Selbstherrschaft, ebenso bei der Schaffung einer proletarischen Partei spielte die erste allgemein-russische Arbeiterzeitung „Iskra“ („Der Funke“). Den Plan ihrer Herausgabe hatte Lenin ausgearbeitet, als er sich noch in der Verbannung in Sibirien befand. Mit Hilfe einer solchen Zeitung hoffte er eine revolutionäre sozialdemokratische Partei zu schaffen. Lenin lehrte, dass die besten fortschrittlichen Arbeiter, die bereit waren ihr Leben dem Kampfe um die Sache der Arbeiterklasse zu weihen, die Partei organisieren sollten. Sie sollten Berufsrevolutionäre werden, d.h. Menschen, für die der revolutionäre Kampf gegen den Zaren und die Kapitalisten Hauptberuf war. Nach dem Ende der Verbannung fuhr Lenin ins Ausland und begann die Heerausgabe der Zeitung vorzubereiten. Im Dezember 1900 erschien die erste Nummer der Leninschen Zeitung „Iskra“. Unter dem Titel der Zeitung waren die Worte gedruckt: „Aus dem Funken wird die Flamme schlagen“.
Für die Verbreitung und Lektüre der „Iskra“ drohte den Arbeitern Gefängnis und Verbannung. Doch das schreckt sie nicht ab, jede Nummer der Zeitung erwarteten sie mit Ungeduld. Die Popularität des Blattes wuchs unter den Arbeitern. „Ich habe vielen Genossen die ‚Iskra´ gezeigt“, schrieb ein Petersburger Arbeiter an die Redaktion, „und die Nummer ist schon ganz zerlesen; aber wie kostbar ist sie doch…Wenn man liest, dann begreift man, warum Gendarmerie und Polizei uns Arbeiter und die Intelligenzler, denen wir folgen, fürchten… Das werktätige Volk kann jetzt leicht in Brand geraten, unten glimmt schon alles, nur ein Funken ist nötig, und schon wird ein Brand entstehen. Ach wie ist das wahr gesagt, dass aus dem Funken die Flamme schlagen wird.“
Die „Iskra“ verbreiteten die treuen Mithelfer Lenins, die Bevollmächtigten oder Agenten der „Iskra“. Bald entstanden in vielen Städten Organisationen der Anhänger der „Iskra“. Dies waren Leninsche Organisationen. In Transkaukasien schuf und leitete J.W. Stalin die „Iskra“-Organisation.
Zu Beginn des Jahres 1901 gelangte die erste Nummer der „Iskra“ nach Tiflis (Tblilissi). Auf Vorschlag J.W. Stalins erklärte das Tifliser Komitee sein volles Einverständnis mit der Leninschen „Iskra“. Im September des Jahres 1901 erschien unter der redaktionellen Leitung Stalins die erste Nummer der illegalen georgischen sozialdemokratischen Zeitung „Brdsola“ („Der Kampf“).
Die Leninsche „Iskra“ fand unter den Bakuer Arbeitern lebhaften und wohlwollenden Anklang. Die fortschrittlichen Vertreter des Proletariats von Baku schrieben an die „Iskra“: „Wir Bakuer Arbeiter haben uns, um den Arbeitern anderer Städte nicht nachzustehen, gemeinsam entschlossen, den ersten Schritt zu dem heiligen Werk zu tun. Wir erinnerten uns an die Antwort Puschkins an die Dekabristen: ‚Aus dem Funken wird die Flamme schlagen‘… Damit aber eine starke Flamme sich entzündet, ist es nötig, dass unsere Funken in der ganzen Stadt umherfliegen, damit auf einmal ein großes Feuer emporlodern kann.“
In Bantum, wohin Stalin im Auftrage des Tifliser Komitees übergesiedelt war, entstand gleichfalls eine sozialdemokratische Arbeiterorganisation der „Iskra“-Richtung. In der Nacht zum 1. Januar 1902 berief Stalin unter dem Deckmantel einer Neujahrsfeier die erste Konferenz der Sozialdemokratischen Zirkel ein. Auf dieser Versammlung wurde ein sozialdemokratisches Komitee geschaffen. Am Schlusse der Versammlung, als der Morgen graute und der erste Strahl der Sonne ins Zimmer drang, sagte Stalin: „Nun ist die Sonne schon aufgegangen. Diese Sonne wird uns bald leuchten. Glaubt daran, Genossen!“
Bald fand unter Stalins Leitung in Batum die erste revolutionäre Demonstration statt. Die Polizei verhaftete 450 Arbeiter und suchte mit allen Mitteln Stalin ausfindig zu machen, jedoch wurde er von den Arbeitern verborgen gehalten. Der Polizei gelang es dennoch, Stalin aufzuspüren und zu verhaften. Im November 1903 wurde er nach dem Dorfe Nowaja-Uda im Gouvernement Irkusk verschickt. Aber nach zwei Monaten flüchtete er aus der Verbannung und kehrte von neuem nach Tiflis zur revolutionären Arbeit zurück.
Der politische Kampf des Proletariats nahm in den Jahren 1902 bis 1903 große Ausmaße an. Eine besonders große Rolle in der politischen Erziehung der Arbeiterklasse spielte der erste Generalstreik in Russland in Rostow am Don im Jahre 1902. Unter der Führung des Donkomitees der Partei wurden außerhalb der Stadt Meetings abgehalten, auf denen zum ersten Mal in der Geschichte Russlands das freie Wort der Sozialdemokraten über die Aufgaben der Arbeiterklasse ertönte. Der Rostower Streik hatte gewaltige Bedeutung für die Hebung des Klassenbewusstseins der Arbeiter nicht nur in Rostow, sondern im ganzen Lande. „Das Proletariat“, schrieb Lenin, „stellt sich zum ersten Male als Klasse allen übrigen Klassen und der zaristischen Regierung gegenüber.“
Im Sommer des Jahres 1903 wurde die mächtige Waffe des politischen Kampfes -der Generalstreik- von den Arbeitern Transkaukasien und der Ukraine angewendet. Lenin schrieb, indem er auf die charakteristischen Besonderheiten und die Bedeutung des Generalstreiks im Süden Russlands hinwies: „Die Streiks ergreifen einen ganzen Bezirk, an ihnen nehmen mehr als 100 000 Arbeiter teil, die politischen Massenversammlungen wiederholen sich während der Streiks in einer Reihe von Städten. Man fühlt, dass wir uns am Vorabend der Barrikaden befinden.“
Die Arbeiterbewegung ermunterte auch die anderen Schichten der Bevölkerung zum politischen Kampfe. In allen Städten fanden Studentendemonstrationen und Streiks statt. In den Dörfern gab es große Bauernunruhen. Besonders massenhaft war die Bauernbewegung in der Ukraine und im Gouvernement Saratow im Jahre 1902, sowie in Gurien (Transkaukasien) im Jahre 1903. Hier nahm sie unter dem Einfluss der transkaukasischen Bolschewiki einen revolutionären Charakter an. Aber im Ganzen genommen war die Bauernbewegung politisch noch nicht vorbereitet. Lenin bemerkte, dass der „Bauernaufstand unterdrückt wurde, weil die ländlichen Proletarier noch kein Bündnis mit den städtischen Proletariern hatten.“
Zu Beginn des Jahres 1903 scharte sich um die Zeitung „Iskra“ eine geschlossene Organisation proletarischer Revolutionäre. Sie bildeten das Rückgrat der revolutionären proletarischen Partei, die von Lenin und Stalin geschaffen wurde. Die „Iskra“-Organisation, die die Mehrheit der sozialdemokratischen Komitees Russlands vereinigt hatte, ging an die Vorbereitung des II. Parteitages, der im Ausland im Sommer 1903 stattfand.
Auf dem Parteitag wurde das von Lenin ausgearbeitete Programm angenommen. Das Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (oder abgekürzt SDAPR) setzte die Ziele fest, wofür die revolutionäre Partei des Proletariats Kämpft und die sie erreichen will. In ihr war gesagt worden, dass die SDAPR danach strebt, die Selbstherrschaft zu stürzen und dem Volke Freiheit zu geben. Das Programm wies darauf hin, dass die Arbeiterklasse die Diktatur des Proletariats (dieser Begriff wird heute missverstanden.P.R.) und dann die sozialistische Gesellschaft errichten muss.
Auf dem Kongress wurde auch das Parteistatut angenommen. Bei dieser wichtigsten Frage kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Martow, Trotzkij und ihre Anhänger schlugen vor, in die Partei all jene aufzunehmen, die ihr irgendwelchen Beistand geleistet hatten. Lenin dagegen bestand darauf, dass das Parteimitglied sich persönlich an der Arbeit der Parteiorganisation beteiligt. Auf dem Parteitag ging Martows Vorschlag über die Frage der Parteimitgliedschaft durch. Jedoch bei den Wahlen zu den zentralen Parteiinstitutionen siegten die Anhänger Lenins. Sie erhielten die Mehrheit der Stimmen (russisch „Bolschinstwo“) und wurden seit dieser Zeit Bolschewiki genannt. Die Anhänger von Martow erhielten die Minderheit der Stimmen (russisch: „Menschinstwo“), sie wurden Menschewiki genannt.
Auf dem II. Parteitag war J.W. Stalin nicht anwesend. Er befand sich im Gefängnis. Dort erfuhr er von der Spaltung; er erklärte sich unverzüglich für Lenin und schloss sich den Bolschewiki an.
Auf diese Weise wurde der Grundstein zur Partei der Bolschewiki gelegt. Sie gleich keiner der Parteien der II. Internationale. Es war eine kämpferische Partei der Arbeiterklasse, eine Partei von neuem Typus. Sie bereitete sich auf den revolutionären Kampf vor, zum Sturz des Zaren, der Gutsbesitzer und der Kapitalisten, für Errichtung der Diktatur des Proletariats und für den Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft, in der es keine Ausbeutung und Klassenunterdrückung geben würde.
2. Der russisch-Japanische Krieg und die erste russische Revolution
Der revolutionäre Kampf der Volksmassen gegen die Selbstherrschaft hatte das ganze Land ergriffen. Die Regierung bemühte sich nach allen Kräften, dem Ausbruch der schnell herannahenden Revolution zuvorzukommen. Sie rechnete darauf, dass sie diese durch den Krieg mit Japan aufhalten könnte. „Ein kleiner siegreicher Krieg“, sprach der zaristische Minister Plewe, „muss den revolutionären Qualm zerteilen.“Aber der Krieg beschleunigte nur die Revolution.
Der russisch-japanische Krieg war seinem Charakter nach ein imperialistischer, ein Eroberungskrieg. Er wurde geführt wegen der Aufteilung Chinas und des ganzen Fernen Ostens unter den imperialistischen Staaten. Unter diesen Staaten tat sich durch seine Eroberungsbetrebungen besonderes Japan hervor. Zu jener Zeit wurde Japan von Amerika und England unterstützt. Diese Staaten rechneten darauf, mit Hilfe der Japaner das zaristische Russland zu zerschlagen und China unter sich aufzuteilen. Japan bereitete sich in verstärktem Maße auf einen Krieg mit dem zaristischen Russland vor. Es baute eine große Flotte, schuf eine große Armee und bewaffnete sie gut.
In einer dunklen Januarnacht des Jahres 1904 fiel Japan unerwartet und treubrüchig, ohne Kriegserklärung, über Russland her und griff das russische Geschwader in den Gewässern von Port Arthur an. Es gelang ihm, drei erstklassige russische Schiffe kampfunfähig zu machen und damit für seine eigene Flotte eine vorteilhafte Lage zu schaffen. Es erwies sich, dass das zaristische Russland auf den Krieg nicht vorbereitet war, obgleich zu Beginn die Generale dem Zaren versichert hatten, dass die Russen die Japaner „mit den Mützen zudecken“ würden. Der größere Teil der russischen Schiffe war älteren Typs und technisch schlecht ausgerüstet. Auf den Decks der Schiffe gab es eine Menge hölzerner Aufbauten, die schon bei den ersten japanischen Granaten Feuer fingen. Diese Schiffe nannten die russischen Matrosen „Selbstzünder“ und „Selbstversenker“, und Lenin bezeichnete sie als „alte Koffer“. An die Front wurden um Ersatz Soldaten geschickt, die schlecht ausgebildet waren. Selbst Offiziere verstanden nicht, mit den neuen Kanonen zu schießen. Es fehlte an Proviant, an Waffen, an Granaten, die für einen Krieg mit einem gut vorbereiteten Gegner notwendig waren. Diebische Beamte im Verein mit den Fabrikanten lieferten der Armee Stiefel mit Pappsohlen.
Bald war fast die gesamte südliche Mandschurei von den Japanern erobert. Im Gegensatz zu dem aktiven Angriffsplan der Japaner verhielt sich der Befehlshaber der russischen Armee in der Mandschurei, General Kuropatkin, defensiv.
Nach Norden vorrückend, belagerten die Japaner zugleich die Festung Port Arthur. Die Besatzung der Festung- die Soldaten, Matrosen, Offiziere- kämpften tapfer und schlugen zahlreiche Angriffe der Japaner ab. Zum Flottenbefehlshaber in Port Arthur war der talentierte Admiral Makarow ernannt worden. Sohn eines Seemannes, war er dank seiner hervorragenden militärischen Fähigkeiten emporgestiegen. Makarow war mit aller Macht um die Steigerung der Kampffähigkeit der Flotte bemüht, die sich in Port Arthur befand, und bereitete sich auf entscheidende Seegefechte mit den Japanern vor. Am 31. März 1904 kam er gleich am Anfang der Schlacht auf seinem Flaggschiff, dem Panzerkreuzer „Petropawlosk“, der auf eine Mine gestoßen war, um. Auch der talentierte General Kontratenko tat viel für die Verteidigung Port Arthurs. Jedoch infolge des Verrats des Festungskommandanten, des Generals Stössel, wurde Port Arthur im Dezember 1904 den Japanern übergeben, obwohl noch genügend Kräfte vorhanden waren, um Widerstand zu leisten. In dem Fall Port Arthurs sah Lenin ein Anzeichen für den Sturz des Zarismus selbst. In dem Artikel „Der Fall von Port Arthur“, der am 1. Januar 1905 im Ausland veröffentlicht wurde, enthüllte Lenin die politische Bedeutung der militärischen Niederlagen der Selbstherrschaft in Russland. „Die Verbindung zwischen der militärischen Organisation des Landes und ihrer gesamten wirtschaftlichen und kulturellen Struktur“, schrieb Lenin, „war noch niemals so eng als in der jetzigen Zeit.“
Nach Port Arthur erlitt die zaristische Armee eine schwere Niederlage bei Mukden. Dann wurde die zaristische Flotte in der Meerenge von Tsushima zerschlagen. Die Niederlage von Tsushima bedeutete die völlige Katastrophe.
Die Soldaten und Matrosen zeigten im Russisch-japanischen Krieg den Heldenmut, die Aufopferungsfähigkeit und die hohen kämpferischen Eigenschaften, die der russischen Armee eigen sind. Als die Japaner treuebrüchig das russische Geschwader an der Küste von Korea überfielen, nahmen zwei Schiffe, der Kreuzer „Warjag“ und das Kanonenboot „Korejez“, den ungleichen Kampf mit dem starken japanischen Geschwader auf und ergaben sich nicht, sondern kamen heldenmütig um. Im Februar des Jahres 1904 trat ebenso heldenmütig der russische Torpedobootzerstörer „Stereguschtschij“ zum Kampf mit vier japanischen Torpedobootzerstörern und Kreuzern an, die ihn umzingelt hatten. Als die Japaner der Schiffbesatzung das Ansinnen stellten, sich zu ergeben, antwortete diese, dass sich russische Seeleute nicht gefangen gäben. Der ungleiche Kampf wurde fortgesetzt. Die Japaner beschlossen, den Torpedobootzerstörer mit Gewalt zu nehmen. Als weiterer Widerstand unmöglich geworden war, begaben sich zwei Matrosen in den Kielraum und versenkten durch Öffnung der Ventile das Schiff. Diesen zwei heldenmütigen Matrosen, deren Namen unbekannt geblieben sind, wurde später in Leningrad (heute St. Petersburg P.R.) ein Denkmal errichtet.
Bei der Verteidigung von Port Arthur, ebenso in den Schlachten bei Ljaojan und Mukden vollbrachten die Soldaten und Matrosen viele Heldentaten. Aber das Oberkommando mit seiner talentlosen Leitung machte die heroischen Anstrengungen der Soldaten und Seeleute zunichte.
Die zaristische Regierung, die den Krieg verloren hatte, war gezwungen, mit Japan einen schmachvollen Frieden zu schließen. Japan, das die Schwachheit des zaristischen Russlands ausnutzte, riss das südliche Sachalin und die Kurilischen Inseln an sich, verschloss auf diese Weise für Russland im Osten den Ausgang zum Ozean und schnitt die Verbindungswege mit Kamtschatka und der Tschuktschen-Halbinsel ab.
Der Krieg führte zur Verschärfung der revolutionären Krise in Russland. Vom November des Jahres 1904 an fanden im ganzen Land Demonstrationen gegen den Krieg statt. Der erste Bote der herannahenden Revolution in Russland war der Streik in Baku im Dezember 1904, der von Stalin geführt wurde. „Der Bakuer Streik“, schrieb Stalin, „diente als Signal für die ruhmvollen Januar-Februar-Aktionen in ganz Russland.“
Die Regierung versuchte mit allen Mitteln, die Arbeiter von der Teilnahme am revolutionären Kampfe abzulenken. Die zaristische Ochrana (die geheime politische Polizei) beauftragte ihren Agenten, den Popen Gapon, in Petersburg eine besondere Organisation, den „Verein russischer Fabrik- und Betriebsarbeiter“ zu schaffen, der die Arbeiter vom revolutionären Kampfe ablenken sollte. Gapons Organisation eröffnete Lesehallen mit religiöser und moralsicher Literatur, veranstaltete Vorträge und Vorlesungen mit Lichtbildern über Themen, die von den zaristischen Behörden gebilligt wurden. Aber ungeachtet aller Versuche der Gapon-Leute, die Arbeiter von der Teilnahme an der revolutionären Bewegung abzulenken, setzten die Arbeiter den Kampf gegen die Unternehmer fort. Die Gapon-Anhänger unter den Arbeitern nahmen zusammen mit den anderen Arbeitern an den Streiks teil. Einer dieser Streiks fand in den Putilow-Werken statt. Dieser Streik war hervorgerufen worden durch die Entlassung von vier Arbeitern, die Gapon-Anhänger waren. Capon schlug einen provokatorischen Plan vor: eine Bittschrift an den Zaren zu verfassen und sich mit allen gemeinsam zum Zarenpalast zu begeben, um sie zu überreichen. Die zaristische Regierung hieß Gapons Plan gut, in der Absicht, ein Blutbad unter den Arbeitern anzurichten und die Arbeiterbewegung zu unterdrücken. Die Arbeitermassen hatten ihre Hoffnung auf die Hilfe des Zaren noch nicht aufgegeben. Sie hatten in den Versammlungen die Bittschrift lebhaft erörtert und darin ihre Forderungen und Wünsche zum Ausdruck gebracht.
Indem sie ihre rechtlose Lage schilderten, wandten sie sich in der Bittschrift an den Zaren: „Lehne es nicht ab, Deinem Volke zu Hilfe zu kommen, führe es aus dem Grab der Rechtlosigkeit, des Elends und der Unwissenheit, gib ihm die Möglichkeit, sein Schicksal selbst zu gestalten, befreie es von dem unerträglichen Druck der Beamten. Zerstöre die Mauer zwischen Dir und Deinem Volke, und lasse es mit Dir gemeinsam das Land regieren.“Das Ende der Bittschrift klang wie eine dumpfe Drohung: „Wenn Du unser Flehen nicht erhörst, werden wir hier auf diesem Platze vor Deinem Palast sterben. Wir wissen nicht, wohin wir sonst gehen sollen und es wäre auch nutzlos. Wir haben nur zwei Wege, entweder in die Freiheit und das Glück, oder ins Grab.“
Die Bolschewiki warnten die Arbeiter, dass man auf sie schießen würde. Sie sagten, dass man die Freiheit nicht vom Zaren erwarten dürfe, sondern erobern müsse.
Am kalten Morgen des 09. Januar gingen mehr als 140 000 Arbeiter auf die Straße. Sie kamen mit Frauen und Kindern. Zu Kolonnen formiert, trugen sie Zaren- und Heiligenbilder und sangen Kirchenlieder. Die Bolschewiki, obgleich sie Gegner des Bittganges zum Zaren waren, ließen die Arbeiter nicht im Stich und gingen mit ihnen gemeinsam in den ersten Reihen.
Die zaristische Regierung hatte sich auf die Beschießung des friedlichen Zuges der Arbeiter nach allen Regeln der Kriegskunst vorbereitet. In der Hauptstadt waren Truppen zusammengezogen worden. Die Stadt war in acht Militärbezirke eingeteilt worden. Die Bezirkschefs und die Kommandeure der Truppenteile erhielten genaue Anweisungen, wo und wann sie auf die Versammelten schießen sollten. Die Arbeiter glaubten nicht an die Möglichkeit eines Blutbades. „Die Soldaten sind der Ordnung halber da“, sagten sie. Aber unerwartet für die Arbeiter, begannen die Truppen die friedliche Prozession zu beschießen. Das Gemetzel begann im Narwabezirk. Ein Augenzeuge beschreibt die blutigen Ereignisse, die sich am Narwator abspielten, folgendermaßen: „Vornweg trug man Kirchenfahnen, Heiligenbilder, ein Kreuz, Zarenbilder und eine weiße Fahne. In den ersten Reihen, fest untergehakt, schritten rings um Gapon die Kühnsten, die Begeistertsten. Die Prozession, welcher Polizei voranging, setzte sich in Marsch und zog sich auf der Chaussee fast auf einige Werst auseinander. Vom Himmel schien die Sonne herab. Man sang: ‚Rette, Herrgott, Dein Volk!‘ Alle sangen mit entblößten Köpfen. Die Polizeibeamten hatten beim Vorbeimarsch der Prozession die Mützen abgenommen. Als die Spitze des Zuges sich bereits dem Narwator näherte, jagte aus dem Tor eine Abteilung Kavallerie in voller Karriere direkt in die Menge. Sie durchbrach die ersten Reihen, machte aber schnell kehrt und schwenkte seitwärts ab, so dass die auf der kleinen Brücke quer und an den Seiten stehende Infanterie sichtbarwurde. Die Menge geriet in Verwirrung. Aber die ersten Reihen schlossen sich sofort wieder, fassten ich bei der Hand und schritten mutig auf die Brücke zu. Ein Hornsignal ertönte. Die Soldaten aus Pskow, die nichts begriffen und kopflos geworden waren, gaben eine Salve ab und ließen Schnellfeuer folgen. Eine unvorstellbare Verwirrung trat in dem Augenblicke ein, als die Leute in den ersten Reihen stürzten und die Heiligenbilder und Kirchenfahnen fallen ließen. Getötet wurden die Greise, die Zarenbilder trugen, und ein Knabe, der eine Kirchenlaterne trug. Fürchterliche Schreie ertönten aus der Menge. Ein Teil lief auseinander, versteckte sich in den benachbarten Höfen. Verirrte Kugeln erreichten sie auch dort. Der andere Teil, getreu dem Eide, nicht abzurücken, drängte in sinnlosem Ungestüm vorwärts. Die von Kugeln Hingemähten stießen im Fallen die anderen um. Gapon fiel gleichfalls hin, von einem der Getöteten aus der ersten Reihe umgerissen. Die ‚treue Wache‘ hob ihn inmitten der allgemeinen Verwirrung auf und warf ihn schnell über einen Zaun. Er verschwand, von keinem bemerkt. In der Mengeverbreitete sich das Gerücht, dass er getötet worden sei. Vorn ritt jetzt Kavallerie gegen die Menge, zerstampfte Bilder und Kirchenfahnen und drängte die Menschen – Lebende, Verwundete und Tote – zurück. Hier fielen auf der Stelle einige Dutzend, mehr als hundert wurden verwundet.“
Die Truppen schossen auf die Arbeiter auch in den anderen Bezirken und ließen die Prozession nicht zum Winterpalast durch. Auf dem Platze vor dem Palast war in voller Gefechtsbereitschaft Infanterie aufgestellt. Die zu Bestien gewordenen zaristischen Henker schossen nicht nur auf die Arbeiter, die zum Palaste kamen, sondern sogar auf die Kinder, die aus Neugier auf die Bäume der nächstgelegenen Boulevards und Straßen geklettert waren.
An diesem „Blutigen Sonntag“ verloren die Arbeiter mehr als 3000 Tote und Verwundete. Der Zarismus jedoch hatte nicht nur die Arbeiter erschossen, sondern auch die Reste ihres naiven Glaubens an den Zaren. Am Morgen noch hatten sie gehofft, Hilfe vom Zaren zu erhalten, am Abend aber forderten sie Waffen gegen den Zaren und seine Polizei. „Wir haben keinen Zaren!“ sagten sie und vernichteten die Zarenbilder. Auf der Wassiljewinsel bauten die Arbeiter Barrikaden.
In dem Artikel „Der Beginn der Revolution in Russland“ schrieb Lenin über die Lehren des „Blutigen Sonntags“: „Ja es war eine große Lehre! Das russische Proletariat wird diese Lehre nicht vergessen. Die unvorbereitetsten, die rückständigsten Schichten der Arbeiterklasse, die naiv an den Zaren glaubten und aufrichtig gewünscht hatten, dem Zaren selbst die Bitten des gequälten Volkes friedlich zu überreichen, ihnen wurde eine Lehre erteilt von der militärischen Macht, die unter Leitung des Zaren oder des Onkels des Zaren, des Großfürsten Wladimir stand. Die Arbeiterklasse erhielt eine große Lehre im Bürgerkrieg, die revolutionäre Erziehung des Proletariats schritt an einem Tage soweit voran, wie sie in Monaten und Jahren grauen, unterdrückten Alltagslebens nicht hätte voranschreiten können.“
Die Ereignisse des 09.(22.) Januars 1905 wurden der Anfang der ersten russischen Revolution. Auf die blutigen Gräuel des Zaren antworteten die Arbeiter des zaristischen Russlands mit Streiks, an denen sich 440 000 Arbeiter beteiligten, während in den zehn vergangenen Jahren nur 430 000 Arbeiter gestreikt hatten. Es war dies eine außerordentlich breite Entfaltung der Streikbewegung. Überall fanden Meetings und Demonstrationen statt, die von Zusammenstößen mit der Polizei und den Truppen begleitet waren. Bereits als Ergebnis der Januarstreiks erhob sich die Frage des Übergangs zur höchsten Form des Kampfes: zum bewaffneten Aufstand.
Im Frühling 1905 fand unter Lenins Leitung der III. Parteitag statt. Er arbeitete für die gesamte Partei eine allgemeine Taktik aus, stellte die Hauptlosungen der Revolution auf: demokratische Republik, Enteignung aller Ländereien der Gutsbesitzer und ihre Übergabe zur Nutzung an die Bauernschaft, Einführung des achtstündigen Arbeitstages. Der Parteitag wies darauf hin, dass ihrem Charakter nach in Russland eine bürgerlich-demokratische Revolution stattfände, dass sie sich aber grundlegend von allen früheren europäischen Revolutionen unterscheide. In den bürgerlichen Revolutionen Englands und Frankreichs war die Bourgeoisie die führende Kraft gewesen. Dort hatte die Bauernschaft das Land aus der Hand der Bourgeoisie erhalten. Das Proletariat war noch schwach und unorganisiert gewesen.
Die bürgerliche Revolution in Russland erfolgte unter anderen Bedingungen. Das Proletariat war schon entwickelt, hatte eine Kampfpartei und führte seit langem einen entschlossenen Kampf gegen den Zarismus, gegen die Gutsbesitzer und Kapitalisten. Die Bourgeoisie fürchtete sich vor dem Proletariat und paktierte mit dem Zarismus gegen die revolutionären Arbeiter und Bauern. Auf diese Weise war das russische Proletariat die einzige Kraft, die die Revolution bis zum Ende führen, den Zarismus stürzen und dem Bauern Land geben konnte. Das Proletariat war der Leiter, der Führer der bürgerlich-demokratischen, der Volksrevolution in Russland und die Bauernschaft – sein natürlicher Verbündeter. Nur das Bündnis des Proletariats mit der Bauernschaft unter Führung des Proletariats konnte den völligen Sieg über den Zarismus und die weitere Entwicklung der Revolution sichern.
Ausgehend von einer solchen Auffassung des Charakters und der Treibkräfte der russischen Revolution fasste der Parteitag den Beschluss über die Zulässigkeit der Teilnahme von Bevollmächtigten der Partei an der provisorischen revolutionären Regierung, die berufen würde, die bürgerlich-demokratische Revolution in Russland zu Ende zu führen, eine grundlegende Umwandlung Russlands zu sichern und dem Proletariat den Übergang zu der sozialistischen Revolution zu erleichtern. Dieses Revolutionsprogramm ohne bewaffneten Aufstand zu verwirklichen, war unmöglich. Daher beauftragte der III. Parteitag der Bolschewiki sämtliche Parteiorganisationen, „die energischsten Maßnahmen zur Bewaffnung des Proletariats zu treffen, sowie einen Plan des bewaffneten Aufstandes und seiner unmittelbaren Leitung auszuarbeiten…“ Die Bolschewiki, die sich nach den Beschlüssen des III. Parteitages richteten, waren bestrebt, sich an die Spitze des revolutionären Kampfes der Massen zu stellen, um ihn auf das Gleis eines bewaffneten Aufstandes gegen den Zarismus, der im Kriege ein völliges Fiasko erlitten hatte.
Im Frühjahr und Sommer des Jahres 1905 erhob sich der revolutionäre Kampf der Arbeiter und Bauern auf eine noch höhere Stufe. Besonders kennzeichnend war der Streik der Textilarbeiter in Iwanowo-Wosnessensk. Der Streik begann am 12. Mai und führte 70 000 Arbeiter zum Kampf. Der Kampf war langwierig und verlief einmütig, geschlossen und organisiert. Im Verlaufe des Streiks schufen die Arbeiter einen Sowjet (Rat) der Vertrauensmänner, der faktisch einer der ersten Sowjets von Arbeiterdeputierten in Russland war. Im Sommer 1905 begann ein neuer Aufschwung der Bauernbewegung. Besonders bemerkenswert waren die revolutionären Aktionen im Zentrum Russlands, im Wolgagebiet, in der Ukraine und in Transkaukasien. Die Bauern nahmen das Land der Gutsbesitzer in Besitz und führten die Ernte der Gutsbesitzer weg.
Im Sommer 1905 begannen einzelne Teile der Armee auf die Seite der Revolution überzugehen. Am 14. Juni 1905 brach in der Schwarzmeerflotte, auf dem Panzerkreuzer „Potjomkin“, ein Aufstand aus. Der aufständische Panzerkreuzer kam nach Odessa, wo zu jener Zeit ein Generalstreik der Arbeiter im Gange war. Aber die Menschewiki, die die Odessaer sozialdemokratische Organisation leitete, unterstützten die Matrosen nicht. Sie zögerten. In dieser Zeit wurden Truppen und Artillerie nach Odessa hinzugezogen. Gegen den revolutionären Panzerkreuzer schickte der Zar ein ganzes Geschwader, jedoch weigerten sich die Matrosen der Kriegsschiffe, auf ihre aufständischen Kameraden zu schießen. Das Panzerschiff „Georgij Pobedonossez“ schloss sich sogar den Aufständischen an. Doch bald darauf ergab sich dieses Panzerschiff, dessen Besatzung dem Einfluss ihrer Offiziere unterlag, den Behörden. Der Aufstand auf dem Panzerkreuzer „Potjomkin“ erlitt eine Niederlage, da keine richtige, erfahrene, feste Leitung hatte und defensiven Charakter trug. Ungeachtet der Niederlage hatte der Aufstand auf dem Panzerkreuzer „Potjomkin“ gewaltige Bedeutung. Es war der erste Versuch, den Kern einer revolutionären Armee zu bilden.
Die revolutionäre Bewegung entfaltete sich im Oktober 1905 mit neuer Kraft. Anfang Oktober standen sämtliche Eisenbahnen still. Den Eisenbahnern schlossen sich die Arbeiter der Fabriken und Werke an. Post, Telegraf und Telefon stellten die Arbeit ein. Den Streik unterstützten die Vertreter der Intelligenz: Lehrer, Rechtsanwälte, Ingenieure, Studenten und Angestellte verschiedener Anstalten.
Am 11. Oktober weitete sich der Streik zu einem gesamtrussischen Generalstreik aus. An ihm nahmen ungefähr eine Million Arbeiter und einige hunderttausend Angestellte teil. Das gesamte Leben des Landes kam zum Stillstand. Züge und Dampfschiffe hörten auf zu fahren. Die Fabriken, die Post und der Telegraf arbeiteten nicht. Zeitungen und Zeitschriften erschienen nicht. Die Läden und Restaurants wurden geschlossen. Der Unterricht in den höheren und Mittelschulen hörte auf. Nur die Wasserleitung, Kanalisation und die Krankenhäuser setzten ihre Arbeit fort. Sie arbeiteten auf Befehl der Streikkomitees. Der Generalstreik wurde von der bolschewistischen Partei geleitet, die ihn als Vorspiel zum bewaffneten Aufstand betrachtete. Das Moskauer Komitee der bolschewistischen Partei veröffentlichte einen Aufruf an die Arbeiter, der mit folgendem Appell schloss: „Vom Winterschlaf zum Streik, vom Streik zum bewaffneten Aufstand, vom Aufstand zum Sieg, so ist unser Weg, der Weg der Arbeiterklasse. Kühner, Genossen, vorwärts zum Kampf für die Volksbefreiung!“
Auf den Meetings und Versammlungen hielten die Arbeiter revolutionäre Reden und erhoben ihre dringenden Forderungen. Gemeinsam mit der gesamten Arbeiterklasse nahm an dem Oktoberstreik die arbeitende Jugend teil. Die Nöte der Arbeiterjugend fanden ihren Widerhall in den allgemeinen Forderungen der Arbeiter. Die Arbeiter bestanden darauf, dass in gesundheitsschädlichen Betrieben keine Kinderarbeit zugelassen werden dürfe, dass die Lehrzeit abgekürzt werden müsse und die Arbeitgeber nicht das Recht haben sollten, die Lehrlinge für persönliche Dienstleistungen und Nebenarbeiten zu verwenden, dass in den Fabriken Schulen und Abendkurse eingerichtet werden und der Unterricht für alle Arbeiterkinder unentgeltlich sein sollte. Die Arbeiterjugend half den fortschrittlichen Arbeitern, jene Fabriken und Werke stillzulegen, die sich nicht sofort den Streikenden anschlossen. Bei den revolutionären Demonstrationen schritten die jugendlichen Arbeiter in den ersten Reihen. Sie trugen rote Fahnen und sangen laut revolutionäre Lieder: die „Marseillaise“ und „Kühn, Genossen, haltet Schritt“. Die zaristische Regierung versuchte anfangs den Streik mit Waffengewalt zu unterdrücken. Aber sie hatte bereits nicht mehr die Kraft, die Bewegung zum Stehen zu bringen. Von dem Generalstreik eingeschüchtert, erließ der Zar am 17. Oktober ein Manifest, indem er dem Volke die demokratischen Freiheiten: Rede- und Pressefreiheit, Freiheit der Versammlungen und Koalition „schenkte“. Der Zar versprach, eine Reichsduma einzuberufen und ihr das Recht einzuräumen, Staatsgesetze auszuarbeiten. Die Bourgeoisie begrüßte den Erlass des Manifestes vom 17. Oktober mit Jubel. Sie hielt ihr Ziel für erreicht. Die kleinbürgerlichen Parteien: die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre (sozialrevolutionär hieß diejenige Partei, die die Interessen der Kulaken{Großbauern P.R}verteidigte) erklärten, dass der Zarismus vor dem Volk kapituliert habe. Nur die Bolschewiki warnten die Arbeiter: „Der Zar hat noch lange nicht kapituliert, die Selbstherrschaft hat durchaus noch nicht aufgehört zu existieren. Sie hat nur den Rückzug angetreten.“ Das Manifest vom 17. Oktober war ein Betrug an den Volksmassen. Dieser Winkelzug war dem Zarismus nötig, um Kräfte zu sammeln und dann gegen die Revolution loszuschlagen. Verhaftungen, Erschießungen, bestialische Massenmorde, Pogrome- alles dies brachte das Manifest des Zaren vom 17. Oktober dem Volke in der Tat. Im Volke war über das Zarenmanifest das Liedchen im Umlauf:
„Der Zar in seinem Schrecken erließ ein Manifest: Den Toten gab er Freiheit, den Lebenden – Arrest!“
In den Tagen der sogenannten „Freiheiten“ waren dunkle Kräfte hemmungslos am Werk: die zum Schutze des Zarismus und zum Kampf gegen die Revolution geschaffenen Banditenabteilungen, die „Schwarzen Hundertschaften“. Am Tage nach dem Erlass des zaristischen Manifestes, am 18. Oktober 1905, begab sich eine große Menge Moskauer Arbeiter zum Tagankagefängnis, um aus ihm die politischen Gefangenen zu befreien. An ihrer Spitze schritt einer der angesehensten Moskauer Bolschewiki, ein Schüler und Waffengefährte Lenins, Nikolaj Bauman. Auf dem Wege schlug ihm ein Angehöriger der „Schwarzen Hundert“ mit dem Bruchstück einer Eisenröhre über den Kopf und verletzte ihn tödlich. Der Mord an Bauman löste größte Empörung unter den Werktätigen Moskaus und ganz Russlands aus. Baumans Leichenzug gestaltete sich zu einer grandiosen Demonstration.
In den stürmischen Tagen des politischen Generalstreiks schuf die Arbeiterklasse eine Organisation, die in der Revolution eine große Rolle spielen sollte: die Sowjets der Arbeiterdeputierten. Die entscheidende Rolle hätte in der Revolution des Jahres 1905 der Petersburger Sowjet der Arbeiterdeputierten spielen müssen. Jedoch im Petersburger Sowjet hatten die Menschewiki die Übermacht, die seine Umwandlung in ein Organ der revolutionären Gewalt und die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes in Petersburg verhinderten.
Eine ganz andere Rolle spielte in der Revolution der Moskauer Sowjet, der von den Bolschewiki geleitet wurde. Der Moskauer Sowjet war im November geschaffen worden. Damals entstanden auch einige Bezirkssowjets, mit denen der Moskauer Sowjet eng verbunden war. Er rief die Moskauer Arbeiter, die Bauern und Soldaten auf, ihre Kräfte zum „bevorstehenden Entscheidungskampf“ zu vereinigen, und begann unter der Leitung der Bolschewiki den bewaffneten Aufstand praktisch vorzubereiten.
Im November 1905 kehrte Wladimir Iljitsch Lenin nach Russland zurück. Er leitete die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes. Auf Lenins Anweisung verschafften sich die Parteiorganisationen Waffen, schufen Arbeiterkampfscharen, bewaffneten die Arbeiter und unterrichteten sie im Waffengebrauch. Im Dezember 1905 wurde zwecks Besprechung von Fragen, die mit dem Aufstand zusammenhingen, in Tammerfors (Finnland) eine Parteikonferenz einberufen. Auf dieser Konferenz begegneten sich Lenin und Stalin zum ersten Male persönlich. Während der Arbeiten der Konferenz traf die Nachricht ein, dass in Moskau der Aufstand begonnen habe. Lenin schlug den Delegierten vor, sofort zu ihren Ortsorganisationen zurückzukehren und die Leitung des Aufstandes zu übernehmen.
Am 07. Dezember früh begann in Moskau der Generalstreik. Die Arbeiter traten organisiert, geschlossen und einmütig auf. Ein lebendiges Bild von dem Beginn des Aufstandes zeichnen die „Nachrichten des Moskauer Sowjets“: „Noch niemals ist das Moskauer Proletariat in solcher Eintracht, als eine drohende und mächtige Armee aufgetreten. Auf Beschluss des Sowjets der Arbeiterdeputierten und der revolutionären Parteien standen um 12 Uhr mittags fast sämtliche wichtigen Fabriken und Werke Moskaus still. Sie standen von sich aus still, ohne Zwang, ohne Drohungen, nicht aus Furcht, sondern deshalb, weil die Stunde des Entscheidungskampfes gekommen war. Mit roten Fahnen, mit dem Gesang revolutionärer Lieder, mit dem Schwur, bis zum Ende zu kämpfen, gingen die Arbeiter auseinander.“
Die in Schrecken versetzte Regierung verhängte über Moskau den Ausnahmezustand. In der Nacht vom 06. Zum 07. Dezember wurde das Moskauer Komitee der bolschewistischen Partei, die die Vorbereitung des Aufstandes leitete, verhaftet. Die Leitung des Aufstandes ging auf die Bezirke über.
In den Tagen des Dezemberaufstandes war der Stadtbezirk Prensja am revolutionärsten. Am 09. Dezember bedeckte sich ganz Prensja mit Barrikaden. Eine große Rolle beim Aufstand in Prensja spielte die gut bewaffnete und gut ausgebildete Kampfschar der Fabrik Schmidt. Prensja befand sich faktisch in den Händen der Arbeiter. Die Polizei war aus dem Bezirk verjagt worden. Das ganze Leben des Bezirks leitete das Revolutionäre Komitee, das aus den Deputierten des Moskauer Sowjets gebildet worden war. Der Bezirkssowjet genoss außerordentlich große Autorität. Die Bevölkerung wandte sich an ihn in allen Arten von Eingaben, Bitten und Beschwerden.
Gemeinsam mit den erwachsenen Arbeitern nahm am bewaffneten Kampf auch die Arbeiterjugend teil. Folgendes erzählt darüber Litwin-Sedoj, einer der Teilnehmer und Organisatoren des Moskauer bewaffneten Aufstandes: „Die Arbeiterinnen und die Jugend standen hinter den erwachsenen Arbeitern nicht zurück. Sie bauten Barrikaden, gingen auf Patrouille, verwahrten bei sich zu Hause Proklamationen und Waffen, besonders waren es die Schüler der Prochorow-Schule und der Komissarower Technischen Schule.“ Die Halbwüchsigen der Trjochgornaja-Fabrik halfen den Arbeitern Barrikaden bauen. Der eine schleppte einen Kübel heran, ein anderer Holzscheite und Steine, ein dritter zerrte in die Mitte der Straße allerlei Gerümpel, Laternenpfähle und Telefonmasten, Türen und eiserne Zäune. Die jungen Arbeiter beteiligten sich aktiv an der Entwaffnung der zaristischen Truppen, der Polizisten und Gendarmen.
In seinem Artikel „Die Lehren des Moskauer Aufstandes“ schildert Lenin, wie in Prensja zwei jugendliche Arbeiterinnen, die in der Menge von Zehntausenden die rote Fahne trugen, sich den Kosaken entgegengeworfen hätten mit dem Schrei: „Schlagt uns tot! Wir werden die Fahne nicht lebend hergeben!“ Die Kosaken gerieten in Verwirrung und sprengten davon.
Einer der Augenzeugen und Teilnehmer des Aufstandes erzählt von einem ähnlichen Fall auf dem Strastnaja-Platz. Ein junger Arbeiter aus der Menge der Demonstranten wandte sich an die Kosaken mit einer Rede: „Brüder, Genossen, Kosaken!“begann er. Der Jüngling begann zusammenhanglos und erregt, aber mit großer Begeisterung und Freimütigkeit die Kosaken zu überreden, nicht zu schießen und auf die Seite des Volkes überzugehen.
Der einmütige Aufstand der Moskauer Arbeiter rief in den Regierungskreisen eine Panik hervor. Admiral Dubassow, der mit der Niederschlagung des Moskauer Aufstandes beauftragt worden war, überschüttete den Zaren mit Telegrammen, in denen er dringend um Herbeisendung von Verstärkungen bat. Die Nikolaj-Eisenbahn, die Petersburg mit Moskau verband, streikte nicht, und der Zar sandte Dubassow Unterstützung. In der Nacht zum 15. Dezember kamen in Moskau ungefähr 2000 Soldaten des Semjonower Garderegimentes an. Die Semjonower fingen an, Prensnja mit Artillerie zu beschießen. Die Fabriken Schmidt und Mamontow wurden in Brand gesetzt. Am 18. Dezember umzingelten die Truppen den gesamten Bezirk der Prochorower Manufaktur (später Krasnopresnjenskaja, Trjochgornaja). Der Sowjet, der den Mangel an Kräften für einen weiteren Widerstand in Betracht zog, beschloss am 19. Dezember, den Aufstand zu beendigen. Den Kampfschärlern war befohlen worden, einzeln oder in Gruppen Presnja zu verlassen. Der Lokomotivführer Uchtomskij führte unter Kugelhagel aufopferungsbereit die Kampfschärler aus Moskau fort. Uchtomskij wurde bald daraufhin von den zaristischen Behörden ergriffen und erschossen.
Die Prochorower Manufaktur wurde von Truppen besetzt. Über die Aufständischen wurde ein Feldgericht eingesetzt, das gleich hier, im Fabrikkontor tagte. Die Urteilssprüche wurden im Fabrikhofe vollstreckt. Viele Arbeiter wurden ohne jedwedes Gericht erschossen. Die zaristischen Gendarmen rechneten besonders grausam mit den jugendlichen Teilnehmern des Aufstandes ab.„Die zaristischen Behörden rächten sich für jenen Schrecken, die die Arbeiter ihnen eingeflößt hatten. Besonders grausam rächten sie sich an der Trjochgorka und an den Schülern der Prochorower Schule“, erinnert sich Litwin-Sedoj. An diesem Tage schrieb der Zar in sein Tagebuch: „In Moskau ist Gott sei Dank der Aufstand mit Waffengewalt unterdrückt worden.“Die Bourgeoisie begrüßte die Unterdrückung des Aufstandes.
Die Moskauer Arbeiter hatten eine Niederlage deshalb erlitten, weil die Truppen noch nicht auf ihrer Seite standen. Die aufständischen Arbeiter hatten nicht mit jener Entschlossenheit um das Herüberziehen der Truppen auf ihre Seite gekämpft, die notwendig war, um den Sieg zu sichern. Sie hatten zu wenig Waffen gehabt und waren als Verteidiger, aber nicht als Angreifer aufgetreten.
Die Menschewiki und die Bolschewiki schätzten den bewaffneten Dezemberaufstand verschieden ein. Der Menschewik Plechanow war der Partei vor: „Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen!“Lenin erwiderte: „Im Gegenteil, man hätte noch entschlossener, energischer und offensiver zu den Waffen greifen, hätte den Masen die Unmöglichkeit eines bloß friedlichen Streiks und die Notwendigkeit eines furchtlosen und rücksichtslosen bewaffneten Kampfes klarmachen müssen.“
Ein bewaffneter Aufstand fand nicht nur in Moskau statt. In einer Reihe von Städten Russland erhoben sich die Arbeiter ebenfalls, um die zaristische Macht zu stürzen. Unter der Bauernschaft kam es zu ununterbrochenen Unruhen. Es erhoben sich auch die unterdrückten Völker der Grenzgebiete des zaristischen Russlands. Aber alle dies Aufstände hatten keinen gemeinsamen Plan, kein führendes Zentrum. Der Moskauer Aufstand verwandelte sich nicht in einen einheitlichen allrussischen Ausbruch. „Der Dezemberaufstand war zersplittert und unorganisiert“, schrieb J.W. Stalin. „Als Moskau auf den Barrikaden kämpfte, bewahrte Petersburg Schweigen; Tiflis und Kutais bereiteten sich zum Sturm vor, als Moskau bereits ‚unterworfen‘ war, Sibirien griff zur Waffe, als der Süden und Lettland ‚besiegt‘ waren – und das bedeutet, dass die Revolution das kämpfende Proletariat in Gruppen zersplittert fand, weshalb es der Regierung verhältnismäßig leicht war, ihm eine ‚Niederlage‘ beizubringen.“
Die Niederlage des Dezemberaufstandes gab dem Zarismus die Möglichkeit zum Angriff überzugehen Nach Sibirien, Polen, nach dem Baltikum, nach Transkaukasien wurden Strafexpeditionen geschickt. Dort, wo die Bauern an den Aufständen teilgenommen hatten, zündeten die Strafabteilungen die Dörfer an und prügelten die Einwohner. Besonders grausam war die Abrechnung mit dem Volke Lettlands, wo die Strafabteilungen von deutschen Baronen befehligt wurden. Bei dieser Abrechnung kamen mehr als 10 000 lettische Arbeiter und Bauern um. Als man dem Zaren meldete, dass einer der Offiziere die auf dem Schnee sich krümmenden verwundeten Letten erschossen habe, schrieb Nikolaj II. auf den Bericht: „Ein Prachtkerl!“
In einem Gouvernement nach dem anderen wurde der Kriegszustand oder der der Zustand des außerordentlichen Schutzes verhängt. Die Militärgerichte verschickten die einen zur Zwangsarbeit, über die anderen wurden Todesurteile gefällt. Neben den Truppen und der Polizei betätigten sich auch die von der Regierung aufgemunterten bewaffneten monarchistischen Organisationen: der „Bund des russischen Volkes“ und der „Bund des Erzengels Michael“.
Gemeinsam mit der zaristischen Regierung und den Schwarzhunderten war auch die Bourgeoisie am Werk. Sie rächte sich an den Arbeitern für die Revolution und gab sie der Arbeitslosigkeit und dem Hunger preis. Die Kapitalisten stellten „Schwarze Listen“ auf, in die die klassenbewusstesten und revolutionärsten Arbeiter eingetragen wurden, und vereinbarten, sie in keinem ihrer Unternehmen zu beschäftigen. (Das kennen wir ja heute auch noch. P.R.)
Aber ungeachtet des furchtbaren Terrors zogen sich die Arbeiter und Bauern nur langsam kämpfend zurück. Die Streiks dauerten an. Im Jahre 1905 nahmen am Kampf 2 863 000 Streikende teil, im Jahre 1906 1 108 000, im Jahre 1907 740 000. Diese Zahlen bezeugen, dass das Proletariat seinen heroischen Kampf um die Freiheit fortsetzte. Die Bauernbewegung dauerte in den Jahren 1906 bis 1907 ebenso an, stellenweise verstärkt sie sich sogar. Besonders häufig waren Streiks der landwirtschaftlichen Arbeiter. Aber die Bauernaufstände waren nach wie vor spontan und erlitten Niederlagen, da sie einer systematischen Führung durch die Arbeiter entbehrten.
Auch die nationale Befreiungsbewegung entfaltete sich in breitem Maße. Im Baltikum und in Transkaukasien fanden in den Jahren 1906 bis 1907 regelrechte Schlachten statt. Zugleich mit der Unterdrückung der Revolution durch Waffengewalt beschritt die zaristische Regierung den Weg der „Unterdrückung der Volksfreiheit mit Hilfe einer monarchistischen ‚Konstitution‘“(Lenin). Während des Dezemberaufstandes wurde das Gesetz über die Wahlen zur Reichsduma veröffentlicht. Dieses Gesetz war erlassen worden, um das Volk zu betrügen. Es gewährte das Wahlrecht in der Hauptsache den besitzenden Klassen, den Arbeitern und Bauern wurde es beschnitten.
Im April 1906 berief die zaristische Regierung die Erste Reichsduma ein. Die Mehrheit in ihr setzte sich aus Vertretern der Gutsbesitzer und Kapitalisten zusammen, die sich der bürgerlichen Partei der Konstutionellen Demokraten (der Kadetten) anschlossen. In der Duma wurde aber auch eine beträchtliche Anzahl von Bauern gewählt. Die Kadetten wollten die Bauern betrügen. Daher gaben sie sich den Anschein, als ob sie Anhänger einer Landverteilung an die Bauern „gemäß einer gerechten Einschätzung“ wären. Die Bauerndeputierten jedoch brachten ihren eigenen Entwurf eines Bodengesetzes ein, worin sie die Forderung aufstellten, das Grundeigentum der Gutsbesitzer abzuschaffen. Die zaristische Regierung erschrak vor dieser Forderung und beeilte sich, die Erste Duma aufzulösen. Aber die Zweite Reichsduma wies noch mehr Vertreter der Bauernschaft auf. Den Arbeitern gelang es, in die Duma 65 Sozialdemokraten zu schicken.
In der Duma wurden Reden gehalten, die dem Zaren und den Gutsbesitzern missfielen. Einmal hielt ein Vertreter der Gutsbesitzer eine Rede, in der er die Bauern überreden wollte, den Kampf um Grund und Boden aufzugeben. „Die graue, dunkle bäuerliche Masse ohne Gutsbesitzer“, sagte er, „das ist eine Herde ohne Hirten.“„Genug ihr Herren Hirten“, antwortete ihm ein Bauerndeputierter. „Bis auf den heutigen Tag trauert ihr der Leibeigenschaft nach und wünscht sie euch zurück. 300 Jahre habt ihr uns für eine Herde gehalten, und wir haben eure Peitsche noch sehr wohl in Erinnerung.“ Ein anderer Bauer sagte einfach:„Man muss das Land sofort den Gutsbesitzern abnehmen!“ Solches Auftreten flößte den zaristischen Behörden Furcht und Schrecken ein. Und die Regierung, an deren Spitze der Großgrundbesitzer Stolypin stand, jagte am 03. Juni 1907 die Zweite Duma auseinander. Die zaristische Regierung veröffentlichte ein neues Wahlgesetz, das die Rechte der Arbeiter und Bauern noch mehr beschnitt und in Wirklichkeit eine Ablehnung des Manifestes vom 17. Oktober war. Den Tag des 03. Juni 1907 pflegt man als Tag des Staatsstreiches vom 03. Juni zu bezeichnen.
Der Staatsstreich vom 03. Juni bedeutete eine vorrübergehende Niederlage der Revolution. In der Revolution der Jahre 1905 bis 1907 hatte sich noch kein festes Bündnis der Arbeiter und Bauern gebildet, und dies war eine der Hauptursachen der Niederlage. Die Armee ging nicht auf die Seite der Arbeiter über und half der Regierung, die Revolution zu unterdrücken. Die Arbeiter handelten nicht einmütig und organisiert genug. Die Menschewiki-die Verräter der Arbeiterklasse-hatten noch auf einen bedeutenden Teil der Arbeiterklasse Einfluss, sie spalteten das Proletariat und hemmten die Revolution. Der zaristischen Regierung halfen auch die europäischen Kapitalisten, die um das Schicksal ihrer in der russischen Industrie investierten Kapitalien bangten. Sie gewährten dem Zaren Anleihen (Kredite P.R.).
Die erste russische Revolution stellt einen wichtigen Richtpunkt in der Geschichte Russlands dar. Während der Jahre 1905 bis 1907 machte die Arbeiterklasse und die Bauernschaft eine so erfahrungsreiche Schule der politischen Erziehung durch, wie sie sie im Verlaufe von Jahrzehnten gewöhnlicher friedlicher Entwicklung nicht hätte durchmachen können. Die Revolution hatte den Volksmassen gezeigt, dass der Zarismus der geschworene Feind des Volkes war, dass die liberale Bourgeoisie nicht das Volk, sondern die Selbstherrschaft unterstützt, und dass nur die Arbeiterklasse der wirkliche und konsequenteste Führer der Revolution ist. Die Revolution hat auch gelehrt, dass die werktätige Bauernschaft trotz ihrer Schwankungen dennoch die einzige ernsthafte Kraft darstellte, die fähig war, mit der Arbeiterklasse ein Bündnis einzugehen und dass von der Dauerhaftigkeit und der Stärke des Bündnisses der Arbeiter und Bauern der völlige und endgültige Sieg über den Zarismus abhängig war. Die Arbeiter und Bauern überzeugten sich auch, dass die bolschewistische Partei, die den Werktätigen den sicheren Weg des Kampfes gewiesen hat, ihr wirklicher Führer ist. Die Revolution von 1905 bis 1907 spielte eine gewaltige historische Rolle in der Vorbereitung der Großen Proletarischen Revolution. Lenin schrieb, dass „ohne die ‚Generalprobe‘ des Jahres 1905 der Sieg der Oktoberrevolution im Jahre 1917 nicht möglich gewesen wäre“.
Die erste russische Revolution hatte eine große internationale Bedeutung. Sie zeigte, dass der Schwerpunkt der internationalen revolutionären Bewegung sich endgültig nach Russland verlagert hatte. Das russische Proletariat gab das Beispiel eines entschlossenen und selbstlosen Kampfes um die Freiheit und begeisterte das internationale Proletariat zu einem neuen revolutionären Kampfe. Lenin sagte, dass die Arbeiter Europas unter dem Einfluss der russischen Revolution geistig erwacht seien. Bis zur Revolution des Jahres 1905 hatten die europäischen sozialistischen Parteien den Generalstreik abgelehnt und den bewaffneten Kampf des Proletariats in den modernen Städten für unmöglich gehalten. Nach der russischen Erfahrung überzeugten sich die fortschrittlichen Arbeiter Europas und der ganzen Welt von der Irrigkeit solcher Ansichten. In einer Reihe von Ländern, besonders in Österreich-Ungarn, begannen politische Streiks und Demonstrationen zum Schutze des allgemeinen Wahlrechtes. (In Deutschland ist heutzutage der politische Streik verboten. Es gab Vorstöße in den Gewerkschaften dies zu ändern, doch die Führung der Gewerkschaften hat dies sofort unterdrückt. Die Herrschenden haben anscheinend viel Angst davor, obwohl im heutigen Deutschland wahrlich weit und breit keine revolutionäre Situation akut ist. P.R.)
Einen noch unmittelbaren Einfluss übte die russische Revolution auf die Erweckung der Völker Asiens aus. Den Völkern Irans, der Türkei und Chinas, die den revolutionären Weg betraten, diente der entschiedene Kampf der russischen Arbeiter und Bauern gegen die Selbstherrschaft und Leibeigenschaft als Vorbild. (Im Iran und in der Türkei sind nun die Spuren der Revolution verwischt. In China ist es so ein Mittelding. Einerseits gab es zwar eine Revolution und eine kommunistische Partei ist formal an der Macht, doch sind viele kapitalistische Elemente vertreten und das ausländische Kapital bekommt viel Spielraum, wie z.B. mit billigen Arbeitskräften produzieren zu lassen. China ist einer ständigen Veränderung unterworfen und Außenstehende haben da keinen rechten Einblick. P.R.)
Entnommen aus dem ersten Band „Das Sowjetland“, erschienen im Jahre 1947. Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa, bearbeitet von Petra Reichel