Der sozialistische Sowjetstaat

1. Die Sowjets

Die Sowjets in Russland entstanden zum ersten Mal bereits während der Revolution des Jahres 1905 als Organe des Arbeiteraufstandes, als Keimzellen einer neuen, einer revolutionären Macht. Nach der Februarrevolution des Jahres 1917 verbreiteten sich die Sowjets rasch über das ganze Land. Nach der Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse im Oktober 1917, als Ergebnis der Vernichtung der Kapitalisten- und Gutsherrenherrschaft, haben sich die Sowjets zu einer entscheidenden kraft entwickelt und sind zur Staatsmacht im Lande geworden.

Die Sowjets stellten die die breitesten Massen erfassende Staatsorganisation dar, die die Werktätigen beider Geschlechter (An Diverse, 3. Geschlecht usw. dachte damals niemand. Diese Leute sind als verschwindende Minderheit, anders als heute, nicht beachtet worden. P.R) ohne Unterschied der Nation, Rasse, Beschäftigung, Parteizugehörigkeit, Bildung, der Religion usw. vereinigt. In den Sowjets erblickte man nebeneinander Russen und Aserbaidshaner, Ukrainer und Chakassen, Bjelorussen und Usbeken, Esten und Kirgisen, alte Bolschewiki und parteilose Kollektivbäuerinnen, Gelehrte von Weltruf und Arbeiter mit Grundschulbildung, Hüttenarbeiter und Hirten, Weberinnen und Melkerinnen, Eisenbahner und Flieger usw. Die Deputierten (Abgeordneten) für die Sowjets wurden vom ganzen Volk gewählt. Die Sowjets waren die dem Volke am nächsten stehende Macht.

Es gab Sowjets in jeder Stadt, in jedem Bezirk, Kreis, Gebiet, in jeder Region. In den entlegensten Siedlungen fand man einen Sowjet der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen.

Die örtlichen Sowjets leiteten die wirtschaftliche und kulturell-politische Aufbauarbeit auf ihrem Territorium, stellten ihren Haushaltsplan auf, wählten ihre Vollzugskomitees, die den Sowjets über ihre gesamte Tätigkeit rechenschaftspflichtig waren. Sie gewährleisteten den Schutz der staatlichen Ordnung auf ihrem Territorium, die Wahrung der Gesetze und den Schutz der Bürgerrechte und trugen zur Stärkung der Verteidigungskraft des Landes bei. Sie bildeten ihre für die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung zuständigen Abteilungen, wie zum Beispiel für Volksbildung, Gesundheitsschutz, örtliche Industrie, Handel und Sozialversicherung.

Die Sowjets der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen wählten ständige Kommissionen, welche die Sowjets bei ihrer Arbeit praktisch unterstützten. Diese Kommissionen stellten zwischen den Sowjets und der Bevölkerung, den Wählern, eine enge Fühlungsnahme her und zogen die breiten Massen der Werktätigen zu der Staatsverwaltung heran. Lenin schrieb Anfang 1919, dass die Sowjets zur ständigen und einzigen Grundlage der gesamten Staatsmacht im Sowjetlande geworden sind (waren P.R.).

Die Sowjets der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen stellten die politische Grundlage der sozialistischen Sowjetgesellschaft dar, genauso, wie die gesamte sozialistische Wirtschaft der UdSSR die wirtschaftliche Grundlage der sozialistischen Sowjetgesellschaft bildete.

Die örtlichen Sowjets unterschieden sich in grundlegender Weise von den Organen der sogenannten „örtlichen Selbstverwaltung“, wie sie im zaristischen Russland bestanden und auch heute in bürgerlichen Staaten bestehen.

Die örtlichen Sowjets der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen, vom Gebietssowjet angefangen bis zum Dorfsowjet, stellten nach der stalinschen Verfassung die örtlichen Organe der Staatsmacht dar. Jeder der Sowjets stellte einen Bestandteil der einheitlichen sowjetischen Staatsmacht dar.

Betrachtet man eine beliebige Sowjetrepublik, so wird man feststellen, dass die örtlichen Sowjets in einer gemeinsamen Staatsorganisation, der Sowjetrepublik, zusammengefasst waren, in der jeder Sowjet der Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen seinen Platz, seine Rechte und seine Pflichten hatte.

So war zum Beispiel die Sowjetmacht in Turkmenien nichts andres als die Vereinigung der turkmenischen örtlichen Sowjets zu einer gemeinsamen nationalstaatlichen Organisation, zur Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Die Sowjetmacht in Moldawien war die Vereinigung der moldauischen örtlichen Sowjets zu einer gemeinsamen nationalstaatlichen Organisation, zur Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik usw.(Moldau, bzw. Moldawien ist heute ein eigenständiger Staat.P.R.)

Das große Sowjetland als Ganzes ist die Vereinigung nationaler sozialistischer Sowjetrepubliken zu einem gemeinsamen Sowjetischen Vielvölkerstaat – zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.

Die Sowjets- das war die Macht der Werktätigen. Darüber heißt es deutlich in der Verfassung der damaligen Sowjetunion: „Alle Macht in der UdSSR gehört den Werktätigen in Stadt und Land in Gestalt der Sowjets der Deputierten der Werktätigen.“

Dasselbe wurde auch in den Verfassungen aller Sowjetrepubliken festgestellt. Wenn man zum Beispiel die Verfassung der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik aufschlägt, so liest man: „Alle Macht in der Kirgisischen Sowjetrepublik gehört den Werktätigen in Stadt und Land in Gestalt der Sowjets der Deputierten der Werktätigen.“ (Kirgisien, bzw. Kirgisistan ist heute auch ein selbständiger Staat. P.R.)

Auf diese Weise übten die von den Werktätigen in Stadt und Land gewählten Sowjets die gesamteStaatsgewalt in die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die gesamte Staatsgewalt in jeder sozialistischen Sowjetrepublik aus. Mit vollem Recht und Stolz sagten die Sowjetbürger von ihrem Staat: „Unser Staat – das sind wir selbst!“ („Der Staat sind wir“, lernt man auch in bürgerlichen Demokratien. Natürlich ist das kein Vergleich zur damaligen Sowjetunion. P.R.)

2. Das Bündnis der Arbeiter und Bauern

In den Sowjets, bei der gemeinsamen staatlichen Arbeit der Deputierten (Abgeordneten), die den zwei Klassen der Sowjetgesellschaft angehörten, war das Bündnis der Arbeiter und Bauern verwirklicht. Sie ihrer Entstehung kämpfte die bolschewistische Partei um die Vereinigung der Arbeiter und Bauern im engen Bündnis. Und erst nachdem die Werktätigen des Sowjetlandes das Bündnis der Arbeiter und Bauern geschaffen und gefestigt hatten, konnten sie alle ihre Erfolge erringen. Und in der Tat: hätte man den ohne das Bündnis der Arbeiter und Bauern die sozialistische Gesellschaft aufbauen und einen solch mächtigen Staat wie die Sowjetunion schaffen können? Natürlich nicht.

Hätte denn die Sowjetunion in dem schwierigen und schweren Krieg gegen das faschistische Deutschland und seine Komplizen siegen können, wenn sie sich nicht auf das feste Bündnis der Arbeiter und Bauern gestützt hätte? Sie hätte es zweifellos nicht gekonnt.

Den Arbeitern war dieses Bündnis notwendig, weil sie ohne Unterstützung der Bauernmassen nicht vermocht hätten, die Kapitalisten zu besiegen und durch die Kollektivwirtschaften eine grundlegende Verbesserung ihres Lebens zu erreichen.

Die Arbeiter und Bauern brauchen ein enges Bündnis, um gemeinsam die sozialistische Ordnung weiter zu entwickeln, ihr Leben fortwährend zu verbessern und ihr sowjetisches Heimatland gegen äußere Feinde zu verteidigen.

Auf dem ganzen überaus schweren geschichtlichen Weg vom alten Leben zum neuen, vom Zarenregime und Kapitalismus zum Sozialismus, wurden die Bauernmassen von der Arbeiterklasse geführt. Die Arbeiterklasse war stets die führende Kraft im Bündnis der Arbeiter und Bauern. Worauf war das zurückzuführen? (Nun ja, heute ist der Kapitalismus wieder zurück und das alte Leben wieder da. Seit 1989/90 läuft die Geschichte rückwärts. P.R.)

Die Arbeiter waren in den Städten und Industriezentren in großen Massen konzentriert. In den Großbetrieben arbeiteten Tausende und sogar Zehntausende von Arbeitern zusammen. Das trug von alters her zur Vereinigung, zur Organisation der Arbeiter für den Kampf gegen die Kapitalisten und ihre Gewalt um die Sache der Arbeiter, um die Befreiung der Werktätigen bei. (Die Kapitalisten haben gelernt und durch heutige Arbeitsformen, wie Leiharbeit, Verlagerung ins Ausland usw. die Vereinigung der Arbeiter erschwert bis unmöglich gemacht. Klassenbewusstsein ist bei den Arbeitern ohnehin nicht mehr vorhanden. P.R.)

Die Arbeiter besitzen keine Produktionswerkzeuge und -mittel als Privateigentum. Damals waren sie direkt und unmittelbar daran interessiert, den Kapitalisten die Fabriken und Werke wegzunehmen und sie dem sozialistischen Staat zu übereignen, wie das von den Arbeitern in der UdSSR auch getan wurde.

Auf diese Weise haben die Lebens- und Arbeitsbedingungen dazu beigetragen, dass die Arbeiter zu der führenden Gesellschaftsklasse, zu der revolutionärsten, organisiertesten, bewusstesten und im Kampfe gegen jede Unterdrückung und Ausbeutung, im Kampfe um den Sozialismus gestähltesten Gesellschaftsklasse wurden.

Die Lage der Bauern in der Gesellschaft war ganz anders. Die Bauern lebten über das ganze Land verstreut. Unter der alten Ordnung führten die Bauern eine Privatbesitzerwirtschaft, jeder auf seinem Stück Land, und klammerten sich an diese Wirtschaft, so klein sie auch sein mochte. Auch in den ersten Jahren der Sowjetmacht blieben die Bauern in der erdrückenden Mehrheit weiterhin Privatbesitzer. Die Arbeits- und Lebensbedingungen selbst führten die Bauern nicht zusammen, sondern trennten sie, erleichterten für sie nicht die Möglichkeit, sich für einen gemeinsamen Kampf gegen ihre nächsten Feinde, die Gutsherren zu organisieren, sondern erschwerten sie; vom Kampf gegen die Zaren-Gutsherrengewalt und vom Kampf um die Umgestaltung des gesamten Lebens auf neuer sozialistischer Grundlage gar nicht zu reden.

Natürlich konnte der Sozialismus allein die Interessen der Bauern als Werktätige voll und ganz befriedigen. Man musste jedoch den Bauern erst erklären, was Sozialismus ist, musste beweisen, dass die sozialistische Ordnung für die Bauern vorteilhaft ist, musste ihnen in der Praxis zeigen, wie man diese Ordnung im Dorfe einführen soll. Man musste ferner die Erzeugung von Traktoren und andren für kollektive Großwirtschaften notwendigen landwirtschaftlichen Maschinen organisieren.

Das sind die Ursachen, warum die Arbeiterklasse zur leitenden Kraft, zum Führer der Bauernmassen wurde im Kampfe für den Sturz der zaristisch-gutsherrlichen Macht, im Kampfe gegen die Gutsbesitzer und Kapitalisten für die Sowjetmacht, im Kampfe gegen das Kulakentum für die Vernichtung der Ausbeutung im Dorfe und für den Aufbau einer kollektiven, sozialistischen Wirtschaft.

Die sozialistische Gesellschaft in der UdSSR war bereits aufgebaut. Aber heißt das, dass die Führung durch die Arbeiterklasse nicht mehr notwendig sei? Nein, und zwar aus folgendem Grund:

Die Völker der UdSSR mussten die sozialistische Sowjetgesellschaft festigen und weiterentwickeln. Die zerstörte Wirtschaft in den Gebieten, die vorübergehend von den Deutschen besetzt waren, musste wiederhergestellt werden. Tausende von neuen Industrie- und landwirtschaftlichen Betrieben mussten erbaut, die Arbeitsproduktivität weiter gesteigert, das ganze Leben noch besser und schöner gestaltet werden. Es mussten bewusste, aktive Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft erzogen werden, kenntnisreiche und geschickte Arbeiter der sozialistischen Wirtschaft- sie mussten nicht nur in den Schulen, aus den Reihen der Jugend, sondern auch aus denen der erwachsenen Bevölkerung herangezogen werden. Man fand unter den Sowjetmenschen noch viele, die es bis niemals verstanden haben, die schwere Last alter Ansichten, Gewohnheiten und Vorurteile abzuwerfen.

Es war klar, dass bei der Lösung dieser schwierigen Aufgaben die Führung durch die fortschrittliche Gesellschaftsklasse -die Arbeiterklasse– notwendig war.

In der Sowjetgesellschaft gab es keine Ausbeuterklassen und -schichten. Dies bedeutet, dass es im Sowjetland keine volksfeindliche Kraft gab, die der sowjetischen Gesellschafts- und Staatsordnung entgegentreten könnte (es waren nur vereinzelte Feinde der Sowjetmacht übriggeblieben) (In der damaligen Zeit. P.R.). Aber die Sowjetunion, der sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern, war von einer kapitalistischen Umwelt umgeben. Es war bekannt, dass das Sowjetland mehr als einmal Angriffen von Seiten der kapitalistischen Mächte ausgesetzt war und dadurch ein eine äußerst schwere Lage geriet. Die Gefahr derartiger Angriffe war auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen. (Wie es sich auch gezeigt hat und 1989/90 mit Erfolg gekrönt war. P.R.)   Es war klar, dass die Sowjetgesellschaft unter diesen Umständen die Leitung durch die führende Klasse– die Arbeiterklasse – brauchte.  (Es konnten sich Verräter in die Reihen der Repräsentanten der Arbeiterklasse einschleichen. So zuletzt Gorbatschow. P.R.)

Es ist bekannt, welche große Bedeutung für die sozialistische Sowjetgesellschaft, für den sozialistischen Sowjetstaat das durch die Arbeiterklasse geleitete Bündnis der Arbeiter und Bauern hatte und bis am Ende noch immer hatte. Von diesem Bündnis sagte J.W. Stalin: „Es ist die erste und tragende Grundlage der Republik der Sowjets.“

In den Sowjets ist war Bündnis der Arbeiterklasse und der Bauernschaft als ein Staatsbündnis zweier Klassen der Sowjetgesellschaft verankert worden. Das war gleich im ersten Artikel der Verfassung der Sowjetunion niedergeschrieben: „Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern.“

Auch die Verfassung einer jeden Sowjetrepublik begann mit einem Artikel, das das Bündnis der Arbeiter und Bauern als das Staatsbündnis dieser Klassen verankerte.

3. Die staatliche Führung der Sowjetgesellschaft

Unter den Deputierten (Abgeordneten) der Werktätigen in den Sowjets waren Vertreter sowohl der Arbeiterklasse als auch der Bauernschaft und der Intelligenz. Durch die Sowjets eint, erzog und führte die Arbeiterklasse die gesamte Masse der Werktätigen. Durch die Sowjets verwirklichte die Arbeiterklasse die staatliche Führung der gesamten Sowjetgesellschaft.

Der grundlegende Unterschied zwischen der sozialistischen und der kapitalistischen Gesellschaftsordnung besteht darin, dass die staatliche Führung der Gesellschaft in der Sowjetunion der Arbeiterklasse gehörte, in den kapitalistischen Ländern dagegen der Bourgeoisie gehört. In der UdSSR wurde die staatliche Führung der Gesellschaft im Interesse aller Werktätigen, in den kapitalistischen Ländern dagegen wird sie im Interesse der Bourgeoisie ausgeübt.

Vom ersten Tage der Sowjetmacht an hatte der Sowjetstaat immer neue, äußerst wichtige und komplizierte Aufgaben zu lösen.

Gegen den jungen Sowjetstaat zogen sofort sowohl die innere Konterrevolution als auch die äußeren Feinde der Sowjetmacht zu Felde, die mit allen Mitteln bemüht waren, die Republik der Sowjets zu ersticken. In dieser ersten Entwicklungsperiode des Sowjetstaates bestand seine Hauptaufgabe darin, die konterrevolutionären Ausfälle der gestürzten Klassen mit Waffengewalt zu unterdrücken und die Verteidigung des Landes gegen die ausländischen Eindringlinge zu organisieren. Dementsprechend bestand auch die Tätigkeit der Organe des Sowjetstaates in dieser Periode vor allem in der Unterdrückung des Widerstandes der gestürzten Klassen innerhalb des Landes und in der Organisation der Verteidigung gegen den Angriff von außen her.

Dabei war die Aufmerksamkeit des Staates vor allem auf die Festigung solcher Organe der Sowjetmacht konzentriert, die der Hauptaufgabe jener Zeit am meisten entsprachen. Diese Organe waren: das Volkskommissariat für Kriegs- und Marinewesen, das die Organisation und die Kampfhandlungen der Roten Armee leitete; die Allrussische Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution und Sabotage – die „Wetscheka( besser bekannt unter der Bezeichnung „Tscheka“ P.R.), der Schrecken der Bourgeoisie, die viele konterrevolutionäre Verschwörungen und Aufstände aufgedeckt und zerschlagen hatte; das Volkskommissariat für die Ernährung mit seinen örtlichen Organen (darunter auch die Arbeiterabteilungen für die Ernährung(, das einen erbitterten Kampf ums Brot gegen das Kulakentum führte und die revolutionären Zentren des Landes sowie die Rote Armee mit Lebensmitteln versorgte.

In dieser Periode wurde die Klasse der Grundbesitzer restlos, die Klassen der Kapitalisten in der Stadt und der Kapitalisten im Dorfe (Kulaken) fast völlig liquidiert.

Der Sowjetstaat hatte in der ersten Periode noch eine weitere, die wirtschaftlich-organisatorische und kulturell-erzieherische Aufgabe. Jedoch konnte die Tätigkeit des Sowjetstaates damals in dieser Richtung nur in geringem Maße entfaltet werden. Die Staatsführung musste die Kräfte und Mittel auf die Lösung der Hauptaufgabe jener Zeit, auf die Zerschlagung der Ausländischen Eindringlinge und der inneren Konterrevolution konzentrieren.

In der zweiten Entwicklungsperiode des Sowjetstaates bestand die Hauptaufgabe darin, die sozialistische Wirtschaft im ganzen Lande zu organisieren, die letzten Überreste der Ausbeuterelemente in Stadt und Land zu vernichten, die kulturell-erzieherische Tätigkeit der sowjetischen Organe breit zu entfalten sowie eine mächtige, mit modernstem Kriegsmaterial ausgestattete Armee zu schaffen, die imstande wäre, jedem Angreifer von außen her eine vernichtende Abfuhr zu erteilen.

Dementsprechend veränderte sich auch die Tätigkeit des Sowjetstaates. Nach der Vernichtung der letzten Überreste der Ausbeuterklassen wurde eine militärische Unterdrückung innerhalb des Landes unnötig (es war niemand mehr niederzuhalten). Diese Seite der Tätigkeit des Sowjetstaates wurde hinfällig, überlebte sich. Aber die Notwendigkeit des militärischen Schutzes des Landes gegen einen Angriff von außen her ist geblieben, und folglich sind auch solche Organe des Sowjetstaates, die die Rote Armee und die Kriegsmarine, erhalten geblieben und verstärkt worden. Es blieben auch die Straforgane und der Abwehrdienst erhalten, die notwendig waren, um die von den kapitalistischen Mächten in das Sowjetland entsandten Spione, Schädlinge und Mörder zu bestrafen. Erhalten blieb und voll entfaltet wurde die wirtschaftlich-organisatorische und kulturell-erzieherische Tätigkeit des Sowjetstaates, bestehend in der Errichtung neuer Industriebetriebe, insbesondere großer, mit neuester Technik ausgestatteter Hütten- und Maschinenbauwerke; in der Errichtung großer, mit den besten Maschinen versehener Sowjetgüter; in der Unterstützung der Bauern bei der Organisierung und Festigung der Kollektivwirtschaften; in der Erhöhung der Arbeitsproduktivität; in der Erweiterung und Verbesserung der Verkehrsmittel sowie des Post- und Fernmeldewesens; in der Verstärkung und Verbesserung der Versorgung des Landes mit Industriewaren; in der Ausbreitung des Netzes der Anstalten für Volksbildung, Gesundheitswesen, Wissenschaft, Kunst, Presse usw. (Auch wenn es bis heute Zeitgeist ist Stalin zu verdammen, so gibt es keine andere Erkenntnis, als dass es während der Lebzeiten Stalins wirtschaftlich in der UdSSR aufwärts ging. Nach Stalins Tod ging es abwärts. P.R.)

In dieser Periode entstand für den Sowjetstaat eine neue Art von Tätigkeit: Schutz des gesellschaftlichen, sozialistischen Eigentums, das zur Grundlage der gesamten Sowjetordnung, der Verteidigungskraft des Landes und des Wohlstandes der Volksmassen der Sowjetunion wurde.

Die Sowjetunion wurde zu einer mächtigen industriellen und kollektivwirtschaftlichen Großmacht und zu einem der bedeutendsten Kulturländer der Welt.

Die friedliche Entwicklung der Sowjetunion wurde durch den überraschenden Überfall des faschistischen Deutschlands und seiner Komplizen unterbrochen. In diesen schweren und verantwortungsvollen Moment zeigte die Staatsführung des Sowjetlandes mit J.W. Stalin an der Spitze größte Energie und Standhaftigkeit, Weisheit und Voraussicht. Sie hat es verstanden, die Arbeit sämtlicher Sowjetorgane und Wirtschaftsbetreibe rasch auf die Bedürfnisse des Krieges umzustellen. Sie hat es verstanden, das gesamte Volk zu begeistern und zusammenzuschließen, sämtliche Kräfte und Mittel des Volkes zu konzentrieren, um die deutsch-faschistischen Eindringlinge zu zerschlagen. Sie hat es verstanden, eine reibungslose Versorgung der Roten Armee mit erstklassigem Kriegsmaterial und eine ununterbrochene Auffüllung ihrer Reihen mit gut ausgebildetem Ersatz zu organisieren. Sie hat es verstanden, die Kriegsoperationen in glänzender Weise zu lenken. Das war es, was der UdSSR den Sieg über den übermütigen und starken Feind sicherte.

Die Geschichte der UdSSR und die Lehren des Großen Vaterländischen Krieges (II. Weltkrieg) sprechen überzeugend davon, dass der Sowjetstatt in Friedenszeiten der beste Organisator des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaues war. (zu Lebzeiten Stalins P.R.)

 

In Kriegsjahren dagegen erwies sich der Sowjetstaat als der beste Organisator sämtlicher Kräfte des Volkes für eine vernichtende Abwehr des Feindes. (ebenfalls zu Lebzeiten Stalins)

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 3 aus dem Jahre 1947, Original-Autor W.A. Karpinskij, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 3, aus dem Jahre 1947

Die sozialistische Sowjetgesellschaft

1. Das sozialistische Eigentum

Am 1. Mai 1919 sprach W.I. Lenin auf dem Roten Platz in Moskau zum Volk:

„Unsere Enkel werden die Dokumente und Denkmäler der Epoche der kapitalistischen Ordnung wie Wunderdinge bestaunen. Sie werden sich schwer vorstellen können, wie der Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs sich in Privathänden befinden, die Fabriken und Werke einzelnen Personen gehören, ein Mensch den anderen ausbeuten und wie Menschen existieren konnten, die nicht arbeiteten.“  (Bekanntlich ist es anders gekommen. Der Kapitalismus hat gesiegt und die Enkel bestaunen die sozialistische Ordnung als Wunderdinge, soweit sie von ihren Großeltern, alten Büchern und Dokumenten die Wahrheit erfahren.P.R.)

Josef Wissarionowitsch Stalin (Nach einem Gemälde von A. Gerassimow
Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 3 Original-Autor W.A. Karpinskij

Der sowjetischen Jugend, die in der Zeit der Sowjetmacht geboren wurde und aufgewachsen ist,fiel es in der Tat sehr schwer, sich die Gesellschaftsordnung des zaristischen Russlands vorzustellen, da die Fabriken und Werke, Produktionswerkzeuge und -mittel, Felder, Wiesen und Berge, Waldungen und Gewässer Privateigentum reicher Nichtstuer waren, während Millionen von Arbeitern und armen Bauern ein Hungerleiderdasein fristeten, indem sie ihre Arbeitskraft den Kapitalisten, Gutsbesitzern und Kulaken verkauften. Die alten Arbeiter und Bauern haben die ganzen Schrecken der auf Privateigentum beruhenden bürgerlich-gutsherrlichen Ordnung am eigenen Leibe erfahren. Die Sowjetjugend dagegen hat einen Kapitalisten oder Gutsherren nie gesehen. Sie ist von klein auf an eine andere, auf dem sozialistischen Eigentum beruhende Ordnung gewöhnt. (Nun ja, ihre Enkel haben wieder die kapitalistische Ordnung kennengelernt und sich daran gewöhnt.)

Was ist sozialistisches Eigentum?

Nach der stalinschen Verfassung ist der Boden, seine Schätze, die Gewässer, die Waldungen, die Gruben, die Bergwerke, die Fabriken, die Werke, die Sowjetwirtschaften, die Maschinen- und Traktorenstationen, die Banken, das Eisenbahn-, Wasser- und Luftverkehrswesen, das Post- und Fernmeldewesen, die Kommunalbetriebe und der Grundbestand an Wohnhäusern in den Städten – all das ist sozialistisches Staatseigentum, d.h. Gemeingut des Volkes.

Auf diese Weise ist der Haupt- und wichtigste Teil aller Produktionsmittel des Sowjetlandes sozialistisches Staatseigentum.

Die Wirtschaftsgebäude und Betriebe der Kollektivwirtschaften und der genossenschaftlichen Organisationen, ihre Werkzeuge und Maschinen, ihr Arbeitsvieh und ihre Viehzuchtfarmen, bilden das genossenschaftlich-kollektivwirtschaftliche sozialistische Eigentum, d. h. das Eigentum der Kollektivwirtschaften und der genossenschaftlichen Vereinigungen.

Welch wichtige Bedeutung das genossenschaftlich-kollektivwirtschaftliche sozialistische Eigentum besitzt, ist aus der Tatsache ersichtlich, dass die erdrückende Mehrheit der Bauernhöfe des Sowjetlandes in Kollektivwirtschaften vereinigt ist. Im Jahre 1940 gehörten den Kollektivwirtschaften fast 97 v.H. der Gesamtzahl der Bauernhöfe an.

Die kleine Privatwirtschaft der Einzelbauern und der Kleingewerbetreibenden ist durch das Sowjetgesetz zugelassen unter der Bedingung, dass sie auf persönlicher Arbeit beruht und eine Ausbeutung fremder Arbeit ausschließt.

Das sowjetische Gesetz schützte ebenfalls das persönliche Eigentumsrecht aller Bürger (Natürlich sind Frauen stets auch gemeint. Das Gendern würde aber den Text holprig machen. Darum ist es nicht in die Bearbeitung eingeflossen. P.R.) an ihren Arbeitseinkünften und Ersparnissen, am Wohnhaus und der häuslichen Nebenwirtschaft, an den Hauswirtschafts- und Haushaltungsgegenständen sowie Gegenständen des persönlichen Bedarfs und Komforts. Das sowjetische Gesetz schützte ferner das Erbrecht an persönlichem Eigentum.

Jeder der Sowjetbürger war sich bewusst, von welch großer Bedeutung das sozialistische Eigentum für die Werktätigen, für das Sowjetland und für den Sowjetstaat ist.

Weshalb konnte in der Sowjetunion keiner den anderen zwingen, für sich zu arbeiten? Eben deshalb, weil im Sowjetland der Boden sowie die Produktionswerkzeuge und -mittel sozialistisches und kein privates Eigentum darstellten.

Weshalb gab es in der UdSSR keine Arbeitslosigkeit und keine Armut? Weshalb wurde das Leben der gesamten Masse der Werktätigen mit jedem Jahr wohlhabender und kultivierter und wird es auch weiterhin werden? (Nach Stalins Tod ging es allerdings abwärts. P.R.)

Weil im Sowjetland der Boden, die Fabriken, Werke, Gruben, Banken, das Verkehrswesen, das Post- und Fernmeldewesen, die Druckereien, Schulen, Bibliotheken, Theater, Lichtspielhäuser, Krankenhäuser, Sanatorien (Kur-, bzw. Rehakliniken) usw.  sozialistischen Eigentum waren. Das alles diente dem Nutzen und dem Wohle des werktätigen Volkes und stellte kein Mittel zur Bereicherung von Privatbesitzern dar, wie das in den kapitalistischen Ländern, bzw. der heutigen Welt (von Ausnahmen abgesehen) der Fall ist.

 

Weshalb hatte sich das einst rückständige Sowjetland in beispielloser kurzer Frist in einen der mächtigsten Staaten der Welt verwandelt, der es vermochte, seine Freiheit und Unabhängigkeit im Kampf gegen das faschistische Deutschland und seine Komplizen zu behaupten?

Weil das sozialistische Eigentum die Grundlage war, auf der das sowjetische Volk eine machtvolle Industrie, die größte hochproduktive Landwirtschaft der Welt geschaffen und eine vortreffliche Bewaffnung und gute Versorgung der Roten Armee gewährleistet hatte.

Das sozialistische Eigentum bildete die Grundlage der gesamten sowjetischen Gesellschaftsordnung, und darin lag ihre Stärke, darin lag ihr grundlegender Unterschied von der kapitalistischen Ordnung, der das Privateigentum an die Produktionswerkzeuge und -mittel zugrunde lag.

 

2. Die sozialistischen Betriebe

Die Stalinsche Verfassung spricht von zwei Formen des sozialistischen Eigentums: vom Staatseigentum und vom genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Eigentum. Warum gab es in der UdSSR nicht eine Form, sondern zwei Formen des sozialistischen Eigentums?

 

Die alten Industriebetriebe und die landwirtschaftlichen Großbetriebe wurden den Kapitalisten und Gutsherren weggenommen und zum Eigentum des Sowjetstaates gemacht. In der Zeit der Stalinschen Planjahrfünfte wurden sehr viele neue Werke, Fabriken, Kohlengruben, Bergwerke, Bohrtürme, Großkraftwerke gebaut und in der Landwirtschaft viele Sowjetgüter und Maschinen-Traktoren-Stationen geschaffen. Alle diese Betriebe waren mit Kräften und aus dem Mitteln des Sowjetstaates geschaffen worden. Und auch der Boden, auf dem sie gelegen waren, gehörten dem Sowjetstaat. Es ist begreiflich, dass diese Betriebe und die gesamte in ihnen erzeugte Produktion Staatseigentum, das heißt Gemeingut des Volkes waren.

Aber nehmen wir eine Kollektivwirtschaft mit ihren Feldern und Farmen, mit ihren Produktionsmitteln und Wirtschaftsbauten. Wie waren sie entstanden? Die Kollektivwirtschaft wurde mit Kräften und aus den Mitteln der Bauern selbst, mit Hilfe und unter Anleitung des Staates aufgebaut, und zwar durch freiwillige Vereinigung der Hauptproduktionsmittel, der Arbeitskräfte und der Bodenanteile der Bauernfamilien. Es ist begreiflich, dass der gesamte wirtschaftliche Besitz der Kollektivwirtschaft und die gesamte von ihr erzeugte Produktion das gesellschaftliche Eigentum des Bauernkollektivs war, welches die Kollektivwirtschaft organisiert hatte. Nur der Boden, die die Kollektivwirtschaft innehatte, stellte Staatseigentum dar, das ihr zu unentgeltlicher und unbefristete Nutzung urkundlich zuerkannt war.

Folglich war das Vorhandensein von zwei Formen des sozialistischen Eigentums in der UdSSR mit der verschiedenen Entstehungsweise der sozialistischen Betriebe – der staatlichen und der genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen – eng verbunden.

Es gab auch andre Unterschiede zwischen den staatlichen und genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betrieben. Wer war der Besitzer des staatlichen Betriebes? Der Sowjetstaat. Die sowjetischen Organe ernennen einen Direktor zur Leitung des Betriebes. Die Arbeiter und Angestellten dieses Betriebes erhalten vom Staat für ihre Arbeit einen der Menge und Qualität ihrer Arbeit entsprechenden Lohn ausgezahlt.

Und wer war der Besitzer der Kollektivwirtschaft? Das Bauernkollektiv, das sich zu der Kollektivwirtschaft zusammengeschlossen hat. Die Angelegenheiten der Kollektivwirtschaft wurden durch die Generalversammlung ihrer Mitglieder und in der Zeit zwischen den Versammlungen – durch die von der Generalversammlung gewählte Verwaltung der Kollektivwirtschaft geregelt. Dem Staat gegenüber hatte die Kollektivwirtschaft gewisse Pflichten zu erfüllen: Geldsteuern zu entrichten und einen gesetzlich festgelegten Teil ihrer Produktion an den Staat abzuliefern (zu festen Preisen zu verkaufen). Die Kollektivwirtschaft entlohnte die staatliche Maschinen- und Traktorenstation für die vertragsgemäß ausgeführten Arbeiten mit Geld und Naturalien. Für die Erfüllung aller Verpflichtungen wurde ein Teil der Einkünfte der Kollektivwirtschaft verbraucht. Über alle übrigen Einkünfte verfügte das zu der Kollektivwirtschaft zusammengeschlossene Bauernkollektiv nach eigenem Ermessen, gemäß dem Statut des landwirtschaftlichen Artels.

Die Kollektivbauern erhielten keinen Lohn vom Staat wie die Arbeiter eines Werkes oder eines Sowjetgutes (eines staatlichen landwirtschaftlichen Betriebes). Die Arbeit der Kollektivbauern wurde aus den Einkünften ihrer Kollektivwirtschaft vergütet. Die Vergütung erfolgte sowohl in Geld als auch in Naturalien (Produkten) nach Tagewerken, entsprechend der Menge und Qualität der von jedem Kollektivbauer für die Kollektiverzeugung aufgewandten Arbeit.

Außer den Einkünften aus der gemeinsamen kollektiven Wirtschaft haben die Kollektivbauern Einkünfte aus ihrer persönlichen kleinen Nebenwirtschaft auf dem Hofland (eigenes Vieh, Gemüsegarten, Obstgarten usw.). Die Kollektivwirtschaften aus die Kollektivbauern konnten die Überschüsse ihrer Produktion auf dem kollektivwirtschaftlichen Markt frei verkaufen.

 

Das waren die Unterschiede zwischen den staatlichen und genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betrieben. Diese Unterschiede waren recht wesentlich. Jedoch bestand kein grundsätzlicher Unterschied zwischen diesen beiden Formen der Betriebe: sowohl die einen als auch die andren waren auf gleichen Hauptgrundlagen aufgebaut. Was waren das für Grundlagen?

Die Produktionsmittel sowohl der einen als auch der anderen Betriebe stellten gesellschaftliches (und kein privates) Eigentum dar. In den staatlichen Betrieben gehörten sie dem ganzen Volk, d.h. der ganzen Gesellschaft; in den genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betrieben gehörten sie einzelnen gesellschaftliche Organisationen. Aber in beiden Fällen stellten sie gesellschaftliches, sozialistisches Eigentum dar.

Die Werktätigen sowohl der staatlichen als auch der genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betriebe arbeiteten gemeinsam in einer gesellschaftlichen (und keiner privaten) Wirtschaft. Unabhängig davon, ob der Betrieb dem ganzen Volke, d.h. der ganzen Gesellschaft oder einzelnen gesellschaftlichen Organisationen gehörte, wurde die Arbeit der Werktätigen nach einer allgemeinen Stalinschen Verfassung niedergeschriebenen sozialistischen Regel entlohnt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung.“

Sowohl die einen als auch die anderen Betriebe wurden nach einem einheitlichen volkswirtschaftlichen Plan im Interesse der Werktätigen, der sowjetischen Gesellschaft und des Sowjetstaates geführt.

Auf diese Weise waren die staatlichen und die genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betriebe, wenn auch in ihrer Form verschieden, aber in ihrem sozialistischen Wesenskern gleich. Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen war weder den einen noch den andren Betrieben möglich.

Dass es in der sozialistischen Gesellschaft kein Privateigentum an Produktionsmitteln und keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gibt, unterscheidet sie grundsätzlich von der kapitalistischen, die gerade auf Ausbeutung der gewaltigen werktätigen Mehrheit durch die geringe nicht werktätige Minderheit beruht.

Die vom Sowjetvolk erbauten Werke, Fabriken, Sowjetgüter, Kollektivwirtschaften waren gleichsam einzelne Bausteine, aus denen die damals unerschütterliche Grundlage des riesigen und herrlichen Baus der sowjetischen sozialistischen Gesellschaft gelegt wurde. (1989/90 wurde dieser Bau, um bei diesem Beispiel zu bleiben, erschüttert und ist dann letztendlich eingestürzt. Die Konterrevolution hat gesiegt. P.R.)

Alle staatlichen und genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betriebe zusammengenommen, die gesamte sozialistische Wirtschaft als Ganzes stellten die einheitliche wirtschaftliche Grundlage der sowjetischen sozialistischen Gesellschaft dar.

3. Die sozialistische Planwirtschaft

Wir wollen die Arbeit der sowjetischen Wirtschaftsbetriebe einer näheren Betrachtung unterziehen. Da sind zum Beispiel die Baumwoll-Kollektivwirtschaften der mittelasiatischen Sowjetrepubliken. Sie lieferten ganze Berge schneeweißer Baumwolle. Die Baumwolle ging in die staatlichen Baumwollfabriken. In den Fabriken wurden daraus Millionen und aber Millionen von Metern Gewebe erzeugt. Das Gewebe ging an die Konfektionsfabriken, für die Werktätigen der gesamten Sowjetunion.

Die Getreide erzeugenden Kollektivwirtschaften versorgten das Land mit Brot. Mit ihrem Brot ernährten sich die Arbeiter der Werke und Fabriken, die Sowjetische Armee und auch die Kollektivbauern, die Baumwolle, Flachs oder Tabak anbauten.

Von den Werken und Fabriken aber wurden an die Werktätigen der Landwirtschaft Maschinen, Brennstoff, chemische Düngemittel, Petroleum, Salz, Zucker, Gewebe, Kleidung, Schuhwaren, Haushaltsgegenstände, Bücher, Zeitungen, Fahrräder, Rundfunkempfänger usw. geliefert.

Wie wir sehen, waren die einzelnen Zweige der Volkswirtschaft der UdSSR eng miteinander verbunden und stellten zusammengenommen eine einheitliche sozialistische Volkswirtschaft dar. Jeder einzelne Betrieb war nur ein winziger Teil einer einheitlichen riesigen Volkswirtschaft.

Es ist begreiflich, dass kein Betrieb der UdSSR so arbeiten konnte, wie es ihm gefiel. Jeder Betrieb musste seinen Anteil an der für das ganze Land notwendigen gemeinsamen Arbeit erfüllen. Mit anderen Worten: jeder Betrieb musste nach einem im voraus aufgestellten Plan arbeiten, wobei dieser Plan ein Teil des einheitlichen volkswirtschaftlichen Planes sein musste. Die volkswirtschaftlichen Pläne wurden von der Staatlichen Planungskommission (GOSPLAN) der UdSSR ausgearbeitet. In allen sowjetischen Republiken, Regionen und Gebieten, Kreisen und Bezirken bestanden Planungskommissionen, um GOSPLAN zu unterstützen.

 

Für jedes Jahr und für ganze Jahrfünfte im Voraus wurden in der UdSSR Pläne der Entwicklung der Volkswirtschaft ausgearbeitet. Für ein Jahr und für ein Jahrfünft im Voraus wurde berechnet, wieviel und welche Erzeugnisse jeder Zweig der Volkswirtschaft zu produzieren hatte, wieviel und welche Rohstoffen man dazu brauchte, wieviel und welche Maschinen und Ausrüstung für diesen Zweck bereitzustellen waren, wie man Arbeitsproduktivität steigern konnte und die Selbstkosten herabsetzen konnte und musste, welche neuen Betriebe gebaut wurden, wieviel Arbeitskräfte und in welchen Fächern auszubilden waren usw.. Aufgrund dieser Pläne wurde jedem Betrieb ein besonderer Plan zugestellt.

Aber nun hatte jeder Betrieb den Plan in den Händen. Hatte nun, sagen wir, eine Kollektivwirtschaft sich mit der einfachen Erfüllung der durch den Plan gestellten Aufgabe begnügt? Nein, die sKollektivwirtschaft hatte ihre materiellen Mittel und Arbeitskräfte noch einmal überschlagen und dachte darüber nach, ob man den Plan nicht übererfüllen, ob man die Fristen nicht kürzen, die Kosten herabsetzen konnte usw.. Und der Plan wurde oft übererfüllt.

„Der Produktionsplan“, sagte J.W. Stalin, „ist in Wirklichkeit die lebendige und praktische Tätigkeit von Millionen Menschen…das sind lebendige Menschen, das sind wir alle miteinander, das ist unser Arbeitswille…“

Auf diese Weise wurde die gesamte Volkswirtschaft der UdSSR nach einem einheitlichen volkswirtschaftlichen Plan, unter einheitlicher Leitung geführt im Interesse der Steigerung des gesellschaftlichen Reichtums, der stetigen Erhöhung des materiellen und kulturellen Wohlstandes der Werktätigen, der Sicherung der Unabhängigkeit der UdSSR und der Stärkung ihrer Verteidigungsfähigkeit. (Später, nach Stalins Tod, klappte das Ineinandergreifen der Rädchen der Planwirtschaft nicht mehr. Hinzu kam später der Eingriff durch die „Entspannungspolitik“ seitens des Westens. Es kam zur Abhängigkeit von ausländischer Währung und vieles wurde exportiert, was der einheimischen Bevölkerung fehlte. Mangelwirtschaft machte sich breit. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung wuchs und die Konterrevolution konnte schließlich 1989/90 marschieren. P.R.)

Darin bestand einer der grundlegenden Unterschiede zwischen der sozialistischen und der kapitalistischen Gesellschaft, wo es keine Planung der Volkswirtschaft gibt, wo jeder Besitzer seinen Betrieb einzig und allein in seinem eigenen Interesse, mit dem Ziel, Profit zu machen führt.

Die sozialistische Planwirtschaft bot dem Sowjetstaat sowohl bei der Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte des Landes als auch bei dessen Verteidigung gegen äußere Feinde gewaltige Vorteile. Die Sowjetunion hatte gegen eine äußerst starke Militärmacht -das faschistische Deutschland- und deren Verbündete zu kämpfen, wobei Deutschland sich auf das Wirtschaftspotential und die Menschenreserven fas des ganzen von ihm eroberten Westeuropas stützen konnte. Und trotzdem ging die Sowjetunion aus diesem schweren Krieg als Sieger hervor. Wie ist das zu erklären?

J.W. Stalin sagte: „Die wirtschaftliche Grundlage des Sowjetstaates hat sich unvergleichlich lebensfähiger gezeigt als die Wirtschaft der feindlichen Staaten. Die von der Oktoberrevolution hervorgebrachte sozialistische Gesellschaftsordnung hat unserem Volk und unserer Armee eine große und unüberwindliche Kraft verliehen.“

Die sozialistische Planwirtschaft, die auf Grundlage des gesellschaftlichen, sozialistischen Eigentums aufgebaut war und von einem einheitlichen Zentrum aus gelenkt wurde, stellte eine der Hauptquellen der Stärke und Macht der Sowjetunion dar.

4. Der Sozialismus im Alltagsleben des Volkes

Einst war der Sozialismus nur eine Theorie, eine Lehre, über die man sich stritt, ob sie in die Tat umgesetzt werden könne oder nicht. In einem der größten Staaten der Erde war der Sozialismus Wirklichkeit geworden und war fest ins Alltagsleben der Völker der Sowjetunion eingegangen.  (Allerdings war dies nur auf Zeit, so dass wieder darum gestritten wird, ob der Sozialismus nur eine Lehre ist oder in die Tat umgesetzt werden kann. Nun gilt der Sozialismus in Europa als gescheitert. P.R.)

Der Sozialismus im Leben bedeutete die Abschaffung der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen, die Abschaffung der Arbeitslosigkeit und der Armut, ständiges Wachstum des Wohlstandes und der Kultur der Volksmassen. Der Sozialismus im Leben – das waren die neuen Verhältnisse zwischen den Menschen, wie sie in der sozialistischen Gesellschaft sich gestaltet hatten. Der Sozialismus im Leben war das stolze Bewusstsein, dass du für dich selbst und die Gesellschaft der Werktätigen, die aus ebensolchen Schaffenden wie du bestand, arbeitest, dass du ein vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft, der vollberechtigte Herr des eigenen Landes und seiner Reichtümer warst. Der Sozialismus im Leben war die feste Gewissheit, dass dir alle Wege und Möglichkeiten offenstanden, um deine schöpferischen Kräfte und Fähigkeiten zu entfalten.

Dieses Bewusstsein, diese Gewissheit beruhte auf der grundlegenden Tatsache des sowjetischen Lebens, über die Stalin gesagt hat: „In unseren Fabriken und Werken wird ohne Kapitalisten gearbeitet. Die Arbeit wird von Menschen aus dem Volke geleitet. Das wird bei uns Sozialismus der Tat genannt.  Auf unseren Feldern arbeiten die Werktätigen des Dorfes ohne Gutsherrn und Kulaken. Die Arbeit wird von Menschen aus dem Volke geleitet. Das wird bei uns Sozialismus im Leben, das wird bei uns freies, sozialistisches Leben genannt.“

Stalins Worte ließen sich durch Tatsachen aus dem Leben unschwer bestätigen. Da waren zum Beispiel die in der Sowjetunion angesehene Familie Korobow. Der Vater -I.G. Korobow – war ein alter Hüttenarbeiter (geboren im Jahre 1882). Als Knabe besuchte er zwei Winter lang die Grundschule. Dann trat er als Hilfsarbeiter in ein Hüttenwerk ein. Einmal wäre er durch das aus dem Hochofen ausfließende Gusseisen fast verbrannt worden. Ein anderes Mal wäre er im glühenden Hochofen, in den er bei einer Reparatur am Strick hinabgelassen wurde, fast erstickt. Durch seine Findigkeit und seine Beharrlichkeit hatte es bis zum Meister gebracht -ein für die damalige Zeit seltener Fall. Seit 1918 war I.G. Korobow Obermeister der Hochofenabteilung des Kirow-Werks in Makejewka. Er hatte über ein halbes Hundert Verbesserungsvorschläge eingebracht, und seine Erfindungen hatten den Hüttenproduktionsprozess grundlegen umgestaltet.

 

Im Jahre 1937 hatte das Volk I.G. Korobow zum Deputierten (Abgeordneten) des Obersten Sowjets der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik(ausgerechnet die Ukranie. P.R.) und im Jahre 1946 zum Deputierten des Obersten Sowjets der UdSSR gewählt.

Nach der Befreiung des Donezbeckens von den hitlerischen Okkupanten kehrte der Obermeister unverzüglich nach Makejewka zurück und nahm an der Wiederherstellung des Werkes teil. (Na ja, seine Nachfahren haben nun einen schweren Stand. P.R.)

Die drei Söhne von Korobow hatten in den Jahren der Sowjetmacht Hochschulen absolviert und bekleideten  ( Stand 1947) verantwortungsvolle Posten. Nikolaj Korobow war Chefingenieur der Hauptverwaltung der Hüttenindustrie des Urals und des Ostens. Pawel Korobow war stellvertretender Minister für Eisenhüttenwesen. Im Jahre 1937 wurde er zum Deputierten (Abgeordneten) des Obersten Sowjets der UdSSR gewählt und im Jahre 1946 wiedergewählt. Ilja Korobow war Direktor des großen Petrowskij-Hüttenwerks in der Ukraine. (Ausgerechnet die Ukraine. Die armen Nachfahren. P.R.)

Die Leiter der sowjetischen Industrie waren zum größten Teil aus den Reihen der Arbeiter und Bauern sowie der Intelligenz hervorgegangen. Nach einer Beratung der Hüttenfachleute in Moskau brachte Stalin beim Empfang im Kreml einen Trinkspruch auf die alten und neuen Kämpfer an den Hochöfen und auf die Familie Korobow aus. Dann sagte er freundschaftlich zu I.G. Korobow: „Du bist ein Prachtkerl! Vielen Dank dafür, dass du eine solche Familie großgezogen hast!“ „Prachtkerl meinetwegen!“ antwortete dieser, „wenn es aber keine Sowjetmacht gegeben hätte, wäre aus mir kein Prachtkerl geworden!“ (Wie mag es den Nachfahren dieser Familie heute gehen? Auch noch ausgerechnet in der Ukraine? P.R .)

Ähnliches war auch in der Landwirtschaft zu beobachten. Nehmen wir als Beispiel eine sowjetische Kollektivwirtschaft – die Timirjasew-Kollektivwirtschaft im Gordodezer Rayon des Gebietes Gorki. Das war ein ganzes Städtchen mit einem Kraftwerk und einer Wasserleitung, mit Klub, Schule, Krankenhaus, Entbindungsheim, Kindergarten und -krippe sowie verschiedenen anderen kulturellen Einrichtungen. Der Kollektivwirtschaft war durch eine Staatsurkunde 3189 Hektar Boden zu unentgeltlicher und unbefristeter Nutzung, d.h. für ewig zuerkannt worden. Davon entfielen 1632 Hektar auf Ackerboden, 72 Hektar auf den Gemüse- und 15 Hektar auf den Obstgarten der Kollektivwirtschaft. Die Kollektivwirtschaft besaß fünf Farmen: eine Meierei mit 100 Kühen, eine Schweinemästerei, eine Schäferei, eine Geflügelfarm und ein Pferdegestüt, im dem Vollbluttraber gezüchtet wurden. Die Kollektivwirtschaft hatte eine Reihe von Nebenbetrieben: Wind- und Dampfmühle, Butterfabrik, Ziegelei, Dachziegelfabrik, Töpferei, Filzschuhwerkstatt, Tischlerei und Imkerei. Diese reiche und vielseitige gesellschaftliche Wirtschaft wurde von dem einheimischen Bauer I.A. Jemeljanow geleitet, der im Dorfe Medwedkowo im Jahre 1901 geboren wurde. Er war der Organisator der im Jahre 1930 entstandenen Kollektivwirtschaft und war seitdem ihr stets wiedergewählter Vorsitzender.  (Diese und andere damalige Kollektivwirtschaften samt Sozialeinrichtungen stehen heute vermutlich leer und sind dem Verfall preisgegeben. P.R.)

Man könnte beliebig viele solcher Beispiele anführen. Sie bestätigen alle, dass in der Sowjetunion die Werktätigen selbst ohne Kapitalisten und Gutsherren ihre sozialistische Wirtschaft führten, dass in der Sowjetunion unter der Führung der bolschewistischen Partei tatsächlich jene gerechte, sozialistische Gesellschaftsordnung Wirklichkeit geworden war, für die Tausende fortschrittlicher Menschen des Sowjetlandes ihr Leben hingegeben hatten. (Ihr Tod war umsonst.P.R.)

5. Die moralisch-politische Einheit der Sowjetgesellschaft

Am 17. Januar 1939 wurde im ganzen Lande eine allgemeine Volkszählung durchgeführt. Es ergab sich, dass in der Sowjetunion etwa 170 Millionen Menschen lebten. (Mit dem Eintritt der neuen sozialistischen Sowjetrepubliken und Gebiete in die Sowjetunion in den Jahren 1939(40 hatte sich die Bevölkerung der UdSSR um mehr als 23 Millionen Menschen vergrößert.) Davon bildeten Arbeiter und Angestellte (mit Familien) die Hälfte, die Kollektivbauern und die in Genossenschaften zusammengeschlossenen Kleingewerbetreibenden etwas weniger als die Hälfte. Es blieb noch eine geringe Anzahl von Einzelbauern und einzelnen Kleingewerbetreibenden, die in ihrem Privatbetrieb arbeiteten, ohne fremde Arbeit auszubeuten. Mit ihren Familien stellten sie 2,5 v.H. der Bevölkerung dar.

Auf diese Weise bestand die Sowjetgesellschaft nur aus Werktätigen -aus Arbeitern, Bauern und der Intelligenz, die ebenfalls aus den Reihen der Arbeiter und Bauern aufgefüllt wurde. Dabei arbeitete die erdrückende Mehrheit der Werktätigen in der sozialistischen Wirtschaft- in den staatlichen Betrieben und Ämtern oder in den genossenschaftlich-kollektivwirtschaftlichen Betrieben. In der Sowjetgesellschaft gab es keine Ausbeuterklassen oder -schichten, keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das bedeutet eben, dass die sowjetische Gesellschaft eine sozialistische war.

Dennoch gab es in der Sowjetgesellschaft zwei Klassen- die Arbeiterklasse und die Bauernschaft. Die erhalten gebliebene Einteilung in Arbeiter und Bauern (in erdrückender Mehrheit Kollektivbauern) erklärt sich dadurch, dass es im Sowjetlande zwei Formen des sozialistischen Eigentums, zwei Formen der sozialistischen Betriebe gab.

Die Arbeiter und Bauern stellten obwohl verschiedene, doch befreundete Klassen dar. Die Arbeiterklasse war die führende und leitende Klasse in der sowjetischen Gesellschaft. Die Arbeiterklasse und die werktätige Bauernschaft kämpften gemeinsam um ihre Befreiung, besiegten gemeinsam ihre Feinde und bauten gemeinsam eine neue, die sozialistische Gesellschaft auf. Ihre Interessen in allen Grundfragen waren völlig übereinstimmend. Und auch ihre Ziele waren die gleichen: Festigung des Sowjetstaates, Sicherung eines dauerhaften Friedens unter den Völkern, Weiterentwicklung der sozialistischen Sowjetgesellschaft und einträchtige Arbeit, um das Leben reicher und kultivierter zu gestalten.

Lasst in Gedanken Euren Blick über das gesamte damalige Sowjetland von der einen Grenze bis zur anderen schweifen und Ihr werdet sehen, welch unvergleichliches Bild freundschaftlicher Zusammenarbeit von Arbeitern, Bauern und Intelligenz die sozialistische Sowjetgesellschaft bot. Ihr werdet sehen, wie einmütig das sowjetische Volk war, und wie Millionen und aber Millionen von Sowjetmenschen sich gegenseitig in brüderlicher Weise unterstützten und an einem gemeinsamen großen Werk arbeiteten.

Diese tiefgehende Einheit der grundlegenden Interessen, Ansichten und Ziele der Sowjetmenschen, ihr Zusammenschluss um die Sowjetregierung und die kommunistische Partei stellten die moralisch-politische Einheit des Sowjetvolkes dar. Wie war sie entstanden?

Diese Einheit entstand keinesfalls sofort. Eine solche tiefgehende Einheit des gesamten Sowjetvolkes gab es nicht zu der Zeit, als im Sowjetdorfe die kleinen privaten Einzelwirtschaften vorherrschten. Sie entwickelte sich nach und nach, in dem Maße, wie die Bauern immer mehr zu der sozialistischen Aufbauarbeit herangezogen und vom Bewusstsein durchdrungen wurden, dass ihre Interessen des gesamten Volkes und Staates übereinstimmen.

Die moralisch-politische Einheit des Sowjetvolkes wurzelte also darin, dass die wirtschaftliche Grundlage der sozialistischen Gesellschaft eine einheitliche war und dass alle Sowjetmenschen Werktätige einer einheitlichen sozialistischen Wirtschaft waren.

Auf diesem Boden war die moralisch-politische Einheit der sozialistischen Sowjetgesellschaft erwachsen. Diese Einheit festigte sich noch mehr auf der Grundlage der freundschaftlichen Zusammenarbeit der Arbeiter, Bauern und Intelligenz sowohl in den Jahren der friedlichen sozialistischen Aufbauarbeit als auch in den Jahren des Vaterländischen Krieges (II. Weltkrieg P.R.)gegen den deutschen Faschismus.

Die moralisch-politische Einheit der Sowjetgesellschaft kam ferner in der Einigkeit und Freundschaft der gesamten Sowjetvölker zum Ausdruck und war eine unerschöpfliche Quelle des sowjetischen Patriotismus, der sich im Vaterländischen Krieg (II. Weltkrieg) mit besonderer Kraft offenbarte.

Eine solche moralisch-politische Einheit wie in der UdSSR gibt es in der kapitalistischen Gesellschaft nicht und kann es auch nicht geben, weil dort ein unversöhnlicher Kampf zwischen Arbeitern und Kapitalisten, zwischen Bauern und Gutsherren, zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern vor sich geht.

Die freundschaftliche Zusammenarbeit der Arbeiter, Bauern und Intelligenz, die moralisch-politische Einheit der Sowjetgesellschaft, stellt eine der Hauptquellen der (man glaubte damals, aber irrte P.R.)unzerstörbaren Festigkeit und Macht der Sowjetunion dar.

Die moralisch-politische Einheit des Sowjetvolkes offenbarte sich mit besonderer Anschaulichkeit und Stärke in der Liebe des gesamten Volkes zu dem Leiter des Sowjetlandes, J.W. Stalin. (Seit dem Tode Stalins wird dies verschwiegen und Stalin wird bis heute verdammt. Was hier als moralisch-politische Einheit bezeichnet wird, bröckelte seit dem Tode Stalins. So kam es dann zum bitteren Ende. P.R.)

Nun haben wir die wichtigsten Besonderheiten der sozialistischen Sowjetgesellschaft, wie ihre wirtschaftliche Grundlage, die Entlohnung nach der Menge und Qualität der geleisteten Arbeit sowie die Klassenzusammensetzung und die moralisch-politische Einheit der Gesellschaft dargelegt. Die sozialistische Sowjetgesellschaft hatte noch eine wichtige Besonderheit: ihre politische Grundlage, ihre staatliche Organisation. Diese werden wir in einem anderen Beitrag kennenlernen.

Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 3 aus dem Jahre 1947, Original-Autor W.A. Karpinskij, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 3

Die Stalinsche Verfassung

Verfassungen der UdSSR

Die Verfassungen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken waren drei von verschiedenen Regierungen der Sowjetunion erlassene Verfassungen.

Die sowjetische Verfassung von 1924 trat am 31. Januar 1924 in Kraft und bestand aus zwei Teilen: der Deklaration über die Gründung der UdSSR und dem Gründungsvertrag der UdSSR.

Am 5. Dezember 1936 wurde die sogenannte Stalin-Verfassung (benannt nach Josef Stalin) vom Sowjetkongress angenommen.

1977 ersetzte die sogenannte Breschnew-Verfassung (benannt nach Leonid Breschnew) jene aus dem Jahre 1936. Diese Verfassung blieb bis zur Volksabstimmung über eine neue Verfassung der Russischen Föderation im Jahr 1993, also bis nach dem Ende der Sowjetunion, in Kraft und wurde über 300 mal geändert.

Alle drei Verfassungen gewährten den Teilrepubliken das Recht, die Union zu verlassen (Verfassung von 1924 in Artikel 4, Verfassung von 1936 in Artikel 17, Verfassung von 1977 in Artikel 72). Diese Regelung hat vermutlich dazu beigetragen, dass die Abtrennung der baltischen Staaten früh und weitgehend unblutig vollzogen werden konnte. 

Text entnommen aus Wikipedia


Ausführlich wird in diesem Beitrag auf die Stalin-Verfassung, bzw. Stalinsche Verfassung eingegangen, die im Buch „Das Sowjetland“, Band 3, Original-Autor W.A. Karpinskij, ausführlich beschrieben wird. 

Die Stalinsche Verfassung

Die Verfassung ist das Grundgesetz des Staates. (1947 kannte man noch nicht die unterschiedlichen Bedeutungen der Begriffe „Grundgesetz“ und „Verfassung“. In Deutschland gibt es bis heute ein Grundgesetz, aber keine Verfassung.  In der alten BRD galt das Grundgesetz als Provisorium, da man schon immer darauf aus war, die DDR an die BRD anzuschließen. Nach einer Wiedervereinigung sollte dann eine Verfassung kommen. 1990 gab es, aller anderslautenden Behauptungen zum Trotz, keine Wiedervereinigung. In der Endphase der DDR wurden neue Bundesländer gebildet. Diese sind der BRD beigetreten. Somit ist das Grundgesetz der alten BRD weiterhin gültig.)

Die von 1936 bis 1977 gültige Verfassung der UdSSR wurde von dem außerordentlichen Sowjetkongress der UdSSR am 05. Dezember 1936 bestätigt. Im Volke wurde sie nach ihrem Schöpfer J.W. Stalin die Stalinsche Verfassung genannt.

In der Stalinschen Verfassung wurden in kurzer Form zum ersten Male die Grundlagen jener neuen, gerechten, sozialistischen Gesellschaftsordnung niedergelegt, von der die besten Geister der Menschheit jahrhundertelang träumten und die im Sowjetland verwirklicht wurde.  Darin besteht die große welthistorische Bedeutung der Stalinschen Verfassung.

Die große Sozialistische Oktoberrevolution hatte die alte Staatsordnung gestürzt, den Ausbeuterklassen die Macht entrissen und sie den werktätigen Massen übergeben. Erst nachdem im Lande eine neu sowjetische Staatsordnung errichtet worden war, wurde die Verfassung angenommen.

Das Volk -die Arbeiter- und Bauernmassen- haben also zunächst unter der Führung der bolschewistischen Partei die alte Ordnung gestürzt und eine neue geschaffen; erst dann sind die Vertreter des Volkes zusammengetreten und haben die Verfassung aufgesetzt, haben niedergeschrieben, was das revolutionäre Volk in die Tat umgesetzt hatte. (Den Begriff „Grundgesetz“ lasse ich in der Bearbeitung aus, um Irrigationen, im Zusammenhang mit der Bedeutung „Grundgesetz“ in Deutschland, zu vermeiden. P.R.)

„Die Verfassung“, sagte J.W. Stalin, „ist die Registrierung und gesetzgeberische Verankerung der bereits erzielten und gesicherten Errungenschaften.“

Die erste sowjetische Verfassung die unter Anleitung von W.I. Lenin und J.W. Stalin aufgesetzt worden war, wurde vom V. Allrussischen Sowjetkongress am 10. Juli 1918 angenommen. Was wurde in dieser Verfassung niedergeschrieben und gesetzgeberisch verankert?

Sie spricht vom Übergang der gesamten Staatsgewalt an die Sowjets, von der Gleichberechtigung aller Völker, die auf dem Gebiet Sowjetrusslands leben, von dem Übergang des gesamten Bodens, seiner Schätze, der Waldungen und Gewässer in den Besitz des ganzen Volkes, von der Übergabe der Banken in den Besitz des Arbeiter- und Bauernstaates, von der Arbeiterkontrolle über die Industrie, Handels- und Landwirtschaftsbetriebe sowie über die Organisation der zentralen und örtlichen Organe der Sowjetmacht.

Aber in der Verfassung des Jahres 1918 stand nichts von der Verankerung der sozialistischen Ordnung im Sowjetland. Es war noch zu wenig Zeit vergangen, als dass man es vermocht hätte, das ganze Land auf sozialistische Art und Weise umzugestalten.

Lenin sagte damals in seinem Bericht an den V. Allrussischen Sowjetkongress: „ …Wir kennen noch keinen Sozialismus, den man in Paragraphen niederlegen könnte.“

Wladimir Iljitsch Lenin (Nach einer Zeichnung von P. Wassiljew)
Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 3, aus dem Jahre 1947

Im Jahre 1922 entstand die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Die neue Verfassung -die erste Verfassung der UdSSR- wurde unter der Leitung von W.I. Lenin und J.W. Stalin ausgearbeitet und durch den II. Sowjetkongress der UdSSR am 31. Januar 1924 gebilligt und bestätigt. In dieser Verfassung wurde die Schaffung des Sowjet-Bundesstaates, die Bildung der Organe der Staatsgewalt und der Staatsverwaltung für die gesamte Union niedergeschrieben und verankert.

Aber auch hier findet man noch nichts über die Verankerung der sozialistischen Ordnung. Damals wurde die sozialistische Aufbauarbeit erst in Angriff genommen, und der Sozialismus, den man in den Artikeln der Verfassung des Landes hätte niederschreiben können, war noch nicht aufgebaut.

Die grundlegenden Veränderungen in der gesamten Wirtschaft des Sowjetlandes gingen in den Jahren des ersten und zweiten Stalinschen Planjahrfünfts (1928-1937) vor sich. In dieser Zeitspanne wurden die wurden die Ausbeuterklassen genauso wie die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufgehoben. Die Arbeiterklasse, die Bauernschaft und die Intelligenz haben sich grundsätzlich gewandelt. Die Freundschaft und brüderliche Zusammenarbeit unter den Völkern der Sowjetunion war noch fester geworden.

Alle diese großen Veränderungen im Leben des Landes fanden in der Stalinschen Verfassung ihren Niederschlag. Hier findet man eine kurze Niederschrift über die Tatsachen der lückenlosen Befreiung der Werktätigen der UdSSR aus der kapitalistischen Sklaverei, über die Tatsachen des Sieges des Sozialismus in der Sowjetunion, über die entfaltete, konsequent und restlos durchgeführte Demokratie.

Die Stalinsche Verfassung hat also die großen Errungenschaften der Arbeiter und Bauern des Sowjetlandes, die von ihnen im Kampf für einen neuen, den sozialistischen Gesellschaftsaufbau, für die neue, sowjetische Staatsordnung errungenen Erfolge gesetzgeberisch verankert.

J.W. Stalin sagte: „Als das Ergebnis des zurückgelegten Weges des Kampfes und der Entbehrungen ist es angenehm und erfreulich, eine Verfassung zu haben, die von den Früchten unserer Siege spricht. Angenehm und erfreulich ist es, zu wissen, wofür unsere Genossen gekämpft und wie sie den welthistorischen Sieg errungen haben. Angenehm und erfreulich ist es zu wissen, dass das reichlich vergossene Blut der Unsrigen nicht umsonst geflossen ist, dass es seine Früchte gezeigt hat.“ (Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass doch alles umsonst war. Aber ein Meilenstein der Geschichte war es allemal. P.R.)

Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 3, aus dem Jahre 1947, Original-Autor W.A. Karpinskij, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 3, aus dm Jahre 1947, Original-Autor W.A. Karpinskij

Lenin und Stalin an der Spitze des Aufstandes

Lenin und Stalin riefen die Massen zum Aufstand im Namen der Rettung Russlands vor dem Untergang auf, den ihm die Deutschen und die Feinde im Inneren bereiteten, im Namen des Aufblühens des Lebens aller seiner Völker.

Lenin und Stalin erläuterten, dass der Sieg der sozialistischen Revolution das rückständige Russland gänzlich umgestalten, dass er die breiten Massen der Werktätigen zu einem neuen, freien und glücklichen Leben erheben würde. „Untergehen oder mit Volldampf nach vorwärts streben. So ist die Frage durch die Geschichte gestellt“, schrieb Wladimir Iljitsch.

Die verantwortungsvollen und anstrengendsten Tage der Vorbereitung des Aufstandes waren angebrochen. In diesem entscheidenden Augenblick begingen die Verräter der Revolution Kamenew und Sinowjew einen unerhörten Verrat. Sie veröffentlichten in der menschewistischen Zeitung „Nowoja Shisnj“ („Das Neue Leben“) eine Erklärung über ihre Meinungsverschiedenheiten mit der Partei in den Fragen des Aufstandes und enthüllten damit den geheimen Beschluss der Bolschewiki über die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes. Gleichzeitig plauderte ihn auch der Judas Trotzkij aus. Lenin brandmarkte den Verrat als grenzenlose Gemeinheit. In seinem Brief an das Zentralkomitee schrieb er: „Schwere Zeiten. Eine schwere Aufgabe. Ein schwerer Verrat. Und trotzdem wird die Aufgabe gelöst werden, die Arbeiter werden sich zusammenschließen, der Bauernaufstand und die äußerste Ungeduld der Soldaten an der Front werden das ihrige tun! Schließen wir die Reihen enger – das Proletariat muss siegen!“

Der Verrat Kamenews, Sinowjews und Trotzkijs versetzte der Vorbereitung des Aufstandes einen ernsthaften Schlag. Die Bourgeoisie begann fieberhaft zum Widerstand zu rüsten. Die Hauptstadt wurde in Militärbezirke eingeteilt. Zusätzliche Patrouillen wurden eingesetzt, die Wachen verstärkt. Über die ganze Stadt wurden Kavallerieposten verteilt. Vor dem Winterpalast waren Maschinengewehre aufgestellt. Von der Front wurden eiligst Truppen beordert.

Auf einer geheimen Sondersitzung erörterte die Provisorische Regierung, welche Maßnahmen gegen die Bolschewiki noch ergriffen werden könnten. Kerenskij gab, wie in den Julitagen, erneut den Befehl, Lenin zu verhaften und dem Untersuchungsrichter für besonders wichtige Angelegenheiten auszuliefern.

Aber die Vorbereitungen zum Aufstand konnte der Feind nicht mehr zum Stehen bringen. Der bewaffnete Aufstand, sagte Lenin, ist, wenn auch die Verräter, die das Parteigeheimnis den schlimmsten Feinden des Volkes verraten haben, ihn hinausgeschoben haben, durch die Partei von der Tagesordnung nicht abgesetzt werden.

Die Bolschewiki setzten die intensive Vorbereitung der Massen zum bewaffneten Aufstand fort. In den Fabriken und Werken wurden die rotgardistischen Kampfabteilungen verstärkt. Verbindung mit den Truppenteilen wurde hergestellt. In die Abteilungen traten auch Arbeiterinnen ein. Sie bereiteten sich gemeinsam mit ihren Vätern, Männern und Brüdern zum Kampfe vor.

Eine der wichtigsten Kampfkräfte des Aufstandes war die Baltische Flotte. Die Matrosen erkannten schon lange nicht mehr die Macht der Provisorischen Regierung an und kamen ihren Anordnungen nicht nach.

Der Sturm rückte heran. Das revolutionäre Volk und die konterrevolutionäre Bourgeoisie standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber, zum tödlichen Zusammenstoß bereit.

Am Morgen des 24. Oktober begann Kerenskij seinen Angriff gegen die Bolschewiki. Er befahl die Schließung des Zentralorgans der Partei, der Zeitung „Rabotschij Putj“ („Der Arbeiterweg“), und des Organs der bolschewistischen Militärorganisation, der Zeitung „Soldat“. Eine Abteilung von Offiziersschülern überfiel mit Panzern die Druckerei.

Die Rotgardisten und die Arbeiter der Druckerei teilten dies sofort J.W. Stalin telefonisch mit. „Sind es viele?“ fragte Stalin. „Eine kleine Abteilung mit einem Offizier an der Spitze“, war die Antwort. „Gut“, antwortete Stalin, „ich werde sofort Panzerautos schicken.“

Auf Vorschlag Stalins gab das Revolutionäre Militärkomitee als Antwort auf diese Aktion der Konterrevolution den Redakteuren und Setzern den Befehl, die Arbeit fortzusetzen, den Soldaten aber, die Druckerei zu bewachen. Am 24. Oktober um 10 Uhr morgens wurde dieser Befehl ausgeführt. Die Rotgardisten und revolutionären Soldaten drängten die Offiziersschüler zurück und setzten ihre Wache ein. Der Druck des „Rabotschij Putj“ und des „Soldat“ wurde wieder aufgenommen.

Am Abend des 24. Oktober schickte Wladimir Iljitsch einen flammenden, besorgnisvollen Brief an die Mitglieder des Zentralkomitees der Partei der Bolschewiki.

„Ich schreibe diese Zeilen am 24. Oktober abends“, so begann dieser historische Brief. „Die Lage ist äußerst kritisch. Es ist sonnenklar, dass jetzt eine Verzögerung des Aufstandes schon wahrhaftig den Tod bedeutet.“ Weiterhin forderte Lenin: „…auf keinen Fall darf die Macht bis zum 25 Oktober in den Händen Kerenskijs und Konsorten belassen werden, unter keinen Umständen; die Sache ist unbedingt heute Abend oder heute Nacht zu entscheiden.“

Am gleichen Tage schrieb der Kampfgenosse des großen Lenin, J.W. Stalin, in der Zeitung, die Kerenskij hatte vernichten wollen:

„Der Augenblick ist gekommen, wo eine weitere Verzögerung die gesamte Sache der Revolution mit dem Untergang bedroht. Man muss die jetzige Regierung der Gutsbesitzer und Kapitalisten durch eine neue Regierung der Arbeiter und Bauern ersetzen…

Die Macht muss in die Hände der Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten übergehen.“

So ertönten im Einklang die Kampfaufrufe der Führer der Revolution Lenins und Stalins, die Aufrufe zum bewaffneten Aufstand.

J.W. Stalin blieb am 24. Oktober den ganzen Tag über im Gebäude des Smolnyj-Institutes- dem Stab der Bolschewiki, wo sich das Revolutionäre Militärkomitee befand, und leitete die letzten Vorbereitungen zum Aufstand. Am Abend des 24. Oktober begab sich Wladimir Iljitsch von der Wiborger Seite zum Smolnyj.

Nachdem Lenin sich verkleidet hatte, begab er sich in Begleitung eines Verbindungsmannes auf die Straße. Die Straßen waren leer. Eine einsame Straßenbahn fuhr eilends ins Depot. Wladimir Iljitsch sprang in den Wagen und fragte die Schaffnerin, wohin sie fahre. „Das ist aber ein Sonderling, wo bist du denn hergekommen?“ rief die Frau aus. Weißt du denn nicht, dass Revolution sein wird? Wir fahren die Bourgeoisie schlagen.“

Nachdem sich Lenin glücklich durch die Patrouillen der Junker hindurchgeschlagen hatte, erschien er im Revolutionsstab im Smolnyj. Gemeinsam mit Stalin übernahm er die Leitung des Aufstandes und stellte sich unmittelbar an die Spitze der Volksrevolution.

Lenin war für die Revolution geboren“, sagte J.W. Stalin. „Er war wahrhaft der Genius revolutionärer Explosionen und der größte Meister revolutionärer Führung. Nie fühlte er sich so frei, nie war er so froh wie in einer Epoche revolutionärer Erschütterungen…nie offenbarte sich Lenins genialer Scharfblick so voll und klar wie in der Zeit revolutionärer Explosionen. In den Tagen der Wendepunkte der Revolution blühte er gleichsam auf, wurde zum Hellseher, erriet die Bewegung der Klassen und die wahrscheinlichen Zickzackwege der Revolution, sah sie ganz klar vor sich. Nicht umsonst heißt es in unseren Parteikreisen, dass ‚Iljitsch in den Wellen der Revolution zu schwimmen versteht wie der Fisch im Wasser‘.“

In der historischen Nacht vom 24. Zum 25. Oktober (vom 06. Zum 07. November) 1917 begann die Verwirklichung des genialen Leninschen Planes des bewaffneten Aufstandes gegen die Bourgeoisie, gegen die russischen Imperialisten, für die Macht der Sowjets, für den Sozialismus.

Der Aufstand entwickelte sich erfolgreich. Schnell wurden das Telegrafenamt, die Bahnhöfe, die Elektrizitätswerke und die staatlichen Ämter der Hauptstadt besetzt. Die Aufständischen unterbrachen die Telefonverbindungen des Winterpalastes, wo die Provisorische Regierung tagte. Die in Petrograd garnisonierten Soldaten gingen entschlossen auf die Seite der Bolschewiki über. Die geschickte Leitung der Bolschewiki, die Kühnheit, der revolutionäre Ansturm und die Disziplin der Volksmassen verrichten das ihre: am Morgen des 25. Oktober (07.November) war fast ganz Petrograd in den Händen des aufständischen Volkes.

W.I. Lenin und J.W. Stalin im Smolnyj-Institut in den Oktobertagen des Jahres 1917 (Nach einer Zeichnung von P. Wassiljew)
Bild entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947

Am Morgen des 25. Oktober (07. November) erließ das Revolutionäre Militärkomitee den Aufruf „An die Bürger Russlands!“, der von Lenin verfasst war.  „Die Provisorische Regierung ist gestürzt“, so lautete der Leninsche Aufruf. „Die Staatsmacht ist in die Hände des Organs des Petrograder Sowjets der Arbeiter und Soldatendeputierten, des Revolutionären Militärkomitees, übergegangen, das an der Spitze des Petrograder Proletariats und der Garnison steht. Die Sache, für die das Volk gekämpft hat: das sofortige Angebot eines demokratischen Friedens, die Aufhebung des gutsherrlichen Grundbesitzes, die Arbeiterkontrolle über die Produktion, die Bildung einer Sowjetregierung- diese Sache ist gesichert. Es lebe die Revolution der Soldaten, der Arbeiter und der Bauern!“

Der Angriff auf die Revolution wurde fortgesetzt. Immer neue und neue Abteilungen von Rotgardisten zogen aus den Proletariervierteln Petrograds nach dem Zentrum der Stadt zum Smolnyj. Die Rotgardisten bemächtigten sich der Ämter, entwaffneten die Offiziersschüler und bezogen Kampfposten. Die revolutionäre Baltische Flotte kämpfte Schulter an Schulter mit dem aufständischen Volk. Allein aus Kronstadt kam eine Matrosenabteilung in Stärke von fünftausend Mann zur Belagerung des Winterpalastes herbei.

Kerenskij, der die Ankunft der Truppen, die von der Front herbeigerufen worden waren (sie gingen unterwegs auf die Seite der Aufständischen über), nicht abwartete, flüchtete in seiner Verzweiflung aus Petrograd.

Es begann die Belagerung des Winterpalastes. Dort hatten sich die von Kerenskij verlassenen Minister der Provisorischen Regierung unter dem Schutz einer Abteilung Offiziere und Offiziersschülern festgesetzt. Zur Verteidigung des Palastes waren Barrikaden errichtet worden.

Lenin ordnete an, den Winterpalast zu umzingeln und den Ministern und ihren Verteidigern ein Ultimatum zur Übergabe zu stellen und die Eroberung dieses letzten Zufluchtsortes der Bourgeoisie zu beschleunigen.

Beim Anbruch der Nacht begann von der Peter-Paul-Festung aus, die gegenüber dem Palast am anderen Ufer der Newa liegt, die Artilleriebeschießung des Winterpalastes. Auf der Newa lag der Kreuzer „Aurora“, dessen Geschütze auf den Winterpalast gerichtet waren, vor Anker. Der Kreuzer „Aurora“ unterstützte das Feuer aus der Peter-Paul-Festung mit Salven aus seinen Geschützen.

Die Verteidiger des Palastes erwiderten das Feuer aus Maschinengewehren. Der Feind musste das Feuer jedoch bald einstellen. Die revolutionären Truppen und Rotgardisten drangen in den Palast ein. Das Bollwerk der Herrschaft der Gutsbesitzer und der Bourgeoisie war gefallen. Als die Rotgardisten, Soldaten und Matrosen in den runden Saal des Palastes eingedrungen waren, sahen sie eine Gruppe erschrockener Menschen vor sich. Es waren die Minister Kerenskijs, die Vertreter der (vorerst P.R.)letzten Regierung der Gutsbesitzer und der Bourgeoisie Russlands.

Die Provisorische Regierung wurde verhaftet und in der Peter-Paul-Festung interniert. Mit der Einnahme des Winterpalastes in Petrograd endete der ewig (? P.R.) ruhmvolle 25. Oktober (7. November) des Jahres 1917.

Sturm auf den Winterpalast (Nach einem Gemälde von P. Sokolow-Skalja)
Bild entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947

Das von der Partei der Bolschewiki geführte Volk hatte (auf Zeit P.R.) den größten historischen Sieg errungen.

Während auf den Straßen der Hauptstadt der Angriff der Revolution sich siegreich entwickelte, trat im Smolnyj der Führer des (damals P.R.) siegreichen Volkes, Lenin, vor den Petrograder Sowjet. Mit verhaltenem Atem, mit Liebe und Stolz, hörten die Arbeiter- und Soldatendeputierten Wladimir Iljitschs Rede an.

Lenin sprach davon, dass die Arbeiter- und Bauernrevolution, zu der die Bolschewiki die Werktätigen aufgerufen hatten, sich vollzogen habe. „Die Bedeutung dieser Umwälzung“, erklärte er, besteht vor allem darin, dass wir eine Sowjetregierung ein eigenes Machtorgan haben werden.“                                Lenin sprach davon, dass von nun an eine neue Epoche in der Geschichte Russlands angebrochen sei, und dass die proletarische Revolution im Endergebnis zum Sieg des Sozialismus führen müsse. Die Aufgabe der jungen Sowjetmacht umriss Lenin folgendermaßen:                                                                     „In Russland müssen wir jetzt den Aufbau eines proletarischen sozialistischen Staates in Angriff nehmen.“

Die im Saal des Smolnyj versammelten Arbeiter und Soldaten nahmen Lenins Rede mit Begeisterung auf. Sie fühlten, dass der jahrhundertealte Traum der Volksmassen Russlands sich zu verwirklichen begann. Die Große Sozialistische Revolution war erfolgt.

In den Abendstunden des 25. Oktober, als auf dem Platz vor dem Winterpalast die letzten Kämpfe und die Liquidierung der Provisorischen Regierung der Gutsbesitzer und Kapitalisten vor sich gingen, wurde im Smolnyj der II. Allrussische Kongress der Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten der der wirkliche Herr des neuen Russlands war, eröffnet.  Die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre, die gesehen hatten, dass sie die Minderheit bildeten, verließen den Kongress und verzichteten auf die Teilnahme an seiner Arbeit. Es blieben die Bolschewiki und die parteilosen Delegierten des Kongresses. Sämtliche Entscheidungen dieses wirklich revolutionären Kongresses erfolgten einmütig. Der Kongress übernahm aus den Händen des Revolutionären Militärkomitees die Macht, die von den Petrograder Arbeitern und Soldaten im siegreichen bewaffneten Aufstand errungen worden war. Der Kongress beschloss: „Die gesamte Macht geht allerorts an die Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten über, die eine wirkliche revolutionäre Ordnung zu sichern haben.“

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 von 1947, Original-Autor B.M. Wolin, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947

Die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes

Der Einfluss der bolschewistischen Partei bei den werktätigen Massen stieg unaufhaltsam. Zu dieser Zeit begannen die Neuwahlen von Deputierten in die Sowjets. Die Arbeiter der Fabriken und Werke, die Soldaten der Truppenteile geben ihre Stimmen den Bolschewiki. Die Zusammensetzung der Sowjets veränderte sich auf diese Weise einschneidend. Ende August ging der Petrograder Sowjet auf die Seite der Bolschewiki über, einige Tage später auch der Moskauer Sowjet. Auf diese Weise konnten die Bolschewiki die Frage der Ergreifung der Macht bereits aufwerfen.

Der Zunahme der politischen Aktivität der Arbeiter in en Städten folgte auch die Zunahme der revolutionären Aktivität der Bauern auf dem Lande. Die breiten Massen der Bauern und später auch die Armee wandten sich jäh den Bolschewiki zu.

Die Bedingungen, die für einen erfolgreichen Aufstand notwendig waren, reiften bereits heran.

Lenin hatte stets die bolschewistische Partei gelehrt, dass die Kunst der bolschewistischen Politik, die auf den Sturz der Bourgeoisie ausgerichtet ist, darin besteht, die Bedingungen und den Augenblick zu berechnen, wenn die Avantgarde des Proletariats – die Partei – erfolgreich die Macht ergreifen kann, wenn die breiten Massen der Arbeiter und Bauern bereit sind, der Partei genügend Unterstützung zu erweisen. Dieser Moment war gekommen. Und Lenin beschleunigte die Vorbereitungen des bewaffneten Aufstandes.

Am 15. (28.) September erörterte da Zentralkomitee der Partei die an diesem Tage von Lenin erhaltenen Briefe, in denen davon gesprochen wurde, dass die Bolschewiki an die Spitze des Aufstandes der Volksmassen treten und die staatliche Macht übernehmen können und müssen. J.W. Stalin schlug vor, diese Briefe den örtlichen Parteiorganisationen als Direktive und Anweisung des Zentralkomitees der Partei für die Vorbereitung zum Aufstand weiterzuleiten. Unter den Mitgliedern des Zentralkomitees befand sich auch Kamenew. Indem er gegen Lenin und Stalin auftrat, bestand er darauf, dass Lenins Briefe verbrannt werden sollten. Aber das Zentralkomitee beschloss, so zu handeln, wie Stalin vorgeschlagen hatte. Die Briefe Lenins über die Vorbereitung zum Aufstand wurden an die größten Parteiorganisationen geschickt.

J.W. Stalin entwickelte tagaus, tagein in der Presse die Leninschen Anweisungen. Ende September 1917 stellte er in einem Artikel die Frage folgendermaßen auf: „Wir haben zwei Herrschaften vor uns: die Herrschaft Kerenskijs und seiner Regierung und die Herrschaft der Sowjets und Komitees… Entweder die Herrschaft der Regierung Kerenskijs – und damit die Herrschaft der Gutsbesitzer und Kapitalisten, Krieg und Ruin. Oder die Herrschaft der Sowjets – und damit die Herrschaft der Arbeiter und Bauern, Frieden und Liquidierung des Ruins. So und nur so stallt das Leben selbst die Frage.“

 

Unter der Leitung Stalins bereitete die Partei das Volk nach Leninschen Anweisungen für den bewaffneten Aufstand vor. Mit jedem Tage schlossen sich die Werktätigen immer enger um die bolschewistische Partei, um Lenin und Stalin zuzustimmen. Die Fristen des Aufstandes rückten näher. Ende September erklärte Lenin dem Zentralkomitee, dass man den Aufstand nicht länger aufschieben könne. Es ist nötig, schrieb Lenin, von drei Seiten: von Petersburg selbst, von Moskau und der Baltischen Flotte aus loszuschlagen. Tausende von bewaffneten Arbeitern und Soldaten der Hauptstadtsollen mit einem plötzlichen Schlage den Winterpalast nehmen und sich des Generalstabes, des Telefonamtes und aller größeren Druckereinen bemächtigen. Dies waren Lenins Vorschläge.

Als Ergebnis des Aufstandes, schrieb Lenin, wird eine Regierung gebildet, die dem Volke den Frieden sichern, den Bauern das Gutsbesitzerland übergeben und von den Massen Unterstützung finden wird. Dies wird die sowjetische Regierung sein; sie wird unüberwindbar sein. (Leider irrte sich Lenin. P.R.)

In dieser Zeit spitzte sich die militärische und innere Lage Russlands immer mehr zu. Die Auflösung der Armee schritt fort, da die Arbeiter und Bauern ihr Blut nicht für die Interessen der imperialistischen Räuber vergießen wollten. Dem Land drohte Hungersnot. Das Eisenbahntransportwesen war ganz und gar zerrüttet. Die Fabriken und Werke, die weder Rohstoffe noch Heizmaterial erhielten, kamen zum Erliegen. Eine Massenarbeitslosigkeit setzte ein. Die Kapitalisten untergruben absichtlich die Produktion, sie planten, auf diese Weise den Zusammenbruch der Republik, den Untergang der Sowjets hervorzurufen. Überall wurde das schwarze Netz der konterrevolutionären Verschwörungen gesponnen. Die Bourgeoisie schickte sich an, mit Deutschland Frieden zu schließen, um mit Hilfe der Deutschen die Revolution zu ersticken. Im Namen der Wiederherstellung des zaristischen Regimes und der Rettung der Reichtümer waren die Feinde des Volkes bereit, den ausländischen Räubern das gesamte Russland zur Versklavung auszuliefern.

Russland drohte ein völliger Zerfall, ihm drohte der Verlust der staatlichen Unabhängigkeit. Nur der Übergang der Macht in die Hände der Bolschewiki konnte das Land vor der hereinbrechenden Katastrophe retten.

In diesen spannungsvollen, entscheidenden Tagen war die Anwesenheit Lenins in Petrograd, mitten im Zentrum der sich entwickelnden revolutionären Ereignisse, besonders notwendig.

Und als Wladimir Iljitsch, der Helsingfors verlassen hatte, siedelte, um Petrograd näher zu sein, nach Wiborg über. Drei Wochen hielt sich Lenin hier auf. Unermüdlich fuhr er fort, die Lage zu erläutern, seine Kampfgenossen zu instruieren, das Volk zur entscheidenden revolutionären Tat vorzubereiten und die Verräter: Kamenew, Sinowjew, Trotzkij, die gegen den bewaffneten Aufstand waren, zu entlarven.

Am 07.(20.) Oktober verließ Lenin auch seine Wiborger Zufluchtsstätte. In der Nacht erreichte er die Vorortstation Udjelnaja und kam von dort aus zu Fuß in Petrograd auf der Wiborger Seite an. Wladimir Iljitsch der sich in der Wohnung der Bolschewistin M. Fofanowa vor den Spionen verborgen hielt, bat vor allem, eine Zusammenkunft mit J.W. Stalin zu arrangieren. Am 08.(21.) Oktober fand diese Zusammenkunft statt.

Die Unterhaltung Lenins und Stalins dauerte einige Stunden. Wladimir Iljitsch schaffte Klärung über alle Einzelheiten der Lage in den Fabriken und bei den Truppenteilen. J.W. Stalin legte einen konkreten Plan des bewaffneten Aufstandes vor, der von ihm auf der Leninschen Anweisungen ausgearbeitet worden war. Wladimir Iljitsch vereinbarte mit Stalin, in den nächsten Tagen eine Sitzung des Zentralkomitees der Partei einzuberufen, auf der er einen Bericht über den bewaffneten Aufstand geben wollte.

Nach dieser Unterhaltung schrieb Lenin einen Brief an das Zentralkomitee. In diesem Brief entwickelte er einen konkreten Plan für den Aufstand. Zur Verwirklichung dieses Plans schlug Wladimir Iljitsch vor, die entschlossensten Elemente aus den Reihen der Arbeiter, besonders unter der Arbeiterjugend, unter den Matrosen und Soldaten auszuwählen. Lenin schrieb, dass für den Erfolg des Aufstandes Geschicklichkeit und dreifache Kühnheit notwendig sei, dass der Erfolg der Revolution von zwei bis drei Tagen hartnäckigen Kampfes abhängig sei.

Das Zentralkomitee der Partei der Bolschewiki, dass diese Anweisungen verfolgte, führte tatkräftig die praktische Vorbereitung zum Aufstand durch. Immer neue Abteilungen der Roten Garde wurden aufgestellt. Die Rotgardisten, die sich vor fremden Augen verborgen hielten, lernten auf unbebautem Gelände außerhalb der Stadt das Kriegshandwerk.

 

Die historische Sitzung des Zentralkomitees der bolschewistischen Partei fand am 10. (23.) Oktober 1917 statt. Wladimir Iljitsch Lenin erstattete über die augenblickliche Lage Bericht. Er wies auf die Notwendigkeit und Unvermeidlichkeit des Aufstandes hin. Politisch sagte Lenin, ist die Situation völlig reif für den Übergang der Macht in die Hände des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft. Er schlug vor, di Frage über die technische Seite des Aufstandes zu erörtern. Die Ausführungen Lenins wurden in einer von ihm verfassten Resolution dargelegt. Sie lautete:

„Das Zentralkomitee stellt fest, dass sowohl die internationale Lage der russischen Revolution (der Aufstand in der deutschen Flotte als höchster Ausdruck des Heranreifens der sozialistischen Weltrevolution in ganz Europa (bekanntlich ist es anders gekommen. P.R.), ferner die Drohung der Welt der Imperialisten, die Revolution in Russland zu erdrosseln) als auch die militärische Lage (der nicht zu bezweifelnde Entschluss der russischen Bourgeoisie und Kerenskijs und Konsorten, Petrograd den Deutschen auszuliefern) und die Eroberung der Mehrheit der Sowjets durch die proletarische Partei – , dass alles dies im Zusammenhang mit dem Bauernaufstand und mit der Tatsache, dass sich das Vertrauen des Volkes unsrer Partei zugewandt hat (Wahlen in Moskau), und endlich die offenkundige Vorbereitung eines zweiten Kornilowputsches (Abtransport von Truppen aus Petrograd, Zusammenziehung von Kosaken usw.) -; dass all dies den bewaffneten Aufstand auf die Tagesordnung setzt.“

 

Gleichzeitig wurde zur politischen Leitung des Aufstandes für die nächste Zeit ein Politisches Büro aus den Mitgliedern des Zentralkomitees, mit Lenin und Stalin an der Spitze, geschaffen.

In diesem historischen Augenblick, der das Schicksal der Arbeiterklasse, des ganzen Volkes, das Schicksal Russlands entschied, stimmten Sinowjew und Kamenew, die von einer bürgerlichen Republik träumten, gegen den Beschluss über den Aufstand. Trotzkij, der erst kurze Zeit vorher in die Reihen der bolschewistischen Partei getreten war, war auch dagegen. Er beantragte, den Aufstand bis zur Einberufung des II. Sowjetkongresses zu vertagen, was bedeutet hätte, den Beginn des Aufstandes hinauszuschieben, ihn vorher auszuplaudern und auf diese Weise die Provisorische Regierung zu informieren. Aber alle Bemühungen der Verräter blieben vergebens. Die Partei folgte Lenin und Stalin.

Die Resolution Lenins über die Notwendigkeit des bewaffneten Aufstandes wurde das Aktionsprogramm für sämtliche Bolschewiki. Das Zentralkomitee der Partei entsandte seine Bevollmächtigten nach dem Donezgebiet, nach dem Ural, nach dem Kaukasus, nach Helsingfors, nach Kronstadt und an die Fronten zur Organisierung des Aufstandes an Ort und Stelle. Die einen dieser Gebiete sollten Petrograd durch die Entsendung von Kampfkräften, die anderen, z.B. Ufa, durch schnelle Lieferung von Getreide nach dem Zentrum unterstützen. Der Ural sollte die Getreidelieferung aus Sibirien organisieren und Kampfabteilungen stellen. Die Parteiorganisationen bereiteten sich tatkräftig auf den Aufstand vor.

Nach einigen Tagen (am 16. Oktober) wurde die Frage des Aufstandes auf der erweiterten Sitzung des Zentralkomitees gemeinsam mit den Petrograder Bolschewiki, den Vertretern Moskaus und den Vertretern anderer Organisationen erörtert. Hier wurde die Resolution Lenins von neuem bestätigt, und wiederum traten Kamenew und Sinowjew dagegen auf und suchten eine Vertagung des Aufstandes, wenn auch nur um fünf Tage, zu erreichen. Die fünftägige Vertagung war diesen Verrätern notwendig, damit die Bourgeoisie die konterrevolutionären Kräfte mobilisieren konnte. J.W. Stalin setzte sich heftig für die Leninschen Vorschläge ein. „Wie lange soll man denn warten?..?“ fragte er. „Das, was Kamenew und Sinowjew vorschlagen, bietet objektiv der Konterrevolution die Möglichkeit, sich zu organisieren. Wir werden ohne Ende zurückweichen und die gesamte Revolution verspielen.“

Auf Vorschlag Lenins wurde ein Parteizentrum zur Leitung des Aufstandes mit Stalin an der Spitze gewählt. Dieses Zentrum gehört zum Bestand des von dem Petrograder Sowjet gewählten Revolutionären Militärkomitees und leitete den gesamten Gang des bewaffneten Aufstandes.

„Die Sitzung endete gegen Morgen“, so heißt es in der „Geschichte des Bürgerkrieges in der UdSSR“. „Einzeln, wie man gekommen war, ging, man auch wieder auseinander. Lenin kam als Letzter heraus. Ein kräftiger Wind wehte. Er riss Lenin Hut und Perücke ab. Wladimir Iljitsch hob sie von der Erde auf und setzte sie wieder auf den Kopf. Er merkte gar nicht, dass der Hut durchweicht war, so sehr waren die Gedanken des großen Führers mit dem Schicksal der Revolution beschäftigt. Die Hände in die Taschen seines Paletots vergraben, schritt Lenin dem Wind schnell entgegen und überdachte angestrengt die letzten Fragen des bewaffneten Aufstandes.“ Lenin „sah mit seinem scharfsinnigen Blicke, dass der Aufstand unvermeidlich sei, dass er siegen werde“, sagte später J.W. Stalin von diesen historischen Tagen.

Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 von 1947, Original-Autor B.M. Wolin, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2, aus  dem Jahre 1947

Die Partei der Bolschewiki erneut in der Illegalität

Die Provisorische Regierung mit Kerenskij an der Spitze wollte sich Lenins bemächtigen und ihn töten. Aber die Bolschewiki hielten Wladimir Iljitsch verborgen.

Damit Lenin unbemerkt aus Petrograd entweichen konnte, entschloss man sich, sein Äußeres zu verändern.                                                                                                                                                          Lenin verbarg sich vor der konterrevolutionären Provisorischen Regierung außerhalb von Petrograd. Einige Tage musste er in dem Schuppen eines Arbeiters in der Umgebung von Sestrorezk zubringen. Dann wohnte er in einer Laubhütte, einige Kilometer von der Station Rasliw entfernt. Ende Juli ging Lenin über die finnländische Grenze als Heizer auf einer Lokomotive und ließ sich illegal in Helsingfors nieder.

Ungeachtet der tödlichen Gefahr und der sehr schweren Lebensbedingungen verfolgte Wladimir Iljitsch unablässig den Gang der Ereignisse in Russland.

Bei der neuen Lage nach den Julitagen war es schon nicht mehr möglich, auf friedliche Weise die Macht zu ergreifen, da sie Konterrevolution sich auf die von ihr formierten bewaffneten Kräfte stützte. Lenin und Stalin begannen, die Partei und das Volk zum bewaffneten Aufstand gegen die konterrevolutionäre Regierung vorzubereiten.

Lenin war fest davon überzeugt, dass das Volk siegen, dass es den Bolschewiki gelingen würde, die Massen zum Sturz der bürgerlichen Regierung zu organisieren. Er unterhielt enge Verbindung mit J.W. Stalin, der während Lenins Abwesenheit die bolschewistische Partei und alle Vorbereitungen für den Aufstand leitete.

Die entscheidende Rolle in der Vorbereitung zum Aufstand spielte der 6. Parteitag der Bolschewiki, der am 26. Juli 1917 zusammentrat. Der Parteitag tagte illegal. Lenin, der sich vor den Spürhunden der Provisorischen Regierung verbarg, konnte am Parteitag nicht teilnehmen. Er leitete ihn aber aus der Illegalität durch seine Kampfgenossen: Stalin, Swerdlow, Molotow, Ordshonikidse.

(Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow war ein führender Politiker der UdSSR und einer der engsten Vertrauten Josef Stalins. Molotow war von 1930 bis 1941 sowjetischer Regierungschef und von 1939 bis 1949 sowie 1953 bis 1956 sowjetischer Außenminister.)

Auf diesem Parteitag zeigte J.W. Stalin, dass die Revolution ihrem Charakter nach zu einer sozialistischen Revolution werde, dass die Periode der Explosionen und der revolutionären Zusammenstöße mit der Bourgeoisie angebrochen sei. Alle Beschlüsse des Parteitages waren auf die Vorbereitung für den bewaffneten Aufstand, auf die sozialistische Revolution gerichtet.

Zu jener Zeit, als Lenin sich zeitweilig außerhalb der Hauptstadt verborgen halten musste, und die von der bürgerlichen Regierung verfolgte bolschewistische Partei genötigt war, in tiefer Illegalität zu arbeiten, bereitete sich die Bourgeoisie auf die völlige Zerschlagung der entkräfteten Sowjets und die Schaffung einer unverhüllten konterrevolutionären militärischen Diktatur vor.

Zu diesem Zweck schickten sich die Kapitalisten und Gutsbesitzer an, Russland der Macht des zaristischen Generals Kornilow zu unterstellen. Er war ein grausamer Henker. Mit Eisen und Blut beabsichtigte er, sämtliche Eroberungen der Revolution zu vernichten, den Drang des Volkes nach Befreiung zu unterdrücken und die frühere unbeschränkte Macht der Gutsbesitzer und Kapitalisten und die zaristische Ordnung wiederherzustellen.

Um ihren Sieg zu sichern, traten die Konterrevolutionäre in Verhandlung mit den Deutschen ein, die zu jener Zeit tief in russisches Gebiet eingedrungen waren. Die Kornilow-Anhänger hatten die Front in einer Reihe von Abschnitten entblößt. Sie hatten den Deutschen Riga überlassen und waren bereit, die Hauptstadt Russlands, Petrograd, zu übergeben, wenn die Deutschen ihnen bei der Abrechnung mit dem Volke, mit den revolutionären russischen Arbeitern, mit den Bolschewiki, behilflich wären.

Ende August 1917 machte General Kornilow, der die ihm am meisten ergebenen konterrevolutionären Truppen zusammengezogen hatte, einen Putsch und begann den Angriff gegen Petrograd. Das Oberhaupt der Regierung, Kerenskij, hatte von dem bevorstehenden Angriff Kornilows Kenntnis.

Die Bolschewiki riefen unverzüglich die Arbeiter und Soldaten zum aktiven bewaffneten Widerstand gegen die Konterrevolution auf. Die einzige Macht im Lande, die fähig war, die Vernichtung der Heerhaufen Kornilows zu organisieren, war die bolschewistische Partei. Sie führte die werktätigen Massen zum Kampf gegen die Verschwörer. Tausende von Arbeitern Petrograds reihten sich in die Rote Garde ein. Zu ihrer militärischen Ausbildung zogen die Bolschewiki Hunderte von Instrukteuren hinzu.

Die in den Fabriken zurückgebliebenen Proletarier, die volle 24 Stunden arbeiteten, fertigten für die Rotgardisten Kanonen und andere Waffen an. Eine gewaltige Hilfe leisteten die Eisenbahner. Sie rissen die Gleise auf und leiteten die Züge mit Kornilowtruppen auf tote Gleise. Den Bolschewiki gelang es, unter den Truppen Kornilows Aufklärungsarbeit zu leisten, viele seiner Soldaten gingen auf die Seite der Arbeiter über. Der Kornilowputsch scheiterte.

Die Zerschlagung des Kornilowputsches ist ein großes Verdienst der bolschewistischen Partei vor dem Vaterland und dem Volk. Ohne die Bolschewiki wäre Russland wieder in die Klauen der zaristischen Henker, in die Fesseln einer grausamen Tyrannei geraten.

Die Zerschmetterung der Kornilowschen Verschwörung wandte die Gefahr, die über Petrograd schwebte, ab. Die Hauptstadt Russlands wurde den Deutschen nicht übergeben.

In Petrograd, dem revolutionären Zentrum des Landes, bereiteten die Bolschewiki unter der Führung Lenins und Stalins den bewaffneten Aufstand vor. Während seines Aufenthaltes außerhalb Petrograds (von Juli bis Anfang Oktober 1917) schrieb er viele Artikel, Broschüren und Briefe, in denen er den Bolschewiki und dem ganzen Volk den Sinn und das Wesen der sich abspielenden Ereignisse erläuterte, ihnen Richtlinien gab und ihnen die Wege des weiteren Kampfes für die sozialistische Revolution wies.

Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 von 1947, Original-Autor B.M. Wolin, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947

Die Rückkehr W.I. Lenins nach Russland

Bald nach der Februarrevolution kehrte J.W. Stalin aus der sibirischen Verbannung nach Petrograd zurück. Lenin befand sich noch im Ausland in der Schweiz. Die Bolschewiki erwarteten mit Ungeduld seine Rückkehr nach Russland. Die englischen Imperialisten machten zusammen mit der Provisorischen Regierung alle Anstrengungen, um di Rückkehr Lenins in das revolutionäre Russland zu verhindern. Nach langen Strapazen gelang es Wladimir Iljitsch, in das Heimatland zurückzukehren. In der Nacht des 03.(16.) April traf er in Petrograd ein.

Das Volk begrüßte seinen geliebten Lenin mit Begeisterung. Auf dem Platz vor dem Finnländischen Bahnhof hatten sich viele Tausende von Arbeitern, Arbeiterinnen, Soldaten, Matrosen und Rotgardisten versammelt. Ein donnerndes Hurra ertönte. Lenin wurde auf Händen in das Bahnhofsgebäude getragen.

Die Rückkehr W.I. Lenins nach Russland am 03. April 1917
Bild entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2, von 1947

Auf dem Platz vor dem Bahnhof hielt Lenin von einem Panzerauto aus eine flammende Rede, in der er das revolutionäre Russland zum Kampf für die Sozialistische Revolution aufrief. „Es lebe die sozialistische Revolution!“  verkündete Wladimir Iljitsch. Das war Lenins erste Rede vor dem Volk in Petrograd nach langen Jahren des Exils.

Ein Teilnehmer an der Begrüßung Lenins, W.M. Molotow, erzählt: „Von der Zeit an, da Lenin in seiner ersten Rede, die er im revolutionären Russland hielt, die Losung der Sozialistischen Revolution verkündet hatte, war diese Losung gleichsam für unsere Partei zur Erde herabgestiegen.“

Die von dem Panzerauto aus wiederholten kurzen Reden von Wladimir Iljitsch mit den Aufrufen zur Sozialistischen Revolution warfen ein blendend helles Licht auf die Grundaufgaben der bolschewistischen Partei. „Insbesondere“, schrieb W.M. Molotow, „haben wir, die Augenzeugen dieser ungewöhnlichen, gleichsam prophetischen Begegnung mit Iljitsch zu Beginn der Revolution, diesen Moment im Gedächtnis bewahrt. Wir waren sofort gleichsam beflügelt, fühlten einen ungewöhnlichen Ausbruch von revolutionärer Energie und revolutionärem Glauben. Die Kampfaufrufe Lenins wurden von den grenzenlos revolutionären Petrograder Arbeitern mit einer ebenso großen stürmischen Freude begrüßt!“

Das Panzerauto mit Iljitsch bewegte sich über die von Scheinwerfern beleuchteten Straßen Petrograds, umgeben von einer begeisterten, viele Tausende zählenden Volksmenge. An jeder Kreuzung hielt das Panzerauto, und Lenin wandte sich mit Begrüßungsworten und Aufrufen zum revolutionären Kampf für Frieden, Brot, Freiheit, Sozialismus an die revolutionären Massen.

Am Tage seiner Ankunft hielt Lenin in einer Versammlung der Bolschewiki ein Referat über Krieg und Revolution. Die Grundgedanken seines Referates hat er in einem Dokument niedergelegt, dass in der Geschichte der bolschewistischen Partei unter der Bezeichnung „Die Aprilthesen“ bekannt ist.

„Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Russland“, hieß es in den Thesen, „besteht im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge ungenügenden Klassenbewusstseins und der ungenügenden Organisiertheit des Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe der Revolution, die die Macht in die Hände es Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft legen muss.“

Die „Aprilthesen“ Lenins waren der geniale Kampfplan für den Übergang von der ersten Etappe der Revolution zu ihrer zweiten Etappe, von der bürgerlich-demokratischen zur sozialistischen Revolution.

Worin bestand dieser Plan? Er bestand darin, durch unermüdliche Aufklärungsarbeit die Mehrzahl der Arbeiter und Soldaten auf die Seite der Bolschewiki zu ziehen, die Mehrheit in den Sowjets zu gewinnen, die Politik der Sowjets zu ändern, durch die Sowjets aber die Zusammensetzung und die Politik der Regierung zu ändern. Somit hatte Lenin sich im April 1917 auf eine friedliche Entwicklung der Revolution eingestellt. Er hatte das Ziel aufgestellt, die Alleinherrschaft der Sowjets zu erreichen und eine neue Form der staatlichen Macht- die Republik der Sowjets- zu schaffen. Die Aufgabe bestand darin, die Bedingungen für den Sieg des Sozialismus im Lande zu schaffen.

In Durchführung der Anweisungen Lenins entfalteten die Bolschewiki eine gewaltige Arbeit zur Eroberung der Massen, zu ihrer politischen Erziehung und ihrer Organisation.

Inzwischen entlarvte sich die Provisorische Regierung durch ihre Taten immer mehr vor den breiten Massen als eine volksfeindlich bürgerliche Regierung. Am 18. April versprach die Provisorische Regierung in einer Spezialnote den Verbündeten, die Verträge, die von dem Zaren unterschrieben worden waren, streng einzuhalten. Dies bedeutete, dass der gegen die Interessen des Volkes gerichtete, ungerechte Krieg, der seit dem August 1914 wütete, gegen den Willen des Volkes auch künftig fortgesetzt werden sollte. Zehntausende von Arbeitern und Soldaten gingen auf die Straßen Petrograds und protestierten energisch gegen die imperialistische Politik der Provisorischen Regierung.

Unter dem Druck der Massen wurden aus der Provisorischen Regierung am 02. Mai die eifrigsten Verfechter dieser imperialistischen Politik, der Minister des Äußeren Miljukow und der Kriegsminister Gutschkow, ausgeschieden. In die Regierung traten die Vertreter der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre ein; es wurde eine Koalitionsregierung gebildet. Aber die Politik auch dieser Regierung war selbstverständlich die gleiche wie früher: der Krieg wurde fortgesetzt, die Fabriken und Werke bleiben in den Händen der Gutsbesitzer.

Mit jedem Tag überzeugten sich die breiten Volksmassen immer mehr davon, dass die Bolschewiki recht hatten. Der bolschewistische Einfluss stieg stetig. Ein alter Arbeiter des Pulitow-Werkes, der sich an eine der Reden Lenins in jenen Tagen erinnerte, schrieb: „Das, was Iljitsch sagte, packte und feuerte an. Die Furcht verging, die Müdigkeit schwand, und es schien, als ob nicht Iljitsch allein, sondern als ob sämtliche 40 000 Arbeiter ihre innersten Gedanken zum Ausdruck brächten. Es schien, als ob alles das, was im Arbeiter lag, durch Iljitschs Stimme ausgesprochen würde.“  Darin lag aber auch die Kraft der Bolschewiki, dass sie die Interessen der Werktätigen richtig verstanden und, von Lenin und Stalin geführt, beharrlich, opferwillig für die Volkssache, für die Übergabe der Macht in die Hände der Sowjets kämpften.

Am 03. Juni versammelte sich der I. Allrussische Sowjetkongress. Die Bolschewiki waren in ihm noch in der Minderheit. Aber beträchtliche Volksmassen, besonders in der Hauptstadt, gingen bereits zur bolschewistischen Partei über. Am 18. Juni fand in Petrograd eine Demonstration statt, die unter den bolschewistischen Losungen: „Nieder mit dem Krieg!“, „Nieder mit den zehn kapitalistischen Ministern!“, „Alle Macht den Sowjets!“ durchgeführt wurde. Jedoch rechnete die Provisorische Regierung, die die Unterstützung der Paktierermehrheit des I. Sowjetkongresses erhalten hatte, nicht mit der Stimmung der Massen. Gerade am Tag der Demonstration trieb die Regierung, die den Willen der englisch-französischen Imperialisten erfüllte, die Soldaten an der Front zum Angriff. Dieser Angriff war von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil die Soldaten erschöpft waren, die Ziele des Angriffs nicht kannten, ihn ablehnten und auch kein Zutrauen zu den Offizieren hatten. Dazu litt die Armee noch an einem ernsthaften Mangel an Bewaffnung. Der schlecht vorbereitete Angriff scheiterte. Die Empörung der Arbeiter kannte keine Grenzen.

Am 03. Juli fanden in Petrograd neue Demonstrationen statt. Die Arbeiter und Soldaten gingen mit der Waffe in der Hand auf die Straßen der Hauptstadt und verlangten die Übergabe der gesamten Macht an die Sowjets. Die bolschewistische Partei, die die allgemeine Lage richtig einschätzte, hielt das bewaffnete Vorgehen gegen die Regierung für verfrüht. Als aber klar wurde, dass die Massen von der Demonstration nicht zurückzuhalten waren, entschlossen sich die Bolschewiki, gemeinsam mit dem revolutionären Volke an der Demonstration teilzunehmen, um ihr einen friedlichen und organisierten Charakter zu verleihen und die revolutionären Kräfte vor einer Zerschlagung zu bewahren.

Jedoch ließ die Provisorische Regierung die Gelegenheit, sich mit dem Volke auseinanderzusetzen, nicht vorrübergehen. Sie warf den Demonstranten konterrevolutionär gesinnte Truppenteile von Offizieren und Offiziersschülern entgegen. Die Demonstration wurde zersprengt. Die Straßen Petrograds röteten sich von dem Blut der Arbeiter und Soldaten. Diese blutige Abrechnung erfolgte mit stillschweigendem Einverständnis der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre im Bunde mit der Bourgeoisie und den weißgradistischen Generälen auf die bolschewistische Partei.

Die bürgerlichen und monarchistischen Militärs zerstörten die bolschewistischen Organisationen und verhafteten die bolschewistischen Funktionäre. Zu gleicher Zeit wurden auch die Redaktionsräume der bolschewistischen Zeitung „Prawda“ demoliert. Man begann di revolutionären Soldaten und Abteilungen der Roten Garde zu entwaffnen.

Die Provisorische Regierung gab den Befehl, Lenin zu verhaften.

Verhaftungen und Pogrome fanden nicht nur in Petrograd statt; in Moskau und in anderen Städten, an der Front und im Hinterland wütete die Konterrevolution. Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre machten mit der Konterrevolution gemeinsame Sache.

Mit Hilfe der Paktiererparteien begann die Provisorische Regierung, alle demokratischen Rechte, die vom Volke in den ersten Monaten der Revolution errungen worden waren, zu liquidieren. Es erfolgte eine grausame Abrechnung mit den Arbeitern. An der Front wüteten die Militärfeldgerichte und verhängten Todesstrafen. Auf dem Land waren, wie unter dem Zarismus, Strafabteilungen am Werk, die gegen die Bauern geschickt wurden, welche die Gutsbesitzer aus ihren Adelsnestern ausräucherten.

Die Sowjets aber, an deren Spitze immer noch die Sozialrevolutionäre und Menschewiki standen, verwandelten sich in ein Anhängsel der Provisorischen Regierung, die alle Macht an sich gerissen hatte.

Die Doppelherrschaft war zu Ende. Und sie endete zugunsten der Bourgeoisie. Der Feind hatte die Maske abgeworfen. Der Kampf nahm einen verbissenen und entscheidenden Charakter an. Die friedliche Periode der Revolution war zu Ende. Die Partei der Bolschewiki war genötigt, zur Illegalität überzugehen.

Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947, bearbeitet von Petra Reichel, Original-Autor B.M. Wolin

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 2 (1947)

Die Lage im Lande nach der Februarrevolution

Die Selbstherrschaft war im Februar 1917 zusammengebrochen. Das bewaffnete Volk, von der Partei der Bolschewiki geführt, hatte die Macht des verfassten Zarismus gestürzt. Aber die Früchte des Sieges hatte sich nicht das Volk, sondern die Bourgeoisie zunutze gemacht.

Die Provisorische Regierung, die sich nach der Februarrevolution gebildet hatte, bestand, nach einem Ausspruch von Lenin, aus Vertretern „der Bourgeoisie und der zu Bourgeois gewordenen Gutsbesitzer“. Es war eine Regierung, die die Interessen der Fabrikanten, Bankiers, Kaufleute sowie der Großgrundbesitzer und Kulaken vertrat.

Die wichtigsten Posten in dieser Regierung nahmen ein: Fürst Lwow, ein Großgrundbesitzer und sehr gemäßigter Liberaler, als ihr Haupt; der Moskauer Kaufmann und Fabrikant Gutschow, der seinerzeit Stolypins Militärfeldgerichte gegen Revolutionäre gutgeheißen hatte; der große Ausbeuter und Zuckerfabrikbesitzer Tereschtschenko; der liberale bürgerliche Professor Miljulow, der stets ein Verteidiger des räuberischen Krieges gewesen war, in dem Zar Nikolaj und seine Bande Russland gehetzt hatten; der Sozialrevolutionär Kerenskij, der das Volk mit großsprecherischen, aber leeren Worten abspeiste, die die gegen das Volk gerichteten Machenschaften der Gutschkow, Lwow, Miljukow deckten.

Neben dieser bürgerlichen Provisorischen Regierung existierte noch eine andere Macht: der Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten, der noch vor der Bildung der bürgerlichen Provisorischen Regierung entstanden war. Im Kampfe gegen den Zarismus entstand und erstarkte das Bündnis der Arbeiter und Bauern. Die Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten waren das Organ dieses Bündnisses, das Organ der Diktatur der Arbeiterklasse und der Bauernschaft. (Der Begriff Diktatur ist in diesem Zusammenhang aus heutiger Sicht missverständlich. Das nutzt die Propaganda der heutigen Herrschenden gnadenlos aus.)

Es ergab sich eine Verflechtung zweier Gewalten, zweier Diktaturen. Es ergab sich eine Doppelherrschaft.

Die Arbeiter und Soldaten sahen in den Sowjets die Organe ihrer eigenen Macht, der Volksmacht. Sie glaubten, dass die Sowjets den Willen des aufständischen Volkes verwirklichen, dass die Frieden schließen und die Herrschaft der Ausbeuter, der Imperialisten ein Ende bereiten würden.

Aber in den Sowjets, sowohl im Petrograder als auch im Moskauer und in denen anderer Städte, gehörte die Mehrzahl der Deputierten zu jener Zeit den Menschewiki und der Sozialrevolutionären, d.h. den kleinbürgerlichen Parteien an, die die Interessen des Kleinbürgertums von Stadt und Land vertraten. Es waren opportunistische Paktiererparteien, die vor der Revolution Angst hatten, die die Vernichtung der kapitalistischen Ordnung nicht wünschten und eine Verständigung mit der imperialistischen Bourgeoisie anstrebten. Warum erhielten diese Parteien die Mehrheit in den Sowjets?

Russland war, ungeachtet des sich in ihm entwickelnden Kapitalismus, ein Agrarland, ein in ökonomischer Hinsicht rückständiges, kleinbürgerliches Land, d.h. ein Land, in dem noch die auf Kleinbesitz beruhende Einzelbauernwirtschaft vorherrschte. Russland war damals von allen großen europäischen Ländern das am meisten kleinbürgerliche Land. Die zahlreichen kleinbürgerlichen Elemente des Landes: Millionen von Bauern, Kleinhändlern, Handwerkern waren zum gesellschaftlichen Leben erwacht und wurden in die Politik hineingezogen. Diese gewaltige kleinbürgerliche Woge überflutete die klassenbewusste Arbeiterschaft, sie überwältigte sie nicht nur durch ihre zahlenmäßige Stärke, sondern auch ideologisch. Große Massen der Arbeiter wurden mit kleinbürgerlichen politischen Ansichten angesteckt.

Diese Parteien erhielten die Mehrheit in den Sowjets auch deshalb, weil während des Krieges in der Arbeiterklasse bedeutende Veränderungen vor sich gegangen waren. Mehr als ein Drittel der Stammarbeiter war zum Heeresdienst eingezogen worden. An ihre Stelle waren, in der Absicht, ich vor der Einziehung zu drücken, kleine Ladenbesitzer, Kleingewerbetreibende, Handwerker und andere Elemente getreten, die eine beträchtliche und einflussreiche kleinbürgerliche Zwischenschicht inmitten der Arbeiterschaft bildeten.

Ein Grund für das Überwiegen der Paktiererparteien in den Sowjets war auch der, dass, während die Bolschewiki in den Tagen der Februarrevolution den Kampf des Volkes unmittelbar leiteten, die Menschewiki und Sozialrevolutionäre die Deputiertensitze in den Sowjets besetzten und auf diese Weise an die Spitze des Petrograder und vieler anderer Sowjets getreten waren.

Eine gewisse Rolle spielte dabei der Umstand, dass sich die Führer der Menschewiki und Sozialrevolutionäre in den Tagen der Februarrevolution in Petrograd befanden, während Lenin zu jener Zeit fern in der Schweiz in der Emigration lebte und Stalin in der Verbannung im tiefsten Sibirien befand.

Die in der Politik unerfahrenen Volksmassen vertrauten den Menschewiki und den Sozialrevolutionären blindlings. Aber diese Verräter betrogen die Hoffnungen des Volkes und ließen sich schon in den ersten Stunden des Aufstandes mit der Bourgeoisie ein. Die sozialrevolutionär-menschewistischen Führer verständigten sich heimlich, ohne Wissen der Bolschewiki, mit den Kapitalisten und Gutsbesitzern über die Bildung einer bürgerlichen Regierung in Russland. Der Petrograder Sowjet, wo die Paktierer die Oberhand hatten, billigte, ungeachtet der Proteste der Bolschewiki, diesen verräterischen Schritt.

So versuchte die russische Bourgeoisie mit Hilfe der Menschewiki und Sozialrevolutionäre ihre Macht auf den Ruinen des Zarismus zu festigen. Die bürgerliche Provisorische Regierung fürchtete sich vor dem Volk und hasste es. Der prominente bürgerliche Politiker Schulgin, der Deputierte der Reichsduma, schrieb damals in seinem Tagebuch: „Maschinengewehre, das ist es, was sich haben wollte, denn ich fühlte, dass nur die Sprache der Maschinengewehre dem Straßenpöbel verständlich ist, und dass nur die Bleikugel das aus seiner Höhle in die Freiheit ausgebrochene fürchterliche Tier wieder zurücktreiben kann.“ In der Sprache der Maschinengewehre wollte die russische Bourgeoisie mit ihrer Provisorischen Regierung an der Spitze mit dem Volke reden.

Eine solche Regierung konnte dem Volke natürlich weder Frieden, noch Land, noch Brot, noch Freiheit geben. Das war den fortschrittlich gesinnten Arbeitern klar, aber das war bei weitem nicht dem gesamten übrigen Volk klar, welches noch unerfüllbare Hoffnungen hegte, dass die Provisorische Regierung sich um seine Interessen kümmern würde.

Die Bolschewiki wussten, dass mit dem Sturz der Zarenregierung allein die Sache nicht abgetan ist. Lenin hatte bereits seit langem den weiteren Gang der russischen Revolution vorausgesehen, und er legte ihnen beharrlich dar, dass die Revolution zwei untrennbar miteinander verbundene Etappen durchlaufen müsse. Der Sturz des Zarismus sei die erste Etappe, die Vernichtung der Macht der Bourgeoisie und die Aufrichtung der Macht der Arbeiterklasse die zweite Etappe.

Lenin erklärte seinen Gedanken mit folgendem anschaulichen Beispiel: Stellen Sie sich vor, meine Herren, schrieb er, „dass ich zwei Schutthaufen aus dem Hof fahren muss. Aber ich habe nur einen Wagen. Und auf dem einen Wagen kann man keinesfalls mehr als einen Schutthaufen hinausfahren. Was soll ich tun?                                                                                                                                                           Wenn man tatsächlich beide Haufen nicht auf einmal hinausfahren kann, so schaffen wir zuerst den ersten Haufen, den man sofort erreichen und auf den Wagen laden kann, hinaus, dann laden wir den Wagen ab und kehren nach Hause zurück, um den zweiten Haufen vorzunehmen.                                    Das russische Volk muss zuerst auf seinem Wagen jenen ganzen Mist, der Leibeigenschafts-, Gutsbesitzereigentum heißt, hinausschaffen, und dann muss es mit dem entladenen Wagen auf den schon mehr gesäuberten Hof zurückkehren und beginnen, den zweiten Haufen auf die Fuhre zu laden und den Mist der kapitalistischen Ausbeutung wegzuräumen.“

Die Bolschewiki wiesen darauf hin, dass der Sturz des Zarismus bei weitem noch nicht der volle Sieg der Revolution sei, sondern nur ihr Anfang. Sie erläuterten dem Volk, das es, solange in den Sowjets Paktierer, die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre schalten und walten, keinen Frieden, kein Land, kein Brot, keine Arbeit geben würde. Die Bolschewiki deckten vor dem Volke den imperialistischen Charakter der provisorischen Regierung auf. Sie bewiesen dem Volke, dass es ohne die Ablösung der Provisorischen Regierung durch die Regierung der Sowjets nicht möglich sei, Frieden und Freiheit zu erringen. Die Bewaffnung des Proletariats, die Festigung und die Ausdehnung der Tätigkeit der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten – das war nach dem Hinweis Lenins die einzige Garantie für die endgültige Zertrümmerung des alten Regimes. Das Gleiche sagte auch J.W. Stalin.                                        „ ..Das Pfand des Endsieges der russischen Revolution“, schrieb er in jenen Tagen, „liegt in der Festigung des Bündnisses des revolutionären Arbeiters mit dem revolutionären Soldaten.                        Die Organe dieses Bündnisses sind die Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten…“                     Unter der Leitung von Lenin und Stalin kämpften die Bolschewiki für die wirklichen Interessen des Volkes.

Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 2 aus dem Jahre 1947, Originalautor B.M. Wolin, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“ aus dem Jahre 1947

Die zweite bürgerlich-demokratische Revolution in Russland

  1. Der I. Weltkrieg und die Rolle des zaristischen Russlands in ihm

Im Juli 1914 begann der I. Weltkrieg. An ihm nahmen zwei Gruppen imperialistischer Staaten teil: die eine, mit Deutschland an der Spitze, bildete den Viererbund (Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei); die andere, mit England und Frankreich an der Spitze, bildete den Dreibund oder die Entente (England, Frankreich und Russland). Der Entente traten später Japan und Italien bei, und im Jahre 1917 auch die Vereinigten Staaten von Amerika. Im Ganzen nahmen am Weltkrieg 33 Länder teil. Zum Heeresdienst waren insgesamt 74 Millionen Menschen einberufen.

Dieser Krieg war schon seit langem vorbereitet worden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es auf dem ganzen Erdball kaum noch ein Land, dessen sich die kapitalistischen Staaten nicht bemächtigt hätten. Die europäischen und amerikanischen Imperialisten hatten gewaltige Kolonien in Besitz genommen. Die Kolonien Englands waren nach ihren Ausmaßen 110mal so große, wie das Gebiet von England selbst. Die Kolonien Frankreichs übertrafen das Mutterland nach ihren Ausmaßen um das 20fache. Selbst kleine Staaten wie Belgien und Holland hatten in Asien und in Afrika gewaltige Landflächen mit vielen Millionen von Einwohnern an sich gebracht. Die Inder, Afrikaner, Malaien, Mongolen und viele andere wurden um die Profite der Imperialisten willen zu Sklavenarbeit gezwungen. Die deutschen Imperialisten, in deren Kolonien die Bevölkerung ungefähr zwölf Millionen zählte, schauten mit Neid zu, wie England Hunderte von Millionen Kolonialsklaven ausbeutete. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Deutschland ein mächtiger Staat. Seine Fabriken und Werke produzierten mehr Waren als die englischen. Deutschland hatte viele Kriegsschiffe gebaut. Es wollte England zurückdrängen und eine beherrschende Stellung in der Welt einnehmen. Im Verlauf von einigen Dutzend Jahren hatte sich Deutschland als das am meisten aggressive Land (d.h. als ein Land, das nach gewaltsamen Eroberungen strebte) in verstärktem Maße auf den Krieg vorbereitet.

Von Jahr zu Jahr vergrößerte es seine Armee, versah sie mit neuer Ausrüstung, entwickelte seine Kriegsindustrie und gab gewaltige Summen für Kriegsvorbereitungen aus. Obgleich die Imperialisten sämtlicher Länder am I. Weltkrieg schuld waren, erwies sich das imperialistische Deutschland auf diese Weise als sein Anstifter. Der Chef des deutschen Generalstabes, General Schlieffen, arbeitete Pläne aus, um die Gegner einzeln zu zerschlagen. Schlieffen gedachte den Hauptschlag zu allererst gegen Frankreich zuführen, um nach dessen Zerschlagung in einem Blitzkrieg ebenso rasch bedeutende Kräfte gegen Frankreichs Bundesgenossen Russland zu werfen und nachdem er in einigen Wochen die russische Armee zerschlagen, die Hände für den Krieg mit England freizubekommen.

Die diplomatischen, wie auch die militärischen Pläne Deutschlands erlitten jedoch Schiffbruch. Deutschland gelang es, weder den für es gefährlichen Zweifrontenkrieg zu vermeiden, noch seine Gegner in einem Blitzkrieg zu zerschmettern. Die Ost- (russische) Front erwies sich im I. Weltkrieg, infolge der unübertroffenen Tapferkeit und Standhaftigkeit der russischen Soldaten, von solcher Kraft, wie sie die Deutschen bei der Schmiedung ihrer Kriegspläne nicht vorausgesehen hatten.

Als äußerer Anlass zum I. Weltkrieg diente die Ermordung des österreichischen Thronfolgers in der Stadt Sarajewo durch den serbischen Studenten Gabriel Princip. Dieser Student handelte im Auftrag der serbischen Organisationen, die gegen die Abhängigkeit von Österreich kämpften. Das von Deutschland beeinflusste Österreich-Ungarn stellte Serbien ein Ultimatum und erklärte, ohne eine Antwort abzuwarten seitens der serbischen Regierung entgegenzunehmen, Serbien den Krieg. Russland erklärte seine Bereitwilligkeit, seinen Bundesgenossen Serbien zu unterstützen, und begann die Mobilmachung. Darauf erklärte Deutschland Russland und dessen anderem Bundesgenossen, Frankreich, den Krieg. Am 19. Juli (1. August neuen Stils) des Jahres 1914 verletzten die deutschen Truppen die Neutralität Belgiens und überschritten die belgische Grenze. Die englische Regierung forderte Deutschland auf, das belgische Gebiet zu räumen. Am 4. August 1914 erklärte England den Krieg an Deutschland. So begann der I. Weltkrieg.

Die deutschen Truppen rückten rasch nach Paris vor, mit der Absicht, Frankreich früher zu zerschlagen, als dessen Bundesgenossen ihre Kräfte mobilisieren konnten. Um Frankreichs Lage zu erleichtern, unternahm die russische Armee einen Angriff gegen Ostpreußen. Zu einem Krieg mit so einem starken Gegner wie Deutschland war sie nicht vorbereitet und erlitt in den ersten Kämpfen eine Niederlage. Ihr Angriff zog jedoch deutsche Truppen vom Westen nach dem Osten ab. Paris war gerettet, und Frankreich konnte den Krieg fortsetzten.

Dank dem hartnäckigen Widerstand und der Standhaftigkeit der russischen Truppen gelang es Deutschland nicht, den Feldzug mit einem kurzen Schlage zu beenden.  Der Krieg zog sich in die Länge; um aber einen Langwierigen Krieg zu gewinnen, hatte Deutschland viel weniger Aussichten als seine Gegner, die über gewaltige Menschen- und Materialreserven verfügten. Das deutsche Oberkommando entschloss sich im Jahre 1915, seine Hauptanstrengungen auf die Ostfront zu richten, um die russischen Armeen zu zerschlagen und Russland zum Frieden zu zwingen. Deutschland wollte sich auf diese Weise der zweiten Front entledigen und dann den Kampf im Westen fortsetzen. Aber auch die Lösung dieser Aufgabe gelang den Deutschen nicht.

Obgleich die russischen Armeen unter dem Druck der überlegenen Kräfte des Gegners den Rückzug antraten und das Gebiet Polens, Litauens, eines bedeutenden Teiles des Baltikums und Wolhyniens aufgaben, war die russische Armee trotzdem nicht vernichtet und die Ostfront nicht liquidiert. Ende September 1915 kam es an der Ostfront zum Stellungskrieg: die Gegner verschanzten sich in den Schützengräben, schossen aufeinander, ohne große Angriffshandlungen zu eröffnen. Beide Seiten bereiteten sich zu den neuen entscheidenden Schlägen vor.

In dem Bestreben, die militärische Initiative in seine Hand zu bekommen, begann in Deutschland im Jahre 1916 eine neue Offensive, wobei es den Hauptschlag gegen Frankreich richtete. Diesen Schlag gedachte es gegen Verdun und Paris zu führen, um den nördlichen Flügel der englisch-französischen Armeen in eine kritische Lage zu bringen. Das österreichisch-deutsche Oberkommando bereitete zu dieser Zeit einen starken Schlag auch gegen Italien vor. Die Bundesgenossen verlangten von Russland neue aktive Handlungen. Nach Verhandlungen wurde beschlossen, einen Angriff gleichzeitig im Osten und im Westen zu beginnen. Im zaristischen Hauptquartier in Mogilew war ein Kriegsrat einberufen worden, um über die Möglichkeit eines Angriffs der russischen Truppen zu erörtern. Der Oberbefehlshaber der Nordfront, General Kuropatkin, und der Oberbefehlshaber der Westfront, General Ewert, erklärten, dass die russischen Truppen für Angriffshandlungen nicht bereit seien. Sie traten für Verteidigung ein. Nur der General Brussilow, der zum Oberbefehlshaber der Südwestfront ernannt worden war, forderte beharrlich Angriffshandlungen. „Wir haben sämtliche Chancen auf einen Erfolg, von dem ich persönlich überzeugt bin“, entgegnete er lebhaft den schwankenden Generalen und dem Zaren Nikolaj II., der die Befugnisse des Obersten Befehlshabers übernommen hatte. „Unser Fehler“, sagte Brussilow, „besteht darin, dass wir uns nicht auf allen Fronten zu gleicher Zeit auf den Feind stürzen.“

Brussilow, ein gebildeter entschlossener und energischer General, überragte an Feldherrentalent die übrigen zaristischen Generale. Er war einer der besten russischen Generale, die die Tradition der Suworowschen Schule bewahrt hatten. Brussilow konnte den russischen Soldaten gut und liebte ihn. Er verlangte Kühnheit, Schlagfertigkeit und bewusste Disziplin. „Man muss sich an das Reglement nicht wie der Blinde an eine Mauer halten“, schrieb Brussilow. Er war der Meinung, dass man nur durch einen Angriff den Sieg erlangen könne, dass der Krieg durch Defensive keinesfalls zu gewinnen sei. Deshalb trat er für gut vorbereitete, aktive Operationen ein. Auf der Kampferfahrung an der russischen und an der Westfront fußend, kam Brussilow zu nachstehender Forderung: Um vor dem Gegner Zeit und Ort des Hauptschlages zu verbergen und sich zum Durchbruch gut vorzubereiten, muss die Vorbereitung zum Angriff auf der gesamten Front beginnen, und die Schläge müssen gleichzeitig auf mehreren Abschnitten erfolgen.

Den Hauptschlag gedachte Brussilow im Abschnitt Luzk zu führen.                                                               Der von Brussilow geplante Durchbruch bei Luzk begann in der Frühe des 22. Mai (4. Juni) 1916. Die russische Artillerie eröffnete ein Trommelfeuer auf die Stellungen des Feindes. Die schweren Geschütze schossen alle zwei Minuten, die leichten jede Minute. Genau um zwölf Uhr begann die russische Infanterie den Angriff. Die Artillerie verlegte das Feuer auf die zweite Schützengrabenstellung. Nach achtstündigem Feuer waren die befestigten Stellungen des Gegners zerschlagen. Die betäubten und in Verwirrung geratenen Österreicher, Deutschen und Ungarn gaben sich in Massen gefangen. Der erfolgreiche Brussilow-Durchbruch verschaffte die Möglichkeit, den Angriff in breiter Front in einer Ausdehnung von 300 km zu entfalten. Die Truppen des Generals Brussilow rückten, den Widerstand des Gegners brechend, über die Felder Galiziens und der Bukowina vor. Der Brussilow-Durchbruch veränderte einschneidend den gesamten Verlauf des Krieges.

Die österreichisch-ungarische Armee konnte sich von dem vernichtenden Schlage nicht wieder erholen. Die slawischen Soldaten, die sich in der österreichischen Armee befanden, wünschten sich mehr gegen ihre russischen Brüder zu kämpfen und gaben sich zu Tausenden gefangen.  Die Angriffe der Deutschen auf Verdun wurden schwächer. Das deutsche Oberkommando warf zwecks Liquidierung des Brussilowschen Durchbruches eilig 45 Divisionen, die von der französischen und italienischen Front abgezogen wurden, nach dem Osten.

Jedoch weder die russische noch die verbündete Heeresleitung verstand die Erfolge des Brussilowschen Angriffs auszunutzen. Das Zögern des russischen Hauptquartiers, dessen Pläne der dem Gegner durch deutsche Spione bekannt wurden, verschaffte den Deutschen und Österreichern die Möglichkeit, ihre Kräfte umzugruppieren. Nach schweren Kämpfen in dem sumpfigen Gelände am Fluss Stochod, die gewaltige Menschenopfer kosteten, wurde der Angriff Brussilows, der von den anderen Armeen nicht unterstützt wurde, zum Stehen gebracht.

Ungeachtet der Teilerfolge war die Niederlage der zaristischen Armee im I. Weltkrieg schon sichtbar. General Brussilow schrieb in seinen Erinnerungen über den Krieg 1914 bis 1918 mit Bitterkeit: „Die Überlegenheit des Gegners über uns bestand darin, dass seine Artillerie im Verhältnis zu unserer zahlreicher war, besonders die schwere, außerdem hatte er unvergleichlich mehr Maschinengewehre als wir.“ Brussilow erinnert sich ferner daran, dass in der russischen Armee sogar nicht genügend…Gewehre vorhanden waren. „Ersatzmannschaften gab es genug“, schreibt er, „aber für ihre Ausrüstung war nichts vorhanden.“  Nur der außerordentlichen Standhaftigkeit und Tapferkeit der russischen Soldaten gelang es, trotzdem mit Erfolg im Verlaufe einiger Jahre gegen die Deutschen zu kämpfen.

Die grundlegende Ursache der Niederlage des Zarismus war die technisch-wirtschaftliche Rückständigkeit Russlands, das in seiner Struktur Überbleibsel der Leibeigenschaft bewahrt hatte. Die Kriegsindustrie war schwach entwickelt und nicht imstande, die Armee mit Munition zu versorgen. Infolge des desorganisierten Transportwesens konnten dringende Lieferungen nicht fristgemäß erfolgen. Der Verfall des Transportwesens verschärfte die Nahrungsmittelkrise. Die Armee erhielt nur die Hälfte ihrer Verpflegungsnorm. Die Spekulation mit Brotgetreide nahm im Lande zu. An den Bäckerläden drängte sich die hungrige Bevölkerung in langen Reihen.

Der Krieg und der wirtschaftliche Verfall riefen eine heftige Unzufriedenheit unter den werktätigen Massen hervor, auf deren Schultern die ganze Last des Krieges ruhte. Die Arbeiter hatten es ganz besonders schwer. Hungrig arbeiteten sie für einen geringfügigen Arbeitslohn 15 bis 16 Stunden am Tag. Bis zu 40 % der Arbeiter waren eingezogen und an die Front geschickt. In den Betrieben arbeiteten in der Mehrzahl Frauen und Halbwüchsige, die in der ersten Zeit sich fürchteten, den Ausbeutern Widerstand zu leisten.

Jedoch bereits vom Frühjahr 1915 an begann die Streikbewegung große Ausmaße anzunehmen. Im Oktober 1916 erreichten die Streiks ihren höchsten Stand. Sie waren von Demonstrationen begleitet, die unter den revolutionären Losungen: „Nieder mit dem Krieg!“, „Nieder mit der Selbstherrschaft!“durchgeführt wurden.

Die revolutionären Massenstreiks waren ein Zeugnis dafür, dass „in Russland sich die größte Volksrevolution erhob, an deren Spitze das revolutionärste Proletariat der Welt stand, das zu seiner Verfügung einen so ernst zu nehmenden Bundesgenossen, wie die revolutionäre Bauernschaft Russlands, hatte“. (Stalin)

Die Bolschewiki leisteten unter den Werktätigen eine große Arbeit. In den Betrieben wurden Parteizellen organisiert. Bei den Truppenteilen wurden geheime bolschewistische Organisationen geschaffen. Die Bolschewiki machten dem Volke klar, dass die Fortsetzung des Krieges durch die zaristische Regierung das Land unvermeidlich zur Niederlage führen und es in eine Kolonie des westlichen Imperialismus verwandeln werde.

Lenin und die Bolschewiki lehrten, dass es zwei Arten von Kriegen gibt: gerechte und ungerechte. Ein gerechter Krieg hat das Ziel, das Volk gegen einen äußeren Überfall, gegen Unterjochungsversuche zu verteidigen. Ein ungerechter, ein Eroberungskrieg, hat das Ziel, fremde Länder zu erobern, fremde Völker zu versklaven. Lenin hielt den Weltkrieg des Jahres 1914 für einen ungerechten Krieg, für einen Eroberungskrieg, sowohl von Seiten der deutschen Imperialisten als auch von Seiten des Zarismus. Deshalb rief er dazu auf, gegen ihn einen entschlossenen Kampf zu führen. Lenin stellte die Losung der Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg auf und rief die Arbeiter aller Länder zum revolutionären Kampf für den Sturz ihrer Regierungen auf. Der Kampf der Bolschewiki zur Verwirklichung dieser Losungen war ein Kampf für die Rettung Russlands, für die Bewahrung der Unabhängigkeit gegenüber den ausländischen Imperialisten.

2. Der Sturz des Zarismus in Russland

Die zaristische Regierung war sich darüber im Klaren, dass im Lande eine neue Volksrevolution heranreifte. Die Niederlage an den Fronten und die revolutionäre Lage im Lande verursachten innerhalb der Regierungskreise eine Panik.

Zu dieser Zeit gelangte der Gauner Grigorij Rasputin zu außerordentlichem Einfluss am Hofe. Der Herkunft nach war er ein sibirischer Bauer, der in seiner Jugend Pferdedieb gewesen war. Indem er sich für einen „Wahrsager“ ausgab, erwarb er sich unter den unwissenden religiösen Leuten große Beliebtheit. Die Gerüchte über die „Wunder“ und die Prophezeiungen Rasputins gelangen bis zum Zarenhofe. Zar Nikolaj II. und die Zarin Alexandra waren abergläubische Menschen. Die Zarin hoffte, dass Rasputin ihren unheilbar kranken Sohn, den Thronfolger Alexej, heilen könne. Der geschickte und freche Rasputin, der zum Hofe gerufen wurde, gewann bald auf die Zarin, und durch sie auch auf den Zaren, einen gewaltigen Einfluss. Von ihm geschriebene, von grammatischen Fehlern strotzende Zettel genügten den Zaren, um daraufhin Minister zu berufen und zu entlassen. Unter Rasputins Mitwirkung erhielten dunkle Geschäftemacher, Spekulanten, ausländische Spione verantwortliche Staatsstellungen und einträgliche Aufträge für Heereslieferungen.                                                                                                Die rasputinische Misswirtschaft war ein Zeichen für die moralische Fäulnis, für den geistigen Schwachsinn und die Zersetzung des zaristischen Regimes. Sogar Spitzen der Aristokratie, die den völligen Zusammenbruch des Zarismus kommen spürten, forderten die Entfernung Rasputins, den sie für die Hauptursache allen Unglücks im Lande hielten. Im Dezember 1916 wurde Rasputin von Verschwörern getötet und sein Leichnam in ein Eisloch der Newa geworfene. Rasputins Beseitigung veränderte jedoch die Lage im Lande nicht.

Die zaristische Regierung, die die Revolution fürchtete, entschloss sich, die Reichsduma aufzulösen, die Arbeiterorganisationen zu zerschlagen und mit Deutschland einen Separatfrieden zu schließen. In der Hauptstadt wurden Truppen und Artillerie zusammengezogen. Die Polizei wurde in Kriegszustand versetzt und mit Maschinengewehren ausgerüstet.

Die Verschwörung des Zarismus gegen die Revolution fiel mit der Verschwörung zusammen, die in den Kreisen der Bourgeoisie und der Generalität herangereift war. Die bürgerlichen Verschwörer waren zu dem Schluss gekommen, dass das beste Mittel zur Vorbeugung der Revolution eine Palastrevolution sei. Die beabsichtigten, den Sonderzug des Zaren auf der Strecke vom Hauptquartier zur Hauptstadt anzuhalten und den Zaren zu zwingen, zugunsten seines Sohnes Alexej auf den Thron zu verzichten. An der Vorbereitung der Palastrevolution nahmen auch Vertreter Englands und Frankreichs teil, die einen Separatfrieden Russlands mit Deutschland befürchteten.

Jedoch wurde weder die Verschwörung des Zarismus noch die Verschwörung der Bourgeoisie zu Ende geführt. Die Arbeiterklasse und die Bauern im Waffenrock vernichteten durch ihre revolutionären Aktionen die Pläne des Zaren und der Bourgeoisie.

Am Jahrestag des „Blutigen Sonntags“, am 09. Januar 1917, fand in Petrograd eine große Demonstration gegen den Krieg statt. In einer Reihe von Städten waren Streiks ausgebrochen. Die revolutionäre Bewegung wuchs besonders schnell in Petrograd an. Am Morgen des 23. Februars gingen die streikenden Arbeiter der Putilow-Werke auf die Straße. Die Arbeiter anderer Fabriken schlossen sich an. Am 23. Februar (8. März), am internationalen Frauentag, gingen Arbeiterinnen mit roten Fahnen auf die Straße und vereinigten sich mit den demonstrierenden Arbeitern. Überall fanden Meetings statt, auf denen Arbeiter den Sturz der Selbstherrschaft und die Beendigung des Krieges forderten.  Der Zar gab dem Befehlshaber der Truppen des Petrograder Militärkreises den Befehl, mit den Unruhen in der Hauptstadt unverzüglich Schluss zu machen. Die Polizei fing an, die Demonstranten aus Maschinengewehren, die auf den Dächern der Häuser aufgestellt waren, zu beschießen.

Jedoch hatte der Zarismus nicht mehr die Kraft, die Revolution aufzuhalten. Am 25. Februar 1917 rief das Petrograder Komitee der Bolschewiki in seinem Flugblatt direkt zum Aufstand auf. „Vor uns der Kampf, aber uns erwartet der sichere Sieg. Alle unter die roten Fahnen der Revolution! Nieder mit der der zaristischen Monarchie“

Am 26. Februar erließ das Büro des Zentralkomitees der bolschewistischen Partei mit W.M. Molotow an der Spitze ein Manifest mit dem Aufruf, den bewaffneten Kampf gegen den Zarismus fortzusetzen und eine revolutionäre Regierung zu schaffen. Der Stadtbezirk Wyborgskaja Storona ging in die Hände der aufständischen Arbeiter über. Unter Führung des Komitees der Bolschewiki des Wyborger Stadtbezirkes bemächtigten sich die Arbeiter der Waffenmagazine und bewaffneten sich, um die Polizei abzuwehren. Zur gleichen Zeit drangen die Bolschewiki in die Kasernen ein und riefen die Soldaten auf, sich mit den Arbeitern zu vereinigen. Am 27. Februar begannen die Truppen in Petersburg auf die Seite der Aufständischen überzugehen. Zur „Unterdrückung“ der aufständischen Hauptstadt zog der Zar Truppen von der Front ab. Der Truppentransport gelangte aber Kaum bis nach Zarskoje Sjelo. Hier lehnten die Soldaten, die sich mit den revolutionären Arbeitern verbrüdert hatten, es ab, gegen die Hauptstadt zu marschieren. Der Sonderzug des Zaren wurde auf dem Weg vom Hauptquartier auf einer Station von den revolutionären Eisenbahnern angehalten.

Die bewaffneten Arbeiter und Soldaten befreiten die politischen Gefangenen aus den Gefängnissen. Auf den Aufruf der bolschewistischen Partei hin begannen die Arbeiter und Soldaten, ihre Vertreter in die Sowjets zu wählen. Am Abend des 27. Februar fand die erste Sitzung des Petrograder Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten statt. Die Bourgeoisie versuchte noch einmal mit dem zaristischen Hauptquartier in Verhandlungen zu treten und bewarb sich um die Zustimmung Nikolajs II. zur Bildung eines der Duma verantwortlichen Ministeriums. Die Bourgeoisie hegte die Hoffnung, dass eine Veränderung der Zusammensetzung der Regierung die Möglichkeit gewähren würde, den Zarismus zu erhalten und den Krieg bis zum Ende zu führen, Sie wollte eine kleine Revolution für einen großen Krieg, schrieb J.W. Stalin. Doch die Bourgeoisie konnte die Entwicklung der Revolution nicht aufhalten.

https://dietrommlerarchiv.wordpress.com/2017/09/28/kalender-in-russland/Nach dem Umsturz in Petrograd siegte die Revolution im ganzen Lande. Der nach einem Ausspruch Lenins von Blut und Unrat bedeckte Wagen der Monarchie der Romanows war am 27. Februar (am 12. März neuen Stils) des Jahres 1917 sogleich und für immer umgekippt.

Die Partei der Bolschewiki, die das Volk zum Sieg über den Zarismus geführt hatte, stellte sich an die Spitze des weiteren revolutionären Kampfes des Proletariats und der armen Bauernschaft zum Sturz der Bourgeoisie und zur Übergabe der gesamten Macht an die Sowjets.

Anna Michailowna Pankratowa

Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 1 von 1947, Autorin Anna Michailowna Pankratowa. Bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band I von 1947

Russland in den Jahren der Reaktion und des neuen revolutionären Aufschwunges

Die Partei der Bolschewiki in der Periode der stolypinschen Reaktion

Die Revolution war unterdrückt worden, der Sieg des Zarismus aber nicht dauerhaft. Die zaristische Regierung rechnete grausam mit den revolutionären Arbeitern und Bauern ab. Die Gefängnisse waren überfüllt. Der zaristische Minister Stolypin bedeckte das Land mit Galgen. Jedoch stärkten die zaristischen Verfolgungen der Arbeiter und Bauern die Selbstherrschaft nicht. Um ihre Lage zu festigen, nahm die Regierung ihre Zuflucht zu einem großangelegten Manöver. Sie heckte den Plan aus, die Kulakenoberschicht des Dorfes zu einer festen Stütze der Selbstherrschaft zu machen durch Verwandlung der Kulaken in „kleine Gutsbesitzer“.

Früher hatten die Bauern das Land gemeinsam durch die gesamte Dorfgemeinschaft besessen. Das Land wurde von Zeit zu Zeit unter die Mitglieder der Dorfgemeinschaft nach Maßgabe der Zahl der männlichen Seelen aufgeteilt.

Am 09. November 1906 erließ Stolypin ein Gesetz, demzufolge jeder beliebige Bauer aus der Dorfgemeinschaft ausscheiden konnte. Die Dorfgemeinschaft war verpflichtet, dem Ausscheidenden seinen Landanteil als persönlichen Besitz auszusondern. Auf diesem Landteil konnten jedoch nur die wohlhabenden Bauern sich festsetzen. Im Verlaufe von 9 Jahren (von 1906 bist 1915) schieden insgesamt mehr als zwei Millionen Hofbesitzer aus der Dorfgemeinschaft aus. Die Armen, die aus der Dorfgemeinschaft ausschieden, konnten ihre Parzellen nicht bebauen und gingen zugrunde. Die reichen Bauern – die Kulaken – erhielten die Möglichkeit, zum niedrigem Preise das Land der ruinierten Dorfarmen aufzukaufen. Die Klassenschichtung des Dorfes verschärfte sich. Auf der einen Seite stieg die Zahl der landlosen Bauern an, auf der anderen Seite stieg die Anzahl der Kulakenwirtschaften. Stolypins Reform beließ in den in den Händen der Gutsbesitzer, der Zarenfamilie und der Klöster mehr als 150 Millionen Hektar besten Landes. Die stolypinische brachte der Bauernschaft Ruin, Armut und Hungersnot.

Im Dorfe verstärkte sich die Bewegung der Bauern gegen die Gutsbesitzer und die Kulaken. Die Bauern leisteten den Landmessern und anderen zaristischen Beamten, die die Reform durchführten, Widerstand. Bei der Aussonderung von Land aus der Dorfgemeinschaft an die Kulaken mussten die zaristischen Beamten nicht selten Gewalt anwenden.

Nur eine Revolution konnte die Lage im Lande ändern. Die Bolschewiki, mit Lenin und Stalin an der Spitze, wussten das und bereiteten die Arbeiter und Bauern auf die Fortsetzung des Kampfs gegen den Zarismus vor. Die Menschewiki glaubten nicht an die Möglichkeit eines neuen Aufschwunges der Revolution, sie verleugneten die revolutionären Forderungen des Parteiprogramms und die revolutionären Losungen der Partei. Die Menschewiki schlugen sogar vor, die proletarische Partei völlig zu liquidieren und sich dem stolypinschen Regime „anzupassen“. Lenin nannte die Menschewiki-Liquidatoren die „Stolypinsche Arbeiterpartei“ und rief die Arbeiter auf, ihre revolutionäre Partei zu hüten und zu festigen.

Die zaristische Regierung verfolgte die Partei der Bolschewiki und befahl, Lenin zu verhaften. Die zaristischen Spitzel suchten eifrig nach dem Führer der Revolution. Auf Vorschlag der Partei ging Lenin im Jahre 1907 ins Ausland. Im Dezember desselben Jahres fuhr er in die Schweiz und ließ sich in Genf nieder. Hier erneuerte er die Herausgabe des Zentralorgans der Partei: der Zeitung „Proletarij“ („Der Proletarier“). Auf geheimen Wegen schickte er von hier die bolschewistische Zeitung und Briefe mit Anweisungen, wie die Partei, die sich in der Illegalität befand, arbeiten sollte, nach Russland.

Vor der Polizei verborgen, schufen die Bolschewiki ihre Organisationen in den Betrieben, druckten und verbreiteten unter den Arbeitern Flugblätter und Zeitungen. Zur Verstärkung ihres Einflusses bei den Massen bedienten sie sich der Gewerkschaften, der Arbeiterklubs, der Sonntagsschulen und der Genossenschaften. In der Reichsduma, wohin die Arbeiter einige Bolschewiki hatten entsenden können, ertönten ihre kühnen Aufrufe zum Kampfe um die Freiheit.

Den revolutionären Kampf in Russland leitete J.W. Stalin. Nach der Niederlage der Revolution im Zentrum von Russland leitete er den revolutionären Kampf der Bakuer Arbeiter. Lenin schätzte den kämpferischen Charakter der Bakuer Streiks, die von Stalin geleitet waren, sehr hoch ein. Er schrieb: „Im Jahre 1908 steht Baku mit 47 000 Streikenden an der Spitze der Gouvernements, die eine beachtliche Zahl von Streikenden aufweisen. Die letzten Mohikaner des politischen Massenstreiks!“ 

Der Zarismus bemühte sich auf jegliche Weise, Stalin der Möglichkeit einer revolutionären Betätigung zu berauben. Von 1902 bis 1913 wurde Stalin achtmal verhaftet, siebenmal war er in der Verbannung. Ungeachtet der polizeilichen Verfolgungen fuhr er fort, selbstlos die revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse zu leiten.

Die Bolschewiki geben Beispiele einer grenzenlosen Hingabe an die Revolution, hohe Vorbilder von Mannhaftigkeit, Mut und unerschütterlichem glauben an den Sieg der Arbeiterklasse.

Ein unbeugsamer Revolutionär war Jakow Michajlowitsch Swerdlow, „der ausgeprägteste Typus eines Berufsrevolutionärs“, wie Lenin ihn charakterisierte. Vom 15. Lebensjahre an begann er seine Mehrmals von Verbannungen und Flucht unterbrochene revolutionäre Tätigkeit voller Anstrengungen und Gefahren. Nach der Niederlage der Revolution befand sich Swerdlow zwei Jahre auf Festung.

In den Jahren der Reaktion wurde er aus dem Kerker freigelassen, aber bald wieder verhaftet und in die Narymregieon verschickt. Fünfmal versuchte Swerdlow, aus dem abgelegenen Maximkin-Jar zu flüchten, wohin sogar die Post nur zweimal im Jahre kam. Im Herbst des Jahres 1912 versuchte er auf einem Boot den Jenissej zu überqueren, und wäre in dem reißenden Fluss beinahe umgekommen.

Ein unerschütterlicher bolschewistischer Kämpfer war auch Michail Wassiljewitsch Frunse. Im Jahre 1905 leitete er den Streik der Iwanowo-Wonsessensker Arbeiter. Im März 1907 wurde Frunse verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Die Todesstrafe drohte ihm. „Sagen Sie sich von Ihren Proletariern los“, rief ihm während der Gerichtsverhandlung der Rechtsanwalt zu, „Sie werden sehen, man wird Sie sofort begnadigen.“ Frunse erklärte dem Richter empört, dass er einen solchen Verteidiger ablehne.  Das zaristische Gericht verurteilte Frunse zu 10 Jahren Zwangsarbeit.

Furchtlos bekämpfte den Zarismus der junge Bolschewik Sergej Mironowitsch Kirow, der später ein feuriger Tribun der Revolution wurde. Wegen revolutionärer Arbeit im Jahre 1905 in Tomsk und wegen Organisierung einer Geheimdruckerei wurde er zur Einkerkerung in einer Festung verurteilt. Dies war schon seine dritte Verhaftung. Aber der stets muntere und lebensfrohe Kirow widmete sich aufs Neue der revolutionären Arbeit, sobald er aus dem Gefängnis wieder heraus war.

Ein ebensolcher unermüdlicher junger Revolutionär und Bolschewik war Grigorij Konstaninowitsch Ordshonikidse (Sergo).                                                                                                                                        Bei der Ausladung von Waffen, die auf dem Seeweg aus dem Ausland verschickt worden waren, wurde er im Dezember 1905 verhaftet. Es gelang ihm, über die Grenze zu flüchten, aber später kehrte er nach Baku zurück. Nach wiederholten Verhaftungen ging Ordshonikidse nach Paris und lernte in der von Lenin geschaffenen Parteischule. Nach Russland zurückgekehrt, leistete er eine energische bolschewistische Arbeit, die erst durch seine Einkerkerung in die Schlüsselberger Festung auf drei Jahre unterbrochen wurde.

Einer der hervorragendsten Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung Polens und Russlands in den Jahren der Reaktion war Felix Edmundowitsch Dzierzynski( Es gibt verschiedene Schreibweisen des Namens.). In den heißen Tagen der Revolution des Jahres 1905 entwickelte Dzierzynski, der bei den Warschauer Arbeitern unter dem Namen Jusef bekannt war, eine rastlose Tätigkeit.                                                                                                                                                      Er führte einen energischen Kampf gegen die Menschewiki und unterstützte die Linie Lenins. Während der illegalen Arbeit nach der Revolution wurde er mehrmals verhaftet. Als gefährlicher und unversöhnlicher bolschewistischer Revolutionär wurde Felix Dzierzynski in einem besonderen Pavillon der der Warschauer Zitadelle eingesperrt. Hier schrieb er das „Tagebuch eines Gefangenen“, in dem er von seinen Erlebnissen als standhafter revolutionärer Kämpfer, der bereit ist, sein Leben im Namen der Revolution hinzugeben, erzählte.

Viele Hunderte von tapferen Revolutionären waren in den Verhältnissen der Illegalität durch die bolschewistische Partei erzogen worden. Sie bildeten die eiserne Garde der Leninisten, die unter der Leitung Lenins und Stalins unerschütterlich eine neue Revolution vorbereiteten.

Der neue revolutionäre Aufschwung in Russland

Bald begann in der Arbeiterbewegung von neuem eine bemerkenswerte Belebung. Die Arbeiter fingen an, Kräfte zu sammeln. Die Zahl der Streiks stieg von neuem an. Bereits im Jahre 1911 überschritt die Anzahl der Streikenden im ganzen Lande hunderttausend. Ein besonders starker Aufschwung des revolutionären Kampfes des Proletariats war durch die Ereignisse in den fernen Goldgruben der Lenaer Goldminen-Gesellschaft in Sibirien bewirkt worden.

Die Goldminen befanden sich in der abgelegenen Tajga, 1700 km von der Eisenbahn entfernt. Man konnte nur dann von dort wegkommen, wenn di Lena schiffbar war. Die Arbeitsbedingungen waren durch einen ausbeuterischen Vertrag geregelt. Vor Beendigung der Anstellungsfrist durften die Arbeiter die Arbeit nicht aufgeben, doch konnten sie zu jeder beliebigen Frist entlassen werden. In Anrechnung auf den Arbeitslohn wurden den Arbeitern Lebensmittel schlechtester Qualität verabfolgt. Der Arbeitstag war laut Vertrag auf zehn bis elf Stunden festgesetzt, die Verwaltung verlängerte ihn jedoch häufig nach Willkür.

Die Goldminenbesitzer, die die Lenaer Gesellschaft leiteten, fühlten sich in der Tajga als richtige Herrscher. Den Leiter der Goldgruben, Belosjorow, nannte man den „ungekrönten König der Tajga“.

Die zuchthausähnlichen Arbeitsbedingungen, die Verzögerung der Auszahlung des Arbeitslohnes, der Verkauf von verfaulten Lebensmitteln zum dreifachen Preis, die Gewalttätigkeiten und das eigenmächtige Handeln der Verwaltung und der Polizei riefen häufige Unruhen unter den Arbeitern hervor.

Ende Februar 1912 brach auf einer der Gruben, wo die Lage der Arbeiter besonders schwer war, ein Streik aus. Als Anlass diente die Zuteilung von faulem Pferdefleisch an die Arbeiter. Die empörten Arbeiter traten in den Streik und schickten zu den anderen Gruben ihre Deputierten. Am 27. März wurde der Streik ein allgemeiner. Mehr als 6000 Arbeiter nahmen daran teil und führten ihn eindeutig und organisiert durch. Jedoch wurde ungeachtet seines friedlichen Charakters eine große Abteilung Soldaten zu den Gruben entsandt. Das Streikkomitee wurde wegen „Aufwiegelung“ der Arbeiter zum Streik verhaftet. Am 04.(17.) April 1912 unterschrieben 3000 Arbeiter eine Erklärung, dass sie von sich aus, ohne jede Aufwiegelung, gestreikt hätten. Mit dieser Erklärung begaben sie sich zum Staatsanwalt zur Nadeshdinsker Goldgrube, um die Befreiung ihrer Deputierten zu verlangen.

An einem kalten Morgen des 04. April zogen lange Reihen von Arbeitern zur Nadeshdinsker Goldgrube und vereinigten sich dort zu einem langen schwarzen Band, das sich auf drei bis vier Kilometer erstreckte. Sie zogen durch den Wald, zwischen Schneehaufen, auf einem schmalen Weg, der kein Ausweichen zuließ. Auf der einen Seite befand sich ein steiler Abhang zum Fluss Bodajbo, auf der anderen Seite lagen Stapel aufgeschichteten Holzes. Quer über den Weg waren die vorher herbeigerufenen Soldaten in voller Kampfbereitschaft aufgestellt. Den Arbeitern trat der Ingenieur Tultschinskij entgegen und versuchte sie zu überreden, auseinander zu gehen. Die vordersten Reihen hielten an. Aber die 3 000köpfige Menge, die sich auf dem engen Weg hinzog, bewegte sich weiter und stieß auf die vordersten Reihen. Da begannen Polizei und Militär auf die Arbeiter zu schießen; 250 wurden getötet und 270 verwundet.

Die neue blutige Gräueltat der zaristischen Selbstherrschaft rief einmütige Empörung unter den Arbeitern hervor. Im ganzen Lande brachen Proteststreiks aus. In den Städten fanden revolutionäre Demonstrationen statt. Die Dritte Reichsduma, die laut Gesetz vom 03. Juli 1907 gewählt worden war und deren Mehrheit aus Gutsbesitzern und Bourgeoisie bestand, war immerhin gezwungen, die Frage über die blutigen Ereignisse an der Lena zu diskutieren. Der Minister des Inneren, Makarow, erklärte: „So war es, so wird es sein.“                                                                                                                                       Die Ereignisse an der Lena fanden im ganzen Land Widerhall. Überall begannen Streiks. Ungefähr 300 000 Arbeiter streikten. Lenin wies darauf hin, dass die Arbeiter jetzt nicht für einzelne Rechte, sondern gegen die allgemeine Rechtlosigkeit des Volkes zum Kampf anträten.Gerade diese allgemeine Rechtlosigkeit im russischen Leben, gerade die Hoffnungslosigkeit und Unmöglichkeit des Kampfes für einzelne Rechte, gerade diese Unverbesserlichkeit der zaristischen Monarchie und ihres ganzen Regimes sind in den Ereignissen an der Lena so grell in Erscheinung getreten, dass sie in den Massen das revolutionäre Feuer entzündet haben“, schrieb Lenin.

J.W. Stalin schrieb in der bolschewistischen Zeitung „Swesda“ („Der Stern“), indem er die historische Bedeutung der Ereignisse an der Lena würdigte:                                                                                             „Die Schüsse an der Lena haben das Eis des Schweigens gebrochen und- der Strom der Volksbewegung ist in Bewegung geraten.                                                                                                           In Bewegung geraten!….                                                                                                                                      Alles, was es Böses und Unheilvolles im gegenwärtigen Regime gab, alles, woran das vielgeprüfte Russland krankte, all das hat sich in der einen Tatsache, in den Ereignissen an der Lena zusammengeballt.                                                                                                                                                   Das ist der Grund, warum gerade die Schüsse an der Lena zum Signal für Streiks und Demonstrationen wurden.“

Die Ereignisse an der Lena zeigten, dass sich in der Arbeiterklasse eine gewaltige revolutionäre Energie angehäuft hatte. Die Bewegung breitete sich aus, wobei sie die rückständigsten Schichten der Arbeiter ergriff. Streiks fanden in sämtlichen Gebieten des Landes statt. An der Spitze schritt das revolutionäre Petersburg, ihm folgten die Arbeiter Moskaus, des Baltikums, der Ukraine (heute führen die Ukraine und Russland gegeneinander Krieg {2022} Ein Ergebnis des Sieges des Kapitalismus als Weltsystem), des Kaukasus. Die wirtschaftlichen Streiks verflochten sich mit den politischen. Lenin nannte derartige Massenstreiks revolutionäre Streiks. Sie waren gegen die Selbstherrschaft gerichtet und hatten für das gesamte Volk Bedeutung als revolutionäres Kampfmittel. Die Streiks riefen Sympathie der übergroßen Mehrheit der Werktätigen hervor. Sie ermutigten die Bauernschaft zum Kampf gegen die Gutsbesitzer und den Zarismus. Die Zusammenstöße der Bauern mit den Kulaken häuften sich. In der Zeit von 1010 bis 1914 fanden mehr als 13 000 Bauernaktionen statt.

Die Streiks wurden unter den bolschewistischen Losungen: „Achtstunden-Arbeitstag“, „Konfiskation des Bodens der Gutsbesitzer“, „Demokratische Republik“ durchgeführt.

Unter den Verhältnissen des revolutionären Aufschwunges war eine geschlossene Kampfpartei besonders notwendig, die fähig wäre, die Arbeiterklasse auf die neue Revolution vorzubereiten. Aus diesem Grunde wurde im Januar 1912 in Prag (Tschechoslowakei; heute Tschechien) eine Parteikonferenz einberufen, auf der sich die Bolschewiki zu einer selbstständigen Partei formierten. Bis zu dieser Zeit waren sie mit den Menschewiki formal in einer Partei, der SDAPR, vereinigt. Von jetzt an nannte sich die Partei SDAPR (Bolschewiki). Die Prager Konferenz wählte ein bolschewistisches Zentralkomitee, mit Lenin an der Spitze. J.W. Stalin, der sich in der Verbannung befand, wurde in Abwesenheit zum Mitglied des Zentralkomitees der Partei gewählt. Auf Lenins Vorschlag wurde Stalin an die Spitze des Russischen Büros des Zentralkomitees gestellt, das zur unmittelbaren Leitung der Parteiarbeit in Russland geschaffen wurde.

Für die revolutionäre Erziehung der Massen brauchten die Bolschewiki eine kämpferische politische Tageszeitung, die eng mit den Massen verbunden wäre. Im Januar 1912 begannen die Arbeiter Beiträge für die Herausgabe ihrer Zeitung zu sammeln. Die erste Nummer der täglich erscheinenden Massenzeitung „Prawda“ („Die Wahrheit“) kam am 22. April (am 05. Mai neuen Stils) heraus. Der Tag des 05. Mai wurde daher in der Sowjetunion als Tag der Arbeiterpresse gefeiert. Die Arbeit der „Prawda“ leitete Lenin vom Ausland aus. Ihr erster Redakteur war Stalin. Viel Zeit und Kräfte widmete W.M. Molotow, der als Redaktionssekretär arbeitete, der „Prawda“. Maxim Gorki unterstützte die „Prawda“ in ihrer Arbeit.

Die Zeitung erschien täglich. Jeden Morgen fand der zaristische Zensor sie auf seinem Tisch und suchte, woran er Anstoß nehmen könnte, um ihr Erscheinen zu verbieten. Die Arbeiter versammelten sich bereits in der Nacht auf dem Hof der Druckerei, wo die „Prawda“ gedruckt wurde, ergriffen die neuen Nummern der Zeitung, sobald sie erschienen, und trugen sie in die Werke und Fabriken. 40mal im Verlaufe des ersten Jahres des Bestehens der „Prawda“ drang di Polizei in die Druckerei ein, um die gesamt Auflage zu vernichten, aber in der Regel war die Zeitung schon nicht mehr in der Druckerei vorhanden. Die Auflage war bereits unter die Arbeiter verteilt worden. Im Mai 1913 schloss die zaristische Regierung die „Prawda“, aber schon nach einigen Tagen erschien sie unter einem andren Titel. Die „Prawda“ wechselte oft ihren Namen: „Sa Prawdu“ („Für die Wahrheit“), „Proletarskaja Prawda“ („Die proletarische Wahrheit“), „Sewrenaja Prawda“ („Die nördliche Wahrheit“), „Putj Prawdy“ („Der Weg zur Wahrheit“) und andere.

Die Bolschewiki benutzten jede Möglichkeit, eine revolutionäre Arbeit unter den Massen zu leisten. Sie schufen illegale Zellen und Gruppen in den Gewerkschaften, in den Konsumgenossenschaften, in den Krankenkassen und anderen Arbeiterorganisationen. Selbst die reaktionäre Reichsduma wurde von den Bolschewiki für ihre Agitation benutzt. Bei den Wahlen im Jahre 1912 wählten die Arbeiter in die Vierte Reichsduma sechs bolschewistische Abgeordnete. Lenin und Stalin leiteten ihre Tätigkeit. Die Arbeiterabgeordneten traten in der Duma mit revolutionären Reden hervor, die in der „Prawda“ abgedruckt wurden. Die Schwarzhunderter empfingen jedes Auftreten der Arbeiter mit Geschrei, Lärm und Pfeifen. Der Vorsitzende der Duma, der Gutsbesitzer Rodsjanko, entzog den Bolschewiki das Wort, sobald sie zu sprechen anfingen. Jedoch setzten die bolschewistischen Abgeordneten hartnäckig ihre leidenschaftlichen revolutionären Reden fort.

Im Jahre 1913 gelang es der zaristischen Regierung, einige bolschewistische Organisationen zu zerstören. In Petersburg verhaftete die Polizei Stalin. Er wurde in die abgelegene Turuchansker Region, in die Sieglung Kurejka, verschickt. Molotow wurde verhaftet und nach Sibirien verschickt. Im Gefängnis befanden sich Sergo Ordshonikidse und andere Führer der bolschewistischen Partei. Im Juli 1914 demolierte die Polizei das Redaktionsbüro der „Prawda“ und verhaftete ihre Mitarbeiter.

Der revolutionäre Kampf des Proletariats erhielt in der ersten Hälfte des Jahres 1914 einen großen Schwung. Die Zahl der Streikenden umfasste im ersten Halbjahr ungefähr anderthalb Millionen Menschen. Die Streiks fanden unter den bolschewistischen Losungen statt. Der von den Bolschewiki geleitete Sommerstreik der Bakuer Arbeiter währte zwei Monate. Die Bakuer wurden von den Arbeitern des ganzen Landes unterstützt. In Petersburg und in anderen Städten fanden Meetings unter den Losungen statt: „Bakuer Genossen, wir sind mit Euch!“, „Der Sieg der Bakuer ist unser Sieg!“ Eine dieser revolutionären Demonstrationen endete mit Schüssen auf die Arbeiter der Pulitow-Werke. Als Antwort auf diese Schüsse der Polizei erhob sich die gesamte Arbeiterschaft von Petersburg. In den Straßen Petersburgs fanden Zusammenstöße der Arbeiter mit den Truppen statt, die in Barrikadenkämpfe übergingen- Die Hauptstadt wurde in ein Heerlager verwandelt.

Der weitere Aufschwung der Revolution wurde durch den Krieg unterbrochen.

Entnommen aus dem ersten Band „Das Sowjetland“, erschienen im Jahre 1947. Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa, bearbeitet von Petra Reichel

Anna Michailowna Pankratowa

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 aus dem Jahre 1947