Terrorbekämpfung in der DDR

Entnommen aus dem Buch „Die Sicherheit“. Es steht zum Download auf der Website www.mfs-insider bereit.

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Buchtitel %22Die Sicherheit%22

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Trotz einer Vielzahl terroristischer Aktivitäten gegen die DDR gab es zu
deren vorbeugenden Verhinderung, Aufklärung und Bekämpfung bis Mitte
der 70er Jahre keine spezifische Zuständigkeit einer Diensteinheit des MfS.
Diese Aufgabe war nach wie vor Bestandteil der Arbeit aller operativen Diensteinheiten.

Zum Beispiel hatten die Passkontrolleinheiten (PKE)der HA VI, verantwortlich
für die Sicherung und Gewährleistung der reibungslosen Abfertigung
des grenzüberschreitenden Personenverkehrs, in den 70er Jahren »Varianten
der Handlungen« für jede Grenzübergangsstelle (GÜST) zur Abwehr terroristischer Anschläge erarbeitet und durchgesetzt. Das betraf mögliche Geiselnahmen, gewaltsame Grenzdurchbrüche, Gewalt- bzw. Bombendrohungen und Feststellung von Waffen, Sprengstoffen und anderen gefährlichen Gegenständen.
Diese »Varianten der Handlungen«, im Grundsatz erarbeitet durch die AG »Sicherheit und Terrorabwehr« der HA VI, waren den spezifischen territorialen, sicherheitsmäßigen und personellen Bedingungen der jeweiligen GÜST angepasst.

Für jeden einzelnen Posten-, Kontroll- und Abfertigungsbereich galten präzise Festlegungen zur:
– Beobachtung der Verkehrslage vor der GÜST, zum Einsatz der Sperranlagen und anderer verkehrsregulierender Maßnahmen (Ampelschaltung, Schlagbäume usw.);

– Anwendung der Schusswaffen und zu den Schusssektoren (nicht in Richtung Reisende, BRD oder Westberlin usw.) auf der Grundlage der für alle bewaffneten Organe geltenden Schusswaffengebrauchsbestimmung und den Einsatz von Scharfschützen;

–Beurteilung, Sicherung, Bergung und gefahrlosen Beseitigung von sprengkörperverdächtigen Gegenständen;
– Evakuierung bzw. Umleitung der Reisenden und zu anderen Maßnahmen
der Gewährleistung ihrer Sicherheit.
Zur Durchsetzung dieser Aufgaben war das enge Zusammenwirken mit
den anderen an den GÜST eingesetzten Kräften (Grenztruppen der DDR,
der Zollverwaltung, Deutschen Volkspolizei einschließlich des Betriebsschutzes an den Flug- und Seehäfen) die Voraussetzung. Strikt beachtet
und eingehalten wurden dabei die jeweiligen Verantwortlichkeiten. (So
wurde der »Kommandant der Grenzübergangsstelle« generell von den
Grenztruppen gestellt; auf den Flughäfen wurde diese Funktion vom Leiter
der PKE wahrgenommen.)
Ein unumstößlicher Grundsatz in der Terrorabwehr des MfS lautete: »Sicherheit
in der Luft wird am Boden produziert«. Dies bezog sich auf die Absicherung
der Flughäfen selbst, unterschiedliche Zugangsberechtigungen für
die Beschäftigten und vor allem die gründliche Kontrolle der Fluggäste und
ihres Gepäcks. Dazu erfolgten gemeinsam mit der Abteilung Ausbildung
der Zollverwaltung der DDR in regelmäßigen Abständen, seit Beginn der
80er Jahre ein- bis zweimal monatlich, an den GÜST der Flughäfen realitätsnahe Sicherheitstests zum Aufspüren von Waffen, Sprengstoff und anderen
gefährlichen Gegenständen. Die Reaktionen und Verhaltensweisen der
 Kontrollkräfte wurden bei diesen Tests geprüft, korrigiert, die eingesetzte Technik überprüft und gewonnene Erkenntnisse verallgemeinert. Notwendige
Verbesserungen der technischen Einrichtungen wurden durchgesetzt. Die DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG hatte zu gewährleisten, dass in allen ihren Maschinen die Cockpit-Türen beschusssicher ausgekleidet waren, von innen verriegelt werden konnten und während des Fluges absolut verschlossen
blieben.
Je nach Erfordernis und in Abstimmung mit der zuständigen HA XIX (verantwortlich u. a. für die Sicherheit des Verkehrswesens) wurden speziell ausgebildete Angehörige der PKE als Flugsicherungsbegleiter – heute sogenannte
»Sky Marshalls« – eingesetzt. (Bei der Lufthansa wurden sie erst nach
dem 11. September 2001 eingesetzt; sie heißen »Flugsicherungsbegleiter«.)
Ihre Aufgabe bestand darin, terroristische Anschläge auf die Luftfahrzeuge
wie Geiselnahmen, Entführungen möglichst vorbeugend zu verhindern und Attentäter im Ernstfall zu bekämpfen.
Mitarbeiter der HA VI waren ständige Mitglieder der »Kommission zur Untersuchung folgenschwerer Luftfahrtunfälle der DDR«. Als solche kamen
sie zum Einsatz z. B. bei Havarien, wie sie sich seinerzeit in Berlin-Schönefeld
mit Maschinen TU 154 der AEROFLOT und IL 62 der INTERFLUG ereigneten.