Die bürgerlich-demokratische Revolution in Russland 1905 bis 1907. Ihre internationalen Auswirkungen und ihre Lehren

Die Verschärfung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten

Der Dreibund und die Bildung der Entente

 Der Kurs der imperialistischen Staaten auf eine gewaltsame Neuaufteilung der Welt führte zu einem starken Anwachsen der Kriegsrüstungen und zu zahlreichen Versuchen, mit Bündnisverträgen die Machtpositionen der verschiedenen Staaten zu stärken. 

Der bereits im 19. Jahrhundert entstandene aggressive Dreibund wurde zum Politischen und militärischen Instrument, die Forderungen des deutschen Imperialismus nach der Neuaufteilung der Welt durchzusetzen.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war besonders der Widerspruch zwischen dem deutschen und dem englischen Imperialismus in den Vordergrund getreten. Die ökonomischen Gegensätze wurden noch vertieft durch die politische und militärische Kriegsrüstung in Deutschland. Die englische Regierung suchte deshalb Verbündete. Sie fand sie in Frankreich und Russland, die bereits verbündet waren.

Nachdem Streitigkeiten zwischen England und Frankreich in Afrika beigelegt waren, schlossen beide Staaten 1904 ein Abkommen, genannt Entente Cordiale („herzliches Einvernehmen“).

Ein weiteres Abkommen vom August 1907 zwischen der englischen und russischen Regierung über die Abgrenzung der Einflussgebiete in Persien, Tibet und Afghanistan ermöglichte den Anschluss Englands an das Bündnis Russlands mit Frankreich.                                                                                                          Mit dem englisch-russischen Abkommen von 1907 war die Herausbildung der Triple-Entente abgeschlossen.

Zwei Kriegsbündnisse, der Dreibund und die Entente, bestanden jetzt in Europa, die der Erweiterung des Herrschaftsbereiches der beteiligten Länder dienen sollten. Die Gefahr eines Weltkrieges wurde immer größer. Ein sichtbarer Ausdruck der wachsenden Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten war der russisch-japanische Krieg 1904/05.

Der russisch-japanische Krieg 1904/05

Die gemeinsame Niederschlagung des Volksaufstandes im Jahre 1900 in China hatte die verschiedenen Konkurrenzinteressen der imperialistischen Staaten keineswegs befriedigt. Zwischen Japan und Russland entbrannte ein heftiger Kampf um den beherrschenden Einfluss in Ostasien, besonders in der Mandschurei. 1904 begann Japan den Krieg gegen Russland mit dem Überfall auf die russische Flotte in Port Arthur.

Obwohl sich Russland ebenfalls auf einen Eroberungskrieg vorbereitet hatte, war es dem japanischen Angriff nicht gewachsen. Die russische Landarmee wurde bei Mukden (März 1905) und die zur Unterstützung herangeführte Ostseeflotte bei Tscschima (Mai 1905) vernichtend geschlagen.

Die wirtschaftliche Schwäche Russlands, die Unterschätzung des japanischen Imperialismus, dazu die Bestechlichkeit der Offiziere, die Misswirtschaft im Nachschubwesen und vor allem die volksfeindlichen Ziele des Krieges verursachten die völlige Niederlage Russlands.

Der Untergang der russischen Flotte bei Tsuschima. (Zeitgenössische japanische Darstellung)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die russischen Truppen mussten auf einem Weg von über 10 000 Kilometern herangebracht werden. Nicht einmal genug Gewehre gab es in der russischen Armee. Hinzu kam, dass die transsibirische Eisenbahn noch nicht fertiggestellt war. Während die russischen Soldaten und Verwundeten nicht einmal mit dem Allernotwendigsten versorgt wurden, führte der russische Oberbefehlshaber in einem Waggon eine Kuh mit sich, damit er morgens frische Milch hatte.

Die meisten imperialistischen Staaten begrüßten den Krieg. Sie hofften, dadurch ihre Einflussgebiete in China erweitern zu können. England hatte 1902 einen Vertrag mit Japan abgeschlossen und war besonders an einer Zurückdrängung Russlands aus China interessiert. 1905 musste die zaristische Regierung einem Friedensvertrag zustimmen, der unter anderem Port Arthur und die Südmandschurei unter japanische Herrschaft stellte.

Die deutschen Militaristen betrachteten den russisch-japanischen Krieg als Vorgefecht des künftigen Krieges um die Neuaufteilung der Welt. Sie entsandten Beobachter auf beide Kriegführende Seiten, um die Anwendung und Wirkung neuer Waffen und Kriegsmanöver zu studieren. Gleichzeitig versuchten die deutschen Imperialisten, den Krieg in Ostasien für ihre Eroberungspläne auszunutzen. Sie wollten die französischen Konkurrenten aus Marokko verdrängen und verursachten damit im Jahre 1905 die erste Marokkokrise.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die internationale Marokkokonferenz in der südspanischen Stadt Algeciras, die im Jahre 1906 stattfand, enthüllte jedoch die Isolierung Deutschlands; England und Italien unterstützten die Ansprüche der französischen Imperialisten in Marokko.

Die Revolution in Russland von 1905 bis 1907

Die Ursachen der Revolution

Um 1900 brach in Europa eine Wirtschaftskrise aus, die bis 1903 andauerte und auch auf Russland übergriff. Durch die Wirtschaftskrise wurden die ohnehin erbärmlichen Lebensverhältnisse der russischen Werktätigen noch mehr verschlechtert.

Die ausländischen Monopolkapitalisten legten viele ihrer Fabriken in Russland still, dadurch verloren mehr als 100 000 Arbeiter ihren Arbeitsplatz. Insgesamt überstieg die Anzahl der Arbeitslosen 200 000.

Außerordentlich schwer war die Lage der werktätigen Bauern. Die kleinen und mittleren Bauern befanden sich in völliger wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit zu den Gutsbesitzern und Kulaken (Großbauern P.R.). Eine Missernte ließ Zehntausende von Menschen verhungern.

57 Prozent der Einwohner des Russischen Reiches gehörten nichtrussischen Völkern und Nationalitäten an. Die Ukrainer, Armenier, Turkmenen, Kirgisen, Kasachen, Georgier und viele andere waren völlig rechtlos. Ihre Nationalkultur, ihre Muttersprache wurden unterdrückt.

Der Ausbruch des russisch-japanischen Krieges verstärke die Leiden der russischen Werktätigen. Das Leben der russischen Soldaten wurde rücksichtslos und sinnlos geopfert. Die Erbitterung der Arbeiter und Bauern wuchs von Monat zu Monat. So hatten sich die imperialistischen Widersprüche in Russland aufs äußerste verschärft.

Der Ausbruch der Revolution

Am 4.(17.) Januar 1905 legten 12 000 Arbeiter der Putilow-Werke in Petersburg aus Protest gegen willkürliche Entlassungen die Arbeit nieder. Andere Betriebe schlossen sich an. Am 8. (21.) Januar streikten bereits 150 000 Arbeiter. Die zaristische Regierung fürchtete ein Übergreifen der revolutionären Bewegung auf andere Teile des Landes und plante die gewaltsame Unterdrückung des Streiks. Den Anlass dazu bot eine friedliche Massendemonstration. Der Pope Gapon, ein Spitzel der Geheimpolizei, knüpfte an den verbreiteten Irrtum an, der Zar sei ein Beschützer der Armen. Gapon forderte die Petersburger Arbeiter auf, dem Zaren am 9. (22.) Januar 1905 eine Bittschrift zu übergeben. Die Bolschewiki befürchteten einen militärischen Überfall auf die Demonstration und warnten die Arbeiter. Da sie den Bittgang aber nicht verhindern konnten, beteiligten sie sich an der Demonstration. Mehr als 140 000 Petersburger Arbeiter zogen mit Kirchenfahnen, Heiligen- und Zarenbildern zum Winterpalast.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Zar ließ auf die Demonstranten schießen. Etwa 1 000 Männer, Frauen und Kinder wurden dabei ermordet, mehr als 5 000 verwundet.

Der Blutsonntag 1905 in Petersburg (Fotografie)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Dieser 9. (22.) Januar wurde fortan Blutsonntag genannt. Die empörten Arbeiter begannen sich zu bewaffnen und stellten sich dem Militär entgegen. Ihrem Beispiel folgten die Arbeiter und Bauern in weiten Teilen des russischen Reiches. Das Petersburger Blutbad wurde zum Ausgangspunkt der Revolution.

Die Ausbreitung der Revolution

Den Gewaltakt des Zaren beantworteten die Arbeiter Russlands mit Streiks, so in Moskau, Riga, Warschau und Tiflis. Am 1. Mai streikten in nahezu 200 Städten die Arbeiter unter der politischen Losung: „Nieder mit der Selbstherrschaft des Zaren!“  Die Bauern schlossen sich dieser Bewegung an. Im Herbst 1905 erfasste die Bauernbewegung die Hälfte aller Landkreise. Die revolutionäre Bewegung griff schließlich auch auf die Armee über, in erster Linie auf die Flotte.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
An Deck des Panzerkreuzers „Potemkin“ während des Aufstandes der Matrosen. (Fotografie vom 5. Juli 1905)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Einen Höhepunkt erreichte die revolutionäre Bewegung im Oktober. Ausgehend von Moskau griff die Streikbewegung unter Leitung der Bolschewiki auf andere Industriezentren über. In diesen Kämpfen schufen sich die Arbeiter viele neue Leitungsorgane, Sowjets genannt. Lenin erkannte in diesen Sowjets die Keimform der künftigen Staatsmacht des Volkes.

Im Oktober 1905 kehrte Lenin aus seiner Emigration nach Russland zurück, um unmittelbar auf die Leitung des revolutionären Kampfes des russischen Proletariats Einfluss zunehmen.

Der Dezemberaufstand in Moskau

Am 07. (20.) Dezember 1905 proklamierten die Moskauer Bolschewiki den politischen Generalstreik. Schon in den ersten Tagen beteiligten sich über 150 000 Arbeiter. Am 10. Dezember wurde der Streik zum bewaffneten Aufstand.

Besonders heftige Kämpfe fanden im Stadtteil Presnja statt. In diesem Arbeiterbezirk beteiligten sich etwa 700 bis 800 Arbeiter am bewaffneten Straßenkampf. Sie wurden von allen Arbeitern des Bezirks unterstützt. Der militärische Stab tagte in der kleinen Küche einer Textilfabrik. Ihm war das revolutionäre Gericht angegliedert. Der Sowjet des Stadtbezirkes organisierte die Verpflegung und die finanzielle Unterstützung der Arbeiter. Zeitweilig befand sich Presnja in den Händen der Arbeiter. Die Polizei wurde gezwungen, den Bezirk zu verlassen.

Da es nicht gelungen war, die Eisenbahnbrücke auf der Strecke von Petersburg nach Moskau zu sprengen, konnte die zaristische Regierung Truppenverstärkungen nach Moskau befördern.

Barrikade der Moskauer Arbeiter während des Dezemberaufstands 1905. (Fotografie)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für 8. Klasse, Stand 1982
Der revolutionäre Kampf der Werktätigen Russlands 1905/06
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Neun Tage kämpften die Moskauer Arbeiter erbittert gegen die Armee und die Polizei. Da der Aufstand nicht zur gesamtrussichen Bewegung wurde, beschlossen die Führer der Bolschewiki in Moskau den Rückzug. Der Dezemberaufstand in Moskau war der Höhepunkt der Revolution.

Die Ergebnisse der Revolution

Die bürgerlich-demokratische Revolution in Russland 1905 bis 1907 war die erste Volksrevolution unter imperialistischen Herrschaftsbedingungen.  Sie hatte große Bedeutung für die russische und internationale Arbeiterbewegung. Der Zarismus konnte zwar seine Macht noch einmal retten und die Revolution unterdrücken, doch zum ersten Mal hatten die Volksmassen selbst erfahren, dass der Zarismus besiegbar ist. Zeitweilig konnten in der Revolution einige demokratische Grundrechte(Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit) durchgesetzt werden. Die zaristische Regierung musste eine Reichsduma (Parlament) wählen lassen. Obwohl diese Duma von den Gutsbesitzern und Bourgeois beherrscht wurde, bedeutete sie doch die Durchbrechung der bisherigen Alleinherrschaft des Zaren.

Bedeutsam für die Zukunft war vor allem, dass die revolutionäre Arbeiterbewegung in Russland unter der Führung der Partei der Bolschewiki Erfahrungen für den entscheidenden Kampf um die politische Macht gesammelt hatte.

Die Lehren der Revolution in Russland

Russland war endgültig zum Zentrum der revolutionären Bewegung geworden. Die Revolution bewies, dass die Arbeiterklasse fähig und berufen ist, alle demokratischen Kräfte gegen die imperialistische Klassenherrschaft zu sammeln und zu führen. Die Erfahrungen des heldenhaften Kampfes mussten verallgemeinert und die Schlussfolgerungen der gesamten revolutionären Arbeiterbewegung der Welt vermittelt werden. Diese Aufgabe löste Lenin mit seinen theoretischen Arbeiten. 1905 erschien Lenins Schrift „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“. In ihr rechnete Lenin mit den opportunistischen Auffassungen ab und entwickelte zugleich die marxistische Revolutionstheorie für die imperialistische Epoche weiter.

Lenin begründete, dass die Arbeiterklasse die Führung aller revolutionären Klassen und Schichten übernehmen muss und dazu eine Partei neuen Typus braucht. Er schlussfolgerte aus dem Verlaufe der Revolution, dass das nächste Ziel, der Sturz des Zarismus, zur Errichtung einer demokratischen Republik führen müsse, in der die Arbeiter und die mit ihnen verbündete Bauernschaft die politische Herrschaft ausüben. In der zweiten Etappe der Revolution hatte die Arbeiterklasse unter Führung der revolutionären Partei und im engen Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft die Aufgabe, die bürgerlich-demokratische Revolution in die sozialistische hinüberzuleiten.

Die russischen Arbeiter hatten neue Kampfmethoden entwickelt, die den Bedingungen des Klassenkampfes im Imperialismus entsprachen. So wurde erstmals in breitem Umfange der politische Massenstreik angewandt. Der bewaffnete Aufstand hatte sich in der damaligen Periode als wichtigstes Mittel für den Sturz der Zarenherrschaft erwiesen. Der Marxismus-Leninismus hatte in der Revolution 1905 bis 1907 seine erste Bewährungsprobe bestanden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die endgültige Formierung der Bolschewiki zur Partei neuen Typus

Nach der Niederlage der Revolution in Russland wurden die Teilnehmer an den Kämpfen, besonders aber die Bolschewiki, von der zaristischen Regierung verfolgt und ermordet oder verbannt. Um nicht erneut verhaftet zu werden, musste Lenin wieder ins Ausland gehen.

Verbannte werden in Ketten geschmiedet.(Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Trotzdem erlangten die Bolschewiki als die konsequentesten Revolutionäre immer größeren Einfluss in der Arbeiterklasse Russlands. Überall entstanden kleine zuverlässige Gruppen der Bolschewiki. Immer mehr kühne und erfahrene Kämpfer schlossen sich ihnen an. Die Menschewiki dagegen hatten seit der Revolution bedeutend an Einfluss verloren: Sie wichen dem Druck des Klassengegners zurück und verzichteten auf die Weiterführung des revolutionären Kampfes.

Auf der Parteikonferenz der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands in Prag 1912 wurden die Opportunisten aus der Partei ausgeschlossen. Mit der konsequenten Trennung von den Opportunisten hatte sich die Partei der Bolschewiki endgültig zu einer Partei neuen Typus entwickelt. Die Delegierten wählten ein Zentralkomitee, dem Lenin als Vorsitzender und eine Reihe erfahrener und bewährter Revolutionäre angehörten.

Die Auswirkungen und Bedeutung der Revolution

Die internationalen Auswirkungen der Revolution

Die Revolution in Russland übte auf die revolutionären Arbeiter auf der ganzen Welt einen nachhaltigen Eindruck aus. Mit machtvollen Kundgebungen protestierten die Werktätigen gegen das Blutbad von Petersburg. Während der Revolution versicherten sie dem russischen Proletariat Sympathie und Unterstützung für den revolutionären Kampf gegen die zaristische Gewaltherrschaft. In zahlreichen Ländern gab es eindrucksvolle Solidaritätsaktionen. Der englische Gewerkschaftskongress beschloss eine Geldsammlung. Die deutschen Arbeiter spendeten in kurzer Zeit 130 000 Mark.

Ausschnitte aus einem Plakat für Solidaritätskundgebungen in Berlin 1905
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Als die herrschenden Klassen Deutschlands Maßnahmen erwogen und vorbereiteten, dem Zarismus militärische Hilfe bei der Niederschlagung der Revolution zu leisten, gaben die deutschen sozialdemokratischen Arbeiter unmissverständlich zu verstehen, dass sie solche konterrevolutionären Hilfsmaßnahmen niemals dulden würden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Unter dem Eindruck der Revolution in Russland verstärkten die Arbeiter der westeuropäischen Länder ihren Kampf um soziale Verbesserungen und die demokratischen Rechte. Die bedeutenden ökonomischen und politischen Kämpfe in Deutschland wurden durch die Revolution stark beeinflusst; das Klassenbewusstsein und die Kampfentschlossenheit wuchsen.

Auswirkungen hatte die Revolution in Russland auch auf die Entwicklung der nationalen Befreiungsbewegung in den abhängigen und kolonial unterdrückten Ländern.

Im Dezember 1905 eröffneten Massenkundgebungen in Teheran die revolutionäre Erhebung gegen das reaktionäre Feudalregime des Schahs von Persien. Die revolutionär-demokratische Bewegung erzwang die Einführung einer Verfassung und andere demokratische Rechte, die erst durch das Eingreifen Russlands und Englands teilweise wieder aufgehoben wurden. In der Türkei musste der Sultan 1908 der Wiedereinführung einer Verfassung zustimmen.

In China mündeten die zahlreichen Aktionen des Volkes 1910 in die bürgerlich-demokratische Revolution. 1911 wurde die Chinesische Republik proklamiert. Die Konterrevolution konnte zwar 1912 die demokratische Bewegung unterdrücken, aber nicht gänzlich beseitigen.

Eine Gruppe bewaffneter Kämpfer der persischen Freiwilligenabteilungen, die während der revolutionär-demokratischen Bewegung gebildet wurden. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Sun Yat-sen (1866 bis 1925), Führer der revolutionären Kräfte in China und Präsident der provisorischen Regierung der Republik China von 1911 bis 1912. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die bürgerlich-demokratische Revolution in Russland von 1905 bis 1907 wurde so zum Ausgangspunkt einer weltweiten revolutionären Bewegung und förderte den Kampf der internationalen Arbeiterbewegung gegen Imperialismus und Kriegspolitik. 

Die Auseinandersetzungen um den politischen Massenstreik und die Herausbildung der deutschen Linken

In Auswirkung der Revolution in Russland kam es zu heftigen Auseinandersetzungen in der deutschen Arbeiterbewegung über neue Kampfmittel, besonders über den politischen Massenstreik.

Während der ökonomische Streik sich gegen einzelne Kapitalistengruppen richtet und um Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzung und Verbesserung der Arbeitsverhältnisse geführt wird, richtete sich der politische Massenstreik direkt gegen den imperialistischen Staat, um Anschläge auf demokratische Rechte abzuwehren oder neue zu erobern. Auch die ökomischen Streiks konnten im damaligen Zeitalter des Imperialismus politischen Charakter annehmen und politisch bedeutsam werden. Das zeigte sich beispielsweise schon beim Crimitschauer Textilarbeiterstreik. Heute sind politische Streiks in Deutschland verboten. Es gab zwar teilweise Vorstöße in den Gewerkschaften, die dies thematisiert haben und dagegen mobil machen wollten, doch wird dies von den Gewerkschaftsführungen unterbunden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In einer Resolution sprach sich der Parteitag von Jena 1905 für die Anwendung des politischen Massenstreiks aus, wenn es die Klassenkampfsituation erfordert. Die Arbeiter begrüßten begeistert diesen Beschluss, wandten dieses neue Kampfmittel auch an, so beispielsweise im Januar 1906 in Hamburg und im Februar 1910 in Frankfurt am Main. Der größte Widerstand gegen den politischen Massenstreik kam aus den reformistischen Gewerkschaftskreisen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Auseinandersetzungen um die Lehren der Revolution in Russland, insbesondere um den politischen Massenstreik, führten zu einer weiteren Differenzierung innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung. Schon in der Auseinandersetzung mit den Revisionisten und Reformisten seit Ende des 19. Jahrhunderts war ein Kreis revolutionärer Sozialdemokraten besonders hervorgetreten. Diese revolutionären Kräfte traten am entschiedensten für den politischen Massenstreik ein. Sie standen auch in vorderster Front des Kampfes gegen Militarismus und Imperialismus. Dabei entwickelten sie sich zu den aufrechtesten, mutigsten und selbstlosesten Führern der Arbeiterklasse. Sie verteidigten die marxistischen Lehren und trugen zu ihrer Weiterentwicklung bei. In bestimmten Fragen des revolutionären Klassenkampfes näherten sie sich den Auffassungen Lenins an. Diese revolutionären Sozialdemokraten bezeichnete man als deutsche Linke. (Hat mit der heutigen Partei DIE LINKE wahrlich nichts zu tun.) Ihre hervorragenden Führer waren Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Franz Mehring.

Der wachsende Einfluss des Opportunismus

Da keine entscheidenden Maßnahmen gegen den Opportunismus getroffen wurden, konnten die Revisionisten und Reformisten weiterhin ihre gefährlichen Auffassungen verbreiten, wichtige Funktionen in der Partei, in den Gewerkschaften und im Pressewesen erobern. Diese Entwicklung wurde durch das Bestreben einiger einflussreicher Sozialdemokraten noch begünstigt, die vorhandenen Gegensätze zwischen den revolutionären und den revisionistischen Kräften in Grundfragen und Strategie und Taktik der Arbeiterbewegung zu vertuschen und zu verschleiern. Nach deren Auffassung sollten die Arbeiterorganisationen hauptsächlich parlamentarische und gewerkschaftliche Mittel des Kampfes um ihre Forderungen anwenden, sollte der Klassengegner nicht entmachtet, sondern allmählich „ermattet“ und auf diese Weise zu Zugeständnissen an die Arbeiterklasse gezwungen werden. (Das hat sich bis heute nicht geändert {Ausnahme eine zeitweilige Unterbrechung auf dem Gebiet der heutigen Neu-Bundesländer und der osteuropäischen Länder.})  Damit verlegten sie die sozialistische Revolution in eine unbestimmt ferne Zukunft. Ihre dem Wesen nach opportunistische Politik und Haltung verbargen(verbergen) sie hinter marxistischen Begriffen und Wendungen. Diese opportunistische Strömung nennt man Zentrismus. Ihr einflussreichster Vertreter wurde Karl Kautsky.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Zentrismus trug wesentlich dazu bei, dass der Opportunismus sich immer stärker in der Sozialdemokratie ausbreiten konnte. Lenin bezeichnete den Zentrismus als die gefährlichste Abart des Opportunismus, weil es für die Massen der Parteimitglieder nicht leicht war, die opportunistische Grundhaltung der Zentristen zu erkennen.

Die deutschen Linken bekämpften beharrlich und prinzipiell jegliche Erscheinungen von Opportunismus. Doch wurde selbst von ihnen zunächst noch nicht erkannt, dass die Arbeiterklasse im Zeitalter des Imperialismus und der proletarischen Revolution eine Partei neuen Typus für die Verwirklichung ihrer Ziele- Demokratie, Frieden, Sozialismus– braucht.

Wie fast alle anderen sozialistischen Parteien der internationalen Arbeiterbewegung blieb auch die deutsche Sozialdemokratie vor 1914 im Wesentlichen bei den Organisationsformen und Kampfmethoden, die sich im 19. Jahrhundert glänzend bewährt hatten, für das revolutionäre Wirken unter veränderten Kampfbedingungen jedoch nicht mehr ausreichten. Mit dem anwachsenden Einfluss von Revisionisten und Zentristen auf die Führungsgreminen der Arbeiterbewegung, auf die Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen, auf die Parlamentsfraktionen im Reich, in den Ländern und in den Gemeinden verändert sich allmählich das Wesen der Sozialdemokratie: die Opportunisten verwandelten die Partei in eine reformistische Arbeiterpartei.

Bei Ausbruch des I. Weltkrieges trat dies Umwandlung als eine internationale Erscheinung offen zutage.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Originaltext aus dem Geschichtsbuch der DDR

Der beginnende Kampf um die Neuaufteilung der Welt und die aggressive Rolle des deutschen Imperialismus

Die unterschiedliche Entwicklung der kapitalistischen Länder

Die industrielle Entwicklung vollzog sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den einzelnen kapitalistischen Ländern sehr unterschiedlich.

Siehe: Die Entwicklung Deutschlands zu einer führenden Industriemacht

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Starke Unterschiede zwischen den kapitalistischen Ländern entstanden auch im Anteil an Kolonialbesitz und Einflussgebieten. (Karte „Die Welt im Jahre 1914“)

Die Welt im Jahre 1914
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Die traditionelle Vorherrschaft Englands auf dem Weltmarkt war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in wichtigen Bereichen beseitigt, in anderen ernsthaft gefährdet. Englands Hauptkonkurrent wurde der deutsche Imperialismus.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Die ungleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung hatte Widersprüche im Verhältnis der einzelnen imperialistischen Staaten untereinander zur Folge. Die wirtschaftlich erstarkten, aber bei der Aufteilung der Welt zu spät gekommenen imperialistischen Staaten forderten eine Neuaufteilung. Zu erreichen war dieses Ziel nur mit Gewalt, also mit Krieg. 

Geschützmontage in einem Werk von Schneider-Creuzot. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Der spanisch-amerikanische Krieg 1898

In den Annexionsplänen der USA-Regierung kam Kuba, das seit dem 16. Jahrhundert spanische Kolonie war, eine besondere Bedeutung als Rohstofflieferant (Zucker und Tabak), als günstiges Kapitalanlagegebiet und als wichtiger militärischer Stützpunkt (Zugang zur Panama-Landenge und Mexiko) zu.

Ein Aufstand der kubanischen Bevölkerung gegen die spanische Kolonialherrschaft, der im Jahre 1895 begann, lieferte den Vorwand für die Einmischung der USA. Die USA-Regierung erklärte, sie wolle den Befreiungskampf der Kubaner unterstützen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

1898 explodierte ein USA-Kriegsschiff im Hafen von Habana. Die Ursachen der Explosion sind bis heute nicht geklärt. Diesen Zwischenfall nahmen die USA zum Anlass, Spanien den Krieg zu erklären.  Die Spanier unterlagen. Im Friedensvertrag wurde Kuba formell die Unabhängigkeit zugestanden. Tatsächlich aber ging die Herrschaft an die USA-Monopole über.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR, Stand 1982

Spanien verlor außerdem die Herrschaft über die Philippinen, Puerto Rico und Guam an die USA. Die deutschen Imperialisten nutzten die Situation und zwangen die Regierung Spaniens, ihnen die Karolinen-, die Marianen- und Palauinseln zu überlassen.

Der spanisch-amerikanische Krieg 1898 eröffnete die lange Kette imperialistischer Kriege um die Neuaufteilung der Welt.

Aufgabe aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Welt im Jahre 1870
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Die Welt im Jahre 1914
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Niederschlagung des chinesischen Volksaufstandes

In den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verstärkten die Imperialisten ihre Bemühungen, in China Fuß zu fassen. Zu den konkurrierenden Staaten Russland, England und Frankreich kamen die japanischen, nordamerikanischen und deutschen Imperialisten hinzu. Der Kampf um den beherrschenden Einfluss spielte sich auf Kosten des chinesischen Volkes ab. Im Jahre 1900 kam es zu einer bewaffneten Erhebung chinesischer Patrioten.

Auszug aus „Hunnenrede“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die imperialistischen Mächte organisierten einen gemeinsamen Feldzug zur Niederwerfung des chinesischen Volksaufstandes. 40 000 schwerbewaffnete Soldaten wurden nach China geschickt.

General von Moltke am 11. Juli 1900 in einer geheimen Tagebucheintragung:“…denn wenn wir ganz ehrlich sein wollen, so ist es Geldgier, die uns bewogen hat, den großen chinesischen Kuchen anzuschneiden. Wir wollen Geld verdienen, Eisenbahnen bauen, Bergwerke in Betrieb setzen, europäische Kultur bringen, das heißt in einem Wort ausgedrückt, Geld verdienen.“ Zitiert nach: G. Förster/H. Helmert/ H. Otto/H. Schirmer Der preußisch-deutsche Generalstab 1640 bis 1965. Berlin 1966, Seite 92. Die zeitgenössische französische Karikatur zeigt von links nach rechts die Kaiser, Könige und Präsidenten Deutschlands, Frankreichs, Russlands, Japans, der USA und Englands
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Kolonialtruppen begannen eine grausame Strafexpedition. Tausende unschuldiger chinesischer Männer, Frauen und Kinder wurden dabei ermordet.

Die Arbeiter Deutschlands protestierten gegen den Chinafeldzug. Im Reichstag forderten die sozialdemokratischen Abgeordneten unter Führung August Bebels die Anerkennung Chinas als gleichberechtigten Staat und den Rückzug der imperialistischen Truppen. Zur Entlarvung der militärischen Brutalität veröffentlichten sozialdemokratische Zeitungen Soldatenbriefe aus China, „Hunnenbriefe“ genannt.

Auszug aus einem der „Hunnenbriefe“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Aufgabe Vergleich „Hunnenrede“ und „Hunnenbriefe“
Vor der Hinrichtung von Teilnehmern des chinesischen Volksaufstandes durch imperialistische Kolonialtruppen. (Fotografie aus dem Jahre 1900)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Aufteilung Chinas in Einflussgebiete imperialistischer Mächte wurde fortgesetzt. Da nicht alle Beteiligten mit ihrem Anteil zufrieden waren, entstanden in diesem Raum immer neue Konflikte zwischen den imperialistischen Staaten.

Die aggressive Außenpolitik des deutschen Imperialismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Mit der ökonomischen Macht wuchs zugleich das Streben der Monopole – unterstützt von der imperialistischen kaiserlichen Regierung – versuchten auf fast allen Kontinenten, ihre Herrschaft zu errichten oder auszudehnen. Ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen, war der Kapitalexport. Wie die Monopolverbände oder die Regierungen der anderen Staaten, so legten auch die deutschen Imperialisten immer größere Mengen ihres Kapitals in wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern an, weil sie dort viel höhere Profite, sogenannte Extraprofite, erzielen konnten.

Neben der unmittelbaren Kapitalanlage (Errichtung von Fabriken und Tochtergesellschaften, Bau von Verkehrswegen, Gründung großer Plantagen) erfolgte der Kapitalexport auch in Form von Krediten, die den Regierungen dieser Länder gegen hohe Zinsen und nur unter bestimmten Bedingungen gewährt wurden. So konnten die Imperialisten mit dem Kapitalexport gleichzeitig ihre politischen Machtpositionen in den wirtschaftlich schwach entwickelten, darunter auch imperialistischen Ländern ausbauen. (Na ja, da hat sich bis heute nichts geändert.)

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Zusammenhang zwischen Kapitalexport und den Aggressionsplänen des deutschen Imperialismus kam besonders in der Türkei zum Ausdruck. Der türkischen Regierung wurden von der DEUTSCHEN BANK, in enger Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung, Kredite zum Bau der Bagdad-Bahngewährt. Der türkische Staat musste hohe Zinsen zahlen und sich dazu verpflichten, alle Bau- und Betriebsmaterialien aus Deutschland zu beziehen. Damit die Türkei die Zinsen bezahlen konnte, zwangen ihr die deutschen Imperialisten bestimmte Maßnahmen auf, zum Beispiel eine Verwaltungsreform. (Das kommt uns auch heute bekannt vor.)

Der Einfluss der deutschen Imperialisten auf die türkische Regierung wurde immer größer, die Türkei nach und nach in eine deutsche Halbkolonie verwandelt.

Die Beherrschung der Türkei bot den deutschen Imperialisten einen wichtigen Ausgangspunkt für weitergehende Expansionen und Aggressionen. Von hier aus konnten vor allem die englischen Kolonien und Verbindungswege bedroht und erobert werden. So verschärfte die Vorherrschaft des deutschen Imperialismus in der Türkei den deutsch-englischen Gegensatz.

Die Bagdad-Bahn
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die aggressiven Bestrebungen der deutschen Imperialisten zur Neuaufteilung der Welt verstärkten die Spannungen zwischen den imperialistischen Staaten außerordentlich. Der deutsche Imperialismus verursachte wiederholt internationale Konflikte und steigerte die Gefahr eines Kriegsausbruchs.

Die Verstärkung der Rüstungen und die Abwälzung der Lasten auf das Volk

Die gesamte Wirtschaft in Deutschland wurde in immer steigendem Maße den militärischen Belangen untergeordnet, so auch der Bau der Eisenbahnen, Straßen und Kanäle. Insbesondere erweiterte sich die Rüstungsindustrie. Wissenschaftliche Institutionen und spezielle Forschungseinrichtungen stellte man in den Dienst der Rüstungsindustrie. Die gesamte Rüstung wurde ständig verstärkt und modernisiert.

Montage schwerer Schiffsgeschütze in den Kruppwerken. In den vier Jahren von 1910 bis 1914 verdiente Krupp an der Rüstung 207 Millionen Mark.
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Vergleichsbild:

Geschützmontage in einem Werk von Schneider-Creuzot. (Fotografie)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

1898 und 1900 wurden zwei Flottengesetze vom Reichstag angenommen, die eine gewaltige Vergrößerung der deutschen Kriegsflotte vorsahen. Sie sollte danach untern anderem 38 Linienschiffe, 14 große und 38 kleine Kreuzer umfassen. Ab 1906 wurden besonders große Schlachtschiffe gebaut. Diese Flottenrüstung verstärkte den Gegensatz zu England. Die englischen Imperialisten wollten ihre Seeherrschaft erhalten und zugleich die Verbindungswege zu ihren Kolonien sichern. Die deutsche Flottenausrüstung veranlasste sie zu eigenen umfangreichen Flottenbauten. Beide Staaten steigerten sich in ein Wettrüsten um die stärkste Kriegsflotte.

Dieses Wettrüsten brachte den Monopolkapitalisten ständig höhere Profite. Für die Werktätigen (arbeitenden Menschen) dagegen, die diese Rüstungslasten zu tragen hatten, verschlechterten sich zunehmend die Lebensverhältnisse.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Deutsche Kriegsschiffe in dem 1895 eröffneten, militärisch wichtigen Nord-Ostsee-Kanal. (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Am Wettrüsten beteiligten sich alle imperialistischen Staaten. Ganz Europa starrte bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Waffen. Ein Funke genügte, um das Pulverfass zur Explosion zu bringen.

Rüstungsausgaben einiger imperialistischer Länder vor 1914. (Angaben in Millionen Mark)

Was lässt diese Darstellung in bezug auf den deutschen Imperialismus erkennen?

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Größenwahn bringt man immer mit Adolf Hitler, den man spöttisch „Gröfaz“ nennt, in Verbindung. Doch schon lange zuvor, bereits im Kaiserreich, gab es solche größenwahnsinnigen Pläne.

Diese Karte zeigt als besonders weitgehendes Beispiel die Eroberungsabsichten des Alldeutschen Verbandes, der aggressivsten imperialistischen Organisation im Deutschen Reich
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die ideologische Kriegsvorbereitung

Die deutschen Imperialisten bereiteten die kriegerische Auseinandersetzung um die Neuaufteilung der Welt nicht nur wirtschaftlich und militärisch, sondern auch ideologisch vor. Sie versuchten, die Volksmassen durch Irreführung und Verhetzung für den imperialistischen Krieg zu gewinnen.

Der ideologischen Kriegsvorbereitung dienten auch die Schulen, Hochschulen, Theater, Kirchen und vor allem die Presse. Um die Werktätigen (arbeitenden Menschen) für einen Eroberungskrieg zu begeistern, war eine Reihe besonderer imperialistischer Organisationen gegründet worden. Die führende Organisation war dabei der Alldeutsche Verband. Von ihm beeinflusst wirkten außerdem die Deutsche Kolonialgesellschaft, der Ostmarkenverein, der Deutsche Flottenverein, der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie, der Jungdeutschland-Bund, der Deutsche Wehrverein und zahlreiche Kriegervereine.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Kaiser Wilhelm II. als Vertreter der deutschen Imperialisten und Militaristen spannt alle Mittel der Wirtschaft, Ideologie und Politik ein, um di aggressiven Ziele zu erreichen. (Zeitgenössische Karikatur aus den USA)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die deutschen Imperialisten behaupteten, Deutschland habe nicht genügend Raum und Möglichkeiten, seine Bewohner zu ernähren und seine Industrie zu entfalten. Deshalb müsse es sich neuen Lebensraum, „seinen Platz an der Sonne“, erkämpfen. Diese Propaganda griffen später die Faschisten wieder auf. („Fehlender Lebensraum“, „Lebensraum im Osten erobern.“ U.ä.) Mit solchen und anderen Theorien versuchten die Imperialisten, das deutsche Volk irrezuführen und die Aggressionspläne als nationale Politik auszugeben. Zum Großteil ist das ja gelungen, genauso wie später bei den Faschisten. (Genau das gleiche Prinzip, das später die Faschisten anwandten.)

Die deutschen Imperialisten versuchten den Werktätigen (arbeitenden Menschen) einzureden, dass das deutsche Volk berufen und berechtigt sei, über andere Völker zu herrschen. Mit dieser Propaganda wurde ein gefährlicher Chauvinismus gezüchtet und das Bewusstsein großer Teile des Volkes, insbesondere des Kleinbürgertums und der Jugend, systematisch vergiftet.

Teil der ideologischen Kriegsvorbereitungen war die Erziehung zum Untertanen. Das Volk sollte gehorsam und blind der imperialistischen Politik folgen. Es sollte über die Politik und die Maßnahmen der herrschenden Klassen nicht nachdenken oder sie gar kritisieren. Als „gottgewollt, weise und väterliche besorgt und um das Wohl des Volkes“ wurde die Regierung und Herrschaft der Imperialisten und Militaristen hingestellt. Schule und Kirche erzogen und beeinflussten in diesem Sinne, und durch militärischen Drill in der Kaserne sollte vollends jedes selbstständige Denken und Wollen abgetötet werden. Der Militarismus beherrschte weitgehend das gesellschaftliche Leben.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
„Die militärisch Rangordnung“. (Karikatur des „Simplizissismus“ aus dem Jahre 1919)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die politische Unterdrückung des Volkes

Mit ideologischen Mitteln allein vermochten die deutschen Imperialisten nicht, das Volk in ihre Aggressionspolitik einzuspannen, den Widerstand gegen Militarismus und Kriegsvorbereitung zu überwinden. Deshalb wurden von den herrschenden Klassen auch politische Mittel, einschließlich das der Gewalt, eingesetzt. Dieses Vorgehen richtete sich in erster Linie gegen die Arbeiterklasse und ihre Organisationen.

1899 wurde von der deutschen Regierung ein Gesetzentwurf „zum Schutz der gewerblichen Arbeit“ eingebracht. Nach Annahme dieses Gesetzes sollten die Vorbereitungen und die Durchführung von Streiks mit schweren Zuchthausstrafen geahndet werden. Die Arbeiter nannten deshalb diesen Gesetzentwurf Zuchthausvorlage.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Gegen diesen Anschlag auf die Rechte der Arbeiter entfaltete die Sozialdemokratie eine machtvolle Protestbewegung, der sich auch bürgerliche Kreise anschlossen. Unter dem Eindruck dieses Widerstandes wurde der Gesetzentwurf von der Mehrheit der Abgeordneten im Reichstag abgelehnt.

Doch immer wieder versuchten die herrschenden Klassen mit allen Mitteln, die Rechte der Arbeiter einzuschränken oder gar aufzuheben. Viele Kapitalisten verboten unter Androhung der sofortigen Entlassung den Arbeitern den Beitritt zu den Freien Gewerkschaften. Polizei und Militär wurden gegen streikende und demonstrierende Arbeiter eingesetzt.

Neben den Freien Gewerkschaften, die sich die Arbeiterklasse geschaffen hatte, bestanden auch noch Gewerkschaften unter der Kontrolle und dm Einfluss der Bourgeoisie
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Immunität=verfassungsrechtlich festgelegter Schutz von Parlamentsmitgliedern vor strafrechtlichen Maßnahmen
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

So wurde das Militär, das angeblich nur zum „Schutze des Vaterlandes“ da sein sollte, für den Einsatz gegen das eigene Volk gedrillt. Karl Liebknecht bezeichnete diese Erscheinung als „Militarismus nach innen“. Damit sollte das Hinterland für die geplanten Aggressionen für den „Militarismus nach außen“ gesichert werden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Im April 1908 wurde das Reichsvereinsgesetz vom Reichstag beschlossen. Es dienste der verstärkten Unterdrückung der nationalen Minderheiten. Das Gesetz forderte die deutsche Sprache in Schulde und Öffentlichkeit. Dadurch sollte die weitere Entwicklung einer eigenen Nationalkultur bei den polnischen, sorbischen und dänischen Minderheiten gehindert werden.

Das Reichsvereinsgesetz untersagte weiter den Jugendlichen unter 18 Jahren jegliche politische Tätigkeit. Sie durften an keinen Veranstaltungen der Arbeiterbewegung teilnehmen und sich nicht in politischen Vereinen zusammenschließen.

Selbst Sport und Spiel in den Arbeiter-Turn-und-Sportvereinen wurden als politische Betätigung ausgelegt und verboten.

Die Imperialisten versuchten dadurch, die Arbeiterjugend von der Arbeiterbewegung zu trennen und ihre sozialistische Beeinflussung zu verhindern, damit sie möglichst nur der imperialistischen Verhetzung ausgeliefert war. Mit Recht wurde das Reichsvereinsgesetz von der werktätigen(arbeiteten) Bevölkerung das „Sozialistengesetz für die Jugend“ genannt.

Durch einschränkende Bestimmungen im Wahlrecht versuchten die herrschenden Klassen, den Eintritt von Vertretern der Arbeiterklasse in die Parlamente zu verhindern oder wenigstens zu erschweren. Das kennen wir ja heute auch noch. Z.B. die Fünfprozentklausel.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Anmerkung: Manches kommt uns bekannt vor und hat sich bis heute nicht geändert. Allenfalls ist es abgemildert worden. (mit zeitweiligen Unterbrechungen auf dem Gebiet der DDR, bzw. der heutigen neuen Bundesländer)

In Koblenz gibt es das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das nach 1990, also nach der Annexion der DDR durch die BRD, wiederaufgebaut worden ist.

 In Bad Kreuznach sind zwei Straßen nach Kaiser Wilhelm benannt. Die Wilhelmstraße und die Kaiser-Wilhelm-Straße. Außerdem gibt es die Moltkestraße, nach dem unrühmlichen General benannt. Das muss zu denken geben.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Der Beginn des Imperialismus

Die Herrschaft der Monopolverbände

Die rasche Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte alle wirtschaftlich fortgeschrittenen Länder erfasst. Neue Industriestaaten rückten in die Reihe der führenden kapitalistischen Länder auf: USA, Deutschland und Japan.

In allen bedeutenden kapitalistischen Staaten hatten um die Jahrhundertwende – wie in Deutschland – die Industrie- und Bankmonopole beherrschenden Einfluss erlangt.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Periode des Kapitalismus der freien Konkurrenz war zu Ende; die neue Stufe der kapitalistischen Entwicklung wird als Monopolkapitalismus oder Imperialismus bezeichnet.

Der Begriff „Imperialismus“ wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Bezeichnung für das Eroberungsstreben Napoleons (imperare, lat. = herrschen) und in dn1870eer Jahren als Schlagwort für die Kolonialpolitik der englischen Regierung verwendet. Mit der Herausbildung des Monopolkapitalismus bekam der Begriff die jetzige Bedeutung.

Die Monopole untereinander führten heftige Kämpfe um die Beherrschung der Märkte und Rohstoffquellen. Dem Konkurrenzkampf und den Wirtschaftskrisen waren nicht alle Monopole in gleicher Weise gewachsen. Die schwächeren Monopole wurden von den stärkeren geschluckt.

Nicht immer konnten die Monopole ihre Konkurrenten vernichten. In solchen Fällen zogen sie es vor, mit konkurrierenden Monopolen Abkommen zu treffen, die allen Beteiligten weiterhin höchste Preise für ihre Waren sicherten. So entstanden mächtige Monopolverbände.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Entwicklung des Finanzkapitals

Die Monopolbildung erstreckte sich auch auf die Banken. Es entwickelten sich Großbanken, die über beträchtliche Teile des Vermögens der Wirtschaft und des Staates verfügten. Kredite gewährten sie vor allem solchen Betrieben, die hohe Profite erzielten. Die Großbanken förderten die Bildung und Festigung der Industriemonopole. Um zu sichern, dass die Kredite möglichst gewinnbringend verwendet wurden, forderten sie die direkte Teilnahme an der Leitung der Monopole. Dazu ernannten sie ständige Vertreter der Banken.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Industriemonopole waren an einer festen Verbindung mit bestimmten Großbanken interessiert, von denen sie ihr Kapital verwalten lassen und jederzeit größere Kredite bekommen konnten. Auch die Industriemonopole sandten ihre Vertreter in die Leitungen der Großbanken. Außerdem kauften die Banken Aktien der Industrieunternehmen und diese wiederum Aktien der Banken auf.

Zeitgenössische Karikatur über die Herrschaft der Monopole in den USA
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Diese personelle und ökonomische Verflechtung gipfelte in der Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital. Dadurch gelangte eine nur kleine Schicht von Finanzkapitalisten zu überaus großer ökonomischer Macht. Der amerikanische Finanzkapitalist Morgan war beispielsweise in den Leitungen von 5 Banken, 50 Eisenbahngesellschaften, 3 Schifffahrtsgesellschaften, 8 Versicherungen und 40 Industrieunternehmen vertreten.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Finanzkapitalisten nutzten ihre ökonomische Machtstellung, um politischen Einfluss auf den bürgerlichen Staat und die ganze Gesellschaft zu erlangen. Der bürgerliche Staat wurde mehr und mehr zu einer Interessenvertretung der mächtigsten Monopole. In den USA, in England und Japan übernahmen Vertreter der Monopole Regierungsämter. Der englische Finanzkapitalist Balfour, der an der Spitze bedeutender Eisen- und Stahlwerke stand, leitete von 1902 bis 1905 als Premierminister die Regierungsgeschäfte. Außerdem waren mindestens 11 Mitglieder seiner Regierung Gründer oder Direktoren von 17 Monopolvereinigungen.

Der Kampf um die ökonomische Aufteilung der Welt

Um möglichst hohe Profite zu erzielen, strebten die Monopolverbände ständig nach weiteren Rohstoffquellen und Absatzmärkten. Ökonomisch schwächere Länder, wie die Türkei, China, Persien oder die Balkanstaaten, wurden zum Tummelplatz einander bekämpfender Monopolverbände und imperialistischer Regierungen. Um ungestört die Rohstoffe und Bodenschätze in solchen Ländern nutzen, die billigen Arbeitskräfte ausbeuten und diese Gebiete als Absatzmärkte sichern zu können, wurde ein erbarmungsloser Konkurrenzkampf geführt. Bei der Wahl der Mittel für den Kampf gegen die Konkurrenten gab es für die Leitungen der Monopole keinerlei Hemmungen. Zeitweilige Preisunterbietungen, Dumping genannt, Bestechungen, Drohungen und Gewalttaten gegen Konkurrenzvertreter sollten die Ziele erreichen helfen.

Die imperialistischen Regierungen griffen oftmals in solche Auseinandersetzungen ein und unterstützten die Monopole ihrer Länder mit staatlichen Mitteln: Kredite wurden gewährt oder plötzlich gekündigt, Erpressungen mit diplomatischen Mitteln organisiert, militärische Gewalt angedroht oder eingesetzt, um di betroffenen Länder in ökonomische und politische Abhängigkeit zu bringen.

Konnten die Konkurrenten nicht aus dem Felde geschlagen werden, so kamen oft Vereinbarungen mit ihnen zustande, die die gemeinsame Unterdrückung und Ausbeutung abhängiger Länder regelten. Es entstanden internationale Monopolverbände. Solche Vereinbarungen beendeten jedoch den Konkurrenzkampf nicht. Sobald sich das Kräfteverhältnis zwischen den konkurrierenden Monopolverbänden veränderte, wurden solche Vereinbarungen gebrochen.

Die Aufteilung der Welt unter die Monopolverbände am Beispiel der Elektroindustrie vor dem ersten Weltkrieg
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

So hörte trotz der Vereinbarungen zwischen der AEG und der CEC über die Ausbeutungsgebiete (siehe Karte) der Konkurrenzkampf nicht auf.

Besonders raffiniert ging die AEG zu Werke, um den Herrschaftsbereich dieses Elektromonopols zu vergrößern. In allen von der AEG beherrschten Ländern gründete ihr Präsident Emil Rathenau einheimische Tochtergesellschaften, die leichter zu den betreffenden Ländern vordringen konnten und die Herrschaft der AEG verschleierten.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Kampf um die ökonomische Aufteilung der Welt unter die Monopolverbände vertiefte die Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten sowie die Widersprüche zwischen den imperialistischen und abhängigen Staaten.

Die Unterwerfung Afrikas durch England und Frankreich

In den Kolonien, das heißt in den Ländern, die völlig von kapitalistischen Staaten beherrscht wurden, konnten die Monopole ohne ausländische Konkurrenz geschützt durch die Staatsgewalt Rohstoffquellen erschließen, den Absatz der Waren organisieren, Betriebe und Verkehrsanlagen bauen und vorhandene billige Arbeitskräfte mit doppeltem und dreifachem Profit ungehindert ausbeuten. Diese Profitmöglichkeiten lösten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine wilde Jagd nach Kolonien aus, an der sich alle kapitalistischen Industrieländer beteiligten.

Zwei der ältesten kapitalistischen Staaten – England und Frankreich – hatten bereits bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts riesige Kolonialgebiete in Asien, Amerika und Afrika erobert. (siehe Karte „Die Welt im Jahre 1870“)

Die Welt im Jahre 1870
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Ein Ziel zahlreicher Kolonialeroberungen der Kapitalisten und ihrer Regierungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war der afrikanische Kontinent.

Nach einem Gefecht französischer Kolonialsoldaten und ihrer Hilfstruppen gegen die Bevölkerung von Dahomey (1891). (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die bedeutendsten Kolonialgebiete eroberten Frankreich und England. Zwischen beiden Staaten kam es dabei immer wieder zu Auseinandersetzungen. Ein solcher Konflikt war zum Beispiel die Faschodakrise 1898. Eine englische Militärabteilung, die den Sudan unterwerfen und damit die Herrschaft Englands über Ägypten sichern sollte, traf Mitte September 1897 bei Faschoda auf französische Kolonialsoldaten, die den Ort bereits besetzt hatten. Dieser Wettlauf um die Unterwerfung des Sudan führte 1898 zu ernsten Konflikten zwischen England und Frankreich. 1899 einigten sich die Regierungen über die Abgrenzung der englischen und französischen Kolonialgebiete in Afrika (siehe Karte „Die Welt im Jahre 1914“)

Die Welt im Jahre 1914
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Um die Jahrhundertwende war Afrika unter die imperialistischen Mächte aufgeteilt. Dabei war es für die Völker Afrikas völlig ohne Bedeutung, ob ihre imperialistischen Unterdrücker deutscher, englischer oder französischer Nationalität waren. Imperialistische Kolonialpolitik bedeutete immer: Ausbeutung, Unterdrückung, Hunger und Rechtlosigkeit.

„Die englische Kolonialpresse.“ (Zeitgenössische Karikatur von Th. Th. Heine aus dem „Simplizissimus“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Kolonialkrieg gegen die Herero

Mit besonderer Grausamkeit unterdrückten die deutschen Imperialisten die von ihnen beherrschten Kolonialvölker. Ein charakteristisches Beispiel dafür war der Krieg gegen die Herero von 1904 bis 1907. Die deutschen Kolonialherren verdrängten die Herero, eine große Völkerschaft in Südwestafrika, aus den fruchtbarsten Gebieten in Küstennähe.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die offizielle Entschuldigung der Familie von Trotha erfolgte erst im Jahre 2004.                                     Siehe Wikipedia.

Im Jahre 1904 erhoben sich die verzweifelten Hereros gegen ihre Unterdrücker und die Räuber ihres Besitzes. Die kaiserliche Regierung sandte daraufhin 14 000 Soldaten nach Südwestafrika. Die Herero wehrten sich tapfer, konnten aber gegen die modernen Gewehre und Geschütze der Soldaten wenig ausrichten. Nur 6 000 Hereros besaßen unmoderne Gewehre, die übrigen nur Holzkeulen. Gewaltsam wurden sie von den Wasserstellen abgedrängt. Der Kommandeur der deutschen Kolonialsoldaten verweigerte selbst Frauen, Kindern und Verwundeten das lebensnotwenige Wasser.

Voller Verzweiflung wagten die Herero einen Marsch durch die wasserlose Wüste von Omaheke, um Südafrika zu erreichen. Von 100 000 Herero überlebten nur 20 000 den Kolonialkrieg.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Anmerkung von Petra Reichel: In der alten BRD hat man nichts über den Kolonialkrieg gegen die Herero gelernt. Es wurde sich nur in der DDR damit befasst.

Erst Jahre nach der Annexion der DDR durch die BRD, beschäftigten sich politisch Verantwortliche mit dem brutalen Vorgehen gegen die Herero. 

Näheres dazu: siehe Wikipedia

Deutsche Offiziere Keetmannshoop(heute Namibia) um 1904
 Bild entnommen aus DER SPIEGEL  48a, 2021

Siehe Artikel aus DER SPIEGEL 48a, Dez 2021

Artikel aus DER SPIEGEL 48a, Dez 2021
Völkermorddenkmal in Windhoek (2016)
Bildquelle: Von Pemba.mpimaji – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=54308729

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die allmähliche Herausbildung des Monopolkapitalismus in Deutschland

Entstehung und Entwicklung der Monopole

Die Gesetze der Kapitalistischen Wirtschaft bewirkten eine ständige Konzentration des Kapitals und der Produktion. Die Folgen der Krisen machten das besonders sichtbar. Die größeren Betriebe vermochten viele kleinere Betriebe aufzukaufen. Außerdem waren sie in der Lage, neue technische Verfahren und Erfindungen schneller einzuführen. Siehe auch „Die Entwicklung Deutschlands zu einer führenden Industriemacht“.

 

Das Siemenswerk in Berlin-Charlottenburg um 1900. (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In der deutschen Schwerindustrie, speziell in der Rüstungsindustrie, spielte Krupp eine entscheidende Rolle. 1892 schaltete er seinen ärgsten Konkurrenten durch Ankauf der Magdeburger Grusonwerke aus.  Der Großindustrielle Stumm beherrschte die Schwerindustrie des Saargebietes.

Jetzt wirkten sich auch die zum Teil schon vor 1890 entstandenen neuartigen Verbindungen zwischen den Großbetrieben aus.

Bereits 1879 wurde eine Verbindung zwischen den Kaliwerken geschlossen, die praktisch die gesamte Kaliproduktion Deutschlands beherrschte. 1893 kam es zur Gründung des Rheinisch-Westfälischen Kohlesyndikats. Die darin zusammengeschlossenen 98 Steinkohlezechen vereinigten 87 Prozent der Steinkohleproduktion des Ruhrgebietes und 45 Prozent der deutschen Steinkohlenproduktion. Auch in der Stahlindustrie kam es 1886 zur Gründung des Rheinisch-Westfälischen Roheisenverbandes, dem 17 Hochofenwerke angehörten.

In der chemischen Industrie bestanden um 1890 sechs Betriebe, die die gesamte chemisch Industrie beherrschten. Vier große Elektrogesellschaften, zu denen die AEG und Siemens gehörten, kontrollierten die gesamte Elektroindustrie in Deutschland.

Auch auf dem Gebiet des Bankwesens zeigte sich dieser Prozess. Einige wenige Großbanken nahmen eine beherrschende Stellung ein.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Diese riesigen Industriebetriebe und Banken sowie die verschiedenartigen Zusammenschlüsse von Betrieben waren in der Lage, die Produktion und die Preise innerhalb des entsprechenden Industriezweiges zu bestimmen. Kleinere Unternehmen mussten sich nach ihnen richten. Diese großen Betriebe verfügten deshalb über die Alleinherrschaft oder die Monopolstellung, man nennt sie darum Monopole. In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts zeigten sich in der Wirtschaft und Politik der wichtigsten kapitalistischen Länder immer stärker Erscheinungen, die das Ende der Entwicklung des Kapitalismus der freien Konkurrenz offenbarten und den Beginn einer neuen Epoche des Monopolkapitalismus, ankündigten.

Die Auswirkungen und die Rolle der Monopole in Politik und Gesellschaft

Sie Herausbildung großer Monopole führte zu weiterer Aufsplitterung der Kapitalistenklasse. Auf der einen Seite bildete sich eine kleine Schicht von Monopolkapitalisten heraus, die eine große wirtschaftliche und damit politische Macht in ihren Händen hatte. Viele mittlere und vor allem kleine Kapitalisten mussten ihre Fabriken verkaufen. Andre wurden abhängig von den Monopolen. Dadurch kam es nun verstärkt zu Interessenkämpfen innerhalb der Bourgeoisie.

Durch die Entwicklung der Großindustrie und die Konzentration im Bankgewerbe, im Verkehr und teilweise auch schon im Handel wurden nicht nur Teile der Bourgeoisie betroffen, sondern auch breiten Schichten des Kleinbürgertums und der Bauernschaft wurden ruiniert. Die Handwerker mussten sich mehr und mehr auf Reparaturarbeiten beschränken. Das beeinträchtigte natürlich auch ihre materielle Lage. Viele Handwerker wurden zu Proletariern.

Die Monopolkapitalisten nahmen jetzt auch immer stärker auch die gesamte Politik des Deutschen Reiches Einfluss. Monopolisten wie Krupp, Siemens und Stumm hatten enge Beziehungen zu hohen Beamten, Militärs und vor allem zum Kaiser. Sie versuchten immer wieder mit Hilfe staatlicher Machtorgane, das Volk und besonders die Arbeiterklasse zu entrechten und die Kampfkraft des Proletariats zu brechen. Durch gesetzliche und militärische Maßnahmen sollten die wenigen demokratischen Rechte des Volkes – Wahlrecht, Koalitionsrecht, Versammlungsfreiheit – völlig beseitigt werden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Polizei geht gegen Demonstranten in Berlin 1892 vor. (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die antidemokratischen Maßnahmen sollten nicht zuletzt der Durchsetzung einer verstärkten Militarisierungspolitik dienen; denn die Nutznießer der weiteren Aufrüstung waren die Monopolisten der Schwerindustrie, die zugleich die Rüstungsindustrie beherrschten.

Ausbeutung und Kampf der Arbeiterklasse

Mit der Herstellung der Monopole vergrößerten sich in den 1890er Jahren auch die Industriebetriebe und Industriezentren. Die Zahl der Arbeiter wuchs weiter an. Das spiegelte sich im Wachstum der Städte wider.

Die Zunahme der Stadtbevölkerung
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Auf der einen Seite immer weniger, aber mächtigere Großkapitalisten und auf der anderen Seite die wachsende Anzahl der Arbeiter in den Industriezentren, das kennzeichnete die Situation des Klassenkampfes.

Die Monopolherren versuchten, gestützt auf die staatliche Macht, die Arbeiter immer stärker auszubeuten. Unter ihrer Führung fassten die Vereinigungen der Unternehmer entsprechende Beschlüsse.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die zahlenmäßige Vergrößerung und die Zusammenballung der Arbeiterklasse in großen Industriezentren ermöglichte einen Aufschwung der revolutionären Bewegung.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zählte 1890 etwa 100 000, 1895 bereits 150 000 Mitglieder. Sie war zur größten Partei Deutschlands geworden. In den Reichstagswahlen 1890 errang sie über 1,4 Millionen, 1893 fast 1,8 und 1898 über 2,1 Millionen Stimmen.

Die Gewerkschaften erhöhten ihre Mitgliederzahlen von 227 000 im Jahre 1890 auf 680 000 im Jahre 1900. Im Jahre 1892 kam es zur Vereinigung der verschiedenen Berufsgewerkschaften zu einer Dachorganisation mit gemeinsamer Leitung. Das befähigte die Arbeiter, große Streikkämpfe gegen die kapitalistischen Ausbeuter und gegen die reaktionären Pläne der Militaristen zu führen.

So führte die Herausbildung der Monopole zu einer Zuspitzung des Klassenkampfes.

Dieser Kampf und die Macht der sozialistischen Bewegung übte auch einen Einfluss auf humanistisch gesinnte Kreise des Bürgertums aus. Wissenschaftler und Künstler wandten sich sozialen Fragen zu. Aus diesem Kreis ragte die bedeutende Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz heraus, die 1897/98 mit ihrem Zyklus „Ein Weberaufstand“ einen Ausgangspunkt für ihr revolutionäres Kunstschaffen fand.

Siehe die Radierungen von Käthe Kollwitz aus dem Zyklus „Ein Weberaufstand“ und das Gemälde von Mihály Munkáscy „Vor dem Streik“ sowie die Radierung „Karl Marx“ von Heinrich Zille aus dem Jahre 1900. diese ist Teil der Titelseite des Geschichtsbuches der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982.

Käthe Kollwitz: „Zug der Weber“; 1897, Radierung aus dem Zyklus „Ein Weberaufstand“
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Käthe Kollwitz: aus dem Zyklus „Ein Weberaufstand“
Teil des Rücktitels des Geschichtsbuches der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Mihály Munkáscy: „Vor dem Streik“; 1895, Ölgemälde; Budapest, Ungarische Nationalgalerie
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Radierung „Karl Marx“ von Heinrich Zille aus dem Jahre 1900

Teil des Titels des Geschichtsbuchs der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die schnell wachsende Arbeiterbewegung zog jedoch auch kleinbürgerliche Kräfte an, die ihre falschen Auffassungen in die Arbeiterbewegung trugen. Er Einfluss antimarxistischer Auffassungen wuchs an. Ende des 19. Jahrhunderts entstand eine neue opportunistische Richtung in der Arbeiterbewegung, der Revisionismus.

So war die Zeit der Hausbildung der Monopole nicht nur der Ausgangspunkt für neue Erscheinungen in Wirtschaft und Politik der herrschenden Klassen; auch die Arbeiterbewegung sah sich vor neue große Aufgaben gestellt.

 

 

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

 

Klassenstruktur und politisches System des Kapitalismus

Veränderungen in der Klassenstruktur

Tiefe Klassengegensätze zerreißen die kapitalistische Gesellschaft. Sie verschärfen sich ständig mit der weiteren Entwicklung des Kapitalismus. Insbesondere spitzt sich der Hauptklassengegensatz der kapitalistischen Gesellschaft zu, der unversöhnliche Gegensatz zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie.

Die industrielle Revolution vergrößerte mit der maschinellen Fabrikproduktion die ökonomische Macht der Bourgeoisie. Diese ökonomisch stärkste Klasse der kapitalistischen Gesellschaft verfügte über Geld, Fabriken, Maschinen, Rohstoffe und die in der kapitalistischen Produktion hergestellten Waren. Sie unterwarf sich ökonomisch die gesamte Gesellschaft und zwang die Arbeiter, Bauern, Handwerker, Händler und Intellektuellen in das kapitalistische Abhängigkeitsverhältnis, unter die kapitalistische Ausbeutung.

Die Bourgeoisie selbst war jedoch keineswegs eine einheitliche Klasse. Über die kleinen und mittleren Kapitalisten erhob sich eine kleine Minderheit von Großkapitalisten, die immer mehr Kapital in ihren Händen zusammenfasste und nach und nach die Schlüsselstellungen in der Wirtschaft beherrschte. Zu dieser Großbourgeoisie gehörten die mächtigsten Kapitalisten der verschiedenen Industriezweige, der Großbanken und die reichsten Großhändler.

Dabei gewann die Industriebourgeoisie die Vorrangstellung gegenüber der Handelsbourgeoisie. Innerhalb der Industriebourgeoisie übernahmen die Hütten- und Bergwerkbesitzer die führende Rolle. Diejenigen Kapitalisten, die nur mittlere oder kleine Betriebe besaßen, gerieten immer stärker in die Abhängigkeit der Großbourgeoisie.

In einigen Ländern, wie England, Frankreich und den USA, besaß die Großbourgeoisie bereits auch die politische Macht. In Deutschland dagegen übte nach wie vor der Adel die politische Herrschaft aus.

Durch die Fabrikproduktion verlor das Handwerk seine gesellschaftliche Bedeutung als Hersteller neuer Waren. Es wurde bald mehr und mehr auf Reparatur- und Dienstleistungen abgedrängt. Viele Handwerksbetriebe wurden ruiniert. Der Anteil der vom Handwerk lebenden Menschen an der Gesamtbevölkerung nahm ab.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus wuchs die Arbeiterklasse rasch an. Ehemalige Handwerksgesellen, ruinierte Handwerksmeister, Tagelöhner, Landarbeiter, landlose Bauern und Bauernsöhne wurden Lohnarbeiter in Fabriken. Große Teile der Arbeiterklasse waren in Großstädten und in Industriezentren zusammengeballt. So stieg beispielsweise die Einwohnerzahl Berlins im Zeitraum von 1846 bis 1871 von 0,4 auf 0,8 Millionen.

Neben der zahlenmäßigen Stärke wuchs die gesellschaftliche Rolle der Arbeiterklasse. Die Verbindung der Arbeiter zu gemeinsamen Aktionen war jetzt leichter zu erreichen. Innerhalb der Arbeiterklasse wurde das Industrieproletariat – die Arbeiter der Fabriken, insbesondere der Großindustrie – zum entscheidenden Faktor. Diese Arbeiter waren mit der fortschrittlichsten Produktion verbunden. Sie bildeten den Kern der Arbeiterklasse. Wie die Großindustrie das Herz des Kapitalismus war, so nahmen die Arbeiter der Großindustrie sowohl in der kapitalistischen Produktion als auch im Kampf der Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Ausbeutung eine Schlüsselstellung ein.

 

 

Der Übergang zur intensiven Ausbeutung

Allein die 1870 vorhandenen Dampfmaschinen hatten insgesamt eine Leistung von 12 bis 15 Millionen PS. Ihre Leistung war damit zehnmal größer als die körperliche Leistung aller industriell beschäftigten Arbeiter in der Welt.

Um 1850 stellte ein Arbeiter, der Stoff bedruckte, mit Hilfe von Maschinen soviel her wie früher 200 Arbeiter.

Die Lage der Arbeiter veränderte sich mit der Durchsetzung der maschinellen Fabrikproduktion nicht grundsätzlich. Unter kapitalistischen Bedingungen führt die Anwendung neuer Maschinen und Produktionsverfahren zur verstärkten Ausbeutung der Arbeiterklasse.

Die Kapitalisten erhöhten mit Hilfe der Maschinen das Arbeitstempo und zwangen die Arbeiter, in der gleichen Arbeitszeit mehr Kraft und Aufmerksamkeit aufzuwenden. Die Kapitalisten gingen damit von der extensiven Ausbeutung (Verlängerung der täglichen Arbeitszeit) zu intensiven Ausbeutung über. Die Arbeitsleistung lag höher in den Jahren 1860 bis 1969 um 38 Prozent höher als in der Zeit von 1840 bis 1849. Unfälle und Berufskrankheiten nahmen zu, die Arbeiter alterten frühzeitig.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Gustave Gourbet: „Die Steinklopfer“; 1851, Ölgemälde; 1945 verbrannt
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Besonders menschenunwürdig waren die Wohnverhältnisse der Arbeiter. In Berlin mussten beispielsweise 1867 im Durchschnitt Arbeiterfamilien mit 6 bis 7 Personen in einem Raum leben. Die Sterblichkeit, vor allem die Säuglingssterblichkeit, war sehr hoch. Heute ist es so, dass sich arbeitende Menschen in der Regel in den Städten, insbesondere in den Großstädten, keine Wohnung leisten können. Sie müssen in den Vororten wohnen und lange Pendelzeiten auf sich nehmen.

Proletarierwohnung in England 1863. (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Das politische Herrschaftssystem der Bourgeoisie

Die unversöhnlichen Klassengegensätze, die die kapitalistische Gesellschaftsordnung hervorgebracht hatte, gefährdeten ständig die von der Bourgeoisie errichtete Ausbeuterordnung. In den Ländern, wo die Bourgeoisie zur Herrschaft gelangt war, suchte sie ihre egoistischen Klasseninteressen– die Ausbeutung der Arbeiterklasse und aller Werktätigen-, mit allen Mitteln gegen die große Mehrheit des Volkes durchzusetzen und zu sichern. Dazu diente das politische System der Bourgeoisie, vor allem der kapitalistische oder bürgerliche Staat.

Die kapitalistischen Staatsformen waren unterschiedlich: Die USA waren eine bürgerliche Republik. Großbritannien blieb eine konstitutionelle Monarchie. In Frankreich ließ sich 1852 der Präsident der bürgerlichen Republik als Napoleon der III. zum Kaiser ausrufen.

Doch so unterschiedlich auch die Formen der kapitalistischen Staaten sein mochten, sie waren stets das entscheidende politische Herrschaftsinstrument der der Bourgeoisie zur Sicherung der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse und zu politischen Unterdrückung der Volksmassen, insbesondere der Arbeiterklasse.

Die Parlamente, die die Gesetze beschlossen, setzten sich vorwiegend aus bürgerlichen Abgeordneten zusammen. Die gesamte Gesetzgebung von der Verfassung bis zu den Einzelgesetzen entsprach den Klasseninteressen der Bourgeoisie. Die Gesetze sollten insbesondere das Privateigentum der Bourgeoisie an Grund und Boden, den Häusern und Fabriken, Maschinen und Rohstoffen unantastbar machen. Die Gerichte, die über die Einhaltung der Gesetze wachten und Gesetzesverletzer bestraften, bestanden aus bürgerlichen Geschworenen, die die Gesetze im Klasseninteresse der Bourgeoisie handhabten. Heutzutage gibt es einige Verbesserungen. Siehe z.B. die heutige Geschworenenauswahl in den USA, die nun repräsentativ für die gesamte Bevölkerung sein muss. Doch der juristische Kampf ist hart, wenn man nach den Regeln der Bourgeoisie agieren muss. Trotzdem kann man sie mit ihren eigenen Regeln schlagen.

Im gesamten Staatsapparat hatte die Bourgeoisie die entscheidenden Positionen besetzt; in der Justiz ebenso wie im Verwaltungsapparat, in der Polizei wie Armee, in den Stadtverwaltungen wie in der Regierung. Die Bourgeoisie besaß das Bildungsmonopol, beherrschte Schulen und Zeitungen. Mag es im Staatsapparat und den Verwaltungen geringfügige Ausnahmen geben, so hat sich, was das Bildungs- und Medienmonopol angeht, nichts geändert. Vorübergehend gab es Änderungen im Bereich der Bildung, als die Sowjetunion den Sputnik startete.

An Stelle der alten persönlichen Abhängigkeit des Feudalismus hatte sich ein neues-nicht so sichtbares, aber dafür um so wirksameres-Abhängigkeitsverhältnis herausgebildet, das Geld. Die ökonomische Macht der Bourgeoisie setzte sich so in politische Macht um. Die Großbourgeoisie, die die ökonomischen Schlüsselpositionen besaß, beherrschte die Schalthebel der Macht, innen- wie außenpolitisch.

Während die Bourgeoisie in England, Frankreich und in den USA die politische Herrschaft direkt ausübte, blieb dagegen die politische Macht in Deutschland-trotz Durchsetzung des Kapitalismus in der Wirtschaft- in den Händen der Junker und Fürsten.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die Durchsetzung des Kapitalismus in der Welt

Die Herausbildung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

England, die „Werkstatt der Welt“, war das führende kapitalistische Land. Die maschinelle Fabrikproduktion hatte sich bereits in den 1830ern Jahren durchgesetzt. In Frankreich vollzog sich dieser Prozess seit 1830, in Deutschland besonders in den 1850er und 1860er Jahren. Während jedoch in England, Frankreich und in den USA (seit den 1860er Jahren) die kapitalistischen Verhältnisse Wirtschaft und Staat bestimmten, konnte sich der Kapitalismus in Deutschland zunächst nur in der Wirtschaft durchsetzen. Seine Entwicklung wurde durch die politische Herrschaft des Adels wesentlich behindert.

Der Produktionsaufschwung in den kapitalistischen Ländern und die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse führten zu einem raschen Aufschwung des internationalen Handels. Die Entdeckung reicher Goldfelder in Kalifornien (1848) und Australien (1841) förderte diesen Prozess. 1850 betrug der Gesamtwert des Außenhandels in der Welt 1,7 und 1870 bereits 4,4 Milliarden Dollar.

Durch diese Entwicklung der kapitalistischen Industrie und des Handels zwischen den kapitalistischen Ländern bildete sich allmählich das kapitalistische Weltwirtschaftssystem heraus. Was heute unter dem Schlagwort „Globalisierung“ läuft, ist also nichts Neues.

 

Die Einbeziehung zurückgebliebener Länder in das kapitalistische Weltwirtschaftssystem

In Russland hatte die kapitalistische Entwicklung ebenfalls Fuß gefasst. Die unumschränkte Herrschaft des Zaren und die Leibeigenschaft hemmten jedoch die Entfaltung der kapitalistischen Wirtschaft. Selbst ein großer Teil der Manufaktur- und Fabrikarbeiter war noch leibeigen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In den 1850er Jahren geriet Russland in eine tiefe politische Krise. Nach Polizeiberichten gab es 1858 86, 1859 90 und 1860 108 Bauernaufstände. Revolutionäre Demokraten aus dem Bürgertum unterstützten die Bauern in ihrem Kampf gegen die Leibeigenschaft.

Um eine mögliche Revolution zu verhindern, verfügte der Zar am 19. Februar 1861 die Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland. Die Bauern wurden persönlich frei. Sie konnten von nun an weder gekauft noch verkauft oder verschenkt werden. Die Reform wurde vom Zaren und den Großgrundbesitzern selbst durchgeführt. Sie versuchten deshalb, ihre Interessen -auf Kosten der Bauern- weitestgehend zu sichern. Die Bauern erhielten nur gegen hohe „Entschädigungen“ Land, oder sie mussten es von den Grundbesitzern pachten. Gegen die Unzulänglichkeiten der Reform kam es auf vielen Gütern zu Bauernunruhen, die jedoch niedergeschlagen wurden.

Die Aufhebung der Leibeigenschaft war dennoch die Voraussetzung für die kapitalistische Entwicklung in Russland. Die Kapitalisten konnten nunmehr freie Lohnarbeiter ausbeuten. Moskau, Kriwoi Rog, das Donezbecken und andere Gebiete entwickelten sich zu Industriezentren.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In Indien hatte sich England bereits seit langem die Vorherrschaft in grausamen Kolonialkriegen erobert. 1857 erhob sich das indische Volk gegen die englischen Kolonialherren. Der Volksaufstand wurde in einem fast dreijährigen Krieg blutig niedergeschlagen. 1858 wurde Indien zur britischen Kolonie erklärt. England nutzte die feudalen Klassengegensätze und die Nationalitäts- und Religionsunterschiede in Indien aus. Die indischen Fürsten wurden bestochen und damit zu einer Stütze der englischen Kolonialherren gemacht. Durch rücksichtslose Ausbeutung des indischen Volkes und der Naturschätze Indiens flossen den englischen Kapitalisten riesige Profite zu.

Erschießung aufständischer Inder mit Kanonen im Jahre 1857. (Nach einem Gemälde von W. Werestschagin um 1875)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Mit Waffengewalt erzwang England 1832 von China die Öffnung von fünf chinesischen Häfen für den englischen Handel, die Abtretung Honkongs an England und eine hohe Kriegsentschädigung. Damit begann eine Kette militärischer Überfälle, politischer und ökonomischer Erpressungen, durch die das feudale China zu einer kapitalistischen Halbkolonie wurde und damit seine politische Selbstständigkeit verlor. An der kapitalistischen Ausbeutung Chinas beteiligten sich außer England auch Frankreich, die USA, Russland, Deutschland und andere Staaten.

Unter Androhung militärischer Gewalt setzten die USA 1853/54 in Japan die Öffnung zweier Häfen für den Handel mit den USA durch. Ähnliche, mit Gewalt erzwungene Verträge schlossen unmittelbar darauf auch England, Russland, Frankreich und Holland mit Japan. Die gewaltsame Einbeziehung in den kapitalistischen Welthandel löste in Japan innenpolitische Kämpfe aus. Durch bürgerliche Reformen wurde 1867/68 das Feudalsystem durchbrochen und die rasche Entwicklung des Kapitalismus in Japan ermöglicht.

In den 1860er Jahren vollzog sich in der Welt ein Prozess, der mit der Auflösung feudaler Verhältnisse (Russland/Japan) und mit der zum Teil gewaltsamen Einbeziehung ökonomisch zurückgebliebener Länder in das kapitalistische System (Indien, China, Japan) verbunden war. Durch diese Veränderungen setzte sich der Kapitalismus in der Welt durch.

Die Welt im Jahre 1870
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Weltwirtschaftskrise von 1857 bis 1859

Der Aufschwung der kapitalistischen Produktion wurde durch die Wirtschaftskrise von 1857 bis 1859 jäh unterbrochen. Sie war die erste Wirtschaftskrise, die nicht nur auf wenige kapitalistische Staaten beschränkt war, sondern die gesamte kapitalistische Welt erfasste. Die Krise führte zu Absatzstockungen, zu zahlreichen Bankrotten und zum Rückgang der gesamten Produktion. Die Kapitalisten versuchten, die Folgen der Krise mittels Kurzarbeit, Lohnkürzungen und Entlassungen auf die Arbeiter abzuwälzen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

Die wirtschaftliche Entwicklung des Kapitalismus in den fortgeschrittenen Ländern

Der Abschluss der industriellen Revolution in den wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern

Die volle Durchsetzung des Kapitalismus vollzog sich durch zwei revolutionäre Prozesse, die sich gegenseitig bedingten und beeinflussten:

  • Erstens durch die bürgerliche Revolution, die die gesellschaftlichen Verhältnisse zugunsten der Bourgeoisie umwälzte.
  • Zweitens durch die industrielle Revolution, die grundlegend die Art und Weise der Produktion veränderte.

Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde die industrielle Revolution in den fortgeschrittensten Ländern (England, Frankreich, USA, Deutschland) beendet. Maschinen ersetzten in den wichtigsten Industriezweigen die Handwerkzeuge, mit denen bisher die Produktion betrieben worden war.

Zur Herstellung dieser Werkzeugmaschinen entstand ein neuer Industriezweig, der Maschinenbau. Maschinenfabriken lieferten zum Beispiel Pressen, Dreh- und Bohrmaschinen oder Textilmaschinen. Sie wurden als Ersatz für veraltete Maschinen gebraucht. So gewannen die Maschinenfabriken eine Schlüsselstellung in der kapitalistischen Industrie.

Die Dampfmaschine fand weite Verbreitung. In erster Linie wurde sie im Verkehrswesen (Lokomotiven, Dampfschiffe), im Bergbau (Wasserhaltung, Bewetterung, Transport) und als Antriebsmittel von Maschinen eingesetzt.

Maschinensaal der Firma Hartmann um 1850 in Chemnitz (vorübergehend Karl-Marx-Stadt)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Produktionsaufschwung nach 1850

Der Einsatz von Maschinen ermöglichte eine schnelle Produktionssteigerung. Maschinenbau Kohle- und Erzförderung, Eisen- und Stahlerzeugung sowie die Entwicklung des Verkehrs beeinflussten sich wechselseitig. Durch die Anwendung von Dampfmaschinen und modernerer Produktionsverfahren konnten zum Beispiel im Bergbau größere Tiefen erreicht und neue Kohle- und Erzvorkommen erschlossen werden.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Der Bedarf an Eisen und Stahl, dem wichtigsten Grundstoff der Industrie, wuchs ebenfalls rasch an. Die Eisen- und Stahlerzeugung wurde durch die Anwendung moderner Produktionsverfahren erhöht.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Kokshochöfen ersetzten in der Roheisenerzeugung immer mehr das alte Holzkohle-Verfahren. Gab es im Ruhrgebiet 1850 nur zwei Kokshochöfen, so waren es 1870 schon 50. Der Kokshochofen bot gegenüber den alten Verfahren große Vorteile. Hatte man früher für die Produktion einer Tonne Roheisen sieben bis acht Tonnen Holzkohle benötigt, so reichte nunmehr eine Tonne Koks aus. Die neuen Hochöfen wurden jetzt nicht mehr in der Nähe großer Wälder errichtet, sondern nahe den Eisenerz- und Kohlevorkommen.

Die Kokshochöfen ersetzten in der Roheisenerzeugung immer mehr das alte Holzkohle-Verfahren. Gab es im Ruhrgebiet 1850 nur zwei Kokshochöfen, so waren es 1870 schon 50. Der Kokshochofen bot gegenüber den alten Verfahren große Vorteile. Hatte man früher für die Produktion einer Tonne Roheisen sieben bis acht Tonnen Holzkohle benötigt, so reichte nunmehr eine Tonne Koks aus. Die neuen Hochöfen wurden jetzt nicht mehr in der Nähe großer Wälder errichtet, sondern nahe den Eisenerz- und Kohlevorkommen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

1864 entwickelten Wilhelm Siemens und die französischen Gebrüder Martin das Siemens-Martin-Verfahren. Dabei werden bei sehr hohen Temperaturen Roheisen und Schrott im Schmelzofen zu Stahl veredelt.

Die Entstehung von Großbetrieben

Die kapitalistische Produktion wurde anfangs in vielen selbstständigen Einzelunternehmen betrieben. Die einzelnen Kapitalisten führten gegeneinander einen erbitterten Konkurrenzkampf um möglichst hohe Profite. Dabei behielten diejenigen die Oberhand, die wirtschaftlich am stärksten waren und am brutalsten die Arbeiter ausbeuteten. In diesem Prozess wurden viele Betriebe ruiniert. Die volle Durchsetzung der kapitalistischen Warenproduktion in allen Wirtschaftsbereichen war zugleich der Höhepunkt des Kapitalismus der freien Konkurrenz.

Die Kapitalisten eigneten sich den Gewinn an, der von den Arbeitern erzeugt wurde. Einen Teil davon verwandten sie zur Vergrößerung und Modernisierung ihrer Betriebe. Der technische Fortschritt, wie zum Beispiel die neuen, aber kostspieligen Verfahren zur Stahlgewinnung, kam dabei vor allem den größeren Betrieben zugute.

Zur Errichtung eines Großbetriebes waren nicht nur ein günstiger Standort (Rohstoffnähe, Transportverhältnisse, gute Absatzmöglichkeiten, weitreichende Geschäftsverbindungen) und ein hohes Können der Arbeiter und Techniker notwendig, sondern auch viel Kapital.

Zum Aufbau einer größeren Maschinenfabrik waren in Deutschland 1847 etwa 150 000 Taler (1 Taler entsprach 3 Goldmark) erforderlich. Doch wesentlich mehr Kapital wurde zur Anlage eines Bergwerkes, eines Hüttenbetriebes oder Eisenbahnlinie benötigt. Zur Anlage eines Bergwerkes im Ruhrgebiet mit einer Jahresförderung von 100 000 Tonnen Steinkohle und einer Belegschaft von 500 bis 600 Arbeitern waren damals 500 000 bis 750 000 Taler erforderlich.

Krupps Gussstahlfabrik in den Jahren 1815, 1840 und 1864
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Ein einzelner Kapitalist konnte meist solche großen Summen nicht allein aufbringen. Deshalb schlossen sich mehrere Kapitalbesitzer zu einer Aktiengesellschaft (AG) zusammen. Sie zahlten Gelder in die Aktiengesellschaft ein und erhielten dafür Anteilsscheine, Aktien. Am Ende des Geschäftsjahres wurde der Profit der Aktiengesellschaft auf die Aktien aufgeteilt und die Dividende an die Aktionäre ausgezahlt. Ohne selbst zu arbeiten, eigneten sich die Aktionäre den Gewinn der Unternehmen an, den die Arbeiter schufen. Je mehr Aktien ein Aktionär von einem Betrieb besaß, desto größer war sein Einfluss auf die betreffende Aktiengesellschaft. Die Großaktionäre, die di meisten Aktien einer Aktiengesellschaft besaßen, entschieden deshalb über alle wichtigen Fragen, die die Aktiengesellschaft betrafen.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Großbetriebe entstanden vor allem in den entscheidenden Industriezweigen, besonders im Bergbau, in der Eisen- und Stahlerzeugung und im Maschinenbau.

Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Mit der fortschreitenden Industrialisierung bildeten sich Großstädte und Industriezentren.  Das Ruhrgebiet wurde nach 1850 zum industriellen Herzen des deutschen Kapitalismus.

Wesentlichen Einfluss auf die Industrie erlangten nunmehr die Banken. Sie beschränkten sich nicht mehr auf das Wechseln, Leihen und Aufbewahren von Geld, sondern übernahmen auch den Kauf von Verkauf von Aktien und legten in zunehmenden Umfang ihr Kapital selbst in wichtigen Großbetrieben an.

Die Entwicklung des Verkehrs- und Nachrichtenwesens

Eisenbahnlinien in Mitteleuropa im Jahre 1848
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die industrielle Revolution sprengte den örtlich begrenzten, den lokalen Markt, für den bisher die kleineren Handwerksbetriebe produziert hatten. Rohstoffzufuhr und Absatz der Fertigwaren verlangten ein leistungsfähiges Transportsystem sowohl im Inland als auch für den internationalen Handel.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Diesem dringenden Bedürfnis wurden die Eisenbahnen gerecht. Sie waren schneller, billiger und zuverlässiger als die herkömmlichen Transportmittel und deshalb erheblich besser für den größeren Warentransport geeignet. Das Eisenbahnnetz wuchs in dieser Zeit außerordentlich rasch an.

Eisenbahnlinien in Mitteleuropa im Jahre 1868
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

In der Schifffahrt gewannen die Dampfschiffe zunehmend an Bedeutung. Für die Überfahrt von Europa nach Amerika benötigten Segelschiffe damals durchschnittlich 35 Tage, Dampfschiffe nur 12 ½ Tage.

Auch im Schiffbau verdrängten Eisen und Stahl das Holz. Die Schiffe wurden größer, Die Werften und Häfen nahmen einen schnellen Aufschwung.

Im Jahre 1869 wurde nach zehnjähriger Bauzeit der Suezkanal eröffnet. Er verband das Mittelmeer mit dem Roten Meer. Der 163 Kilometer lange Kanal verkürzte den Seeweg von Europa nach Ostasien außerordentlich. Von Hamburg nach Bombay beispielsweise benötigten Schiffe jetzt 24 Tage weniger als bei Fahrten um das Kap der Guten Hoffnung.

Die Bedeutung des Suezkanals. Die Karten geben die Hauptrichtungen der Schifffahrt wieder, die Stärke der Linien deutet die ungfähre Intensität der befahrenen Schifffahrtslinien an
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Einführung der elektrischen Telegrafie (Erfindungen von Gauß, Weber und Morse, industrielle Fertigung durch Siemens) ermöglichte eine schnelle und genaue Nachrichtenübermittlung. 1851 wurden die ersten Seekabel zwischen England und Frankreich, 1866 zwischen Europa und Amerika verlegt.

Neuerungen in der Landwirtschaft

Die neue Technik und die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse fanden Eingang in die Landwirtschaft. Mit einer von Pferden gezogenen Mähmaschine konnten in 10 Stunden fast 5 Hektar Getreide gemäht und dadurch mindestens 8 Arbeiter ersetzt werden. Die Dampf-Dreschmaschine fand vielfach Verwendung an Stelle des Handdruschs der Göpeldreschmaschinen. Der erste Dampfpflug in Deutschland wurde 1868 in Sachsen eingesetzt. Führend in der Produktion und im Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen waren die USA und England.

Dreschmaschine mit Dampflokombile aus dem Jahre 1865. (Zeitgenössische Darstellung)
Bild entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Wesentlich höhere Erträge konnten durch die künstliche Düngung erreicht werden. Justus von Liebig (1803 bis 1873) schuf dafür die wissenschaftliche Grundlage. Sein Hauptwerk „Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie“ erschien 1840. In Deutschland wurden seit 1843 Chilesalpeter und seit 1858 Kali aus Staßfurt zur künstlichen Düngung verwendet. 1872 wurden bereits in 33 Fabriken mehr als 500 000 Tonnen Kalisalze verarbeitet. Von 1850 bis 1870 stiegen die Hektarerträge bei Weizen um 10 bis 25 Prozent, bei Roggen und Gerste um 10 Prozent.

Heute haben wir weitere Fortschritte, die damals undenkbar waren. Einige Fortschritte von damals gibt es heute nicht mehr, da sie durch weitere Fortschritte ersetzt wurden.

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR