Der Kapp-Putsch und seine Niederschlagung

Die Vorbereitung des Putsches

Nach der Niederschlagung der Abwehrkämpfe des Proletariats im Frühjahr 1919 hielten besonders reaktionäre Gruppen des Finanzkapitals, des Junkertums und der Militaristen die Zeit für gekommen, die offene Militärdiktatur zu errichten. Sie meinten, dass sich so am besten die Herrschaft des Finanzkapitals sichern und die innenpolitischen Voraussetzungen für neue Kriegsabenteuer schaffen ließen. Deutschland sollte am imperialistischen Kreuzzug gegen die Sowjetunion teilnehmen.

Anknüpfend an die Tatsache, dass das Versailler Friedensdiktat den Volksmassen schwere Lasten aufbürdete, entfachten reaktionäre Kreise des Finanzkapitals eine chauvinistische und antidemokratische Hetze.

Der Vorsitzende einer ostpreußischen Kreditanstalt für Großgrundbesitzer, Kapp, sowie General Ludendorff und andere Militaristen organisierten bereits im Sommer 1919 ein Verschwörungszentrum. Daraus bildete sich ein sogenannter Nationalclub. Ihm gehörten unter anderen die Schwerindustriellen Stinnes, Kirdorf, Mannesmann und die erzreaktionären Politiker Hugenberg, Helfferich und Westarp an. Anfang 1920 sagten Direktoren der Deutschen Bank, der Dresdner Bank, der Nationalbank, der Berliner Handelsgesellschaft und anderer Banken dem politischen Führer der Verschwörung, Kapp, für den geplanten Putsch finanzielle Unterstützung zu.

Forderungen von KappForderungen von Kapp 2

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

 

Der Militärbefehlshaber des östlichen und mittleren Teils Deutschlands, General von Lüttwitz, beteiligte sich besonders aktiv an der Verschwörung. Anfang 1920 wurden konterrevolutionäre Truppenverbände zum Angriff auf Berlin zusammengezogen. Die KPD wies mehrmals auf diese Vorbereitungen der Reaktion hin. Die warnte davor, daran zu glauben, dass die Feinde des Volkes keine militärische Gewalt einsetzen würden. Die Regierung, die vom sozialdemokratischen Reichskanzler Bauer geleitet wurde und über die Putschpläne informiert war, ergriff aber keine wirksamen Maßnahmen gegen die sich formierende Verschwörung.

 

Der Verlauf des Kapp-Putsches und seine Niederschlagung durch die Arbeiterklasse

In der Nacht vom 12. Zum 13. März 1920 marschierten Truppen der Kapp-Putschisten nach Berlin. Die Reichsregierung forderte von der Reichswehrführung bewaffnetes Vorgehen gegen die Putschisten. Doch der Chef des Truppenamtes, General von Seeckt, verweigerte ihr die militärische Hilfe. Die Reichsregierung floh. Kapp ernannte sich zum Reichskanzler und bezeichnete das Putschistenregime als „Regierung der Ordnung, der Freiheit und der Tat“. Sie erklärte die Reichsregierung für abgesetzt, die Nationalversammlung und die preußische Landesversammlung für aufgelöst, verhaftete preußische Minister und verbot das Erscheinen der Presse. Bewaffnete Stoßtrupps gingen mit rücksichtslosem Terror gegen organisierte Arbeiter, aber auch gegen bürgerliche Demokraten vor.

Truppen der Kapp-Putschisten

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

 

 

Während die Reichregierung floh, erhoben sich Millionen Arbeiter, Mitglieder der KPD, der USPD, der SPD, der Gewerkschaften und unorganisierte Werktätige zum Widerstand gegen die Putschisten. In vielen Städten formierten sich Arbeiter und Angestellte zu Demonstrationszügen gegen die Kapp-Regierung. In Leipzig eröffneten Putschisten-Söldner am 14. März das Feuer auf eine derartige Massendemonstration. Sie erschossen 40 unbewaffnete Demonstranten und verletzten etwa 100. Empört über den blutigen Terror und voller Hass gegen die Militaristen, setzten sich die Leipziger Arbeiter mit allen greifbaren Mitteln zur Wehr. Sie errichteten Barrikaden, Lastkraftwagen aus Großbetrieben fuhren in die Waffenfabriken nach Suhl und schafften Gewehre für den Abwehrkampf heran. Gleichzeitig griffen die Arbeiter hier und in allen Industriezentren zur Waffe des Generalstreiks.

Mehr als 12 Millionen Arbeiter und Angestellte streikten in diesen Tagen in Deutschland. Kommunisten und linke Sozialdemokraten gingen auch in Mecklenburg und Vorpommern(heutiges Neu-Bundesland Mecklenburg-Vorpommern) den Werktätigen als Vorkämpfer voran. Aktionsausschüsse aus Vertretern der Arbeiterparteien entstanden unter anderem in Rostock, Wismar, Pasewalk, Torgelow, Anklam, Teterow und Malchin Rostock wurde zu einem der wichtigsten Zentren des Kampfes gegen die Kapp-Putschisten in Norddeutschland: Am 13. März beschloss der Aktionsausschuss Rostock, Arbeiterbataillone aufzustellen.

Arbeiter bildeten in diesen Tagen in vielen Orten bewaffnete Einheiten. Neben Berlin, der Niederlausitz, Mecklenburg, Sachsen und Thüringen war das Ruhrrevier ein Hauptzentrum des Kampfes gegen die Putschisten. Hier entstand aus bewaffneten Arbeitertrupps die erste deutsche Arbeiterarmee, in der Mitglieder der KPD, der SPD, der USPD, der Gewerkschaften und unorganisierte Arbeiter kämpften. Dieser roten Ruhrarmee gehörten etwa 100 000 Arbeitersoldaten an, darunter auch russische Kriegsgefangene sowie polnische Arbeiter. Am 15. März nahm die Rote Ruhrarmee den Kampf gegen die Putschisten auf, die Kapp unterstützten. 10000 bewaffnete Arbeiter stürmten Dortmund. Andere Abteilungen der Roten Ruhrarmee errichteten in Ahlen, Bochum und Hamm militärische Stützpunkte. Die Hauptkräfte der Roten Ruhrarmee konzentrierten sich im Westen des Industriereviers. Sie begannen, diesen Teil des Ruhrgebiets von reaktionären militärischen Verbänden zu säubern.

Kämpfer der Roten Ruhrarmee

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

 

Das gemeinsame Handeln der Arbeiterklasse für die Verteidigung der sozialen Errungenschaften und demokratischen Rechte und Freiheiten zwang Kapp am 17. März zum Rücktritt. Der Generalstreik und die bewaffneten Abwehrreaktionen hatten die Putschisten von ihrer Basies in den ostelbischen Gebieten abgeschnitten, das Verkehrswesen und die gesamte Wirtschaft lahmgelegt. Kapp und andere führende Putschisten flohen ins Ausland. Damit war die Niederschlagung des Kapp-Putsches 1920 vollendet. Das Zusammenwirken der Arbeiter und der anderen demokratischen Kräfte für ihre gemeinsamen Lebensinteressen, unabhängig von politischen und ideologischen Meinungsverschiedenheiten, hatte zum Erfolg geführt.

Kampf der Arbeiterklasse gegen den Kapp-Putsch

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

 

 

Die Haltung der rechten sozialdemokratischen Führer nach dem Kapp-Putsch

Ebert und die Reichsregierung kehrten nach Berlin zurück. Die Arbeitermassen verlangten harte Bestrafung der Putschisten und Maßnahmen zur Sicherung der demokratischen Rechte und Freiheiten.  Um die Arbeiterklasse zu beschwichtigen, versprach zwar die Regierung energisches Durchgreifen, tat jedoch in Wirklichkeit alles nur Mögliche, um die Putschisten vor Bestrafung zu schützen. Gleichzeitig rief die reformistische Führung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) zum Abbruch des Generalstreiks auf. Das spaltete die geschlossene Streikfront. Der Regierung erwuchs daraus die Möglichkeit, am Putsch beteiligte Söldnertruppen gegen die Gruppen der Arbeiter einzusetzen, die am aktivsten für den Sturz der Putschistenregierung gekämpft hatten und sich mit leeren Versprechungen der Regierung nicht abspeisen lassen wollten.

Vor allem beeilte sich die Reichsregierung, die Rote Ruhrarmee erst zu spalten und dann den revolutionären Kern blutig niederzuschlagen. Reichs- und Staatskommissar Severing(SPD) schloss am 24. März mit Vertretern der Vollzugsausschüsse und Stadtverwaltungen der wichtigsten Städte des Ruhrgebiets in Bielefeld ein Abkommen, das zum großen Teil auf demokratischen Forderungen der Arbeiter basierte. Es verlangte zwar von den Arbeitern Wiederaufnahme der Arbeit und Ablieferung der Waffen an die Behörden, versprach jedoch den Arbeitern gleichzeitig Auflösung der am Putsch beteiligten Truppen, Bestrafung der Putschisten, Bildung örtlicher Arbeiterwehren und entscheidende Einflussnahme der Arbeiterorganisationen auf die Neuregelung wirtschafts- und sozialpolitischer Fragen. Diesen Versprechungen vertrauend, legte ein großer Teil der Ruhrarbeiter die Waffen nieder und beendete den Streik. Die Reichsregierung gab aber keine Zusage, sich an das Bielefelder Abkommen zu halten. Ihre konterrevolutionären Truppen begannen vielmehr unter dem Vorwand, dass die Arbeiter die Bielefelder Abmachung nicht eingehalten hätten, einen blutigen Rachefeldzug gegen die sich auflösende Arbeiterarmee. Ihre Rückzugsstraßen wurden unter Feuer genommen, gefangene Arbeitersoldaten misshandelt und erschossen.

Aus Brief von Max ZellerAus Brief von Max Zeller 2Quellenangabe Brief Max Zeller

entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982

 

Die Spaltung der Aktionseinheit der Arbeiterklasse durch die rechten Führer der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften ermöglichte es den Militaristen im Ruhrgebiet und vielen anderen Teilen Deutschlands, einen blutigen Rachefeldzug gegen die Arbeiterklasse zu führen. Der Verrat der rechten sozialdemokratischen Führer an den Klasseninteressen des Proletariats brachte im März 1920 die deutschen Werktätigen um die Früchte ihres heroisch errungenen Sieges über die reaktionärsten Kräfte des deutschen Imperialismus.

 

 

geschichtsbuch-ddr-9-klasse-kopie-2

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 9. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Originaltext:

Der Kapp-Putsch und seine Niederschlagung