Günter Mittag

Günter Mittag, geboren am 08.Oktober 1926 in Stettin, gestorben am 18. März 1994 in Berlin, war von 1966 bis zum Herbst 1989, also bis zur Konterrevolution, Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED.  Er war ab 1976 als ZK-Sekretär der SED für Wirtschaftsfragen der Planwirtschaft in der DDR zuständig.

Günter Mittag

Günter Mittag 1984

 

Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-1984-0618-408 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5423021

 

 

Günter Mittag stammte aus einer Arbeiterfamilie. 1943 war er Luftwaffenhelfer in einem Flak-Regiment. Von 1943 bis 1945 absolvierte er eine Ausbildung bei der Deutschen Reichsbahn.

1956 schloss Günter Mittag ein Fernstudium mit dem Titel des Diplom-Wirtschafters ab und wurde 1958 an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden mit der Arbeit „Die Überlegenheit der sozialistischen Organisation und Leitung im Eisenbahnwesen der DDR gegenüber dem kapitalistischen Eisenbahnwesen“ Dr. rer. oec. promoviert.

1945 trat Günter Mittag in die KPD ein und wurde durch die Vereinigung von KPD und SPD Mitglied der SED. 1947 wurde er Mitglied  der SED-Kreisleitung Greifswald und übernahm in den Folgejahren regionale Führungspositionen im FDGB.

1958 wurde er Sekretär der Wirtschaftskommission beim Politbüro. 1962 wurde Mittag Mitglied des ZK. 1963 wurde er Mitglied der Volkskammer und (bis 1971, dann wieder 1979 bis 1989) Mitglied desStaatsrates der DDR. Von 1973 bis 1976 war Mittag Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR. 1979 bis 1989 war er Mitglied des Nationalen Verteidigungsrats.

1963 wurde Günter Mittag Leiter des Büros für Industrie- und Bauwesen des ZK. Günter Mittag und Erich Apel entwarfen das Neue ökonomische System der Planung und Leitung(NÖSPL), das die Volkswirtschaft der DDR modernisieren und entbürokratisieren sollte.  Dieses System wollte Walter Ulbricht einführen. Es konnte nur ansatzweise bis gar nicht umgesetzt werden, da dies nach der Ablösung von Walter Ulbricht gestoppt wurde.

1966 rückte Mittag in das Politbüro auf, nachdem er ihm bereits seit 1963 als Kandidat angehört hatte. Von 1963 bis 1973 war er als Nachfolger von Erich Apel Sekretär des ZK der SED für Wirtschaftsfragen. Als er 1976 erneut Sekretär des ZK für Wirtschaft wurde, war seine Führungsrolle in der Wirtschaftspolitik gefestigt. Während seiner gesamten Amtszeit hielt er strikt an einer staatlichen Kontrolle der Wirtschaft fest. Siehe da, zunächst das von Walter Ulbricht angedachte Modell entwerfen und dann die Kehrtwende.

Höhepunkt seiner Arbeit war die Zusammenfassung der VEB in Kombinate 1980. Innerhalb des ZK leitete Mittag auch die Kommission Asien, Afrika und Arabischer Raum.

Berlin, Michail Gorbatschow an der Mauer

Günter Mittag (2. V. l.) am antifaschistischen Schutzwall, 1986

 

Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-1986-0416-418 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5345338

 

Günter Mittag war zusammen mit Alexander Schalck-Golodkowski, der ein „windiger Hund“ war (Leiter von KoKo und Staatssekretär im DDR-Außenhandelsministerium)ein angesehener Gesprächspartner von Politikern und Wirtschaftsmanagern der BRD. Besonders mit Franz Josef Strauß hatte er enge Kontakte und handelte Anfang der 1980er Jahre mit ihm den sogenannten „Milliardenkredit“ eines westdeutschen Bankenkonsortiums an die Deutsche Außenhandelsbank der DDR aus. Insbesondere Franz-Josef Strauß war ein Antikommunist und eigentlich der Erz-Feind der DDR. Es ist unverständlich, wieso die DDR sich auf ihn einließ. Ebenso die engen Kontakte von Politikern und Wirtschaftsvertretern der DDR mit Franz Josef Strauß. Glaubten sie tatsächlich, dass sich Franz-Josef Strauß vom „Saulus zum Paulus“ gewandelt hat?  Wenn die DDR einen Kredit nötig hatte, warum hatte sie sich nicht an eine Schweizer Bank gewandt? Auch wenn dieser Kredit teurer gewesen wäre, so hätte die DDR sich nicht in die Abhängigkeit ihres Erzfeindes begeben müssen. Den Schweizer Banken wäre es einzig und allein um Geschäfte und nicht um Politik gegangen. Auch den Aspekt, dass Günter Mittag, möglicherweise auch andere Politiker und Wirtschaftsvertreter der DDR bei kapitalistischen Managern der BRD gut angesehen waren, sollte zum Nachdenken anregen. Die Verhandlungen und Zusammentreffen hätten sich auch das Notwendige beschränken sollen, aber gutes Ansehen, bzw. sogar Freundschaften?  Das war doch bereits Verrat und ein Stück des Weges in den Untergang.

Frankfurt/Main, Besuch Günter Mittag bei Hoechst

Günter Mittag besucht dieHoechst AGin Frankfurt am Main, 1980

 

Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-W0508-0309 / Link, Hubert / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5437723

 

Berlin, Gespräch Bölling, Lambsdorff, Mittag

Gespräch Bölling, Lambsdorff, Mittag, 1982

 

Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-1982-0317-028 / Mittelstädt, Rainer / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5422531

 

Bonn, Besuch Erich Honecker

Besuch Honeckers in der BRD, Mittagessen beim Bundespräsidenten am 7. September 1987. V.l.n.r.: Bangemann, Honecker, Weizsäcker, Mittag, Vogel, Bräutigam, Genscher

 

Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-1987-0907-033 / Mittelstädt, Rainer / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5424076

Hier sei an die später unrühmliche Rolle Genschers während der Konterrevolution erinnert. Er verkündete während der Botschaftsbesetzung in der damaligen CSSR die Ausreisegenehmigung der ehemaligen Bürgerinnen und Bürger der DDR, welche die Botschaft der BRD in der CSSR besetzen, um ihre Ausreise in die BRD zu erzwingen. Später spielte Genscher im Jugoslawienkrieg eine unrühmliche Rolle, da er als einer der Ersten die abtrünnigen Einzelstaaten des ehemaligen Jugoslawien anerkannte. Erich Honecker, einstmals von Bundeskanzler Helmut Kohl als Staatsgast empfangen, wurde nach 1990 in den Knast gesteckt. Kohl war immer noch Bundeskanzler.

Während der großen Krise der DDR im Sommer 1989 vertrat Günter Mittag Erich Honecker während dessen schwerer Erkrankung. Warum Erich Honecker sich für Günter Mittag als sein Stellvertreter entschied und nicht für seinen potenziellen Nachfolger Egon  Krenz ist vollkommen unverständlich. Die gemeinsame Jagdleidenschaft von Günter Mittag und Erich Honecker kann doch wohl nicht ausschlaggebend für die Entscheidung Honeckers gewesen sein.


 

Günter Mittag war Diabetiker. Mitte der 1980er Jahre mussten ihm beide Unterschenkel amputiert werden.

Im Dezember 1989 kam Mittag in Untersuchungshaft, wurde aber bald aus gesundheitlichen Gründen entlassen und ging in Rente. 1991 folgte erneut eine Anklage wegen Verwendung von Staatsgeldern für Eigenheime. Günter Mittag wurde jedoch aus gesundheitlichen Gründen für nicht verhandlungsfähig erklärt. Das Hauptverfahren wurde nicht eröffnet. Na warum auch? Günter Mittag war keiner der Aufrechten und hatte, wie oben ausgeführt, gutes Ansehen bei kapitalistischen Managern und Politikern der BRD. Da hatte die Justiz der BRD kein Interesse Günter Mittag zu bestrafen.Mittag erhielt 1982 die Ehrendoktorwürde der Tōkai-Universität (Japan) und der Montanuniversität Leoben (Österreich). Letztere wurde ihm 1991 wieder aberkannt.    Auskunft des Büros des Rektors der Montanuniversität Leoben vom 20. Juni 2017 https://de.wikipedia.org/wiki/Günter_Mittag#cite_note-1

Er war zweifacher Träger des Titels „Held der Arbeit“. Welch ein Hohn. Da gab es gewiss andere, welche die Auszeichnung „Held der Arbeit“ eher verdient hätten.

 

Grabstein von Günter Mittag auf dem Freidhof von Zepernick

Grabstein Günter Mittags auf dem Friedhof von Zepernick

 

Bildquelle: Von DocIshiido – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52883592

 

 


Das Wichtigste im Überblick:

  • Günter Mittag entwarf gemeinsam mit Erich Apel das Neue ökonomische System der Planung und Leitung(NÖSPL).
  • Nach der Ablösung von Walter Ulbricht war das nicht mehr obsolet. Günter Mittag machte eine Kehrtwende und hielt bis zum Ende seiner Amtszeit an der staatlichen Kontrolle der Wirtschaft fest.
  • Gleichzeitig freundete er sich mit Managern der kapitalistischen Wirtschaft und Politikern der BRD an.
  • Günter Mittag hatte enge Kontakte zum antikommunistischen Erzfeind Franz-Josef Strauß. Mit ihm handelte er den Milliardenkredit aus. Das heißt, dass er die DDR in Abhängigkeit des Erzfeindes Franz-Josef Strauß und ähnlich gesinnter Leute aus Politik und Wirtschaft der BRD führte.
  • Erich Honecker wurde während der großen Krise im Sommer 1989 schwer krank und entschied sich Günter Mittag mit der Stellvertretung zu betrauen. Ein weiterer Schritt in den Untergang der DDR.
  • Aus naheliegenden Gründen wurde Günter Mittag nach 1990 nicht vor Gericht gestellt.(„aus gesundheitlichen Gründen für verhandlungsunfähig erklärt“)

 

 

Entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

 

 

12 Kommentare zu “Günter Mittag

  1. Auch wenn Günter Mittag bei den Generaldirektoren der DDR-Kombinate wegen seines administrativen Leitungsstils äußerst unbeliebt war, hat Erich Honecker ihn wohl nicht zu Unrecht als seinen Stellvertreter dem Krenz vorgezogen.

    Honecker muß wohl auch geahnt haben, daß Krenz ihn hintergehen würde (was er dann ja auch tat!). Also, vieles wird uns erst später verständlich… es klärt sich auf, wenn man (wie Kurt Gossweiler das immer gemacht hat!) ein genauer Beobachter der Geschichte ist. Und das kann man nur sein, wenn man die Geschichte von einem marxistische-leninistischen Klassenstandpunkt aus betrachtet.

    Sehr empfehlenswert ist auch hier wieder: Kurt Gossweiler „Die Taubenfußchronik – oder Die Chruschtschowiade (2 Bde.), Eggerdinger Verlag München, 2002.

    Gefällt 2 Personen

  2. Pingback: Die Volkskammer | Die Trommler - Archiv

  3. Pingback: Der Staatsrat der DDR | Die Trommler - Archiv

  4. Pingback: Die Absetzung Erich Honeckers durch das Politbüro | Die Trommler - Archiv

  5. Pingback: Brandbrief von Erich Mielke an Egon Krenz | Die Trommler - Archiv

  6. Pingback: Das Politbüro des ZK der SED | Die Trommler - Archiv

  7. Pingback: Erich Honecker | Die Trommler - Archiv

  8. Pingback: Der Wechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker | Die Trommler - Archiv

  9. Pingback: Deutsche Außenhandelsbank | Die Trommler

  10. Pingback: Kommerzielle Koordinierung (Koko) | Die Trommler

Hinterlasse einen Kommentar