Motive für legales und illegales Verlassen der DDR

Das Dokument des MfS trägt das Datum vom 09. September 1989 und war als „streng geheim“ eingestuft

In diesem Dokument sind die Hinweise für die Gründe für das legale und illegale Verlassen der DDR vieler Bürgerinnen und Bürger der DDR zusammengetragen worden.

In der Regel  sind die Menschen im Ergebnis eines längeren Prozesses zur Entwicklung bestimmter Auffassungen gekommen, die sich häufig verfestigt haben. Daraus zogen die Menschen dann entsprechende persönliche Schlussfolgerungen.  Es handelte sich um ein ganzes Bündel komplex wirkender Faktoren.

Es zeigte sich, dass diese Faktoren unter dem Einfluss der westlichen Propaganda und durch andere westliche Einflüsse- zunehmend über Rückverbindungen von ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der DDR, Besuchsaufenthalte von Bürgerinnen und Bürgern der DDR im westlichen Ausland, bzw. Besucherinnen und Besuchern aus dem westlichen Ausland in der DDR usw. – bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern der DDR resultierten aus diesen Faktoren Gründe/Anlässe sowohl in Bestrebungen zur ständigen Ausreise als auch des illegalen Verlassens der DDR.

Die überwiegende Anzahl dieser Personen wertete Probleme und Mängel in der gesellschaftlichen Entwicklung, vor allem in den persönlichen Lebensbedingungen und bezogen auf die sogenannten täglichen Unzulänglichkeiten, im wesentlichen negativ davon ausgehend, insbesondere durch Vergleiche mit den Verhältnissen in der BRD und Westberlin, zu einer negativen Bewertung der Entwicklung in der DDR.

Die Vorzüge des Sozialismus, wie z.B. soziale Sicherheit und Geborgenheit, wurden zwar anerkannt, im Vergleich mit den Mängeln und Problemen jedoch nicht mehr als entscheidende Faktoren angesehen. Teilweise wurden sie auch als Selbstverständlichkeiten betrachtet und deshalb in der Beurteilung überhaupt nicht mehr einbezogen oder gänzlich negiert.

Es kam zu Zweifeln bzw. zu Unglauben hinsichtlich der Realisierbarkeit der Ziele und der Richtigkeit der Politik von Partei und Regierung, insbesondere bezogen auf die innenpolitische Entwicklung, die Gewährleistung entsprechender Lebensbedingungen und die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse. Das ging einher mit Auffassungen, dass die Entwicklung keine spürbaren Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger bringt, sondern es auf den verschiedenen Gebieten in der DDR schon einmal besser gewesen sei. (In der Regierungszeit von Walter Ulbricht war es besser. P.R.) Derartige Auffassungen zeigten sich besonders auch bei solchen Personen, die bisher gesellschaftlich aktiv waren, aus vorgenannten Gründen jedoch „müde“ geworden seien, resigniert und schließlich kapituliert hätten.

Es zeigte sich ein ungenügendes Verständnis für die Kompliziertheit des sozialistischen Aufbaus in seiner objektiven Widersprüchlichkeit, wobei aus ihrer Sicht nicht erreichte Ziele und Ergebnisse sowie vorhandene Probleme, Mängel und Missstände dann als fehlerhafte Politik interpretiert und gewertet wurden.

Diese Personen gelangten in einem längeren Prozess zu der Auffassung, dass eine spürbare, schnelle und dauerhafte Veränderung ihrer Lebensbedingungen, vor allem bezogen auf die Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse, nur in der BRD oder Westberlin realisierbar sei.

Obwohl in jedem  Einzelfall ganz konkrete, individuelle Fakten, Erscheinungen, Ereignisse, Erlebnisse usw. im Komplex auf die Motivbildung zum Verlassen der DDR einwirkten, wird im folgenden eine Zusammenfassung wesentlicher diesbezüglicher zur Motivation führender Fakten vorgenommen.

Als wesentliche Gründe/Anlässe für die Bestrebungen zur ständigen Ausreise bzw. das ungesetzliche Verlassen der DDR- die auch in Übereinstimmung mit einer Vielzahl von Eingaben an zentrale und örtliche Institutionen standen- werden angeführt:

 

  • Unzufriedenheit mit der Versorgungslage(Mangelwirtschaft) (Ein entscheidendes Manko, das nicht in den Griff zu bekommen war.);

 

  • Verärgerung über unzureichende Dienstleistungen;

 

  • Unverständnis für Mängel in der medizinischen Betreuung und Versorgung.(Nun ja, zumindest war die medizinische Versorgung, im Gegensatz zu heute, auch in ländlichen Gebieten, gesichert. Einen Pflegenotstand, wie heute gab es in dieser Form auch nicht. Es wurden nicht reihenweise Geburtsstationen geschlossen und die Hebammen mussten keine irren hohen Versicherungsprämien zahlen, sodass ihre Existenz unmöglich ist. Dass die Einrichtung der Praxen und Kliniken nicht auf dem neuesten Stand war, liegt daran, dass das teure Devisen kostete, da die medizinzischen Geräte aus dem westlichen Ausland, z.B. den USA bezogen werden mussten. Doch im Ernstfall standen sie zur Verfügung und auch damit war die Behandlung kostenlos. Außerdem gab es auch im Westen Arztpraxen die nicht auf dem neuesten Stand waren. Im medizinischen Bereich wurden auch bürokratische Auflagen bemängelt. Doch heute sind diese um ein Vielfaches gestiegen) ;

 

  • Eingeschränkte Reisemöglichkeiten innerhalb der DDR und nach dem Ausland(Innerhalb der DDR waren z.B. keine Spontanübernachtungen möglich. Hotels mussten lange im Voraus gebucht werden. Die eingeschränkten Reisen ins kapitalistische Ausland waren auch ein Hauptmanko. Die Wenigsten hatten Verständnis für die Ursache dieser Situation. Bei Reisen ins sozialistische Ausland kam Unmut auf, weil westliche Touristen als Devisenbringer bevorzugt wurden.);

 

  • Unbefriedigende Arbeitsbedingungen und Diskontinuität im Produktionsablauf(Der Materialnachschub klappte nicht und veraltete Produktionsanlagen.);

 

  • Unzulänglichkeiten/Inkonsequenz bei der Anwendung/Durchsetzung des Leistungsprinzips sowie Unzufriedenheit über die Löhne und Gehälter;

 

  • Verärgerung über bürokratisches Verhalten von Leitern und Mitarbeitern Behörden, Ämtern, Betrieben und Institutionen sowie über Herzlosigkeit im Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern;

 

  • Unverständnis über die Medienpolitik der DDR.

 

Im Dokument sind die Punkte nochmal ausführlich dargestellt worden. Leider hatte dies keine Konsequenz. Die Verantwortlichen blieben weiterhin ignorant. Ein weiterer entscheidender Schub für die Konterrevolution.

Die illusionären Vorstellungen über die „westliche“ Lebensweise werden auch im Dokument angeführt. Diese illusionären Vorstellungen über das Leben im Westen hatten sich derart festgesetzt, dass die Betreffenden nicht mal aufklärende Worte von Besuch aus dem Westen wahrhaben wollten. Ja, sie wiesen diese als „SED-Propaganda“ zurück und stellten den Besuch aus dem Westen als unglaubwürdig hin.

Trotz all der in diesem Dokument aufgeführten Mankos ist es unverständlich, dass sich Menschen in Lebensgefahr begaben, um die DDR illegal zu verlassen.

 

 

Dokument entnommen aus der MfS-Mediathek

Bearbeitete Wiedergabe des Dokuments von Petra Reichel

 

Motive legales und illegales Verlassen der DDR

Fluchtwelle – Info an SED-Führung

 

Fluchtwelle Ungarn 1989

Bildquelle: ZEIT ONLINE https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2014-08/ddr-flucht-1989-grenzpicknick-sopron

 

Mit diesem Dokument wies das MfS auf den Missbrauch des Territoriums der   Ungarischen Volksrepublik durch Bürgerinnen und Bürger der DDR zum illegalen Verlassen der DDR sowie zum Reiseverkehr nach Ungarn  hin. Dieses Dokument ist auf den 14. Juli 1989 datiert und ging an die SED-Führung

SED-Logo

 

 

 

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3389170

 

 

  • Zum ungesetzlichen Verlassen der DDR unter Missbrauch des Territoriums der Ungarischen Volksrepublik

 

 

Vorliegenden Hinweisen zufolge wurden zunehmende Bestrebungen des ungesetzlichen Verlassens von Bürgerinnen und Bürgern der DDR unter Ausnutzung des Territoriums der Ungarischen Volksrepublik festgestellt.

 

So hatten im Zeitraum vom 01.01.1989 bis einschließlich 12.07.1989 bereits mehr Bürgerinnen und Bürger der DDR das ungesetzliche Verlassen der DDR über Ungarn versucht bzw. vollendet, als im gesamten Jahr 1988.

 

 

Im Dokument folgt dann eine Übersicht.

 

Darüber hinaus wurden im Zeitraum vom 01.01. bis 12.07.1989 weitere 148 Bürgerinnen und Bürger der DDR wegen versuchtem ungesetzlichen Verlassen der DDR über Ungarn bereits auch dem Territorium der DDR bzw. durch die Sicherheitsorgane der CSSR festgenommen.

 

Besonders hervorzuheben ist, dass sich die überwiegende Anzahl der im Zeitraum vom 01.01. bis 12.07.1989 angefallenen Täterinnen und Täter auf die Monate Mai, Juni und Juli konzentrieren. Auf diese 2 ½ Monate entfallen 76% des versuchten und 62% des vollendeten ungesetzlichen Verlassens der DDR über Ungarn.

 

Das resultiert vor allem aus inspirierenden Veröffentlichungen westlicher Medien über den Abbau von Grenzsicherungsanlagen an der Staatsgrenze der Ungarischen Volksrepublik zu Österreich, aus Rückverbindungen von Personen, denen der ungesetzliche Grenzübertritt über das Territorium von Ungarn nach dem nichtsozialistischen Ausland gelungen ist und aus veränderten Praktiken der Sicherheitsorgane(Sicherheitsbehörden) der Ungarischen Volksrepublik im Zusammenhang mit der Verhinderung von Grenzdurchbrüchen durch Bürgerinnen und Bürger der DDR in dieser Zeit.

 

Bisher hatten die Sicherheitsorgane(Sicherheitsbehörden) Ungarns auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen von 1963 zwischen der DDR und Ungarn(Generalstaatsanwälte beider Seiten, MfS der DDR und das Innenministerium Ungarns)in den vergangenen Jahren bis zum II. Quartal 1989 große und erfolgreiche Anstrengungen unternommen, Straftaten des ungesetzlichen Grenzübertritts von Bürgerinnen und Bürgern der DDR unter Missbrauch des Territoriums Ungarns aufzudecken und zu verhindern.  Die in diesem Zusammenhang straffällig gewordenen Bürgerinnen und Bürger der DDR wurden festgenommen und gegen sie sind durch die Untersuchungsorgane(Ermittlungsbehörden)des Innenministeriums Ungarns Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Alle festgenommenen Bürgerinnen und Bürger der DDR wurden – nach Abschluss der Ermittlungsverfahren- dem MfS zur weiteren Bearbeitung übergeben.

 

Trotz der konsequenten Maßnahmen der Sicherheitsorgane(Sicherheitsbehörden) Ungarns gelangen ungesetzliche Grenzübertritte von Bürgerinnen und Bürgern der DDR nach Jugoslawien und nach Österreich.

 

Im Dokument folgt dann eine Übersicht.

 

Grundsätzliche Veränderungen der Lage ergaben sich insbesondere durch

 

  • Den am 12.03.1989 erfolgten Beitritt Ungarns zur Genfer Flüchtlingskonvention, die am 12.06.1989 für Ungarn in Kraft trat und

 

  • Den demonstrativen Abbau der Grenzsicherungsanlagen an der Staatsgrenze Ungarns zu Österreich.(Paneuropäisches Picknick)

 

 

Die im Zusammenhang damit stehenden demonstrativen Bekundungen von offiziellen Vertretern Ungarns und spektakulären Aktivitäten westlicher Medien waren darauf gerichtet, Ungarn als  Fluchtweg und Asylland für Bürgerinnen und Bürger der DDR anzupreisen und ständig aufzufordern über Ungarn die DDR ungesetzlich zu verlassen. Die Publikationen unter solchen Schlagzeilen, wie „UNO-Flüchtlingskommissar zur Behandlung von DDR-Flüchtlingen in Ungarn“(DLF vom 03.07.1989), „Immer mehr DDR-Flüchtlinge flüchten über Ungarn nach Österreich“(DPA 12.07.1989, „Das Burgenland als Tor zur Freiheit“(DPA 12.07.1989)beweisen das.

 

Besonders Deutlich wurde die Zielsetzung in einer Äußerung des Ministerpräsidenten Ungarns, Nemeth, bei der Übergabe eines symbolischen Stückes der abgebauten Grenzsicherungsanlagen an den Präsidenten der USA. Er drückte u.a. die Hoffnung aus, dass alle auf der Welt noch vorhandenen künstlichen, physischen und geistigen Trennmauern einmal überall einstürzen werden. (Ein typisches Geschwafel, das nichts anderes bedeutet, als dass das Kapital nun endlich  weltweit ungebremst agieren kann. So ist es ja schließlich gekommen.)

 

 

Seit Anfang Juli 1989 zeigte sich die veränderte Verfahrensweise der Organe(Behörden) Ungarns darin, dass zwar Bürgerinnen und Bürger der DDR beim Versuch des ungesetzlichen Grenzübertritts festgenommen wurden, jedoch deutlich zunehmend auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren und die Übergabe an das MfS verzichtet wurde. Eher erfolgte die Ausweisung dieser Personen aus Ungarn. So wurden seit 1. Juli 1989 34 Bürgerinnen und Bürger der DDR bekannt, die im Ergebnis der veränderten Praxis der Sicherheitsorgane(Sicherheitsbehörden) Ungarns aus diesem Staat ausgewiesen wurden und über die CSSR in die DDR zurückkehrten.

 

Nach internen Erkenntnissen ist die Anzahl der aus Ungarn ausgewiesenen Bürgerinnen und Bürger der DDR jedoch höher. Sie kamen entweder in der DDR nicht an oder wurden an den Grenzübergangsstellen aufgrund fehlender Vermerke der ungarischen Behörden nicht erkannt. Fehlende Informationen über die Umstände der Grenzverletzung in Ungarn komplizieren die Maßnahmen der Strafverfolgung in der DDR. (Es wurden Maßnahmen eingeleitet, um zu erreichen, das die zuständigen Behörden Ungarns ihren eingegangenen Verpflichtungen nachkommen und die wegen versuchten Grenzdurchbrüchen aus Ungarn ausgewiesenen Bürgerinnen und Bürger der DDR an die Behörden der DDR zu melden).

 

Von kompetenten Vertretern des Innenministeriums Ungarns wurde erklärt, das aus politischen, rechtliche und organisatorisch-technischen Gründen die bisherige Praxis der Konzentration der Bürgerinnen und Bürger der DDR in Budapest und die dort erfolgte Übergabe an das MfS künftig nicht mehr möglich sein wird.

 

Künftig war nun davon auszugehen, dass die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Bürgerinnen und Bürger der DDR durch ungarische Behörden nur noch in schweren Fällen eines Angriffs auf die ungarische Staatsgrenze erfolgen würde. (Nach intern vorliegenden Erkenntnissen war u.a. an einer Novellierung des Tatbestandes des ungesetzlichen Grenzübertritts gearbeitet worden, der nur noch in der Alternative der Anwendung von Waffengewalt oder der Entführung von Luftfahrzeugen strafrechtlich verfolgt werden sollte. Damit wurden alle sonstigen Handlungen, die auf eine Überwindung der Staatsgrenze Ungarns gerichtet waren, als Ordnungswidrigkeiten qualifiziert.)

 

Die Vertreter des ungarischen Innenministeriums versicherten, dass durch verbesserte Tiefensicherung und Qualifizierung der im Grenzsicherungssystem eingesetzten Kräfte, durch verstärkte Streifentätigkeit und Zusammenarbeit mit Grenzhelfern und der Grenzbevölkerung, durch die Erhöhung des technischen Ausbildungsniveaus der Grenzposten der zuverlässige Schutz der Staatsgrenze gewährleistet werden soll.

 

Zugleich wurde jedoch eingeräumt, dass sich insgesamt die Anzahl vollendete Grenzdurchbrüche erhöhen wird. (Das war doch ohnehin nur noch Geschwafel. Die Konterrevolution marschierte bereits.)

 

Zur Anwendung der Flüchtlingskonvention für Bürgerinnen und Bürger der DDR wurde seitens der ungarischen Vertreter erklärt:

 

  • Grundsätzlich sei nicht beabsichtigt, Bürgerinnen und Bürger der DDR als Flüchtlinge im Sinne der Konvention zu behandeln. Deshalb sein man an einer schnellen Ausweisung aller Bürgerinnen und Bürger der DDR interessiert. (Ach nee, Ungarn wollte schon damals keine  Flüchtlinge aufnahmen, ist aber der Flüchtlingskonvention beigetreten. Ungarn hat der Konterrevolution entscheidenden Anschub geben, wollte aber keine unangenehmen, belastenden Konsequenzen tragen.)

 

  • Im Falle eines Hartnäckigen Asylantrages wurde jedoch ein entsprechendes Prüfungsverfahren und ein Aufenthalt in einem der geschaffenen Flüchtlingslager unumgänglich, es sei jedoch auch in diesem Fall eine Ausweisung vorgesehen.(Ach nee, siehe obigen Abschnitt.)

 

  • Die Genehmigung einer Weiterreise nach Österreich, der BRD oder in ein Land ihrer Wahl sei nicht vorgesehen. (Das entspräche der bilateralen Vereinbarung DDR-Ungarn vom 20.Juni1969) (Zu diesem Zeitpunkt musste diese Vereinbarung noch formal eingehalten werden.)

 

  • Im Innenministerium Ungarns wurde ein Amt für Flüchtlingsangelegenheiten geschaffen, in dessen Zuständigkeit künftig auch die Behandlung der Bürgerinnen und Bürger der DDR fällt.

 

 

  • Zu Erpressungsversuchen von Bürgerinnen und Bürgern der DDR in der Botschaft der BRD in Ungarn

 

Stark zugenommen hatten auch Erpressungsversuche von Bürgerinnen und Bürgern der DDR in der BRD-Botschaft in Ungarn zur Erzwingung ihrer ständigen Ausreise.

 

Von den seit 01.01.1989 mit Erpressungsversuchen in dies diplomatischen Einrichtung in Erscheinung getretenen 118 Personen entfallen allein auf diesen Zeitraum vom 01.05. bis 12.07.1989 100 Personen= 85%. (Mai 31 Personen, Juni 33 Personen, 1. bis 12.07.1989=36 Personen.) Zunehmend handelt es sich bei den Erpressern um Personen, die nicht als Antragsteller registriert waren und beim  Versuch, die DDR ungesetzlich über Ungarn zu verlassen, festgenommen wurden. Sie leisteten der Aufforderung der zuständigen Behörden Ungarns zur sofortigen Rückkehr in die DDR nicht Folge, sondern begaben sich mit erpresserischer Absicht in die BRD-Botschaft.

 

Nach intern vorliegenden Hinweisen wurde in der BRD in der darauffolgenden  Zeit mit verstärktem Zulauf von Bürgerinnen und Bürgern der DDR in der Botschaft der BRD in Budapest gerechnet. Das betrifft vor allem solche Personen, die im Grenzgebiet Ungarns festgenommen und zum Verlassen dieses Staates aufgefordert wurden.

 

Ausgehend davon waren weitere Versuche der BRD zur diesbezüglichen Erpressung der DDR zu erwarten.

 

 

  • Reiseverkehr

 

Ungarn stellte für Bürgerinnen und Bürger der DDR ein bedeutendes Reise- und hinsichtlich der Durchreise nach Rumänien und Bulgarien auch Transitland dar.

 

Im Jahre 1988 reisten über 800 000 Bürgerinnen und Bürger der DDR im Rahmen des Touristen-, Privat- und Dienstreiseverkehrs nach Ungarn. Gegenüber dem Jahr 1987 bedeutete das einen Anstieg um 3,7 % (28 500 Personen).

 

Im 1. Halbjahr 1989 erfolgten nahezu 202 000 Reisen von Bürgerinnen und Bürgern der DDR nach Ungarn, was gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres einer Zunahme um 5,4 % entspricht(10 400 Personen).

 

Im gleichen Zeitraum reisten etwa ca. 156 000 Bürgerinnen und Bürger der DDR(1. Halbjahr 1988=153 000) im Transitverkehr durch Ungarn nach Rumänien oder Bulgarien. Das entspricht einer Zunahme um 2,0 %(3 000 Personen).

 

Nach vorliegenden internen Informationen rechneten gegnerische Kräfte in der BRD sehr stark damit, dass die DDR nicht umhin könne und gezwungen sie, restriktive Neuregelungen für Reisen von Bürgerinnen und Bürgern der DDR nach Ungarn zu erlassen. Nur dadurch könne nach Meinung dieser Kräfte seitens der DDR der sich bereits jetzt abzeichnenden Tendenz einer Massenfluchtbewegung von Bürgerinnen und Bürgern der DDR über Ungarn entgegengewirkt werden.

 

Gegnerische Kräfte spekulierten, dass im Falle entsprechender Entscheidungen der Druck im Inneren der DDR, besonders im Hinblick auf Versuche zur Erreichung einer Genehmigung zur ständigen Ausreise, zunehmen würde. (Das MfS schätzte dies als Wunschdenken ein. Eine Fehleinschätzung, denn bald hatte die Realität die DDR hinweggefegt.)

 

 

Durch das MfS wurden im Zusammenwirken mit dem MdI(Innenministerium)und den Justizbehörden Maßnahmen eingeleitet, die darauf gerichtet waren:

 

  • Die vorbeugende Arbeit zur Verhinderung von Straftagen von Bürgerinnen und Bürgern der DDR in Ungarn und in anderen sozialistischen Staaten zu verstärken,

 

 

  • Die Kontrolle der aus Ungarn ausgewiesenen Bürgerinnen und Bürgern der DDR zu gewährleisten und insbesondere deren Wiederausreise aus der DDR zu verhindern,

 

  • die differenzierte strafrechtliche Verfolgung der angefallenen Personen nach einheitlichen Kriterien zu sichern.
  • (eine entsprechende Orientierung wurde erarbeitet.)

 

 

 

Dem Dokument sind folgende Anlagen beigefügt:

 

  • Übersicht zur Entwicklung des Reiseverkehrs nach Ungarn und zum ungesetzlichen Verlassen der DDR und Missbrauch des Territoriums Ungarns

 

  • Abschrift des Protokolls zum Abkommen zwischen der Regierung der DDR und der Regierung Ungarns über den visafreien grenzüberschreitenden Verkehr

 

  • Erklärung durch Vertreter des MfS in den Konsultationen mit dem ungarischen Innenministerium Mitte Juni 1989

 

 

 

Dokument aus der MfS-Mediathek entnommen, wiedergegeben und bearbeitet von Petra Reichel

 

Anmerkungen: Auch hier wurde das MfS unwissentlich zum Chronisten der Konterrevolution. Anscheinend haben sich die Zuständigen in der Führungsspitze der SED nicht mit diesem  Dokument befasst.

Hinweise aus SED September 1989

Das Ende des MfS(Übersicht)

gerupfter Ährenkranz Kopie

Original-Text:

Das Ende des MfS

Autoren des Originaltextes:

Gerhard Niebling

Wolfgang Schwanitz

 

Originaltext entnommen aus dem Buch

„Die Sicherheit“, bearbeitet von Petra Reichel

 

Buchtitel Die Sicherheit Kopie 3

 

 

 

 

 

 

Das gesamte Buch oder einzelne Kapitel daraus steht als Download zur Verfügung. Bitte die Website MfS-Insider anklicken.

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Mehr Infos zum MfS findet man auf der Website der MfS-Insider.

 

Abschnitte des von Petra Reichel bearbeiteten Beitrages:

Das Ende des MfS

Die Auswirkungen der Sprachlosigkeit der Führung der DDR auf die Mitarbeiter des MfS

Der Hauptstoß richtete sich gegen das MfS, seine Angehörigen und Inoffiziellen Mitarbeiter(Oktober bis 17. November 1989)

Bildung und Auflösung des AfNS

Beschlüsse zur Bildung eines Verfassungsschutzes und eines Nachrichtendienstes der DDR blieben Makulatur

Zwölf Jahre später

 

 

 

Zwölf Jahre später

Die gesellschaftliche Ächtung und Ausgrenzung einstiger Angehöriger des MfS/AfNS und Inoffizieller Mitarbeiter dauert weiterhin an und wird auch bis in alle Ewigkeit gehen.

Obwohl es trotz jahrelanger Anstrengungen nicht gelungen ist, das MfS/AfNS juristisch zu kriminalisieren, wird den einstigen Mitarbeitern im heutigen Deutschland der Zugang zu öffentlichen Tätigkeiten und Funktionen  verweigert. Sie tragen ein Kainsmal. Und jenen, die im Rentenalter sind, zeigt man mit der Strafrente, was man von ihnen hält. Eine gravierende Ungleichbehandlung gegenüber anderen Berufsgruppen in der DDR wird hier betrieben.

Alles was in der DDR kritikwürdig war, wird den einstigen Mitarbeitern des MfS/AfNS angelstet. Es wird stets über den Fachkräftemangel gejammert. Aber gut ausgebildete Kriminalisten, Kriminaltechniker und andere Fachleute, die früher für das MfS/AfNS tätig waren, dürfen nicht mal mehr als Pförtner im öffentlichen Dienst arbeiten. Die Jagd auf Inoffizielle Mitarbeiter und ihre öffentliche Anprangerung hält weiterhin an.

Während Spione des BND rehabilitiert und großzügig entschädigt wurden, werden die Kundschafter des MfS/AfNS strafrechtlich verfolgt und sozial ausgegrenzt.

Offensichtlich muss das MfS/AfNS weiterhin als Feindbild in der Öffentlichkeit herhalten, weil die Delegitimierung der DDR im Bewusstsein der Bevölkerung der neuen Bundesländer nicht die gewünschten Fortschritte macht. Es soll auch von den Schattenseiten des realen Kapitalismus und den damit verbunden Problemen der Menschen abgelenkt werden.

Nach wie vor eignet sich das weitgehend geheimnisumwobene 40jährige Wirken des MfS/AfNS, um mit neuen „Enthüllungen“ und der Wiederholung alter unbewiesener Behauptungen die DDR als verbrecherisches System zu charakterisieren. Wer findet sich im Geflecht von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen zurecht?

Es bedarf noch großer Anstrengungen, um die Diskussion über das MfS/AfNS zu versachlichen und die Ungleichbehandlung ehemaliger hauptamtlicher und inoffizieller Mitarbeiter gegenüber anderen Personengruppen entsprechend dem Grundgesetz der BRD zu beenden. Das Buch „Die Sicherheit“, dem der Original-Text dieses Beitrages entnommen worden ist, soll einen Beitrag dazu leisten. DIE TROMMLER versucht dies auch mit seinen bescheidenen Mitteln.

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Die Autoren forderten bereits zu Zeiten, als Frau Birthler die damals  Gauck-Behörde genannte BStU leitete, dass diese nicht zur politischen Instrumentalisierung benutzt wird. Mittlerweile leitet Herr Jahn die BStU. Die antikommunistische politische Instrumentalisierung ist ein fester Bestandteil im heutigen Deutschland geworden. Diese Behörde fälscht sogar Akten, um ein falsches Bild der DDR zu vermitteln. Die jungen Leute, welche die DDR nicht mehr kennen, wird falsches Wissen eingetrichtert.

Um ein objektives Geschichtsbild zu bekommen, müssten auch die Akten der westlichen Geheimdienste geöffnet und ihr Wirken gegen die DDR öffentlich bekannt gemacht werden. Aber das passiert niemals.

Zur Arbeit des MfS/AfNS gehörten nicht nur Aktenbestände, die Jürgen Fuchs mit dem ungeheuerlichen Wort vom „Ausschwitz der Seelen“ bezeichnete, und die Untersuchungshaftanstalten des MfS, die für Hubertus Knabe, der ja nun mittlerweile weg ist, „das Dachau des Kommunismus“ darstellen. Tatsache ist, dass die Bürgerinnen und Bürger der DDR sich in ihrem Land mehrheitlich sicher gefühlt haben.

Objektivität in der Beurteilung des MfS/AfNS heißt anzuerkennen, dass seine Mitarbeiter einen Beitrag zur Stabilisierung des Friedens leisteten. Dass sie schwere Straftaten verhindern halfen oder aufklärten, dass sie sich engagierten bei der strafrechtlichen Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechern. Sie sorgten dafür, dass der Transit zwischen der BRD und Berlin, trotz zahlreicher Straftaten durch die andere Seite, ungehindert stattfand. Sie garantierten durch ordentliche Arbeit die Passierscheinabkommen und den Personenschutz ein- und durchreisender Personen.

Wolfgang Thierse schrieb in seiner Eigenschaft als Stellvertretender SPD-Vorsitzender einen Brief an Herbert Häber, der am 7. Juli 2000 im sogenannten dritten Politbüroprozess gemeinsam mit Siegfried Lorenz und Joachim Böhme freigesprochen worden war. Wolfgang Thierse erklärte darin: „Aus meiner Sicht ist damit anerkannt, dass die Übernahme politischer Verantwortung in der DDR nicht zwangsläufig zu verurteilen ist, sondern nach dem daraus folgenden Handeln bewertet werden muss. Dies hätte ich mir angesichts mancher für eine lange Zeit die Öffentlichkeit dominierende Vorstellungen längst gewünscht.“  Nichts anderes wünschen sich auch die einstigen Mitarbeiter des MfS/AfNS. Wer im MfS/AfNS tätig war, übernahm politische Verantwortung. Das ist „nicht zwangsläufig zu verurteilen“. Aber diese Verurteilung findet Tag für Tag in diesem Rechtsstaat statt. Auf welcher juristischer Basis eigentlich?

Buchtitel Die Sicherheit Kopie 3

 

Original-Text entnommen aus dem Buch „Die Sicherheit“.

Bearbeitet von Petra Reichel

 

Original-Text:

Das Ende des MfS

 

 

Beschlüsse zur Bildung eines Verfassungsschutzes und eines Nachrichtendienstes der DDR blieben Makulatur

Im Kontext des konterevolutionären Prozesses, beschloss die Regierung der DDR am 14. Dezember, das AfNS aufzulösen und ein Amt für Verfassungsschutz und einen Nachrichtendienst zu bilden. Die Angleichung, selbst im Namen des Geheimdienstes, an die BRD, schritt voran. Die Übergabe war nur noch eine Frage der Zeit.

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Auftragsgemäß reichte Wolfgang Schwanitz entsprechende Vorlagen sowie einen Beschlussentwurf über die Eingliederung Tausender Mitarbeiter in andere Arbeitsbereiche ein. Zugleich machte er Vorschläge für notwendige soziale Regelungen für Entlassene. Ähnlich wie bei kapitalistischen Konzernen, wenn Entlassungen anstehen. Wie bereits erwähnt gibt es nirgends auf der Welt, auch in keinem kapitalistischen Staat gibt es eine derartige Entlassung von Geheimdienstmitarbeitern. Allein schon aus Sicherheitsgründen, denn diese Leute müssen doch weiterhin loyal zu ihrem Staat stehen. Ausgemusterte Geheimdienstmitarbeiter bekommen Posten bei Behörden. Sowas, wie in der Endphase der DDR ist einmalig. Der Verfassungsschutz der DDR sollte 10.000 und der Nachrichtendienst 4.000 Mitarbeiter zählen.

Die Ermittlungsabteilungen, die Untersuchungshaftanstalten, der Personenschutz und die Terrorabwehr sollten künftig vom MdI(Ministerium des Inneren), die Passkontrolle den Grenztruppen und die Militärabwehr vom Verteidigungsministerium übernommen werden. Verfassungsschutz und Nachrichtendienst sollten als Institutionen des Ministerrates dem Ministerpräsidenten der DDR direkt unterstellt werden. Die Auflösung des AfNS sollte bis zum 20. Juli 1990 vollzogen, die neuen Dienste unverzüglich aufgebaut werden.

Als Regierungsbeauftragter für die personelle und materielle Auflösung des AfNS wurde Peter Koch, ein Mitarbeiter des Ministeriums für Justiz, eingesetzt. Er sollte eine Sicherheitsbehörde mit Armee-Dimensionen auflösen. Folglich musste er an dieser Aufgabe scheitern. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass es niemanden mit einer Gesamtübersicht über die Arbeit des AfNS gab. Entsprechend dem Charakter des MfS/AfNS als Schutz-, Sicherheits- und Rechtspflegebehörde, welche auch mit konspirativen Mitteln gearbeitet hatte, waren allenfalls die Leiter der Hauptabteilungen/Abteilungen und Bezirksverwaltungen auskunftsfähig, allerdings nur für ihren Bereich.

Viele Anfragen des „Zentralen Runden Tisches“ blieben folglich unbeantwortet. Das wurde als Versuch des Amtes gewertet, den „Runden Tisch“ zu hintergehen und alte Strukturen zu retten.

Am 15. Dezember 1989 erläuterte Wolfgang Schwanitz als Leiter des AfNS die Beschlüsse der Regierung den meist neuen Chefs der Diensteinheiten und übergab die Verantwortung den vorgesehenen Chefs der zu bildenden Dienste. Werner Großmann, seit 1986 Chef der HVA, sollte den Nachrichtendienst und Heinz Engelhardt, vormals Chef der Bezirksverwaltung Frankfurt/Oder, den Verfassungsschutz leiten. Wolfgang Schwanitz selbst schied aus dem aktiven Dienst aus.

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Ende 1989 und im Januar 1990 häuften sich Meldungen über eine eingeschränkte oder völlig verlorene Handlungsfähigkeit örtlicher Volksvertretungen, Räte und Bürgermeister. Der ADN meldete am 2. Januar 1990 die Entlassung von 23.632 Mitarbeitern des AfNS, davon 13.457 in den Bezirken. Die Staatsräson ließ immer mehr nach.

Am 8. Januar 1990 forderten Vertreter des „Zentralen Runden Tisches“ ultimativ den Ministerpräsidenten, den Generalstaatsanwalt und den Minister des Inneren auf, ihnen innerhalb von zwei Stunden einen Bericht über die Sicherheit der DDR vorzulegen.

Noch in seiner Regierungserklärung auf der 14. Tagung der Volkskammer am 11. Januar 1990 bekräftigte Ministerpräsident Modrow erneut die Notwendigkeit einen Verfassungsschutz aufzubauen. Einen Tag später teilte er der Volkskammer definitiv mit, dass dieser Beschluss bis zum 6. Mai 1990 ausgesetzt werde. An jenem Tag sollte eine neue Volkskammer gewählt werden.

Am 13. Januar drängte der Ministerrat auf eine schnellere Auflösung des AfNS. „Auflösen und nicht überwintern“ hieß es. Nach diesem Eindruck ließ sich der Ministerpräsident immer stärker von den Forderungen der Konterrevolutionäre(„Bürgerrechtsgruppen“)treiben.

Am 15. Januar 1990 sollte der Ministerrat dem „Runden Tisch“ Bericht erstatten. Rainer Eppelmann(Demokratischer Aufbruch) heizte in dieser Beratung die Stimmung gegen die Staatssicherheit mit der Behauptung an, nach ihm vorliegenden Informationen seien in der Größenordnung eines Güterzuges Akten aus der DDR nach Rumänien verbracht worden.

Zuvor hatte das „Neue Forum“ auf Flugblättern einen Aufruf  „zur Aktionskundgebung vor dem Stasi-Gebäude Ruschestraße“ verbreitet. Verbal wurde zwar Gewaltfreiheit postuliert, gleichzeitig jedoch aufgefordert, Mauersteine mitzubringen. Wirklich nur zum Mauern? Wer wollte bei offener Grenze politisch die Aktion unter Kontrolle halten? Wer wollte bei der Sicherung der Dienstgebäude noch die Verantwortung übernehmen? Der tatsächliche Verlauf der Besetzung und Demolierung des zentralen Dienstobjektes des MfS in der Berliner Ruschestraße ist bekannt. In Informationen an den Ministerpräsidenten und an den Innenminister hatten die Verantwortlichen des AfNS mehrfach auf das beabsichtigte Eindringen in dieses Objekt hingewiesen. Alle Vorschläge für eine verstärkte Sicherung des Objekts durch Kräfte der Volkspolizei blieben ohne Reaktion. Die Auflösung des AfNS erreichte von diesem Zeitpunkt an eine neue Qualität. Die Zentrale der Staatssicherheit unterlag jetzt dem gleichen Druck, wie die Bezirks- und Kreisämter.

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Der Beschluss der Regierung „über Festlegungen zur sozialen Sicherstellung von Angehörigen des Amtes vor Nationale Sicherheit, die im Zusammenhang mit  der Auflösung desselben aus dem Dienst ausscheiden“ vom 14. Dezember 1989 wurde bereits am 18. Januar 1990 geändert. Am 1. Februar 1990 erfolgte dann eine „Änderung der Änderung“, so dass von deren sozialen Inhalt faktisch nichts mehr übrig blieb.

Am 8, Februar, am 40. Jahrestag der Bildung des MfS, verabschiedete die Regierung einen Beschluss über weitere Maßnahmen zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit. Von da an erfolgte die Auflösung durch ein Dreiergremium, bestehend aus je einem Vertreter der Parteien, der Opposition und der Regierung. Jeder war mit Regierungsvollmacht ausgestattet. Dem Bischof der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg wurde eine beratende Funktion übertragen. Gleichzeitig  wurde eine zentrale staatliche Behörde gebildet, welcher die Auflösung selbst oblag. Der beigeordneten Beratergruppe leitender Mitarbeiter des MfS/AfNS gehörten die Generäle Heinz Engelhardt, Edgar Braun, Gerhard Niebling und Günter Möller sowie Oberst Bernd Fischer an. Zur Gruppe der Auflöser gehörten weiterhin 500 bis 600 operative Leiter und Mitarbeiter sowie technische Kräfte, die sich auf die einzelnen Diensteinheiten verteilten und dort die eigentliche Auflösung als Insider vornahmen.

Diesem Personenkreis ging es um eine geordnete Auflösung, die jedoch unter dem öffentlichen Druck, insbesondere des „Runden Tisches“, der konterrevolutionären Gruppen(„Bürgerrechtsgruppen“) und der Medien, aber auch der Regierung selbst, nicht gelingen konnte. Die Beratergruppe leitender Mitarbeiter bemühte sich aktiv um den Schutz des umfangreichen Archivgutes, was die Verhinderung seines Missbrauchs einschloss. Wenn sie auch eine Vernichtung des Archivgutes nicht durchsetzen konnte, sorgte sie dafür, dass der Zugang durch konterrevolutionäre Kräfte verhindert wurde. Das gelang geraume Zeit. Sie schafften es, dass das Such- und Findesystem für Personendaten der Speicher ebenfalls lange Zeit geheim blieb. Ihre eindringlichen Ersuchen an die Vertretung des Komitees für Staatssicherheit der UdSSR(KfS), Schutzmaßnahmen zu unterstützen und mit eigenen speziellen Kräften Archivgut zu sichern, bleiben ohne Ergebnis. – Wen wundert´s?

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Später, in der Phase der ersten Schritte zur Verwirklichung des „Gesetzes über Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR“ wandten sich verantwortungsbewusste Mitarbeiter des MfS/AfNS an die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer und den Regierenden Bürgermeister von Berlin und warnten vor den politischen Folgen des Missbrauchs von MfS/AfNS-Unterlagen. Ausführlich wurde auch das Bundesamt für Verfassungsschutz auf mögliche Folgen aufmerksam gemacht.

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Die Beratergruppe maß dem Schutz der Inoffiziellen Mitarbeiter von Anfang an größte Bedeutung bei. Besonders im Interesse der Verhinderung strafrechtlicher Verfolgung der Kundschafter des MfS/AfNS in den alten Bundesländern und in Berlin/West wurden Gespräche mit maßgeblichen Politikern und Verantwortlichen des Verfassungsschutzes geführt. Trotz der zwischenzeitlich erreichten Übereinstimmung wurden die Gespräche von der Westseite beendet. Von nun an sollte nur noch das Strafrecht sprechen. Wenn auch viele Entscheidungen und Maßnahmen der Beratergruppe keine oder nur wenig Wirkung zeigten, sollen sie dennoch hier erwähnt werden, weil sie deutlich machen, dass sie ehemaligen Angehörigen des MfS/AfNS auch heute noch allen Mitarbeitern und Inoffiziellen Mitarbeitern in die Augen sehen können. Sie haben Würde und Anstand gewahrt. Täglich wurden in den ersten Wochen und Monaten 1990 Hunderte Mitarbeiter aus dem Dienst entlassen, was sich oft in einer unwürdigen Prozedur vollzog. Die Losung „Stasi in die Produktion“ erwies sich als pure Heuchelei. Auch die relativ wenigen Personen, die bei der Deutschen Reichsbahn sowie im Post- und Fernmeldewesen, bei den Grenztruppen und in der Zollverwaltung Arbeit fanden, wurden oft schon nach wenigen Monaten auf Druck  von konterrevolutionären Gruppen(„Bürgerrechtsgruppen“) wieder entlassen. Die Anstrengungen der Beratergruppe, in diesem komplizierten Prozess der Auflösung die soziale  Absicherung der Mitarbeiter zu gewährleisten, gelang auf vielen Gebieten nicht. Damals wie heute gab es starke Kräfte, die sich regelrecht gegen das MfS/AfNS, seine offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter verschworen hatten bzw. haben.

In der Phase des Untergangs der DDR sahen die Angehörigen und Inoffiziellen Mitarbeiter des MfS/AfNS einer breiten Front direkter Feindschaft und opportunistischer Feigheit gegenüber. Die Versuche des MfS/AfNS auch juristisch als „Verbrecherorganisation“ zu definieren, führten jedoch zu keinem Erfolg.

BRD-Politiker und deren Berater richteten den Hauptstoß bei der Liquidierung der DDR gegen das MfS/AfNS. Der DDR-Ministerpräsident und Mitglieder des Ministerrates selbst verhielten sich mehr als nur voreingenommen gegenüber dem bisherigen Geheimdienst. Das staatliche Auflösungskomitee und das „Bürgerkomitee“ machten aus ihrer Leidenschaft gegen das MfS/AfNS keinen Hehl. Die Medien heizten die Atmosphäre an, Vertreter von staatlichen und Justizbehörden handelten in vorauseilendem Gehorsam und zum Teil in der Erwartung, sich durch die Aktivitäten gegen das MfS/AfNS nach Annexion der DDR durch die BRD, Ansehen zu erwerben. Von Strafverfolgungsbehörden der Noch-DDR wurden zahlreiche Ermittlungsverfahren, zum Teil mit Haft, gegen leitende Mitarbeiter des MfS/AfNS eingeleitet. Meist mussten diese Verfahren jedoch eingestellt werden, weil sich der Tatverdacht nicht bestätigte. Vernünftige und besonnene Stimmen erhielten kaum Gehör.

Angesichts diesen enormen Drucks erklären sich auch einige folgenschwere Fehler der Auflösung: Z.B. dass es nicht gelungen ist die Akten zu vernichten und die IM zu schützen.

Es gab auch Fälle von Verrat. Werner Großmann(HVA)beschreibt dies in seinem Buch „Bonn im Blick“.

 

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Original-Text entnommen aus dem Buch

„Die Sicherheit“

Bearbeitet von Petra Reichel

 

 

 

Original-Text:

Das Ende des MfS

 

 

Bildung und Auflösung des AfNS

Mit dem Ministerrat der DDR trat am 7. November 1989 auch Minister Erich Mielke zurück. Er sollte jedoch, wie der Ministerrat insgesamt, seine verfassungsmäßigen Aufgaben bis zur Wahl eines Nachfolgers ausüben.

Die konterevolutionären Ereignisse verkraftete Erich Mielke nicht und griff seinen Gesundheitszustand derart an, dass er nicht mehr in der Lage war sein Amt weiterhin auszuüben. So war sein Abschiedsauftritt in der Volkskammer am 13. November 1989, mit dem er immer wieder vorgeführt wird, eine Folge davon.

 

 

Als designierter Nachfolger wurde bis dahin in den Reihen des MfS der Stellverstreter des Ministers Rudolf Mittig angesehen. Die Volkskammer wählte jedoch am 18. November Wolfgang Schwanitz als Leiter des Amtes für Nationale Sicherheit(AfNS), dessen Bildung Hans Modrow zuvor in seiner Regierungserklärung bekanntgegeben hatte. Er verband damit die Forderung, dass sich in Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit um ein neues Sicherheitsorgan der DDR handelte und nicht um das alte MfS mit einer anderen Flagge. Sehr sinniges Geschwafele. Das heißt nichts anderes, dass nicht mehr eine Sicherheitsbehörde, bzw. Geheimdienst eines Arbeiter- und Bauernstaates gefragt war, sondern ein Geheimdienst eines bürgerlichen Staates an dessen Stelle treten sollte. Das war ja ohnehin eine Übergangslösung bis zur Annexion der DDR durch die BRD am 3. Oktober 1990.

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Das AfNS wurde rechtlich der Volkskammer und zwischen ihren Tagungen dem Ministerpräsidenten unterstellt.

Diese politischen Vorgaben bildeten auch den Inhalt eines prinzipiellen Gespräches am 15. November 1989, das der Volkskammersitzung vorausging. An dieser Runde nahmen teil: Wolfgang Herger, Leiter der Abteilung Sicherheit im ZK der SED, Markus Wolf, der den Ministerpräsidenten in Sicherheitsfragen beriet, und Wolfgang Schwanitz. Dieser schlug vor, einen Politiker als Leiter des AfNS einzusetzen. Diese Idee fand allerdings keine Unterstützung. Markus Wolf unterbreitete seine Ansichten zur dringend notwendigen Korrektur der Sicherheitspolitik der DDR.  Er wandte sich gegen die unzulässige Breite der operativen Arbeit, die damit verbundene Überdimensionierung des Apparates und gegen, wie es nun genannt wurde. Tatsachen, wie die der politisch-ideologischen Diversion und der politischen Untergrundtätigkeit, da sie als Grundlagen für die Verfolgung Andersdenkender gedient hätten.  Markus Wolf hat eine zweifelhafte Rolle gespielt. Die DDR wurde von Anfang bis Ende mit politisch-ideologischer Diversion und politischer Untergrundtätigkeit überschüttet. Diese führte bekanntlich 1989 zum Erfolg. Diese hohle Phrase „Verfolgung Andersdenkender“ ist hier wieder zur Anwendung gebracht worden, um das Ende der DDR als Arbeiter- und Bauernstaat zu besiegeln. Der „eiserne Felix“ hätte im seinem Grab rotiert, wenn er das mitbekommen hätte.

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Bei der Profilierung des Amtes dürfe es sich nicht etwa nur um eine Namensänderung des MfS handeln, sondern um inhaltliche Neubestimmung der Verantwortung und Aufgaben entsprechend der Politik der Erneuerung, eine radikalste Reduzierung des Mitarbeiterbestandes und die Ablösung von Führungskader(Führungskräfte), die nicht bereit oder ein der Lage seien diesen neuen Weg mitzugehen. Diese verklausulierte Sprache heißt auf deutsch, dass mit dem kommunistischen Geheimdienst Schluss ist, die ehrlichen Mitarbeiter entlassen werden, die Verräter und Anpasser, für das nun neue Amt als bürgerlicher Geheimdienst, behalten werden.

Diese Vorschläge deckten sich im wesentlichen mit den Vorstellungen, die von den Führungskadern(Führungskräfte) des MfS bereits im Oktober und in der ersten Novemberhälfte 1989 entwickelt worden waren. Das heißt, dass sich in die Führungspositionen Verräter und Anpasser eingeschlichen haben. Nur so ist erklärlich, dass die ehrlichen Mitarbeiter des MfS in den unteren Rängen, oft diejenigen die an der Front agierten, sich umsonst abstrampelten, da ihre Erkenntnisse „oben“ nicht angenommen wurden, bzw. keinerlei konsequente Maßnahmen zur Folge hatten. Bestes Beispiel ist die erste konterrevolutionäre Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“, wo die Jugend irregeleitet wurde.

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Auf einer am Abend des gleichen Tages anberaumten Kollegiumssitzung stimmten alle Mitglieder den ersten grundsätzlichen Vorgaben für ein AfNS, die bis dahin erarbeitet worden waren, zu und bekundeten ihre Bereitschaft, die vorgesehene neue Leitung des AfNS zu unterstützen. Am 21. November 1989 führte Ministerpräsident Modrow im Beisein der Leiter von Diensteinheiten und Parteisekretären Wolfgang Schwanitz in sein Amt ein. Welche Funktion hatten da noch die Parteisekretäre? Doch wohl nur noch eine repräsentative Funktion. Verrat ist Wolfgang Schwanitz nicht vorzuzuwerfen. Er hatte nur noch Repräsentationsaufgaben und Formalien als Chef zu erfüllen. Er ist einer der Autoren des Original-Textes. In seiner Rede schwafelte Hans Modrow was von der  großen Bedeutung des AFNS im Rahmen der Tätigkeit seiner Regierung. Allgemein forderte er neue Inhalten in der Arbeit des AfNS. Dann wieder die hohle konterrevolutionäre Phrase, dass Umdenken notwendig sei. Im Einzelnen stellte er folgende Aufgaben:

Die Arbeitsfähigkeit des Apparates müsse wieder hergestellt werden. Das AfNS solle daran mitwirken, dass die DDR bei offenen Grenzen nicht „für jeden ein offener Schrank“ sei. Eindringlich warnte er vor den Folgen möglicher Spekulationsgeschäfte im Ost-West-Verkehr. Deshalb sei ein gutes Zusammenwirken mit dem MdI(Ministerium des Inneren), dem Zoll und den Grenztruppen notwendig, wozu diesen Behörden auch Kräfte aus dem bisherigen Kaderbestand(Personalbestand) des MfS überstellt werden sollten. Sie sollten wohl eine Art Kündigungsfristaufgaben erfüllen. Denn die Spekulationsgeschäfte waren doch mit dem Einfall des Kapitalismus nicht mehr aufzuhalten.

 

 

Modrow verlangte auch, dass mit den 1. Sekretären der Bezirks- und Kreisleitungen der SED weiterzuarbeiten wäre. So z.B. Prognosen zu erarbeiten wie es z.B. hinsichtlich der zahlenmäßigen Entwicklung von Übersiedlungen in die BRD. Also reine Statistik, die ohnehin bald obsolet war. Deren Zeit war doch ohnehin abgelaufen, somit war diese Forderung eine weitere hohle Phrase von Hans Modrow.

Hans Modrow erteilte auch den Auftrag aufzuklären, was die neugeründete SDP für eine Partei sei.

Formal dankte Hans Modrow für die geleistete Arbeit und hohe Einsatzbereitschaft des MfS.

Mit der Bildung des AfNS stand, im Kontext der Erneuerung der DDR, was nur letztendlich die Übergangsphase bis zur Übergabe an die BRD bedeutet, eine neue Sicherheitsbehörde aufzubauen. Rasch sollte die Arbeitsfähigkeit des AfNS hergestellt werden. Es wurde behauptet, dass somit die Krise der DDR überwunden werden sollte. Nun ja, mit dem absehbaren  Ende der Existenz der DDR und der Vorbereitung zur Übergabe an die BRD ist ja in der Tat die Krise der DDR überwunden worden.

Der Plan innerhalb kürzester Zeit einen bürgerlichen Geheimdienst zu installieren ist nicht gelungen. Viele IM waren aufgrund der Lageentwicklung in der DDR ohnehin nicht mehr zu einer weiteren Zusammenarbeit mit dem nunmehrigen AfNS bereit.

Kurzfristig sollten Überlegungen angestellt werden, welche Objekte, Einrichtungen und Lagerbestände ziviler Nutzung zugeführt werden könnten. Andererseits wurde vor einem Ausverkauf gewarnt, der doch letztendlich nicht aufzuhalten war. Als Beispiel wurde angeführt, dass man MfS-eigene Ferienplätze nicht aufgeben könnte, weil viele Mitarbeiter  acht Jahre auf einen Ferienplatz warten müssten. Nun ja, heute gibt es keinerlei preiswerte Ferienplätze mehr.

Einige gesetzliche Formulierungen waren noch aus der Zeit des Arbeiter- und Bauernstaates übrig geblieben. So erschien die Umwandlung in einen bürgerlichen Geheimdienst nicht den noch seinerzeitigen Erfordernissen. Die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben wurden erst später von Volkskammer entsprechend geändert.  Es ist überflüssig an dieser Stelle auf weitere Details einzugehen. Diese können dem Original-Text entnommen werden.

Mit der Umstellung zum AfNS war sofort nach dem Beschluss der Volkskammer  vom 17. November 1989 begonnen worden. Kommissionen unter Federführung des Leiters des Amtes hatten die Dienstzweige des AfNS zu konzipieren und, nach Bestätigung, aufzubauen. Als Leiter dieser Kommissionen wurden Offiziere eingesetzt, die konsequent für die notwendigen tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeit der Staatssicherheit eingetreten waren und über die notwendigen Kenntnisse und Erfahren verfügten. Kurz gesagt: „Wendehälse“.

Am 28. November stimmte das Kollegium der erarbeiten Konzeption zu. Am 29. Und 30. November 1989 wurde sie von Egon Krenz in seiner Funktion als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates und von Ministerpräsident Modrow bestätigt. Am 3. Dezember 1989 wurde sie in einer Dienstbesprechung den Leitern von Einheiten im AfNS vorgetragen.

 

Deren Eckpunkte waren:

  • Das AfNS wird sich künftig auf die Auslandsaufklärung, die Spionageabwehr, die Aufklärung verfassungsfeindlicher Aktivitäten, die Terrorabwehr sowie auf die Observation und Ermittlungstätigkeit, ausschließlich im Rahmen der vorgenannten Aufgaben, konzentrieren.

 

  • Der hauptamtliche Personalbestand des Amtes wird um 40.000 Mitarbeiter, das war mehr als die Hälfte des Personalbestandes reduziert. Das sollte geordnet und sozial verträglich erfolgen. Diese hohe Phrase kennen wir ja bei Entlassungen von Arbeitern und Angestellten kapitalistischer Konzerne. Bei Geheimdiensten kennt man das eigentlich nicht. Ausgemusterte Mitarbeiter  bekommen einen Platz in einer Behörde, werden aber nicht entlassen. Wäre ja auch taktisch unklug, denn dann wären sie ja nicht mehr loyal ihrem Staat gegenüber. In der Endphase der DDR kam es ja darauf nicht mehr an. So ist der Nachsatz im Original-Text „…, wie es in zivilisierten Staaten üblich war.“ ist Hohn für die nun Entlassenen.

 

  • Ein Viertel der zentralen Diensteinheiten, zwei Fünftel der Diensteinheiten in den Bezirksämtern und alle 218 Kreisämter sollten nun aufgelöst werden. Am 12. Dezember 1989 meldeten die Bezirksämter Dresden, Karl-Marx-Stadt, Magdeburg und Schwerin Vollzug der letztgenannten Aufgabe.

 

  • Die Passkontrolle sollte vollständig an die Grenztruppen der DDR übergeben werden(dieser Prozess war bereits im Gange), der Personenschutz und der Missionsschutz an das Ministerium des Innern, die Militärabwehr an das Ministerium für Nationale Verteidigung, der Geheimnisschutz an den Ministerrat der DDR.

 

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Bereits am 29. November wurde eine ganze Reihe dienstlicher Bestimmungen, die der neuen Konzeption nicht mehr entsprachen, außer Kraft gesetzt. Dazu gehörten u.a. die Anweisungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der „politisch-ideologischen Diversion“, der „politischen Untergrundtätigkeit“, der „Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit“, der „Wer ist Wer?!-Aufklärung“ usw.. Sehr sinnig. Wie bereits erwähnt, sind mit dem Ende der DDR als Arbeiter und Bauernstaat diese Punkte obsolet geworden.

Unmittelbar nach dem 21. November 1989 war auch mit der Entlassung aller Offiziere im besonderen Einsatz (OibE) aus dem Dienst des AfNS begonnen worden. (heute würde man sagen Offiziere im Undercover-Einsatz). Das ist eine besondere Erniedrigung für diejenigen gewesen, die ihrer Tätigkeit ehrlich und mit hohem Engagement nachgingen. Wer dies nur zu seinem Vorteil ausnutzte, dazu kann man Alexander Schalk-Golodkowski zählen, der hat sich ja entsprechend gewendet und nun im kapitalistischen System Vorteile für sich gezogen hatte. Mit den Betroffenen wurden Entlass-Gespräche geführt. Das Entlass-Gespräch mit Alexander Schalk-Golodkowski führte der Leiter der Hauptabteilung Kader(Personalabteilung) und Schulung  Generalleutnant Möller persönlich. So wie in allen Geheim- und Sicherheitsdiensten üblich, galt auch in der untergehenden DDR die Schweigepflicht für die ehemaligen OibE auch für die Zeit nach ihrer Entpflichtung.  Dies vollzog sich weitgehend außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung. Logisch, auch in der untergehenden DDR gehörte dieses Thema nicht in die Medien.

An den Ministerpräsidenten wiederholt herangetragene Vorschläge, bei seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten das Amt für Nationale Sicherheit und seine Mitarbeiter in dieser schwierigen Lage zu unterstützen, fanden keine Resonanz. Wen wundert´s? In dieser Zeit bestand noch der Nationale Verteidigungsrat der DDR unter der Leitung von Egon Krenz. Er wurde bis zu seiner Auflösung am 7. Dezember 1989, soweit die Autoren des Original-Textes Kenntnis davon hatten, kein einziges Mal zusammengerufen.

Unterdessen schritt der Auflösungsprozess der DDR rasch voran. Die staatlichen Behörden und Institutionen verloren an Autorität. Obwohl im AfNS kurzzeitig eine Beruhigung eingetreten war, ging die Effizienz seiner Arbeit zurück.

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Am 3. Dezember 1989 entmachtete sich das ZK der SED auf seinem 12. Plenum selbst. Es trat zurück. An seine Stelle trat ein eher willkürlich zusammengesetzter Arbeitsausschuss. Am gleichen Tage erfolgten neue Enthüllungen über angeblichen Amtsmissbrauch und Korruption. Schalk Golodkowski flüchtete aus der DDR.  Die Öffentlichkeit war aufs höchste erregt. In dieser Situation flogen die Repräsentanten der staatlichen Macht der DDR, der Ministerpräsidet und der Vorsitzende des Staatsrates, am 4. Dezember zu einer Tagung des Politisch Beratenden Ausschusses der Warschauer Vertragsstaaten nach Moskau. Der Warschauer  Vertrag bestand ja auch nicht mehr lange.

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Am gleichen Tage suchten Vertreter konterrevolutionärer Gruppen den Leiter des AfNS auf. Sie behaupteten, dass das AfNS im großen Stil Schriftgut vernichten würde. Die Gäste drohten indirekt nach Mafia-Art, dass die Aktenvernichtung Gewalt provozieren könnte und die Gewaltfreiheit nicht mehr zu garantieren sei. Dieser Drohung wurde sich gebeugt. In Folge dessen richtete Wolfgang Schwanitz an alle Diensteinheiten mit höchster Dringlichkeitsstufe ein Fernschreiben mit der Weisung, die Aktenvernichtung sofort einzustellen. Mit dieser Reaktion hoffte man auf den Dialog mit den Konterrevolutionären. Auf deren Wunsch wurden über den Nachrichtenweg des AfNS die „Bürgerkomitees“ informiert. Trotzdem besetzten am gleichen Tage Konterrevolutionäre Dienststellen des AfNS. Damit endete die von allen Seiten eingehaltene Gewaltfreiheit. Um Blutvergießen zu vermeiden trafen die zuständigen Leiter die Entscheidung der Besetzung der Dienststellen zuzustimmen. Bei der Besetzung standen die Angehörigen des AfNS unter ungeheurem Druck. Es gab unmittelbaren Bedrohungen von Mitarbeitern und ihrer Familienangehörigen.

 

Ein Beispiel:

Ein Mitarbeiter des Bezirksamtes Dresden war mit seinem Trabant unterwegs, um sein Kind abzuholen. Personen, die ihn als Angehörigen der Staatssicherheit erkannt hatten, zwangen ihn zum Anhalten. Er musste sich ein Abschleppseil aus dem Kofferraum um seinen Hals legen. Ihn retteten andere Bürger, die Zivilcourage hatten und beherzt einschritten. Auch hier haben die Konterrevolutionäre gut von der Mafia abgeguckt.

 

Modrow, der in Moskau weilte, wurde über diese Zustände infolge des Schwindens der Staatsmacht informiert. Als Antwort kam nur, dass man auf seine Rückkehr warten sollte.

Es ging dann innerhalb des AfNS drunter und drüber. Dabei spielten unerfahrene junge AfNS-Angehörige eine wichtige Rolle. Sie glaubten wirklich  an Erneuerung und demonstrierten dafür. Arbeitsgruppen sollten das richten, doch sie konnten nichts mehr ausrichten. Details können im Original-Text nachgelesen werden. Nun Ja, die Konterrevolution schritt immer weiter voran.

In Suhl hatten sich zwei Mitarbeiter beim Eindringen der Konterrevolutionäre erschossen. So schlimm die Ereignisse waren, richtete dennoch keiner die Waffe gegen die Eindringlinge. Es war ohnehin nichts mehr zu retten und es wäre unnötiges Blutvergießen gewesen.  Auch die Leiter der Bezirksämter Dresden, Suhl und Neubrandenburg begingen Selbstmord. Diese und andere Selbsttötungen widerspiegeln die Dramatik jener Zeit und beweisen dass die Konterrevolution doch nicht friedlich war, obwohl sie in der offiziellen Geschichtsschreibung als „friedliche Revolution“ verkauft wird.

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Am 7. Dezember 1989 konstituierte sich der „Zentrale Runde Tisch“ in Berlin.

Als erstes forderte er die Regierung in scharfer Form auf, das AfNS unter zivile Kontrolle zu stellen. Von diesem Tag an übernahm die Volkspolizei auf   Veranlassung der Regierung die Sicherung der Dienstobjekte des AfNS.

Am folgenden Tag erging die Weisung, die Sicherung der Waffen zu überprüfen, um einen befehlswidrigen Umgang und eine rechtswidrige Anwendung auszuschließen.

Die Regierungsbeauftragten wurden aufgefordert, sich umgehend für die Bildung von „bevollmächtigten“ Gruppen einzusetzen, die das Schriftgut in den Bezirksämtern sichten sollten. Das bedeutete die Legalisierung der konterrevolutionären Gruppen, die sich bereits vor Ort etabliert hatten. Ihnen gehörten meist Vertreter von konterrevolutionären Gruppen(„Bürgerrechtsgruppen“)an.

Im Wesentlichen unangetastet blieb von Anfang an das Schriftgut der Auslandsaufklärung des MfS/AfNS. Deren Tätigkeit wurde von den Konterrevolutionären als legitim akzeptiert. Die Sicherheit der Kundschafter sollte nicht gefährdet werden. Das änderte sich aber später.

Nun folgten massenweise Horrormeldungen, wie wir sich auch heute kennen. Trotz intensiver Arbeit der Strafverfolgungsbehörden des Nachfolgestaates BRD und der BStU(anfangs „Gauck-Behörde“ genannt), fehlen dafür die Beweise.

Im AfNS, insbesondere in den nicht operativen Diensteinheiten, schritt der innere Auflösungsprozess weiter voran. Zur Ehre der meisten Mitarbeiter sei jedoch festgestellt, dass sie auch in dieser kritischen Situation noch beachtliche operative Ergebnisse erzielten. Unter anderem wurden Spione ausländischer Dienste entlarvt. Das ist zu jener Zeit umsonst gewesen, da ja zur Durchsetzung des noch geltenden Rechts keinerlei Interesse bestand. Folglich wurden diese Spione nicht mehr strafrechtlich verfolgt.

 

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Original-Text entnommen aus dem Buch

„Die Sicherheit“

Bearbeitet von Petra Reichel

 

 

Original-Text

Das Ende des MfS

 

Der Hauptstoß richtete sich gegen das MfS, seine Angehörigen und Inoffiziellen Mitarbeiter(Oktober bis 17. November 1989)

Die DDR befand sich zu Beginn des IV. Quartals 1989 in einer Existenzkrise, die alle Bereiche erfasst hatte. Hilfe von der UdSSR war nicht mehr zu erwarten.

In dieser Situation wirkten etliche Ereignisse und deren öffentliche Behandlung verheerend. Da waren die Maßnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum 40. Jahrestag der DDR, vor allem das Vorgehen von Polizei und Staatssicherheit gegen, Aktionen von Störern, welche die Autoren beschönigend als Protestdemonstrationen bezeichnen, am 07. Und 0 8. Oktober. Die Tätigkeit des dann eingesetzten Untersuchungsausschusses richtete sich vor allem gegen das MfS und dessen Mitarbeiter. Die zu diesem Zweck produzierten Horrormeldungen fanden – trotz jahrelanger umfangreicher und intensiver Ermittlungstätigkeit durch Staatsanwaltschaft und Polizei, nach der Konterrevolution, in keinem einzigen Fall ihre Bestätigung in Form von gerichtlichen Verurteilungen von Mitarbeitern des MfS/AfNS.

Da war die Lesung Walter Jankas  aus seinem Buch „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“ im Deutschen Theater zu Berlin. Die damit verbunden tendenziösen öffentlichen Angriffe gegen das MfS bedeuteten einen Dammbruch, um ungezügelt das MfS/AfNS und seine offiziellen Mitarbeiter zu verteufeln. Nun ja, da war die Konterevolution bereits soweit vorangeschritten, dass ein Walter Janka legal öffentlich auftreten konnte, um seinen Schrott zu verbreiten und das MfS musste hilflos zusehen. Dass diese Situation genutzt wurde um das MfS, das schon so stets verteufelt wurde und noch im Nachhinein wird, nochmals in der Endphase der DDR legal zu verteufeln.

Die Autoren stufen den Abschiedsauftritt von Erich Mielke in der Volkskammer als peinlich ein. Genauso, wie es die heutige offizielle Geschichtsschreibung tut. Natürlich war in diesem Augenblick Erich Mielke verzweifelt und hilflos. Schließlich ist sein Lebenswerk zerstört worden. Mit dieser Abschiedsrede wird Erich Mielke bis zum heutigen Tage immer wieder vorgeführt.

 

Die sich steigernde Kampagne über Amtsmissbrauch, Korruption und Privilegien gehörte natürlich auch zu den Angriffen gegen das MfS.

Auch die konterrevolutionären Massendemonstrationen in Leipzig und anderen Orten der DDR richteten sich gegen das MfS. Eine der Losungen auch bei der Kundgebung am 04. November 1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin lautete „Stasi in die Produktion!“. Sehr sinnig, wo bald die Produktionsstätten auf dem Gebiet der DDR abgebaut worden sind. Auf dieser Kundgebung sprach auch Markus  Wolf. Welsch ein Widersinn.

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Charakteristisch für die Lenkung der politischen Zielsetzung der konterrevolutionären Massendemonstrationen war der Wandel der Hauptlosung  von „Wir sind das Volk!“ in „Wir sind Ein Volk!“.

Obwohl diese Demonstrationen eine beträchtliche politische und psychologische Wirkung besaßen, reichten sie nicht, um allein den Zusammenbruch des Staates herbeizuführen. Sie beherrschten jedoch die Medien und beschleunigten das Tempo des Zerfalls der SED, der DDR und damit des MfS.

Die „Erklärung“ des Politbüros der SED vom 11. Oktober 1989, mit der alle Bürger der DDR aufgefordert wurden, die anstehenden Probleme mit vereinten Kräften zu lösen, der Rücktritt von Erich Honecker am 18. Oktober 1989, die Wahl von Egon Krenz zum Generalsekretär des ZK der SED und andere politische Entscheidungen konnten diese Entwicklung nicht mehr aufhalten. Abgesehen, dass es für diese Maßnahmen ohnehin zu spät war, hatte die Mehrheit der Bevölkerung kein Interesse daran sich an der Lösung der Probleme zu beteiligen. In den Staatsbürgerkundebüchern wurde auch stets gewarnt und zur Beteiligung der Bevölkerung bei der Problemlösung aufgerufen.  – Vergeblich.

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Die politische Führung unter Egon Krenz erwies sich in der äußerst zugespitzten Lage außerstande, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Egon Krenz hatte in dieser prekären Situation kein überzeugendes politisches Konzept zu bieten.

Die kopflose Öffnung der Grenzen zu Westberlin und zur BRD am 09. November 1989 läutete das Ende der DDR ein. Als Arbeiter- und Bauernstaat hörte sie bereits an diesem Tage auf zu bestehen. Die restliche Zeit der DDR war geprägt vom Übergang und der Vorbereitung auf die Übergabe an die BRD. Doch wie konnte ein Schabowski Karriere machen? Bereits da lag doch schon einiges im Argen.

Die Erklärung des Politbüromitglieds Günter Schabowskis auf der internationalen Pressekonferenz am 09. November 1989 und der dadurch an den Grenzübergangsstellen entstandene Druck, kam für die Verantwortlichen der Grenztruppen, des MdI(Ministerium des Inneren), des Zolls und des MfS völlig überraschend. Dass die Grenzübergänge schließlich unter dem Druck der Massen und ohne Blutvergießen geöffnet wurden, ist ein Verdienst aller beteiligten bewaffneten Organe des Zolls. Auch im MfS zeigte sich, dass die Führung nicht auf eine solche Situation in der DDR nicht vorbereitet war. Was war das nur für ein Geheimdienst, dass  es soweit kommen konnte? Hier, wie in anderen Passagen wirken die Autoren auch ratlos, auch wenn sie die Ratlosigkeit der Führung des MfS, der Regierung der DDR und der Parteiführung der SED anprangern.

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Original-Text entnommen aus dem Buch

„Die Sicherheit“

Bearbeitet von Petra Reichel

 

 

Original-Text

Das Ende des MfS

 

 

Die Auswirkungen der Sprachlosigkeit der Führung der DDR auf die Mitarbeiter des MfS

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Die Mitarbeiter des MfS waren überwiegend Söhne und Töchter von Arbeitern. Zumindest war das in der Anfangszeit so. Der Begriff „Arbeiter“ wurde in der DDR  sehr weit gefasst.(Statistik eben) Zu einem geringeren Teil kamen sie aus Familien von Angestellten, Bauern, Gewerbetreibenden, Handwerkern und Intellektuellen. Darum empfanden sie sich nicht als „Elite“.

In zunehmenden Maße – verstärkt in den letzten Jahren der DDR- wurde ihnen bewusst, für eine Politik in Anspruch genommen zu werden, die  immer mehr von den sozialistischen Prinzipien abwich und zu immer schwerwiegenden Widersprüchen in Staat und Gesellschaft führte.

Die SED war nicht mehr in der Lage die Arbeiterklasse zu vertreten. Der Staat, bzw. dessen ihn vertretende Institutionen, entfremdete sich immer mehr von den Bürgerinnen und Bürgern. Dessen wurden sie sich zwar bewusst, gingen aber den bequemen Weg. Das MfS wurde zur Ausfüllung der wachsenden Politikdefizite herangezogen. Das war vor allem seit Mitte der 1970 Jahre der Fall. Man kann sagen, seit die sozialdemokratische „Entspannungspolitik“ gegriffen hatte.  Das Übel begann bereits 1970 mit dem Brandt-Besuch in Erfurt.

Siehe:

MfS-Dokument zum Brandt-Besuch von 1970

Zum Brandt-Besuch in der DDR 1970

Willy Brandt

 

Die Angehörigen des MfS bekamen Aufgaben übertragen, die weit außerhalb der Zuständigkeiten einer Sicherheits- und Rechtspflegebehörde lagen und deren Bewältigung anderen staatlichen oder gesellschaftlichen Institutionen zustand. Das betraf vor allem die Stabilisierung volkswirtschaftlicher Prozesse, die ausschließlich in die Kompetenz von wirtschaftsleitenden Organen(heute würde man sagen Management)gehörten.

Als die Zahl der Ausreiseanträge sprunghaft anwuchs, was ja wohl primär auf die innenpolitischen Verhältnisse zurückging, sollte das Problem vom MfS gelöst werden. Die Mitarbeiter des MfS fühlten sich dabei alleingelassen. Andererseits waren Migrantinnen und Migranten aus westlichen Ländern, insbesondere der BRD und Westberlin nicht willkommen. Auch Rückkehrerinnen und Rückkehrer waren nicht gern gesehen. Das war in Ulbrichts Zeiten anders. In späteren Jahren gab es ein zwar berechtigtes Misstrauen und Sicherheitsbedürfnis, das aber bei fehlerhafter Umsetzung  einen Bumerangeffekt auslöste.

Siehe Website: 

Aufnahmeheim Röntgental

 

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Immer öfter wurden Mitarbeiter des MfS zu gesellschaftlichen Höhepunkten und schließlich sogar bei Fußballspielen und anderen sportlichen Großveranstaltungen eingesetzt. Das sind Polizeiaufgaben für die die Mitarbeiter des MfS nicht ausgebildet waren. Außerdem wurden da Kräfte gebunden, die an anderer Stelle hätten sinnvoller eingesetzt werden können.

Die Kritik gegen die Benutzung für kompetenzfremde Zwecke wurde im MfS zunehmend deutlicher artikuliert, zumal immer einschneidender über die ohnehin karge Freizeit der MfS-Angehörigen verfügt wurde.

Aufgrund ihrer Tätigkeit verfügten viele Angehörige des MfS über gründliche Einblicke in die tatsächliche Lage der DDR. Sie kannten die wachsenden Probleme der Wirtschaft, auf den Gebieten des Handels und der Versorgung, des Verkehrs, des Gesundheitswesens, des Fernmeldewesens, der Medien- und Informationspolitik usw. – und ebenso deren Auswirkungen auf die Stimmungslage der Bevölkerung.

In wachsender Sorge darüber und im Wissen um die eigene Verantwortung wurden auf allen Leistungsebenen Informationen erarbeitet, mit denen die Partei- und Staatsführung bzw. die jeweils zuständigen Behörden/Institutionen auf derartige Probleme und die damit verbundenen Folgen aufmerksam gemacht und Veränderungen angemahnt wurden.  Darauf erfolgte keinerlei Reaktion und folglich keinerlei Maßnahmen. Das führte bei den MfS-Angehörigen zusehends zu Enttäuschungen.

In dieser Situation setzten viele ihre Hoffnung in die Politik der UdSSR, wie sie seit 1985 durch Gorbatschow mit Glasnost und Perestroika betrieben wurde. Doch bald wuchsen angesichts der Entwicklung in der UdSSR Zweifel. Zu spät wurden die verräterischen Absichten Gorbatschows durchschaut. Die Frage stellt sich hier, warum ein Geheimdienst nicht in der Lage war, die Politik rechtzeitig zu analysieren und die einzelnen Mitarbeiter zunächst falschen Hoffnungen aufgesessen waren. Dieser komplizierte und widersprüchliche Prozess fand seinen Höhepunkt zum 40. Jahrestag der DDR. Nach monatelanger Sprachlosigkeit der politischen Führung der DDR, die offenkundig Ausdruck ihrer Hilflosigkeit war, erhofften sich die Mitarbeiter des MfS ein befreiendes Wort. Doch statt kritischer und vor allem selbstkritischer Analyse, bot diese nur Schönfärberei. Statt überzeugender Ansätze für die dringend erforderliche Kurskorrektur wurde weiterhin auf dem „bewährten Weg“ verblieben, der doch in die Krise geführt hatte. Man betrieb weiterhin Schönfärberei. Möglicherweise war das ein verzweifelter Versuch fehlende Stärke vorzutäuschen. Letztendlich waren die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR im Nachhinein betrachtet eine Art Abschiedsfeier.

 

 

Zu diesem Zeitpunkt schlug die Kritik an der Richtigkeit der Politik und Gesellschaftskonzeption der SED, woraus sich bereits ein Vertrauensverlust entwickelt hatte, in offene Enttäuschung, ja Verbitterung um. Die Bevölkerung war unzufrieden, machte sich aber mehrheitlich  selbst keine Gedanken darum, wie man es besser machen könnte und wie eine bessere Regierung hätte aussehen können.

Die Hilf- und Sprachlosigkeit der politischen Führung der DDR wirkte sich auch auf die Leitung des MfS aus. Beschlüsse und Weisungen eben dieser Führung, die jahrzehntelang die Handlungsgrundlage des MfS gewesen waren, blieben jetzt aus. Ihr Fehlen, ein deutliches Indiz für den Verlust der führenden Rolle der SED und den Zustand ihrer Politik- und Regierungsunfähigkeit-, führte auch zu wachsender Führungslosigkeit  im MfS/AfNS. Der zunehmende Vertrauensverlust von Mitarbeitern gegenüber der Leitung des MfS war nicht zu übersehen. Die Autoren scheinen auch im Nachhinein ratlos zu sein. Wer war denn die Führung des MfS? Der Chef war Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit. Er war doch konsequent und hatte auch mal geschimpft. Er war ein alter Kommunist und Kämpfer. In den Vorträgen erkennt man, dass er die Bodenhaftung nicht verloren hatte. In seinen Vorträgen gegenüber der Bevölkerung betont er stets die Zusammenarbeit aller, von „unten“ und „oben“, Arbeiter mit Akademikern, Bevölkerung mit dem MfS usw. . Doch dies wurde ja von der Bevölkerung nicht angenommen. In seinem Vortrag vor Leitern der operativen Diensteinheiten zum Thema Ausreise vom 28. April 1989, ist zu erkennen, dass er die ersten Anzeichen der Konterrevolution übersehen hat. Wie kann das sein? Ein Geheimdienstchef, in der DDR war er zugleich Minister, muss sich auf seine Leute verlassen können. Er bekommt nur die Infos, die ihm seine Leute zutragen. Vermutlich waren seine Leute nicht (mehr) so konsequent und gradlinig. Ob aus Enttäuschung oder anderen Gründen, sei mal dahingestellt.

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Was war mit dem großen Strategen Markus Wolf? Darüber schweigen sich die Autoren auch aus. Markus Wolf hieß die Politik Gorbatschows gut. Das tat er in seinem Buch „Die Troika“ kund, das er im Frühjahr 1989 veröffentlichte. Später nahm Markus Wolf an Veranstaltungen konterrevolutionärer Gruppen teil und bezeichnete sich selbst als „Berater“ der neuen SED-Politiker, das heißt derer, die sich an Gorbatschow anlehnten und letztendlich zum Untergang  der DDR beigetragen haben. Am 04. November 1989, kurz vor Grenzöffnung und dem Ende der DDR als Arbeiter- und Bauernstaat, trat Markus Wolf auf der großen Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz als Redner auf.

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Die Autoren hatten hohe Funktionen im MfS inne. Konnten sie nicht auf eine neue Führung des MfS und Personalwechsel in weiteren verantwortlichen Positionen des MfS hinwirken?

 

Buchtitel Die Sicherheit Kopie 3

Original-Text entnommen aus dem Buch „Die Sicherheit“

Das Ende des MfS

Bearbeitet von Petra Reichel

 

Das Ende des MfS

Das MfS war im Ausland erfolgreich und leistete einen wichtigen Beitrag um den III. Weltkrieg zu verhindern. Aber im Inneren war das Wirken des MfS nicht von Erfolg gekrönt.

Das MfS war im Ausland erfolgreich und leistete einen wichtigen Beitrag um den III. Weltkrieg zu verhindern. Aber im Inneren war das Wirken des MfS nicht von Erfolg gekrönt.

Viele Menschen, darunter ehemalige IMs und Angehörige des MfS stellen sich immer wieder diese Frage.

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Die Zerschlagung des MfS(und des AfNS, das übergangsweise nur noch eine Alibifunktion hatte), war eine wesentliche Voraussetzung  für die Beseitigung der Machtverhältnisse in der DDR. Diese war ein Dreh- und Angelpunkt in der Strategie der Feinde der DDR. Leider können ehemalige Angehörige des MfS diese Vorgehensweise nicht konkret beweisen, da ihnen die Quellen verschlossen sind. Die BStU, die vorgibt Transparenz zu schaffen und Akten des MfS offen zu legen, verschleiert da eher, als dass sie aufklärt. Die BStU scheut sich auch nicht davor Akten zu fälschen, um die Geschichte der DDR im Sinne der heute Herrschenden darzustellen.

Insider des MfS, die damals in verantwortlicher Stellung tätig waren, haben ihre Sicht im Buch „Die Sicherheit“ wiedergegeben. Trotz allen Bemühens um Objektivität prägen doch unvermeidlich persönliche Einsichten, die sie in ihrer damaligen Stellung erlangten, ihr Herangehen.  So kann es unter Umständen in Einzelfragen zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen.

Die Mitarbeiter des MfS, insbesondere der unteren Ränge, waren ihrem Staat und dessen führender Partei, der SED, treu ergeben, solide ausgebildet und auch militärisch gut ausgerüstet.

Dennoch konnte dieser Geheimdienst in nur wenigen Monaten zerschlagen werden!

Dies kann man mit folgenden historischen Fakten begründen:

  1. Der beginnende Zusammenbruch der UdSSR und die Tatsache, dass sie die DDR, die nur als Bündnispartner der UdSSR existieren konnte, als eigenständigen Staat aufzugeben bereit war.
  2. Der Auflösungsprozess der sozialistischen Staatengemeinschaft, die gleichfalls eine Existenzbedingung der DDR war.
  3. Der Machtzerfall in der DDR, der infolge ungelöster, sich zuspitzender Widersprüche im Lande und aufgrund der Paralysierung der Führung von SED und Staat immer rascher voranschritt. (Das wurde von der Regierung der BRD unter Kanzler Kohl gnadenlos ausgenutzt, um den Anschluss der DDR an die BRD herbeizuführen, worauf die Herrschenden in der BRD seit 1949, also seit beginn der Existenz der DDR aktiv hingewirkt hatten.)
  4. Angesichts der gravierenden Zersetzungserscheinungen, die sich in der SED zeigten, sah die Gegenseite offenkundig keine zwingende Notwendigkeit mehr, ihren Hauptstoß gegen diese nun kaum noch kampffähige politische Führungskraft zu richten. Sie richtete ihn folgerichtig auf das als politisch stabil und funktionsmäßig intakt scheinende MfS/AfNS. Dessen Lähmung und Auflösung besaßen für sie Priorität, um den Weg für die Beseitigung der DDR freizumachen.

 

Eine der wichtigsten Ursachen für diese historische Niederlage sehen die Autoren darin, dass es nicht gelang, die in den sozialistischen Staaten deutlich gewordene tiefe Krise zu bewältigen. Lenin mahnte, dass ohne restlose Verwirklichung der Demokratie der Sozialismus seinen Sieg nicht behaupten kann. Die Lage war gekennzeichnet von der Anhäufung ungelöster Widersprüche, die eine existenzielle Krise des Systems des realen Sozialismus bewirkte. Sie äußerte sich insbesondere in seinem zunehmenden wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Rückstand gegenüber den entwickelten kapitalistischen Ländern und der daraus resultierenden Mangelwirtschaft.

Die Autoren sehen auch Defizite bei der verfassungsgemäßen Realisierung der sozialistischen Demokratie und der Reduzierung politischer Freiheitsrechte. Dieser Punkt ist zu bestreiten. Denn nur wenige ehrliche Leute sind auf die Straße gegangen, um in diesen Punkten Verbesserungen zu fordern. Der Mehrheit war die Politik gleichgültig. Sie waren von der Mangelwirtschaft frustriert und sie sahen im Gegensatz dazu nur die Überfülle des Warenangebots in den entwickelten kapitalistischen Ländern.

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Die „Perestroika“ und „Glasnost“-Politik Gorbatschows war Rosstäuscherei. Sie führte nicht aus der Krise, sondern zerstörte die sozialistischen Gesellschaftsordnungen in der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Staaten in Europa.

 

Weitere Abschnitte dieses Beitrags:

 

Die Auswirkungen der Sprachlosigkeit der Führung der DDR auf die Mitarbeiter des MfS

 

Der Hauptstoß richtete sich gegen das MfS, seine Angehörigen und Inoffiziellen Mitarbeiter(Oktober bis 17. November 1989)

 

Bildung und Auflösung des AfNS

 

Beschlüsse zur Bildung eines Verfassungsschutzes und eines Nachrichtendienstes der DDR blieben Makulatur

 

Zwölf Jahre später

 


Buchtitel Die Sicherheit Kopie 3

Original-Text entnommen aus dem Buch

„Die Sicherheit“

Autoren des Originaltextes dieses Beitrags:

Gerhard Niebling

Wolfgang Schwanitz

 

Original-Text

Das Ende des MfS

 

Der Text in DIE TROMMLER ist von Petra Reichel bearbeitet worden.

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Das Buch „Die Sicherheit“ und einzelne Kapitel daraus stehen auf dieser Website zum Download zur Verfügung.

 

 

 

 

 

Rudolf(Rudi) Mittig

Rudolf Mittig wurde am 26. Januar 1925 in Reichenberg (Tschechoslowakei), geboren und ist am 28. August 1994 in Berlin gestorben.

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Bildquelle: Bergruh https://hotel-bergruh.de/portrait_dummy_m/

 

 

Von 1975 bis 1989 war er stellvertretender Minister für Staatssicherheit  der DDR und von 1986 bis 1989 Mitglied des ZK der SED.


 

Nach der mittleren Reife besuchte Mittig von 1939 bis 1942 die Ingenieurschule und lernte den Beruf des Maurers. 1943 wurde er zum Reichsarbeitsdienst und später zur Wehrmacht eingezogen. Zwischen 1945 und 1949 befand er sich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft und besuchte dort ab 1948 die Antifa-Schule.

1950 kehrte er zur Ingenieurschule zurück und schloss diese als Ingenieur für Hochbau ab. 1950 trat Mittig der SED bei. Zwischen 1950 und 1952 arbeitete er zunächst als Statiker, ehe er 1952 eine Anstellung beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS)fand. Dort war er zunächst in der Abteilung III (Sicherung der Volkswirtschaft) der Bezirksverwaltung (BV) Potsdam tätig, deren Leitung er ab 1953 übernahm. 1954 wurde er zum Stellvertreter Operativ des Leiters der BV Potsdam ernannt. Ein Jahr später erfolgte die Beförderung zum Leiter der BV Potsdam. Mit kurzzeitiger Ablösung durch Herbert Kittelmann von 1958 bis 1960 hatte er diese Funktion bis 1963 inne.

Von 1956 bis 1963 war Mittig zudem Mitglied der SED-Bezirksleitung Potsdam. Im September 1963 übernahm er die Leitung der Hauptabteilung (HA) XVIII (Volkswirtschaft) des MfS in Berlin. Ein 1966 begonnenes externes Studium an der Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit schloss er 1968 als Diplom-Jurist ab. Am 26. September 1969 wurde er zum Generalmajor ernannt

1975 übernahm Mittig den Posten des stellvertretenden Ministers für Staatssicherheit von Fritz Schröder, den er bereits seit Januar 1974 aus gesundheitlichen Gründen vertreten hatte. Im selben Jahr erhielt er den Vaterländischen Verdienstorden in Gold. 1976 wurde er Kandidat des Zentralkomitees der SED, 1986 vollwertiges Mitglied. Im Februar 1987 wurde er zum Generaloberst befördert. Damit war er zeitweilig nach Erich Mielke (Armeegeneral) der ranghöchste Offizier des MfS.

Während der Konterrevolution wurde Mittig im Dezember 1989 von seinen Funktionen entbunden und im Januar 1990 entlassen.

Bis zu seinem Tod lebte Rudolf(Rudi) Mittig als Rentner in Berlin.

 

Entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel